Kategorie: Gesundheit

Kinder in (körperlicher) Selbstbestimmung stärken

Wenn wir uns in Kinderbuchhandlungen umsehen, sind die Regale gefüllt mit Büchern zum Thema Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Sie erklären, dass Kinder „nein“ sagen können und dürfen, dass ihr Körper ihnen selbst gehört. Es ist gut, solche Kinderbücher als Anlass zu nehmen, um mit Kindern über Selbstbestimmung und körperliche Grenzen zu sprechen. Zu denken, dass nur ein oder mehrere solcher Bücher ausreichen, damit das Kind für sich und die eigenen Grenzen einstehen kann, ist allerdings eine Fehlannahme: Kinder lernen die Selbstbestimmung über ihren Körper vor allem über den Alltag und die vielen kleinen Momente, in denen wir ihnen zeigen, dass sie eine Stimme haben, die respektiert wird.

Was sich Eltern eigentlich wünschen

Für unsere Kinder wünschen wir uns, dass sie im Laufe ihres Lebens formulieren können, wenn sie etwas nicht wollen. Dass sie gute und selbstbestimmte Entscheidungen treffen in Bezug auf ihr gesamtes Leben, aber auch ihren Körper. Dass sei sich nicht von anderen gedrängt fühlen, sich nicht drängen lassen oder eine beständigen Unsicherheit in sich tragen, ob sie so, wie sie sind, in Ordnung sind und sein dürfen. Wir wollen, dass sie überzeugt „Nein“, „Lass das“ oder „Ich mag das anders.“ Diese Art der Selbstbestimmung kann ihnen in vielerlei Hinsicht im Leben eine Stütze sein und ist gerade auch in Bezug auf Erwartungen und Rollenbilder bei Mädchen und Frauen in Hinblick auf ihr Körperbild und Verhalten bedeutsam.

Stärkungssätze allein helfen nicht

Doch es reicht nicht, Kindern zu sagen „Du hast eine Stimme!“ oder „Du sollst ‚Nein‘ sagen, wenn Du etwas nicht magst!“. Sie müssen das Wissen darum, dass sie über sich selbst bestimmen können und ihre (körperliche) Integrität gewahrt wird, wirklich verinnerlichen dadurch, wie Eltern und andere Bezugspersonen mit ihnen umgehen und sie auch vor Außenstehenden, die ihre Grenzen überschreiten wollen, in Schutz nehmen.

In Bezug auf die Selbstbestimmung des Kindes benötigen wir auch hier wieder ein anderes Framing: Das »Nein« eines Kindes ist ein Entwicklungsschritt, der nicht mehr aus der Perspektive des Trotzes betrachtet werden sollte, sondern als bedeutender Meilenstein seiner Entwicklung. Das kindliche »Nein« ist ein Baustein auf dem Weg der Selbstbestimmung. Mit einem Nein grenzen wir uns ab, grenzen Gefühle, Wahrnehmungen und Wünsche ab. Erst durch das Nein haben wir auch einen freien Zugang dazu, Ja zu sagen, und auch dieses ist in Bezug auf die Selbstbestimmung wichtig: Wir müssen wissen, was wir wirklich wollen, was gut für uns ist. Dieses Ja zu uns selbst wird im Laufe der Zeit und gerade in Bezug auf die sexuelle Entwicklung im Jugendalter besonders wichtig. »Ja,
das mag ich!«, »Ja, das möchte ich (mit dir) ausprobieren« oder eben »Nein, das gefällt mir nicht«. Wenn wir schon als Kinder erfahren haben, dass wir die Kompetenz besitzen, unsere Bedürfnisse wahrzunehmen, auszudrücken und sie benennen zu können, können wir diese Sicherheit mitnehmen in unsere späteren Beziehungen.

Susanne Mierau: New Moms for Rebel Girls

Ein Bewusstsein schaffen für die eigene Wahrnehmung

Das, was wir unseren Kindern daher wirklich vermitteln müssen, sind nicht bestimmte Worte oder Sätze in bestimmten Situationen, sondern das Gefühl, dass ihre eigene Wahrnehmung richtig ist und sie darauf vertrauen dürfen. Sie dürfen erfahren, dass wir ihre Empfindungen nicht abwerten oder ihnen erklären, dass ihre Empfindungen nicht richtig sind. Genau dieses findet aber an vielen Stellen im Alltag statt, wenn wir ihnen erklären, dass es aber doch warm oder kalt ist und sie deswegen etwas anderes anziehen sollen, als sie wollen. Wenn wir ihnen sagen, dass das schon nicht so schlimm sei, dieses oder jenes zu machen, obwohl sie gerade gesagt haben, dass ihnen das unangenehm ist oder sie ängstigt.

Das bedeutet nicht, dass wir solche Situationen immer einfach „nur“ hinnehmen. Wir können, wenn sie beispielsweise ein Kleidungsstück anziehen wollen, das unserer Meinung nach nicht zum Wetter passt, sagen, dass sich das für sie so anfühlt und wir noch eine Jacke/T-Shirt mitnehmen, falls sie ihre Meinung ändern. Wir können annehmen, dass sie sich gerade ängstigen in einer Situation und nicht einfordern, dass sie sich zusammenreißen, sondern fragen, was sie brauchen, damit es ihnen besser geht.

Auch vor Außenstehenden für sie eintreten

Gerade anderen Personen gegenüber erscheint es vielen Eltern schwer, sich für die Selbstbestimmung des Kindes einzusetzen: Das Kind will dem anderen Familienmitglied keinen Kuss oder keine Umarmung schenken. Das Kind will nicht bei der anderen Familie übernachten. Das Kind lacht nicht über den Scherz eines Familienmitglieds. In diesen Momenten ist es ebenso wichtig, dass die Wahrnehmung des Kindes gestärkt wird: „Du möchtest nicht…“, „Du findest…“ und dann der anderen Person zu erklären, dass das Kind ein Recht auf Selbstbestimmung hat und dieses hier überwiegt vor dem Wunsch einer anderen Person.

Besonders bedeutsam ist schließlich zum Schutz des Kindes, dass andere Menschen lernen, die Grenzen nicht zu übertreten, gerade nicht von Schwächeren. Unsere Kinder (und wir Eltern) können nicht die gesamte Verantwortung dafür, dass Kinder für ihre Grenzen eintreten, allein übernehmen. Vor allem kommt es darauf an, dass Menschen in einer machtvolleren Position die Grenzen anderer nicht überschreiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und tragen seit über 10 Jahren maßgeblich zur Verbreitung bedürfnisorientierter Erziehung bei. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Hilfe, mein Kind will nicht die Zähne putzen! – Gewaltfreie Wege der Zahnpflege

Pflegesituationen sind gerade mit größer werdenden Kindern oft nicht einfach und auch das Zähneputzen kann zu einem Konfliktthema zwischen Eltern und Kind werden, wenn das Kind kein Interesse am Zähneputzen hat oder es gar verweigert. Gerade das Zähneputzen ist für viele Eltern eine angstbehaftete Situation, vielleicht aus den eigenen Erfahrungen mit Karies und Zahnbehandlungen heraus, vielleicht aus der Angst um die Unversehrtheit des Kindes heraus oder möglicher Folgeprobleme durch Karies. Tatsächlich ist die Zahnpflege des Kindes wichtig und es sollte von Anfang an ein Zahnpflegeritual etabliert werden – aber auf eine entspannte Art.

