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Beruhig dich doch mal – Wann Kinder Selbstregulation lernen

„Beruhig dich doch mal!“ – Ein Satz, der sowohl bei kindlicher Wut als auch beim Weinen so einigen Eltern schnell über die Lippen kommt. Neben dem Aspekt, dass es für Kinder wichtig ist, alle Gefühle der breiten Gefühlspalette zeigen zu dürfen (von Freude über Wut bis Trauer und alle Abstufungen dazwischen), ist dieses „einfach beruhigen“ auch leichter gesagt als getan, denn Kinder erwerben die Fähigkeit, sich selbst eigenständig zu beruhigen, erst mit der Zeit.

Was Babys mitbringen

Schon Babys verfügen über die Möglichkeit, in einem gewissen Rahmen bestimmte innere Zustände zu regulieren und ihre angeborenen Fähigkeiten zu nutzen, um sich selbst zu beruhigen. Zu vielen Teilen sind sie aber noch darauf angewiesen, dass Erwachsene sie begleiten und ihnen die Möglichkeiten zur Regulation zeigen und sie darin unterstützen. Besonders für die Regulation von Schlafen und Wachen, Aktivität, Aufmerksamkeit und Gefühlsregulation benötigen Kinder Bezugspersonen. Sie zeigen den Kindern, wie diese Zustände reguliert werden können.

Warum die Bezugspersonen so wichtig sind für die Regulation

Notwendig ist es dafür, dass die Bezugspersonen die Signale des Kindes wahrnehmen, richtig interpretieren und dann angemessen darauf reagieren – kurz gesagt: dass auf die Bedürfnisse feinfühlig reagiert wird. Hierdurch erfahren Kinder, welche Strategien angewendet werden können, um bestimmte Zustände entweder zu verstärken oder abzuschwächen. Sie lernen zunehmend, flexibel mit Situationen umzugehen und die jeweils passenden Strategien anzuwenden. So kommt es, dass Kinder ab dem 5. Lebensjahr ihre Gefühle schon wesentlich besser selbst regulieren können als in der Kleinkindzeit. Ohne die feinfühlige Begleitung von Bezugspersonen fällt es Kindern jedoch schwerer, die Selbstregulation zu erlernen. Der Spruch „Nimm es doch nicht bei jedem Mucks hoch!“ ist ein Ammenmärchen: Kinder brauchen tatsächlich in den ersten Jahren unsere Begleitung und Unterstützung, um dann immer besser zu lernen, sich selbst zu beruhigen.

Wie wir die Ausbildung der Selbstregulation unterstützen können

Wichtig dafür ist jedoch, dass wir sie auf dem Weg dorthin angemessen begleiten und ihnen die Möglichkeiten zur Regulation aufzeigen und sie in der Anwendung unterstützen. Dies erreichen wir durch folgende Aspekte:

