Pflegesituationen sind gerade mit größer werdenden Kindern oft nicht einfach und auch das Zähneputzen kann zu einem Konfliktthema zwischen Eltern und Kind werden, wenn das Kind kein Interesse am Zähneputzen hat oder es gar verweigert. Gerade das Zähneputzen ist für viele Eltern eine angstbehaftete Situation, vielleicht aus den eigenen Erfahrungen mit Karies und Zahnbehandlungen heraus, vielleicht aus der Angst um die Unversehrtheit des Kindes heraus oder möglicher Folgeprobleme durch Karies. Tatsächlich ist die Zahnpflege des Kindes wichtig und es sollte von Anfang an ein Zahnpflegeritual etabliert werden – aber auf eine entspannte Art.
Angst ist ein schlechter Berater
Es ist normal, dass Eltern sich um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen und ihnen beste Rahmenbedingungen schaffen wollen für die Entwicklung – gerade auch in Hinblick auf die gesundheitliche Entwicklung. Karies ist eine Erkrankung, die sich nachhaltig auswirken und zu größeren Eingriffen führen kann, die gerade bei Kindern vermieden werden wollen. Auch die immer häufiger auftretende Erkrankung der Kreidezähne ängstigt viele Eltern. Obwohl wir darum wissen, dass es in Bezug auf die Vorbeugung von Karies viele Aspekte zu beachten gibt rund um Ernährung, Vermeidung von Ansteckung und dem Nuckeln an Getränken, ist besonders das Zähneputzen bei vielen Eltern der Faktor, der die größte Aufmerksamkeit bekommt.
Angst ist jedoch in vielen Situationen ein schlechter Berater für alltägliches Handeln. Leitet uns Angst in Bezug auf die Körperpflege, sind wir eher verleitet, übergriffig zu reagieren und die Signale des Kindes nicht nur zu übersehen, sondern auch bewusst zu ignorieren. Gerade der Blick auf die Bedürfnisse des Kindes ist es aber, der die Zahnputzsituation entspannen kann. Natürlich dürfen wir das Wissen um Karies nicht aus den Augen verlieren, aber die Angst davor sollte nicht den Blick für das Kind und Alternativen verstellen.
Gewöhnung von Anfang an
Die Zähen des Babys sollten geputzt werden, sobald die ersten kleinen Zähne erscheinen. Doch auch schon vorher können wir das Baby an die Reinigung gewöhnen. Gerade in Zahnungszeiten ist es für einige Kinder angenehm, wenn die Zahnleisten mit Finger oder einem Zahnputzfingerling massiert werden. Die ersten kleinen Zähnchen können dann auch mit einem Zahnbürstenaufsatz für den Finger gereinigt werden und es wird langsam auf eine Zahnbürste umgestiegen. Hier gibt es unterschiedliche Modelle, die auch von Babys schon gut gehalten werden können und Teilhabe ermöglichen.
Wenn das Kind nicht möchte
Aber auch wenn das Zähneputzen schon scheinbar ewig als Ritual etabliert ist, kann es immer wieder vorkommen, dass das Kind sich gegen das Zähneputzen wehrt und gerade jetzt und heute nicht möchte. Und vielleicht auch an einem anderen Tag nicht. Manchmal brechen neue Zähne durch und das Zähneputzen schmerzt, manchmal liegen andere Gründe vor. Anstatt das Kind aber mit Gewalt zum Zähneputzen zu zwingen, können wir die Rahmenbedingungen durchgehen. Das Zähneputzen ist ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Körperpflege und hat es deswegen verdient, einen entspannten Platz im Tagesablauf zu finden.
Nur abends geht es nicht
Manche Kinder verweigern abends das Zähneputzen, lassen sich aber morgens bereitwillig die Zähne putzen. Häufig ist dann am Ende des Tages die Kooperationsbereitschaft des Kindes einfach aufgebraucht, vielleicht ist es müde und erschöpft vom Tag. Hier kann es helfen, den Ablauf des Abends noch einmal genauer anzusehen, ggf. das Essen etwas nach vorn verschieben oder das Kind schon im Schlafanzug an den Esstisch setzen, damit nach dem Essen nicht noch weitere Zeit verstreicht, in der das Kind immer weniger Lust auf das Zähneputzen hat. Manchmal kann aber auch eine kreative Zahnputzsituation (siehe unten) die Müdigkeit kurz überdecken.
Manchmal liegt der eigentliche Grund der Verweigerung auch darin, dass das Kind das Zähneputzen als Schwelle zum Schlafengehen betrachtet und noch spielen und den Tag nicht beenden möchte. Auch hier ist es gut, den Ablauf noch einmal genauer anzusehen und das Zähneputzen vom direkten Schlafen zu entkoppeln, so dass das Kind beides nicht in Abhängigkeit voneinander sieht, beispielsweise durch eine kleine Spielsequenz nach dem Zähneputzen vor dem Zubettgehen.
Das empfindsame Kind
Wir alle nehmen Reize unterschiedlich wahr: Gerüche, Geschmäcker, Berührungen und haben auch unterschiedliche Arten, darauf zu reagieren. Einige Kinder sind empfindsamer als andere und/oder drücken ihre Empfindsamkeit besonders stark aus. Das ist normal und richtig. Vielleicht macht sich das auch an anderen Stellen bemerkbar, nicht nur beim Zähneputzen: Das Kind reagiert besonders empfindsam auf Textilien, mag keine Nähte oder Tags an Kleidung, ist sehr empfindsam bei Berührungen. Gerade das Zähneputzen kann für ein empfindsames Kind sehr anstrengend sein, weil das Zähneputzen durch eine andere Person vielleicht schmerzt, der Geschmack der Zahnpasta zu intensiv ist, die Bürsten zu hart.