Angst ist ein schlechter Berater

Es ist normal, dass Eltern sich um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen und ihnen beste Rahmenbedingungen schaffen wollen für die Entwicklung – gerade auch in Hinblick auf die gesundheitliche Entwicklung. Karies ist eine Erkrankung, die sich nachhaltig auswirken und zu größeren Eingriffen führen kann, die gerade bei Kindern vermieden werden wollen. Auch die immer häufiger auftretende Erkrankung der Kreidezähne ängstigt viele Eltern. Obwohl wir darum wissen, dass es in Bezug auf die Vorbeugung von Karies viele Aspekte zu beachten gibt rund um Ernährung, Vermeidung von Ansteckung und dem Nuckeln an Getränken, ist besonders das Zähneputzen bei vielen Eltern der Faktor, der die größte Aufmerksamkeit bekommt.

Angst ist jedoch in vielen Situationen ein schlechter Berater für alltägliches Handeln. Leitet uns Angst in Bezug auf die Körperpflege, sind wir eher verleitet, übergriffig zu reagieren und die Signale des Kindes nicht nur zu übersehen, sondern auch bewusst zu ignorieren. Gerade der Blick auf die Bedürfnisse des Kindes ist es aber, der die Zahnputzsituation entspannen kann. Natürlich dürfen wir das Wissen um Karies nicht aus den Augen verlieren, aber die Angst davor sollte nicht den Blick für das Kind und Alternativen verstellen.

Gewöhnung von Anfang an

Die Zähen des Babys sollten geputzt werden, sobald die ersten kleinen Zähne erscheinen. Doch auch schon vorher können wir das Baby an die Reinigung gewöhnen. Gerade in Zahnungszeiten ist es für einige Kinder angenehm, wenn die Zahnleisten mit Finger oder einem Zahnputzfingerling massiert werden. Die ersten kleinen Zähnchen können dann auch mit einem Zahnbürstenaufsatz für den Finger gereinigt werden und es wird langsam auf eine Zahnbürste umgestiegen. Hier gibt es unterschiedliche Modelle, die auch von Babys schon gut gehalten werden können und Teilhabe ermöglichen.

Wenn das Kind nicht möchte

Aber auch wenn das Zähneputzen schon scheinbar ewig als Ritual etabliert ist, kann es immer wieder vorkommen, dass das Kind sich gegen das Zähneputzen wehrt und gerade jetzt und heute nicht möchte. Und vielleicht auch an einem anderen Tag nicht. Manchmal brechen neue Zähne durch und das Zähneputzen schmerzt, manchmal liegen andere Gründe vor. Anstatt das Kind aber mit Gewalt zum Zähneputzen zu zwingen, können wir die Rahmenbedingungen durchgehen. Das Zähneputzen ist ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Körperpflege und hat es deswegen verdient, einen entspannten Platz im Tagesablauf zu finden.

Nur abends geht es nicht

Manche Kinder verweigern abends das Zähneputzen, lassen sich aber morgens bereitwillig die Zähne putzen. Häufig ist dann am Ende des Tages die Kooperationsbereitschaft des Kindes einfach aufgebraucht, vielleicht ist es müde und erschöpft vom Tag. Hier kann es helfen, den Ablauf des Abends noch einmal genauer anzusehen, ggf. das Essen etwas nach vorn verschieben oder das Kind schon im Schlafanzug an den Esstisch setzen, damit nach dem Essen nicht noch weitere Zeit verstreicht, in der das Kind immer weniger Lust auf das Zähneputzen hat. Manchmal kann aber auch eine kreative Zahnputzsituation (siehe unten) die Müdigkeit kurz überdecken.

Manchmal liegt der eigentliche Grund der Verweigerung auch darin, dass das Kind das Zähneputzen als Schwelle zum Schlafengehen betrachtet und noch spielen und den Tag nicht beenden möchte. Auch hier ist es gut, den Ablauf noch einmal genauer anzusehen und das Zähneputzen vom direkten Schlafen zu entkoppeln, so dass das Kind beides nicht in Abhängigkeit voneinander sieht, beispielsweise durch eine kleine Spielsequenz nach dem Zähneputzen vor dem Zubettgehen.

Das empfindsame Kind

Wir alle nehmen Reize unterschiedlich wahr: Gerüche, Geschmäcker, Berührungen und haben auch unterschiedliche Arten, darauf zu reagieren. Einige Kinder sind empfindsamer als andere und/oder drücken ihre Empfindsamkeit besonders stark aus. Das ist normal und richtig. Vielleicht macht sich das auch an anderen Stellen bemerkbar, nicht nur beim Zähneputzen: Das Kind reagiert besonders empfindsam auf Textilien, mag keine Nähte oder Tags an Kleidung, ist sehr empfindsam bei Berührungen. Gerade das Zähneputzen kann für ein empfindsames Kind sehr anstrengend sein, weil das Zähneputzen durch eine andere Person vielleicht schmerzt, der Geschmack der Zahnpasta zu intensiv ist, die Bürsten zu hart.

Hier hilft es, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen: „Zeig mir, wie du es magst! Wie soll ich die Zähne schrubbeln oder lieber sanft fegen?“, „Schmeckt dir die Zahnpasta zu stark? Wir können einen anderen Geschmack ausprobieren.“ Manchmal ist es auch die Körperhaltung, die das Kind einnehmen muss: 2 Minuten lang stehen und den Kopf nach oben strecken ist unangenehm und anstrengend. Beim Zähneputzen auf dem Wickeltisch oder der Waschmaschine sitzen und auf Augenhöhe sein mit der putzenden Person in entspannter Körperhaltung ist wesentlich angenehmer. Wenn das Kind uns mitteilt, dass das Zähneputzen unangenehm ist, sollten wir Verständnis entgegen bringen und sehen, an welchen Rahmenbedingungen wir etwas ändern können anstatt zu erklären: „Stell dich nicht so an, tut mir ja auch nicht weh.“

Selbständigkeit ermöglichen

In der Zeit nach dem ersten Geburtstag macht sich das Kind mehr und mehr mit der Welt vertraut und versucht darin eigene Wege zu gehen: selbständig zu werden und zu sein. Die Dinge lernen, die es für das Leben benötigt. Die Körperpflege ist einer dieser Bereiche und auch hier möchte das Kind immer mehr selber machen. gerade dann, wenn wir merken, dass die Selbständigkeit dem Kind wichtig ist und dieser Wunsch zum Gegenwillen führt, wenn wir Erwachsenen „einfach schnell selber machen“ wollen lohnt sich ein Blick auf die Rahmenbedingungen: Kann das Kind gut am Waschtisch stehen und sich vielleicht selber Wasser in den Zahnputzbecher füllen? Kann es sich im Spiegel ansehen beim Putzen? Wer kreativ ist, kann auch einen kleinen Waschtisch nach Montessori improvisieren. Auch das Zähneputzen möchte natürlich selbst durchgeführt werden: Einige Kinder finden es gut, wenn sie zuerst putzen dürfen, andere mögen es, wenn sie die abschließende Reinigung übernehmen und gerade niemand mehr „nachputzt“.

Vorbilder sind wichtig

Unsere Kinder ahmen uns und andere nach und finden auch darüber den Weg in die Selbständigkeit. Wie in vielen anderen Bereichen (beispielsweise Töpfchen/Toilette) ist es auch beim Zähneputzen wichtig, dass das Kind auch andere Menschen dabei beobachten kann und nachahmen darf. Deswegen sind Eltern als Zahnputzvorbilder wichtig: gemeinsam können die Zähne geputzt werden. Das Kind kann dabei auch einmal in die Rolle des Erwachsenen schlüpfen und diesem die Zähne putzen und der Erwachsene dann dem Kind. In der Rolle des Kindes kann die erwachsene Bezugsperson dann auch erfahren, wie sich das Zähenputzen anfühlt und an welchen Stellen es vielleicht aus der Sicht des Kindes Probleme gibt. Vorbilder können Kinder aber auch in Büchern und Videos finden. Es ist viele Bücher rund um das Zähneputzen, die Kindern nicht Angst machen, sondern auch Freude am Zähneputzen wecken.