  • Ein generell offener Umgang mit Gefühlen: Alle Gefühle sind erlaubt, keine Gefühle dürfen nicht sein oder müssen ganz schnell behoben werden. Auch das Weinen von Kindern ist wichtig und braucht Begleitung, statt Verbote.
  • Auch als Eltern sind wir im Umgang mit unseren eigenen Gefühlen Vorbilder: Auch wir dürfen alles fühlen und auch zeigen (dabei jedoch angemessen in Bezug auf die Kinder reagieren, wenn wir beispielsweise in Familiensituationen wütend sind) und geben durch unseren Umgang mit Selbstregulation von Zuständen und Gefühlen ein Beispiel.
  • Gefühle werden nicht abgesprochen wie „Das hat ja gar nicht weh getan!“ Auch das so verbreitete „Ist ja nicht so schlimm!“ ist unpassend, wenn ein Kind sich augenscheinlich verletzt hat oder traurig ist, weil es beispielsweise von anderen Kindern ausgeschlossen wurde.
  • Gefühle werden benannt, damit sie auch vom Kind unterschieden werden können: Kinder werden dazu angeregt, zu beschreiben, ob sie wütend, traurig, verärgert oder enttäuscht sind – und alle anderen möglichen Empfindungen. Auch Bücher oder passende Spiele können das Benennen unterschiedlicher Gefühle unterstützen.
  • In bestimmten Situationen können die Gefühle des Kindes gespiegelt werden: „Du bist jetzt ganz schön traurig/wütend/überschwänglich/…“ So lernt das Kind, den aktuellen Empfindungen Worte zuzuordnen.
  • Das Kind wird gefragt, wie es sich fühlt – nicht nur in Konfliktsituationen, sondern auch im Alltag. So lernt es, sich zu beobachten und auch zu spüren, wann Gefühle sich ändern. Durch die Selbstbeobachtung lernt das Kind zunehmend, rechtzeitig aktiv zu werden für die Selbstregulation: Wird es müde, zieht es sich zurück. Spürt es Wut aufsteigen in einem Konflikt, lernt es, sich zurück zu ziehen bevor die Situation eskaliert, wenn es frühzeitig das Gefühl einordnen kann. Das ist allerdings erst im fortgeschrittenen Grundschulalter möglich. Die Grundlagen legen wir jedoch schon früher dafür.
  • Gefühle werden so lange und oft begleitet, wie das Kind das benötigt.
  • Gemeinsam werden für das Kind passende Regulationsstrategien ausprobiert: Mag es in den Arm genommen werden, mag es gewiegt werden, wenn es traurig ist? Was braucht es, wenn es müde ist? Was braucht es, um morgens in Schwung zu kommen?

Durch Begleitung statt Erwartung können wir unsere Kinder auf den Weg zur Selbstregulation bringen und sie darin Stück für Stück unterstützen.
Eure

Weiterführende Literatur:
Mierau, Susanne (2017): Geborgene Kindheit. Kinder vertrauensvoll und entspannt begleiten. – München: Kösel.
Mierau, Susanne (2017): Ich! Will! Aber! Nicht! Die Trotzphase verstehen und begleiten. München: GU.
Fröhlich-Gildhoff, Klaus/Rönnau-Böse, Maike (2019): Resilienz. – München: Ernst Reinhardt Verlag.

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

„Dann will ich nie wieder eine Jacke anziehen!“

Da stehen wir. Es wird langsam kalt. Die Winterjacke des letzten Jahres wurde aus der Truhe heraus geholt und passt leider nicht mehr. Doch nun soll es eigentlich raus gehen in die Kälte. „Dann zieh bitte einen Pullover an und darüber die andere Jacke.“ „NEIN!“ „Bitte.“ „Nein, ich ziehe nie wieder eine Jacke an!“ Sagt es und stampft hinaus in die Kälte, so ganz ohne Jacke.

Als Kleinkind ist es schwer, mit einer solchen Situation umzugehen. Während uns Erwachsenen die Logik sagt „Es ist kalt, meine Jacke passt nicht, dann ziehe ich eben eine andere an und einen dicken Pullover“, ist das für Kinder kein schlüssiges Argument. Die Vorstellung weicht von der Möglichkeit ab, das logische Nachdenken funktioniert in der mit Verärgerung überladenen Situation nicht. Wut!

Jetzt wird nicht nachgedacht

Mit Argumenten werden wir gerade jetzt nicht einen Wandel des Denkens erreichen: „Es ist aber doch kalt!“, „Du holst Dir sonst eine Erkältung!“ Alle Erklärungen bringen nun nichts. Das Kind hat in seinem Gehirn noch nicht viele ähnliche Situationen abgespeichert, auf die es nun zurück greifen könnte. Während wir auf ein Leben voller Erfahrungen mit Wärme und Kälte zurückblicken, ist es vielleicht gerade der dritte Winter des Kindes und Erfahrungen gibt es noch kaum. Unsere Worte „Du könntest dich erkälten“ haben für das Kind nicht die Tragweite, wie sie es für uns vielleicht haben. Jetzt gerade kann das Kind nur emotional reagieren, der unsere Überlegungen steuernde Neocortex ist bei ihm noch nicht ausgereift.