Hier hilft es, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen: „Zeig mir, wie du es magst! Wie soll ich die Zähne schrubbeln oder lieber sanft fegen?“, „Schmeckt dir die Zahnpasta zu stark? Wir können einen anderen Geschmack ausprobieren.“ Manchmal ist es auch die Körperhaltung, die das Kind einnehmen muss: 2 Minuten lang stehen und den Kopf nach oben strecken ist unangenehm und anstrengend. Beim Zähneputzen auf dem Wickeltisch oder der Waschmaschine sitzen und auf Augenhöhe sein mit der putzenden Person in entspannter Körperhaltung ist wesentlich angenehmer. Wenn das Kind uns mitteilt, dass das Zähneputzen unangenehm ist, sollten wir Verständnis entgegen bringen und sehen, an welchen Rahmenbedingungen wir etwas ändern können anstatt zu erklären: „Stell dich nicht so an, tut mir ja auch nicht weh.“
Selbständigkeit ermöglichen
In der Zeit nach dem ersten Geburtstag macht sich das Kind mehr und mehr mit der Welt vertraut und versucht darin eigene Wege zu gehen: selbständig zu werden und zu sein. Die Dinge lernen, die es für das Leben benötigt. Die Körperpflege ist einer dieser Bereiche und auch hier möchte das Kind immer mehr selber machen. gerade dann, wenn wir merken, dass die Selbständigkeit dem Kind wichtig ist und dieser Wunsch zum Gegenwillen führt, wenn wir Erwachsenen „einfach schnell selber machen“ wollen lohnt sich ein Blick auf die Rahmenbedingungen: Kann das Kind gut am Waschtisch stehen und sich vielleicht selber Wasser in den Zahnputzbecher füllen? Kann es sich im Spiegel ansehen beim Putzen? Wer kreativ ist, kann auch einen kleinen Waschtisch nach Montessori improvisieren. Auch das Zähneputzen möchte natürlich selbst durchgeführt werden: Einige Kinder finden es gut, wenn sie zuerst putzen dürfen, andere mögen es, wenn sie die abschließende Reinigung übernehmen und gerade niemand mehr „nachputzt“.
Vorbilder sind wichtig
Unsere Kinder ahmen uns und andere nach und finden auch darüber den Weg in die Selbständigkeit. Wie in vielen anderen Bereichen (beispielsweise Töpfchen/Toilette) ist es auch beim Zähneputzen wichtig, dass das Kind auch andere Menschen dabei beobachten kann und nachahmen darf. Deswegen sind Eltern als Zahnputzvorbilder wichtig: gemeinsam können die Zähne geputzt werden. Das Kind kann dabei auch einmal in die Rolle des Erwachsenen schlüpfen und diesem die Zähne putzen und der Erwachsene dann dem Kind. In der Rolle des Kindes kann die erwachsene Bezugsperson dann auch erfahren, wie sich das Zähenputzen anfühlt und an welchen Stellen es vielleicht aus der Sicht des Kindes Probleme gibt. Vorbilder können Kinder aber auch in Büchern und Videos finden. Es ist viele Bücher rund um das Zähneputzen, die Kindern nicht Angst machen, sondern auch Freude am Zähneputzen wecken.
Kreative Ideen
Und wenn nichts von den genannten Ursachen in Frage kommt? Dann hilft uns manchmal nur ein kreativer Umgang mit dem Zähneputzen mit Hilfe von
- Zahnputzlieder singen oder Zahnputzgedichte aufsagen
- Eine Geschichte ausdenken zum Zähneputzen: Jeden Abend müssen die Zahnputzmonster erst lockergeschrubbt und dann herausgefegt werden…
- Kuscheltiere oder Handpuppen/Waschlappen die Zähne putzen lassen. Ein einfacher Waschlappen kann mit zwei angenähten Knöpfen und etwas Wolle zu einer Zahnputzfee werden, die abends die Zähne säubert
- Zahnputzvideos ansehen
- Es gibt elektrische Zahnbürsten mit Apps, bei denen dann die Bakterien aus dem Mund geputzt werden
- Zähneputzen an unterschiedlichen Orten: „Weißt du, wo wir noch nie die Zähne geputzt haben?“
- Färbetabletten aus der Apotheke benutzen: Zahnfärbetabletten färben den Plaque blau und es ist sichtbar, wo besser geputzt werden sollte
Manche Eltern denken, es sei absurd, einen großen Aufwand um das Zähneputzen zu betreiben, wenn das Kind doch auch festgehalten werden könnte. Dabei wird aber die körperliche Integrität des Kindes übergangen, was langfristige Folgen haben kann. Auch Zahngesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der körperlichen Gesundheit und es ist wichtig, Kindern nicht das Engagement und die Bereitschaft zu nehmen, sondern das Zähneputzen als gutes Ritual zu etablieren, das Kinder ihr ganzes Leben lang begleiten wird. Die Zeit, in der Kinder vielleicht überredet oder kreativ begleitet werden müssen, ist vergleichsweise kurz in Bezug darauf, für wie lange wir ihnen mit diesem Aufwand ein gutes Vorbild und Gefühl mitgeben können. Gewaltfreiheit ist ein Recht des Kindes und mit Kreativität, geänderten Rahmenbedingungen und Ablenkung schaffen wir es, das Vertrauen des Kindes in uns zu erhalten, dass wir die schützenden Bezugspersonen sind, die unterstützen, helfen und auf dem Weg in das Großwerden begleiten.
Eure