Kreative Ideen

Und wenn nichts von den genannten Ursachen in Frage kommt? Dann hilft uns manchmal nur ein kreativer Umgang mit dem Zähneputzen mit Hilfe von

  • Zahnputzlieder singen oder Zahnputzgedichte aufsagen
  • Eine Geschichte ausdenken zum Zähneputzen: Jeden Abend müssen die Zahnputzmonster erst lockergeschrubbt und dann herausgefegt werden…
  • Kuscheltiere oder Handpuppen/Waschlappen die Zähne putzen lassen. Ein einfacher Waschlappen kann mit zwei angenähten Knöpfen und etwas Wolle zu einer Zahnputzfee werden, die abends die Zähne säubert
  • Zahnputzvideos ansehen
  • Es gibt elektrische Zahnbürsten mit Apps, bei denen dann die Bakterien aus dem Mund geputzt werden
  • Zähneputzen an unterschiedlichen Orten: „Weißt du, wo wir noch nie die Zähne geputzt haben?“
  • Färbetabletten aus der Apotheke benutzen: Zahnfärbetabletten färben den Plaque blau und es ist sichtbar, wo besser geputzt werden sollte

Manche Eltern denken, es sei absurd, einen großen Aufwand um das Zähneputzen zu betreiben, wenn das Kind doch auch festgehalten werden könnte. Dabei wird aber die körperliche Integrität des Kindes übergangen, was langfristige Folgen haben kann. Auch Zahngesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der körperlichen Gesundheit und es ist wichtig, Kindern nicht das Engagement und die Bereitschaft zu nehmen, sondern das Zähneputzen als gutes Ritual zu etablieren, das Kinder ihr ganzes Leben lang begleiten wird. Die Zeit, in der Kinder vielleicht überredet oder kreativ begleitet werden müssen, ist vergleichsweise kurz in Bezug darauf, für wie lange wir ihnen mit diesem Aufwand ein gutes Vorbild und Gefühl mitgeben können. Gewaltfreiheit ist ein Recht des Kindes und mit Kreativität, geänderten Rahmenbedingungen und Ablenkung schaffen wir es, das Vertrauen des Kindes in uns zu erhalten, dass wir die schützenden Bezugspersonen sind, die unterstützen, helfen und auf dem Weg in das Großwerden begleiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

„Ich hab Bauchweh“ – Wenn Kinder eine Pause brauchen

Manchmal sind die Tage anstrengend. Manchmal gibt es Streit mit Freund*innen, manchmal gibt es Umbrüche im Alltag. Auch für Kinder ist nicht jeder Tag einfach. Und auch bei ihnen kann Stress und Anspannung auf den Bauch schlagen. Wichtig ist natürlich, zunächst abzuklären, ob nicht wirklich eine Erkrankung hinter dem Bauchweh oder den Kopfschmerzen steht*. Neben solchen Erkrankungen projizieren Kinder aber auch unangenehme Gefühle auf Kopf oder Bauch: „Mein Kopf tut weh!“, „Ich hab Bauchweh.“ – Diese Sätze kennen wohl viele Eltern. Aber wie können wir damit umgehen, wenn das Kind scheinbar Schmerzen ohne „echte“ Ursache hat?

Schmerzen sind Schmerzen

Schmerzen sind Schmerzen. Wir können nicht nachfühlen, ob das Kind Schmerzen hat oder nicht, auch wenn es keine medizinische Ursache gibt. Es ist möglich, dass sich ein Unwohlsein tatsächlich durch Schmerzen äußert. Deswegen gilt immer: Wenn Kinder Schmerzen haben, sollten wir diese Ernst nehmen. Hat ein Kind Schmerzen oder spricht es über Schmerzen, sollten wir daher nicht sagen: „Das ist nicht schlimm“, „Das kann gar nicht sein“, „Das bildest du dir nur ein“, sondern vielmehr Verständnis entgegen bringen: „Das tut dir weh!“ „Zeig mir, wo es weh tut“ oder auch „Was glaubst du, woher die Schmerzen kommen“ – solche Reaktionen bieten eine Möglichkeit zum Gespräch. Das Kind fühlt sich angenommen und verstanden und kann sich weiter öffnen.

Die Frage nach einer möglichen Ursache kann gerade auch bei größeren Kindern eine Tür sein, um dem Grund auf die Spur zu kommen: Vielleicht ist ein anderes Kind krank mit solchen Schmerzen, vielleicht hat es in Kita oder Schule etwas über eine Krankheit gehört, das es verängstigt hat. Vielleicht sagt es auch direkt, dass ein anderes Kind es geärgert hat und es seither Schmerzen hat. Oder dass es weh tut, weil gerade eine bestimmte Situation so anstrengend ist. Geben wir den den Kindern die Möglichkeit, den Schmerz zu benennen und sind wir bereit, uns darauf einzulassen, helfen wir den Kindern bereits durch das Gefühl, nicht allein zu sein.

Schmerzen „behandeln“

Vielleicht können wir durch solche Gespräche bereits die Ursache finden und an einem konkreten Problem gemeinsam arbeiten. Manchmal ist die Ursache aber auch nicht so einfach oder überhaupt nicht zu finden. Hier hilft es, wenn wir dem Kind Unterstützung geben beim Umgang mit dem Schmerz.

Oft haben Kinder „Bauchschmerzen“ oder „Kopfschmerzen“, wenn sie eine Ruhepause brauchen und ein wenig aus dem Alltag ausbrechen müssen, um mal wieder Zuwendung und Aufmerksamkeit von den Bezugspersonen zu bekommen. Das kann im Alltag einfach vorkommen, dass es zwischenzeitlich mal ein stärkeres Bedürfnis danach gibt, vielleicht weil der Alltag gerade sehr anstrengend oder mit vielen Veränderungen verbunden war. Wichtig ist, dies zu erkennen und (ohne Anklage) darauf zu achten, dem Kind zu vermitteln, dass es auch andere Wege geben kann, um Ruheinseln in den Alltag einzubetten, ohne dass dafür Beschwerden herangezogen werden müssen. Gerade in anstrengenden Übergangszeiten oder wenn es gruppendynamische Probleme gibt, bieten sich regelmäßige Rituale an, um die Akkus wieder aufzufüllen.

In der konkreten Situation aber geht es zunächst darum, für diese aktuelle Situation eine gute Begleitung zu finden und dem Kind liebevolle Zuwendung zukommen zu lassen. Wie sie aussehen kann, ist ganz verschieden – je nach Vorlieben des Kindes.

Ideen zur „Behandlung“ sind beispielsweise:

  • An erster Stelle steht immer das Mitgefühl
  • Körperkontakt: die warme Hand des anderen auf dem schmerzenden Bauch oder Kopf tut gut. Über Körperkontakt können wir Fürsorge vermitteln, Oxytozin, das bei positivem Körperkontakt ausgeschüttet wird, beruhigt und entspannt. Auch eine entspannende Bauchmassage (im Uhrzeigersinn) kann helfen. Oder mit etwas Creme ein lachendes Gesicht, eine Sonne oder ein Herz auf den Bauch des Kindes zu malen.
  • Ruhig zusammen atmen: Das Kind kann bei Bauchschmerzen die eigenen Hände auf den Bauch legen und bis in den Bauch atmen: Der Bauch hebt sich. Dann langsam ausatmen lassen und beobachten, wie sich der Bauch wieder senkt.
  • Bei Kopfschmerzen kann der Kopf in die Hände genommen und angenehm umfasst und dabei ebenfalls ruhig geatmet werden.
  • Mag das Kind Berührung (gerade) weniger, kann auch ein warmer Tee beruhigend und entspannend wirken.
  • Manchmal tut es auch gut, den Schmerz zu verbildlichen: Ein Bild dazu malen, eine Figur kneten. So wird der Schmerz in Gedanken aus dem Körper ausgelagert.
  • Hat das Kind über einen längeren Zeitraum Schmerzen, sollten auch die Gewohnheiten in den Blick genommen werden: Gibt es konkrete Auslöser, schläft es zu wenig, treten Schmerzen nach ganz bestimmten Situationen auf?