Ist dir überhaupt kalt?

So stampft es da nun also in der Kälte auf. Keine Spur von Einsicht. „Merkst Du: Es ist doch ganz schön kalt!“ Aber das Kind schüttelt energisch den Kopf. Vielleicht ist ihm aktuell wirklich nicht kalt: Unser Temperaturempfinden unterscheidet sich nach Tagesform, aber auch dadurch, dass verschiedene Menschen eine unterschiedliche Dichte und Menge an Kälterezeptoren haben. Und auch durch die aktuelle Ablenkung und den Fokus auf die Wut spürt das Kind vielleicht jetzt gerade gar keine Kälte.

Der Weg aus dem Konflikt

Mit für uns logischen Argumenten werden wir in dieser Situation also keine Lösung finden. Gleichzeitig können wir die Aufgabe der Problemlösung noch nicht unserem Kleinkind überlassen: Es kann die Folge von „Na gut, dann läufst du eben ohne Jacke, du wirst schon sehen…“ nicht abschätzen. Noch ist das Kind darauf angewiesen, dass Erwachsene die Situationen auflösen und gleichzeitig damit dem Kind auch zukünftige Lösungsansätze zeigen. Würden wir nun Druck ausüben und versuchen, das Kind in die Jacke zu zwingen, würde das Kind nur noch mehr in einen Gegenwillen verfallen und der Konflikt würde sich verschärfen. Zwang und Druck helfen uns gerade mit wütenden Kindern – aber auch sonst – nicht langfristig weiter.

Wir können das Kind deswegen nur begleiten: Wir können beschreiben, was wir wahrnehmen und fühlen: „Du bist ganz schön traurig, dass die alte Jacke nicht mehr passt.“. Wir können beschreiben, was wir sehen: „Du bist ganz schön wütend. Aber ich glaube, Dein Körper friert schon ein wenig. Schau, du zitterst schon.“ Wir können die Jacke dabei haben und sie dem Kind geben, wenn es sich beruhigt hat und merkt, dass es doch kalt ist. Wir können eine alternative Planung machen, wenn das Kind den großen Teil der Wut hinter sich gebracht hat und wieder bereit für Worte ist: „Wenn dir die Jacke so gut gefallen hat, kann ich mal schauen, ob ich sie in deiner neuen Größe noch einmal bekomme.“ oder „Was mochtest du besonders an der alten Jacke? Die Elefanten darauf? Vielleicht finden wir eine andere Jacke mit Elefanten oder bügeln dir ein Bild darauf.“

Wir können viele Ideen und Anregungen einsetzen, anstatt das Kind zu beschämen, zu beschimpfen oder zum Anziehen zu zwingen. Manchmal brauchen wir einen kleinen Moment des Nachdenkens, damit sie uns einfallen. Aber diesen kleinen Moment sollten wir uns gönnen. – Für uns und unsere Kinder.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Ich spüre nicht die Liebe

Und da liegt es dann, dieses kleine Wesen in unserem Arm. Nach einer längeren oder kürzeren, nach einer einfachen oder schweren Geburt. Wir blicken es an, berühren es, staunen über den kleinen Menschen, der dort im Arm liegt – und fühlen… Ja, was eigentlich? Ja, es gibt die Liebe auf den ersten Blick. Die Liebe, die sich an die Geburt anschließt und sofort erscheint und einen wie eine Welle überrollt voller Emotionen. Neben dieser gewaltigen Flutwelle gibt es aber auch kleine Wellen oder auch erst einmal Ebbe. Es ist unterschiedlich, wie wir uns nach der Geburt fühlen und es ist unterschiedlich, was wir nach der Geburt fühlen.