So, wie für Erwachsene, gibt es auch für Kinder eine Vielzahl an anstrengenden Situationen. Nur weil die Kinder sind, kommen sie nicht zwangsweise leichter mit dem Alltag zurecht oder sind unbeschwerter. Haben wir einen Blick für ihre Bedürfnisse und gönnen wir ihnen die Ruhe- und Entspannungspausen, die wir uns ja auch oft wünschen.

Eure

*Bei plötzlich auftretenden Schmerzen oder länger andauernden Schmerzen ist eine Ärztin/ein Arzt aufzusuchen. Gerade bei Bauch- und Kopfschmerzen gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen, die abgeklärt werden sollten. Dieser Artikel bezieht sich ausschließlich darauf, wenn von medizinischer Seite Erkrankungen/Nahrungsmittelunverträglichkeiten/Sehprobleme etc. ausgeschlossen werden können und Bauch- oder Kopfschmerzen durch Anspannung/Stress/Nähebedürfnis entstehen.

Hausmittel für Kinder: Wickel, Auflagen und Kompressen

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Der Herbst ist da und damit die ersten Schniefnasen, ein kleiner Husten hier oder auch manchmal leicht erhöhte Temperatur. Zeit, um einerseits die Hausapotheke aufzufrischen mit Medikamenten für den Notfall, aber auch um die kleinen Alltagshelfer bereit zu legen, die bei kleineren Erkrankungen oder zur Überbrückung gut genutzt werden können. Wickel können für junge und ältere Menschen bei einigen Erkrankungen eine Linderung verschaffen und sind gerade auch bei Kindern ein schönes Ritual.

Wickel, Kompresse oder Auflage?

Fast jeder kennt den Klassiker unter den Wickeln: Wadenwickel bei Fieber. Aber auch bei Husten und anderen Beschwerden können Wickel angewendet werden. Nahezu jeder Körperbereich kann damit versorgt werden: Unterschieden wird zwischen den klassischen Wickeln, bei denen ein Körperteil vollständig umwickelt wird (Z.B. Brustwickel), den Auflagen, die nur aufliegen, nicht aber alles umfassen und Kompressen, die auf kleinen Körperstellen liegen, wie z.B. Ohrkompressen. Grob unterscheidet man auch warme und kalte Wickel:  Kalte Wickel werden insbesondere bei Fieber und Entzündungen eingesetzt, aber auch bei Verstauchungen/Prellungen oder Insektenstichen. Warme Wickel hingegen fördern die Durchblutung und entspannen, beispielsweise bei Bauchschmerzen. 

Anwendungsregeln für Wickel

  1. Zunächst muss der Raum angenehm warm sein, so dass das Baby oder Kind entkleidet werden kann ohne dass es sofort auskühlt oder wegen der Kälte weint oder sich verkrampft. Gut ist es, in einem warmen Raum zu wickeln und das Kind dann in einen anderen Raum zu bringen, in dem zuvor gelüftet wurde. Die entspannende Wirkung eines Wickels vertieft die Atmung.
  2. Zeit nehmen: kein Handy, keine Ablenkungen.
  3. Bevor gewickelt wird, sollten alle „Wickelzutaten“ in Reichweite gelegt werden, damit der Wickel schnell angelegt werden kann und Eltern nicht in die Versuchung kommen, das Kind kurz allein auf dem Wickeltisch liegen zu lassen, um etwas zu holen (Achtung: Sturzgefahr, Kinder niemals allein auf dem Wickeltisch liegen lassen – auch nicht, wenn sie krank und schläfrig sind!).
  4. Mit dem Kind reden: Sprachlich begleiten, was gemacht wird. Das ist auch schon für die ganz kleinen Kinder schön und hilfreich.
  5. Nachfragen: Ist es gut so? Wenn sich das Kind unwohl fühlt, muss der Wickel wieder entfernt werden.

Wie sieht ein Wickel aus?

Dank Wickelsets ist das Anlegen eines Wickels nicht besonders schwer. Die Tücher sollten mehrmals vorgewaschen werden, damit sie angenehm weich sind. Der eigentliche Wickel besteht meistens aus 3 Tüchern:

Das Innentuch kommt direkt auf die Haut und sollte so groß sein, dass es den zu behandelnden Bereich bedeckt. Es kann aus Baumwolle, Leinen oder Seide bestehen. Leinen ist besonders gut für kalte Wickel, da es Körperwärme gut ableitet. Hat man kein extra Wickelset, kann man auch ein Geschirrtuch oder eine Mullwindel als Innentuch verwenden. Das Innentuch ist der Träger des Mittels, das zur Anwendung gebracht wird. Es wird in Wasser oder Tee getränkt oder bei einem Quarkwickel mit Quark bestrichen. Dann wird es straff und faltenfrei (damit der Wirkstoff gut einziehen kann und es bequem ist) auf die entsprechende Körperstelle aufgelegt.

Über das Innentuch, das auf der Haut aufliegt, kommt das Zwischentuch. Das Zwischentuch ist insbesondere dafür da, das Außentuch vor dem Durchweichen zu schützen. Es sollte größer sein als das Innentuch, um alles gut abzudecken. Es kann aus Baumwolle sein. Für wärmende Wickel am Hals oder auf der Brust eignet sich besonders Heilwolle, die den wärmenden Effekt verstärkt.

Die letzte Schicht nach außen bildet das  Außentuch, das die Temperatur des Wickels für einige Zeit halten und vor Durchweichen schützen soll. 

Wie Wickel wirken

Wickel können wärmen oder kühlen – je nach Material, dem verwendeten Hausmittel (Quark, Zitronenwasser, Öl, Bienenwachs,…), der Feuchtigkeit des Tuches und der Dauer der Anwendung.

Wird etwas Kaltes auf die Haut aufgelegt, ziehen sich zunächst die Blutgefäße zusammen, um einem Wärmeverlust vorzubeugen. Die Stelle kühlt leicht ab. Doch nicht nur auf der betreffenden Stelle wirkt der Kältereiz:  Er aktiviert auch das vegetative Nervensystem, so dass sich die Blutgefäße verengen, der Blutdruck gesteigert und die Atmung vertieft wird. Auch der Stoffwechsel wird angeregt, weshalb es beim Wechseln von kalten Wickeln gut ist, sie auszuspülen vor erneutem Anlegen: der Körper entgiftet, weil sich die Poren durch den nassen Wickel weiten und die Abbauprodukte so gut über die Haut ausgeschieden werden können. Bleibt der Wickel dann aber länger auf der Haut und das Tuch trocknet, wird der einstmals kühlende Wickel warm durch die Körperwärme. Diese Wärme wird beispielsweise bei Halswickeln genutzt.

Warme Wickel entspannen und lösen Krämpfe. Sie werden feucht und warm (aber nicht heiß) aufgelegt und regen die Durchblutung an, wodurch mehr Sauerstoff und Nährstoffe an den Ort der Auflage gelangen.

Natürlich können Wickel aber auch einfach durch ätherische Öle wirken und müssen nicht über die Temperatur Einfluss nehmen, wie beispielsweise bei beruhigenden Auflagen mit Lavendelöl oder bei Zwiebelkompressen für die Ohren.

Anwendungsbeispiele

Wickel gibt es viele verschiedene und sie werden oft zusammen mit klassischen Hausmitteln eingesetzt: Kartoffelwickel sind beispielsweise eine häufige Anwendung bei Halsschmerzen ohne Fieber am Abend. Eine warme, zerdrückte Kartoffel wird dann in ein Tuch eingeschlagen und mit Halswickelset oder Schal einwirken lassen. Bei Fieber und Halsschmerzen wird eher ein Quarkwickel gemacht. Bei Husten kann auch ein Bienenwachswickel Linderung verschaffen, entweder fertig gekauft oder nach dieser Anleitung hergestellt. Der Wadenwickel kann bei Kindern ab etwa 2 Jahren dann angewendet werden, wenn das Fieber nicht mehr steigt, das Kind am ganzen Körper warm ist und schwitzt. Er hilft dann beim Senken des Fiebers. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass die sich vom Körper erwärmenden Tücher regelmäßig ausgewechselt werden, um die kühlende Wirkung zu erzielen. Etwa 3-4 Durchläufe mit kühlenden Tüchern werden insgesamt gemacht. „Kühlend“ bedeutet nicht, dass kaltes Wasser verwendet wird: für die fiebersenkenden Wadenwickel wird lauwarmes Wasser benutzt.

Verschiedene Wickel für Kinder

1 Wadenwickel für Kinder von Petit & Grands
2 Ohrkompressen von Wickel & Co.*
3 selbstgemachter Bienenwachswickel, auch fertig zu kaufen von Wickel & Co.*
4 Brustwickel von Wickel & Co.*
5 Halswickel von Wickel & Co.*

Wann zum Arzt?

Hausmittel können eine gute und oft auch schnelle Hilfe sein, um bei leichten Erkrankungen Linderung zu verschaffen. Wichtig ist, die Kinderärztin/den Kinderarzt hinzu zu ziehen, wenn Verdacht auf eine Kinderkrankheit besteht, Symptome nicht eindeutig eingeordnet werden können, Eltern unsicher sind, ein Fieber andauert oder Beschwerden nicht innerhalb von drei Tagen besser werden. Auch bei schneller Verschlechterung des Wohlbefindens muss ggf. schnell Arzt/Ärztin hinzugezogen werden, daher ist es wichtig, kranke Kinder gut im Auge zu behalten. Wer ätherische Öle verwenden möchte, sollte sich an fachkundiger Stelle über deren richtige Anwendung informieren. Gerade bei Kindern gibt es hier Einschränkungen. Auch bei Ohrenschmerzen sollte ein Besuch der Ärztin/des Arztes erfolgen. Ohrenschmerzen (aber auch andere Schmerzen) können für Kinder sehr schlimm sein und es ist wichtig, sie nicht den Schmerzen zu überlassen, sondern eine geeignete Schmerzbehandlung zu ermöglichen. Hausmittel sind toll, aber manchmal ist mehr als Wickel, Tee und Kompressen notwendig. Außerhalb der Öffnungszeiten der eigenen Kinderärztin kann auch der Kinderärztliche Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen werden bzw. Notdienstpraxen. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen muss natürlich umgehend der Rettungsdienst der Feuerwehr gerufen werden.

Eure

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Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik), Heilpraktikerin, Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Elternblogs über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.  

Zieh Deinem Kind mal die Schuhe aus! Warum Barfußlaufen so gesund ist

Barfußlaufen ist eine besondere Erfahrung für Kinder, denn durch das Laufen nehmen sie ihre Umgebung besonders gut wahr, be-greifen die Natur und Umwelt und haben zudem die Möglichkeit, einen gesunden Fuß zu entwickeln. Die drei Fachrauen Nadine Arndt, Frühpädagogin und Tagesmutter, Maike Meier, Kinderphysiotherapeutin, und Vivian Gläsel, Barfußlauftrainerin und Physiotherapeutin, haben es sich zur Aufgabe gemacht, über das Barfußlaufen aufzuklären und berichten in diesem Artikel über die Vorteile:

Schon für kleine Babys hat das Barfuß-Sein einen großen Mehrwert. Bewegt sich ein Neugeborenes, tut es das immer mit dem gesamten Körper: Dreht es beispielsweise den Kopf, bewegen sich automatisch auch seine Arme, Hände, der Rumpf, die Beine und Füße (mit). Wir sollten die Füße daher in Gedanken nicht vom restlichen Körper trennen. – Der Körper ist eine Einheit und dies gerade noch bei den Babys. Wenn bereits Babys häufig barfuß sind, beschäftigen sie sich viel mehr mit ihren Füßen, betasten sie mit Händen und Mund, fühlen mit ihnen die Untergründe, Gegenstände und bekommen so schon mal eine „Idee vom Fuß“. Auch bei der Selbstregulation spielen die Füße des Babys eine wichtige Rolle

Sobald das Kind in Bewegung ist – und sei es „nur“ das Drehen, sind immer auch die Füße mit dabei. Bewegt sich das Kind dann auf den Füßen fort, mit nackter Haut und ganzer Sohle, werden die vielen Sinneseindrücke gesund und unverfälscht an den Rest des Körpers weitergeleitet und verarbeitet. Immer dick eingepackt „schaltet der Fuß ab“ und kann seine eigentliche Aufgabe der Reizweiterleitung nicht übernehmen. Barfuß können die verschiedensten Bewegungsformen ausprobiert werden: auf Zehenspitzen gehen, auf der Sohle, den Fersen. Kinder können laufen, rennen und klettern – mit dem natürlichen Halt der nackten Haut. Krabbeln, hocken oder auf ihren Oberschenkeln sitzend verweilen. Entgegen der Annahme, die Kinder könnten sich mit ungeschützten Füßen im Alltag leichter verletzten, zB. an Möbelkanten oder durchs Auftreten aufs Spielzeug, zeigten viel barfuß laufende Kinder mehr Umsicht und Vorsicht durch die intensivierte Wahrnehmung ihrer Umwelt. 

Die gesunde Entwicklung des Fußes durchs Barfußlaufen begünstigen

Die Quer- und Längswölbung des Fußes entsteht erst mit der Beckenaufrichtung im 4. Lebensjahr. Daher ist es wichtig, in dieser Zeit den Füßen viel Input zu geben. Die gut entwickelten Fußmuskeln stabilisieren die gewölbte Fußunterseite. Sind die Muskeln zu schwach, können Platt-, Spreiz- oder Senkfüße entstehen. Zwei Drittel aller Kinder wachsen mit „ungesunden“ Füßen auf, was später zu Gelenk- und Haltungsbeschwerden führen kann. Bis zum 8. Lebensjahr sollte sich das Längsgewölbe vollends aufgebaut haben. Hat ein Kind dann noch immer platte Füße, ist es erst recht wichtig, viel barfuß zu laufen und somit den Fuß zu trainieren. Einlagen sind hier eher nicht das Mittel der Wahl: Sie erhalten den Zustand, da sie den Fuß unterstützen anstatt zu fordern. Dies gilt nicht für angeborene oder erworbene Fußdeformitäten (zB. Klumpfüße…). Mit häufigem Barfuß-Laufen können jedoch viele der bekannten Haltungsfehler und Fußfehlstellungen vorgebeugt werden.