Die große Angst

Wenn sich dieses große Gefühl direkt nach der Geburt erst einmal nicht einstellt, schleicht sich oft langsam die Unsicherheit ein: Du müsstest doch aber jetzt…? Warum fühlst Du jetzt nichts? Und diese Unsicherheit sich selbst gegenüber wandelt sich nicht selten dann in eine Angst: Wenn ich keine Liebe fühle, was tue ich meinem Kind an? Bindung ist so wichtig, mein Kind wird es immer schwer haben, wenn ich es jetzt nicht liebe!

Es ist gut, wenn dieses Gefühl in Worte gefasst wird, wenn es gegenüber Partner*in oder Hebamme formuliert wird. Dann kann beruhigt und geholfen werden. Nicht selten aber überwiegt erst einmal die Scham, die still macht. Die dazu führt, über die fehlenden Gefühle nicht zu sprechen, sondern diese schweren Gefühle und Gedanken in sich zu tragen, in sich zu konservieren und zu hoffen, dass es irgendwann anders wird oder sich irgendwie damit abzufinden.

Manchmal kommt die Liebe später

Wir müssen uns aber nicht schämen, wenn die Liebe nicht sofort kommt. Manchmal stehen andere Empfindungen nach der Geburt im Vordergrund und es ist kein Raum dafür da, gerade die Beziehung zum Kind einzugehen: die Geburt muss verarbeitet werden, Traumata verarbeitet werden, die Rahmenbedingungen der neuen Familie sind schwierig oder der Start war unglaublich kräftezehrend und die Beziehung konnte nicht aufgebaut werden, weil vielleicht das Kind oder die Mutter medizinisch versorgt werden mussten und keinen Kontakt hatten. Es kann viele Gründe dafür geben, dass das Gefühl der Liebe erst einmal nicht da ist.

Was tun, wenn die Liebe auf sich warten lässt?

Wenn sich das Gefühl der Liebe nicht zeigt, müssen sich Eltern also nicht schämen. Gut ist es aber, das fehlende Gefühl Fachpersonen gegenüber anzusprechen. Die erste Anlaufstelle kann die Hebamme sein. Sollte keine vorhanden sein, die Frauenärztin/der Frauenarzt, die entsprechend weiter verweisen können. Aber auch Familienberatungsstellen und auch der Verein Schatten und Licht können weitere Unterstützung bieten.

Je nach Ursache können Fachpersonen dann verschiedene Methoden anwenden, um den Gefühlsweg zwischen Baby und Elternteil anzubahnen: Das kann nach einer als traumatisch erlebten Geburt ein Bondingbad (pdf) sein oder aber eine Gesprächstherapie oder andere Form der Begleitung. Manchmal braucht es auch „einfach“ Zeit und die Gefühle entwickeln sich nach und nach ohne weitere Unterstützung.

Schade ich meinem Kind?

Die häufigste Angst bei fehlender Liebe ist, dem Kind damit zu schaden, wenn nicht von Anfang an tiefe Emotionen gefühlt werden, sie kann in einen regelrechten Bindungsstress verfallen. Wichtig ist zunächst, dass die grundlegenden Bedürfnisse des Kindes befriedigt werden: es gut versorgt wird in allen Bereichen der Pflege und Ernährung, dass es Körperkontakt hat und angesprochen wird. Durch dieses Gefühl des sicher umsorgt Werdens baut sich beim Kind die Bindung zur Bezugsperson aus, denn von Seiten des Kindes ist Bindung zunächst ein Sicherheitssystem, wie der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotraumatologe Prof. Dr. Karl-Heinz Brisch es formuliert. Das Kind vertraut darauf, dass sein Leben sicher ist und es Erwachsene gibt, die sich darum sorgen. Die Art der Interaktion wirkt sich dann auf die tatsächliche Art der Bindungsbeziehung aus. Aber: Bindung braucht Zeit. Auf Seiten des Kindes wie auch der Erwachsenen.

Erwachsene gehen nach und nach eine Bindung zum Kind ein und diese langsame Bindungsentwicklung ist in Anbetracht der Menschheitsgeschichte und früher hohen Säuglingssterblichkeit durchaus sinnvoll. Bis das Bindungsmuster vollständig aufgebaut ist, dauert es etwa drei Jahre. Zwar werden im ersten Jahr die Grundlagen gebildet und um den ersten Geburtstag herum zeigt das Kind dann jene Verhaltensweisen, die wir als Ausdruck von Bindungsbeziehungen kennen: Es versucht aktiv, Nähe herzustellen und reagiert mit Abwehr auf Trennung, sucht Sicherheit bei der Bindungsperson und erkundet von ihr ausgehend die weitere Umgebung und kehrt wieder zurück, wenn es das braucht.

Wenn es mir schwer fällt

Wenn es also einem Elternteil schwer fällt, eine tiefe emotionale Verbundenheit zum Kind aufzubauen, ist es – wie schon erwähnt – sinnvoll, sich Hilfe zu holen. Darüber hinaus sollte sicher gestellt werden, dass eine andere Bezugsperson jene Verbindung aufbaut, die vielleicht aktuell noch fehlt. Das kann der andere Elternteil sein oder aber auch weitere Familienmitglieder, die sich aktiv und viel um das Kind kümmern können. Im Laufe des Lebens wird das Kind viele Bindungen zu unterschiedlichen Personen aufbauen in unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Qualität. Die eigene tiefe Bindung kann ebenso später aufgenommen werden, wenn eventuelle Hindernisse beseitigt sind. Auch wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt diese tiefe Verbundenheit empfunden und ausgebildet wird, ist sie deswegen nicht einer schlechteren Qualität. Manchmal braucht Liebe Zeit.

Es ist wesentlicher häufiger, dass die anfängliche Verliebtheit fehlt, als wir oft denken, Nur sprechen viele Eltern nicht darüber. Traut Euch, Gefühle und fehlende Gefühle anzusprechen.
Eure

Weiterführende Literatur:
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein – Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs.
Brisch, Karl-Heinz (2010): SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern. Stuttgart: Klett-Cotta.
Meissner, Brigitte (2013): Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen. – Brigitte Meissner Verlag.

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Babys von Anfang an optimal begleiten

Unsere Kinder kommen schon mit vielen Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Welt: Sie verfügen in einem bestimmten Rahmen über Fähigkeiten zur Selbstregulation, können ihre Bedürfnisse über Signale mitteilen und notfalls über das Schreien vermitteln, wenn etwas nicht stimmt. Nach einer Zeit des so genannten „Nachreifens“ in den ersten Wochen, nehmen sie aktiv an unserem Alltag teil und lernen über diese Teilnahme etwas von der Welt, in der sie sich bewegen und passen sich nach und nach an die jeweiligen Rahmenbedingungen ihrer Familie und Lebensumwelt an. Neben den für ihre Familie speziellen Werten, Ritualen und Rahmenbedingungen gibt es allgemeine Anregungen für den Alltag, die wir im Alltag beachten können.

Auf die Signale des Babys achten

Babys teilen sich über Signale mit: Sie zeigen einen Suchreflex, wenn sie hungrig sind oder saugen an den Fäustchen. Wenn sie unruhig werden, ziehen die die Beinchen an. Wenn sie ausscheiden müssen, werden sie unruhig und teilen das mit Lauten mit. Wenn sie den Kopf abwenden vom Spiel oder Blickkontakt, brauchen sie eine Pause. Es dauert eine Weile, bis wir die Signale unseres Babys verstanden haben, aber prinzipiell sind sie da und Kinder teilen uns Bedürfnisse schon früh mit. Um die Signale des Babys zu lernen, ist Beobachtung eine gute Idee: Nimm Dir die Zeit, das Baby zu beobachten. Lege Dich zu ihm und beobachte die Gestik, die Mimik und ordne sie bestimmten Ereignissen zu.