In Beziehung zu sich selbst und zur Umwelt sein über die Füße

Kinder in VerBINDUNG zu bringen mit der Erde, auf der sie leben, auf der sie fühlen, lernen, wachsen – diese ursprüngliche Bindung fördert das Barfuß sein ganz von allein. Barfuß nehmen die Kinder die Welt anders wahr und es ergeben sich auch Gesprächsanlässe über die Wahrnehmung und darüber über die Umwelt. Aber vor allen Dingen: eine VerBINDUNG zu sich selbst aufzubauen, zu seinem Körper, zur natürlichen Nacktheit der Füße, welche das Kind ein Leben lang tragen werden, ist sehr wichtig für den Menschen und eine gesunde Ausbildung des Ich. 

Probier es aus: Barfuß für Kinder (und Eltern)

Was gibt es für ernstzunehmende Tatsachen, die gegen das Barfußlaufen sprechen?

  1. Verletzungen: Ja! Bitte sei wachsam bei spitzen Gegenständen wie Scherben an öffentlichen Plätzen oder Insekten wie Bienen auf dem Rasen! Geht erstmal barfuß los und habt Schuhe dabei, für den Fall, dass ihr in eine gefährdende Situation geratet.
  2. Hitze / Kälte: Auch hier ist Schutz vor Verletzungen geboten, bei so heißen Temperaturen wie in diesem Sommer heizt sich Stein, Asphalt, Terrasse, Sand usw. stark auf und meist wollen die Kinder von sich aus Schuhe anziehen. Ebenso solltet ihr natürlich Winterschuhe haben für frostige Minusgrade.

Das waren sie aber im Grunde auch schon, die Gründe, die gegen das Barfußlaufen sprechen. Historisch gesehen waren dies auch über Jahrtausende die ersten und einzigen Gründe, überhaupt „Schuhe“ (anfänglich ja nur Stoffummantelung oder Textil/Natursohlen) zu tragen.

Vorurteile und Ängste in Bezug auf das Barfußlaufen

„Mein Kind wird bei kalten Füßen schneller krank, es erkältet sich aufgrund der nackten Füße“

Die Sorge, dass Dein Kind aufgrund nackter Füße anfälliger für Erkältungen sein könnte, ist nicht begründet. Bei gesunden (nicht immungeschwächten) Kindern stärken nackte Füße sogar das Immunsystem und die Fähigkeit des Körpers, die Temperatur zu regulieren. Ein Kind wird durch Erreger krank, nicht durch kurzzeitig kalte Füße.Des Weiteren ist der Fuß ein Temperaturausgleicher – der nackte Fuß darf also kühler sein, als der Rest des Körpers. Solange der Rumpf warm ist (zu testen zwischen den Schulterblättern oder im Nacken) dürfen die Füße unbesorgt kühl sein.
Du kannst immer wieder kontrollieren und nach deinem Empfinden wieder Socken anziehen.


„Das ist unhygienisch“

Der junge, weiche, saubere Fuß Deines Kindes ist nicht unhygienisch. Oder meinst du die Straße, den Einkaufsladen, den Waldboden oder den Sand (…) auf dem es barfuß läuft?
Sollte Dein Kind keinen Fußpilz oder ähnliche, infektiöse, ansteckende Erkrankungen am Fuß haben, ist am barfuß laufen drinnen wie draußen nichts unhygienisch. Ebenso sollte es keine offenen Wunden am Fuß haben, damit diese sich nicht entzünden, wenn zB. Erde in die Wunde eintritt. Ansonsten: Krankheitserreger befinden sich überall, ob Dein Kind mit den Händen im Spielplatzsand wühlt oder es die nackten Füße in den Waldboden buddelt oder eben im Drogeriemarkt barfuß einkaufen geht – eine tägliche Hand- und dann auch Fußhygiene zur Vermeidung von Keimverbreitung ist natürlich notwendig. Gerade Fußbäder sind für Kinder auch besonders schöne Momente der Entspannung und können ein wunderbares Ritual werden.

Vorteile des Barfußseins zusammengefasst

Stimulation der Fußreflexzonen
Durchblutungsförderung
Stärkung des Immunsystem
Weniger Schweiß-Füße
Verbesserung der Koordination
Förderung der motorischen Entwicklung
Training der Fußmuskeln
stabiler Stand
natürliche Entwicklung zu einem gesunden Körperbewusstsein
 Verbundenheit zu sich selbst und der Umwelt

Wie machen es andere? #barfusskinderchallenge auf Instagram

Die Fachkraft für Frühpädagogik und Tagesmutter Nadine Arndt, die Kinderphysiotherapeutin Maike Meier und die Barfußlauftrainerin und Physiotherapeutin Vivian Gläsel haben sich zusammengetan mit dem Ziel, über die Vorteile des Barfußlaufens aufzuklären. Am 01.08. startet hierzu die #barfusskinderchallange auf Instagram, an der sich alle Interessierten beteiligen können. Unter dem Hashtag gibt es Hintergrundinformationen, Ideen und Austausch unter den Teilnehmer*innen. Mehr lest Ihr bei:

Nadine Arndt von @__kuestenkinder__
Maike Meier von @kinderphysiotherapiemaike
Vivian Gläsel von @vivi.barfuß

 

Kräuterbonbons selber machen

Die Erkältungszeit ist da: Zeit für Wickel, Tees und warme Suppen. Und manchmal auch Zeit für einen Kräuterbonbon, um die Halsschmerzen oder den Reizhusten ein wenig zu lindern durch das Befeuchten des Halses. Auf feuchten Schleimhäuten setzen sich Krankheitserreger weniger gut fest. Und ein paar ätherische Öle können die Wirkung unterstützen. So wie das Ansetzen von Hustensaft, können auch Kräuterbonbons zusammen mit den Kindern hergestellt werden.  Weiterlesen

Brotdosen für Kita und Schule – nachhaltig und ausgewogen Brotboxen befüllen

Seit einigen Wochen haben Kindergarten und Schule wieder begonnen. Damit hat auch die Zeit wieder begonnen, Brotdosen für Kita und Schule zu befüllen und den Kindern auf ihre Wege mit zu geben. Noch aus meiner eigenen Kindheit kann ich mich daran erinnern, wie viele Schulbrote bei mir in der Klasse weggeworfen wurden und auch heute ist das weggeworfene Schulbrot ein großer Posten in Hinblick auf vermeidbaren Müll und Lebensmittelverschwendung. Deswegen ist es gut, Schulbrot und Kitabrotbox zu planen, nach Möglichkeit mit dem Kind.

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Mit ätherischen Ölen den Schulalltag verbessern

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Ätherische Öle sind wunderbar und können uns in allen Lebenssituationen begleiten, insbesondere im Leben mit Kindern: von der Schwangerschaft über die Geburt und durch die Kindheit. Was wir riechen, wirkt im limbischen System, dem Ort der Gefühle im Gehirn und nimmt direkt Einfluss auf sie – und umgeht auf diese Weise unser regulierendes Großhirn. Düfte erinnern uns an Situationen, lassen plötzlich Erinnerungen auftauchen und können auch direkt unser Befinden beeinflussen: Ein Duft kann anregend, beruhigend oder ausgleichend wirken. Deswegen sind ätherische Öle gerade auch im Arbeits- und Schulalltag eine gute Unterstützung. Sie können sanft Einfluss nehmen auf unser aktuelles Befinden und uns helfen, uns zu beruhigen oder anzuregen für neue Aufgaben. Primavera hat in ihrer Duftmischung „Leichter lernen“ jene ätherischen Öle zusammengeführt, die eine bessere Konzentration ermöglichen. Weiterlesen

Mein Kleinkind ist mäkelig beim Essen

„Nein, ich will das nicht essen!“
„Aber probier doch wenigstens mal!“
„Nein.“
„Aber es ist gesund.“
„Ist mir egal, ich will das nicht.“
„Aber du kannst doch nicht immer dasselbe essen. Einen Happen!?“
„Nein! Ich! Will! Das! Nicht!“
Punkt.

An welche Situation hast Du gerade gedacht? An einen Erwachsenen und ein Kind? Lies es noch einmal und denke an zwei Erwachsene. Denke an Dich. Wie lange würdest Du dieses Gespräch mitmachen? Wann würdest Du Dich fragen, ob Du Deinen Standpunkt nicht schon ausreichend klar gemacht hast? Ich würde bei meinem zweiten Nein denken, dass mein Gegenüber verstanden haben sollte, dass ich meine Meinung dargelegt habe. Frage Dich: Warum eigentlich gelten für Kinder andere Regeln? Warum vertrauen wir nicht auf ihr Bauchgefühl? Warum wollen wir Kinder immer zum Essen überreden?

Die Angst der Eltern: Mein Kleinkind will nicht essen

Unsere Kinder sind uns wichtig und wir sind um ihr Wohlergehen besorgt. Jeden Tag, ihr ganzes Leben lang haben wir dieses Wohlergehen im Auge. Wir wünschen uns, dass es ihnen gut geht, dass sie gesund sind und natürlich spielt Ernährung dabei eine wichtige Rolle. Es ist normal, dass wir uns sorgen, unser Kind könnte sich nicht gut ernähren. Doch diese Sorge darf nicht zu groß werden und sich nicht in Druck verwandeln. Wenn ein gesundes Kind Hunger hat, isst es. Und wir Eltern stellen hierfür eine gesunde Auswahl zur Verfügung. Wenn uns als Eltern das Essverhalten des Kindes besonders bebekümmert, lohnt sich manchmal die Frage: Warum mache ich mir solche Sorgen? Woher kommt meine Angst? Manches Mal haben wir auch nur keinen guten Überblick über das Essen, wenn gerade Kleinkinder viel „zwischendurch“ essen und wenig zu den Hauptmahlzeiten. Hier kann es sich lohnen, einmal konkret zu beobachten, was das Kind den ganzen Tag über zu sich nimmt.

Wenn Du Dir wirklich Sorgen machst, notiere über den Zeitraum von einer Woche, was Dein Kind wann ist und wieviel. Diese Notizen können eine gute Basis sein, um die Situation bei einer Beratung einzuschätzen. Oft können Eltern dadurch auch sehen: Mein Kind isst gar nicht schlecht, aber über viele Kleien Mahlzeiten verteilt.

Die richtige Auswahl

Wenn es Süßes und Fettiges zur Wahl gibt, wird das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit dieses bevorzugen, erklärt der Arzt Herbert Renz-Polster u.a. in seinem Buch „Kinder verstehen“. Nicht, weil es von sich aus ungesund leben will, weil es uns ärgern möchte, sondern einfach, weil es sich auf diese Weise einen Vorrat anlegen will, der früher einmal sinnvoll war in Zeiten, in denen nicht sicher war, wann und wie viel besonders reichhaltige Nahrung vorhanden war. Heute jedoch sind wir eigentlich auf diesen Vorrat nicht mehr angewiesen. Deswegen ist es so wichtig, unseren Kindern eine gesunde Auswahl anzubieten, aus der es sich etwas auswählen darf. Wenn es nicht essen möchte, möchte es nicht essen.

Manches Mal ist es auch die Esssituation, die dem Kind Schwierigkeiten bereitet. Essen ist eine sinnliche Erfahrung und auch im Kleinkindalter wollen Kinder noch mit allen Sinnen erfahren: Sie möchten die Speisen riechen, befühlen und kosten. Zu strenge Tischmanieren können die Freude am Ausprobieren hemmen.

Wenn Kleinkinder Essen ablehnen, ist das auch normal

In manchen Phasen haben Kinder besondere Bedürfnisse: Sie brauchen besonders viel Kohlehydrate und ein anderes Mal vielleicht besonders viel Eiweiß. Sie zeigen uns dies, indem sie über einen längeren Zeit das gleiche wünschen und andere Speisen ablehnen. Das als „Neophobie“ bezeichnete Ablehnen von neuen Speisen ist eine aus Kindersicht sinnvolle Handlung: Sie schützt davor, Unbekanntes unbedacht in den Mund zu stecken. Hier hilft es nicht, das Kind zum Probieren zu zwingen, sondern das regelmäßige Anbieten ist eine gute Methode, damit das Kind irgendwann doch einmal probiert. Immer und immer wieder anbieten und Vorbild sein! Manches Mal wird die Speise dann auch lieber vom Teller der Eltern probiert als vom eigenen. Und manchmal sind es auch noch einmal andere Gründe, die dem Kind den Hunger nehmen: Wenn es im Sommer heiß ist, ist der Appetit oft geringer und Kinder essen eher viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt. Auch das ist normal und sogar ganz sinnvoll.

Das eigene Essverhalten in den Blick nehmen

Eine gesunde Auswahl anzubieten bedeutet auch, das eigene Essverhalten in den Blick zu nehmen. Als Eltern sind wir Vorbilder: In dem, was wir sagen und dem, was wir tun. Kinder beobachten genau und sehen, wenn wir als Erwachsene aus unserem Essen aussortieren oder beim Frühstück immer einen bestimmten Aufstrich haben wollen. Sie nehmen auch die kleinen Anzeichen wahr, wenn wir ihnen ein gesundes Gemüse anbieten, das wir selber nicht mögen. Sie hören, wenn wir schwindeln und sehen, wenn wir ein wenig die Nase rümpfen.

Auch wenn wir es mit bester Absicht machen: Oft macht es keinen Sinn, von Kindern das Essen einer Speise zu erwarten, die wir selber ablehnen. Denn dass ein Kind die Signale des Elternteils feinfühlig wahrnimmt, ist sinnvoll: Als Kind kann es noch nicht gut einschätzen, was verträglich ist und was nicht und verlässt sich deswegen auf das erfahrene Elternteil. Nimmt es unterschiedliche Signale wahr (du kannst das essen – ich lehne es ab), kann es aus Verwirrung das Essen ganz ablehnen. Ein guter Familientisch berücksichtigt deswegen nicht nur, was vermeintlich gut für das Kind wäre, sondern nimmt auch Rücksicht auf andere Familienangehörige, so dass Essen authentisch angeboten und empfohlen werden kann.

Dein Kind will nicht Essen?
10 Tipps für mehr Entspannung

  1. keinen Druck ausüben
  2. dem Kind Speisen immer wieder anbieten
  3. gemeinsame Mahlzeiten in entspannter Atmosphäre
  4. gemeinsames Zubereiten von Mahlzeiten
  5. zusammen einkaufen gehen: Was magst Du?
  6. eine gesunde Auswahl bieten und bewusst zu Hause haben
  7. Wünsche akzeptieren
  8. Befühlen erlauben
  9. Vorbild sein
  10. sich fragen: Isst es wirklich wenig? Oder ist das meine Angst?