Mit dem Baby reden

Auch wenn sie uns noch nicht mit Worten antworten, nehmen Babys aus unserer Sprache viel auf. Der passive Wortschatz erhöht sich und eine gute Kommunikation im ersten Lebensjahr wirkt sich nicht nur auf den späteren Wortschatz, sondern auch die Lese- und Schreibfähigkeit aus. Es bietet sich an, die vielen Alltagshandlungen mit dem Baby sprachlich zu begleiten: Gerade Routinesituationen wie Wickeln, Baden, Ernährung eigenen sich dafür: „Ich ziehe Dir jetzt den Body aus. Zuerst mache ich mal diese Knöpfe hier auf…“ Unsere Sprache passt sich dabei den Bedürfnissen des Babys an: Wir sprechen etwas langsamer, aber betonter und mit einer besonderen Melodie, damit das Baby die Besonderheiten der Sprache versteht.

… und dem Baby zuhören

Aber nicht nur wir sollen viel mit dem Baby sprechen, sondern auch das Baby darf sich mitteilen: Die Art, wie es Laute hervorbringt, ändert sich im Laufe des ersten Jahres über Laute zu Silben und schließlich zu Wörtern. Wenn wir dem Baby zugewandt sind und zuhören, hat es Freude an der Produktion der gerade möglichen Laute und probiert aus, wie einzelne Laute und Kombinationen geformt werden. Gerade im Austausch mit einer Bezugsperson erfreut sich das Baby an der Sprachproduktion : Es gurrt und der Erwachsene gurrt zurück, wodurch das Baby wieder gurrt.

Das Baby braucht Nähe

Gerade im ersten Jahr brauchen viele Babys körperliche Nähe: Sie fühlen sich sicher in der Anwesenheit einer Bezugsperson – sowohl beim Schlafen als auch am restlichen Tag. In der Nähe einer Bezugsperson wissen sie: sie sind geschützt, gewärmt und an einer Nahrungsquelle. Hier sind sie sicher und umsorgt und es kann schnell auf Bedürfnisse eingegangen werden. Auch tagsüber verbringen viele Babys, besonders am Anfang, gerne viel Zeit im Körperkontakt, weshalb eine gute Tragehilfe oder ein Tragetuch den Alltag erleichtern kann.

… und Freiraum

Neben der Nähe ist aber auch Raum für Bewegung sehr wichtig: Wurzeln und Flügel, wie das Sprichwort sagt. Anfangs ist es für Babys sehr ungewohnt, auf dem Rücken zu liegen: Aus ihrer Zeit im Uterus kennen sie nur die gerundete Körperhaltung, wie sie auch in einer Babytrage eingenommen wird. Das Liegen auf der Unterlage ist daher für viele Babys erst einmal auch anstrengend und es kann sein, dass sie allein dadurch unruhig werden. Wenn es ihnen gut geht, sollten wir ihnen aber auch die Möglichkeit geben, sich im Liegen mit dieser neuen Freiheit um sie herum (im Vergleich zur Enge vorher im Uterus) zu beschäftigen und dabei auch den Körper und die Beweglichkeit zu erkunden. Durch die Möglichkeit zur selbständigen Bewegung können sie nach und nach ihre Möglichkeiten ausbauen und von der Rückenlage erst auf die Seite kommen, dann auf den Bauch, das Seitwärtsrollen lernen usw. Für diese Bewegungsentwicklung brauchen sie die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und weder in der Bewegung behindert zu werden, noch Schritte vorweg genommen zu bekommen durch zu frühes Hinsetzen, wenn das Baby dies noch nicht selbst kann.

Auch bei besonders zierlichen Kindern ist es gut, wenn wir ihnen den Freiraum geben, sich eigenständig kennen zu lernen und zu entwickeln und versuchen, unsere Ängste und Sorgen nicht die Bewegungsfreiheit des Kindes zu sehr einschränken zu lassen. Es ist gut, eine Ja-Umgebung für das Kind zu gestalten, damit es explorieren kann.