Niemals Druck ausüben

Essen ist lange Zeit Spiel und bleibt eine sinnliche Erfahrung. In vielerlei Hinsicht ist das Essen heute auch mehr als nur Nahrungsaufnahme, sondern hat neben der Sinneserfahrung auch soziale Komponenten des Miteinander. Solange sich Kinder gesund entwickeln, sollte die Nahrungsaufnahme auch genau das bleiben. Babys und Kleinkinder müssen kein Häppchen für Oma oder die Tante zu sich nehmen, sie sollten nicht ausgetrickst oder abgelenkt werden, um zu essen und natürlich nicht bedroht oder unter Druck gesetzt werden. Speisen müssen nicht aufgegessen werden, es muss nicht probiert werden, aber das Probieren kann vorgeschlagen werden. Wer nicht probieren oder aufessen möchte, muss keine Sanktionen fürchten wie die Streichung anderer Speisen. Und das Essen sollte auch nicht zur Bestrafung oder Belohnung eingesetzt werden: Kinder müssen nicht an einem Extratisch sitzen, wenn sie mäkeln oder so lange sitzen bleiben, bis sie aufgegessen haben. Sie werden für ein Verhalten weder bestraft im Sinne von „Weil Du xy gemacht hast, bekommst Du nur eine kleine Portion“ und auch nicht mit Essen belohnt: „Weil Du heute so brav warst, gibt es einen Nachtisch.“

Manchmal sind Kinder mäkelig beim Essen. Meistens haben sie einen Grund dafür. Sie essen dann, wenn sie Hunger haben. Die tägliche Nahrungsmenge unterscheidet sich ebenso wie die individuellen Vorlieben für Geschmacksrichtungen und Speisen. Dass gesunde Kinder ab und zu Speisen ablehnen und/oder andere bevorzugen, ist ein normales Verhalten. Als Eltern sollten wir dieses Verhalten annehmen und versuchen, die Gründe dafür zu verstehen. Auf diese Weise können wir auch unsere Sorgen abstreifen und Kindern eine selbständige und druckfreie Nahrungsaufnahme ermöglichen.

Eure

Was wir von unseren Babys über das Essen lernen können

Manchmal denken wir, dass wir unseren Kindern alles beibringen müssen, obwohl sie voller Kompetenzen in das Leben kommen. Sie entwickeln sich nach ihrem eigenen Tempo innerhalb eines recht festgelegten Ablaufplans und eine Kompetenz baut auf der nächsten auf. Genau so ist es auch beim Essen: Sie beginnen dann zu essen und Interesse an Nahrung zu zeigen, wenn sie so weit sind und körperlich dazu in der Lage sind. Unsere Aufgabe ist es, ihre Signale wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Wie in vielen anderen Bereichen müssen sie nicht von uns „essen lernen“, sondern wir begleiten sie auf ihrem eigenen Weg. Wenn wir sie bei der Erkundung des Essens beobachten, sehen wir sogar, dass sie sich äußert sorgsam mit dem Essen verhalten. Anstatt zu denken, dass wir unseren Kindern etwas über das Essen beibringen sollten, können wir uns vielleicht eher ein paar Aspekte von ihnen absehen.

Essverhalten im Laufe des Lebens

Stefanie Stahl schreibt in ihrem Buch „Das Kind in Dir muss Heimat finden“ (2015): „Wird das Kind in seinem Lustbedürfnis und damit gleichsam in seinem Autonomiebedürfnis zu stark reglementiert, so kann dies dazu führen, dass der Erwachsene […] – angepasst an den elterlichen Erziehungsstil – genussfeindliche Normen und zwanghaftes Verhalten entwickelt. Oder – in Abgrenzung zu den Eltern – undiszipliniert und maßlos seinem Lustempfinden nachgibt.“ Wie wir mit der Ernährung unseres Kindes umgehen, ist also für die weitere Entwicklung des Kindes sehr wichtig. Auch die KIGGS Studie des Robert Koch Instituts zeigte, dass ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren Hinweise auf ein gestörtes Essverhalten zeigen, Mädchen fast doppelt so häufig wie Jungen. Mahlzeiten und der Umgang damit sind mehr als „nur“ Nahrungsaufnahme.

 

Babys bringen von sich aus Kompetenzen mit

Lustbedürfnis und Autonomiebedürfnis müssen bei der Ernährung mit berücksichtigt werden. Unsere Babys zeigen uns von sich aus noch sehr gut, wie der Umgang mit gesundem Essen funktioniert. Wir als Eltern geben dabei einen gewissen Rahmen vor mit der Auswahl an Nahrungsmitteln, die wir ihnen anbieten. Aus dieser gesunden (!) Auswahl können sie sich frei bedienen und zeigen uns dabei wichtige Aspekte der Ernährung:

  • Babys essen dann, wenn sie Hunger haben
    Unsere Kinder zeigen sehr direkt, wenn sie Hunger haben, schon als Neugeborene: Sie wenden den Kopf, um nach der Brust zu suchen, sie nuckeln an ihren kleinen Fäusten, sie beginnen zu schreien, wenn wir ihre leiseren Hungersignale nicht beantworten. Auch bei der Beikost merken wir dies: Ihr Rhythmus der Mahlzeiten ist noch anders als unserer und nur weil für uns gerade Mittagessenszeit ist, muss das für sie noch nicht stimmen. Es ist gut, die Signale zu beachten und einfach später noch einmal etwas anzubieten.
  • Babys hören auf zu essen, wenn sie gesättigt sind
    Stillkinder hören mit der Stillmahlzeit auf, wenn sie satt sind. Manchmal nuckeln sie noch ein wenig, aber sie haben ein eigenes Gefühl der Sättigung. Auch wenn sie mit der Beikost beginnen, zeigen sie uns eindeutig, ob sie Hunger haben oder satt sind und wenden sich ab, wenn sie nicht mehr möchten. Sie bringen die Kompetenz mit, selbst zu entscheiden und das ist eine sehr wichtige Eigenschaft, die wir berücksichtigen sollten.
  • Babys nehmen Nahrung mit allen Sinnen wahr
    Wenn die Beikost eingeführt wird, möchten sie die Nahrung mit allen Sinnen begreifen: Sie riechen daran, sie befühlen sie mit Händen und Mund und nehmen wahr, wie sie sich verhält: weich,matschig, hart, flüssig – wie muss ich es anfassen, um es zum Mund zu befördern? Der Ansatz des Baby-Led Weaning ist hierfür besonders praktisch.
    Gerade dies ist ein Aspekt, der uns oft beim Essen verloren geht: Das genussvolle Wahrnehmen, genau nachschmecken, wonach eine Speise schmeckt und wie sie sich anfühlt.
  • Babys probieren aus
    Anfangs probieren Babys gerne noch unterschiedliche Sachen vorurteilsfrei aus. Alles wird zum Mund geführt und damit ertastet und es wird probiert, ob es essbar ist oder nicht. Später führen sie Essen gerne auch zum Mund der Bezugsperson wie eine Frage:  „Beißt Du ab und zeigst, dass es genießbar ist?“ Auch hier sind wir Vorbilder.
    Neophobien, die Angst vor dem Neuen, entwickeln sich erst ab der Zeit, wenn die Kinder weiter entfernt  von uns sind, um den 18. Monat, sagt Dr. Herbert Renz-Polster. Wenn wir ihnen geduldig immer wieder (8-10 Mal) eine Speise anbieten, probieren sie es doch irgendwann. Wie ist das bei uns Erwachsenen? Wann probieren wir etwas Neues aus?
  • Babys essen langsam
    Während wir manchmal schnell zwischen den Terminen einen Bissen einschieben, nehmen sich Babys und Kleinkinder noch Zeit: Sie fühlen, wenden Stücke in der Hand hin und her, probieren, kauen und zerkleinern mit der Zunge. Sie brauchen Zeit und nehmen sie sich für ihr Essen.
  • Babys reicht Wasser als Getränk
    Babys und Kleinkindern reicht Wasser als Getränk zum Essen vollkommen aus. Sie brauchen keine Fruchtsäfte, keine (gesüßten) Tees, keine (Kinder)milch. Sie sind zufrieden mit einem kleinen Glas Wasser und später einem kleinen Krug, mit dem sie sich selbst nachschenken können.

Unsere Babys und Kinder sind toll. Sie bringen alle wichtigen Kompetenzen zur Ernährung schon selbst mit. Wir Eltern sollten ihnen ihre achtsame Ernährungsform nicht abtrainieren. Und an vielen Stellen können wir uns sogar etwas von ihnen abschauen.

Eure

 

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