Miteinander spielen

Im ersten Lebensjahr liegt die Beschäftigung mit sich selbst und den anderen als Spiel weit vorne: Kinder erkunden sich, die Fähigkeiten und Funktionen des Körpers und freuen sich an der Interaktion mit den sie umgebenden Menschen. Daneben ist die Erkundung der restlichen Welt ein Spiel: Sie wollen die Gardine ebenso anfassen wie die Haare der Eltern, die Puppe des Geschwisterkindes und wollen mit dem Mund, der noch viel sensibler ist als die Hände, die Oberfläche und Eigenschaften von Dingen erkunden. Viele Spielsachen brauchen Babys gerade im ersten Jahr nicht und selbst danach ist Spiel noch immer vor allem das Kennenlernen der Welt, das sie von sich aus vornehmen.

…ohne Geschlechterklischees

Wir selber sind mit vielen Klischees aufgewachsen, besonders in Bezug auf Geschlechter. Aus der Forschung wissen wir heute, dass das, was wir oft auf „typisch Junge“ oder „typisch Mädchen“ zurückführen weniger angeboren, sondern mehr erlernt ist. Es sind eher kleine Unterschiede, die wir durch unser Verhalten vergrößern und damit unsere Kinder einschränken, anstatt ihnen die Möglichkeit geben, sich frei zu entwickeln und die ganz eigenen Merkmale und Fähigkeiten auszubauen. Schon im Babyalter können wir darauf achten, dass wir uns in unserem Verhalten nicht beeinflussen lassen von Stereotypien: Dass wir mit dem Baby – unabhängig vom Geschlecht – Ball spielen, mit Puppen spielen, vorlesen, es beim Weinen trösten. Konzentrieren wir uns mehr auf die Wahrnehmung und Begleitung der individuellen Eigenschaften unseres Kindes als darauf, ob das nun typisch wäre für das ein oder andere Geschlecht: beobachten wir, ob es eher extrovertiert ist oder introvertiert, ob es eher leise oder laut ist, ob es schnell überreizt ist oder weniger. Und haben wir auch einen Blick darauf, andere Menschen dazu anzuregen, unser Kind individuell zu sehen und nicht nach Rollenklischees mit ihm umzugehen, so dass nicht nur wir Eltern, sondern auch die restliche Familie die Möglichkeit hat, dieses Kind individuell kennen zu lernen.

Gemeinsam an einem Strang ziehen und Stress vermeiden

Ein Baby zu begleiten erfordert viel Kraft. Mehr, als uns manchmal im Alltag bewusst ist. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur für eine Person allein gedacht ist. Wir brauchen Hilfe, Aufteilung, gegenseitige Wertschätzung. Vor allem aber hilft es uns, wenn wir Stress vermeiden können. Stress lässt uns weniger feinfühlig sein, lässt uns weniger gut die Signale unseres Babys (und anderer Menschen) erkennen und wir nehmen andere durch Stress feindseliger war und werden selbst aggressiver. So kommt es, dass Stress zu negativem Erziehungsverhalten führt. Vermeiden können wir diesen Stress nicht immer in unserer schnelllebigen Zeit, aber wir können einiges tun, um ihn zu mindern: Unseren Alltag gut planen und uns in dieser Planung als Erwachsene mit eigenen Bedürfnissen nicht vergessen, Hilfe erbitten und annehmen. Vor allem aber ist es hilfreich, den anderen Elternteil aktiv zu beteiligen: So kann gleichermaßen eine gute Beziehung aufgebaut werden und eine gleichermaßen einfühlsame Begleitung des Babys vermindert wiederum Stress, weil das Baby beide Elternteile als Partner für die Bedürfniserfüllung akzeptieren lernt. Auch nehmen wir durch eine gleichmäßige Aufteilung einen Einfluss darauf, welche inneren Bilder von Elternschaft und Rollen sich beim Kind ausbilden, was den vorherigen Punkt der Vermeidung von Klischees weiter ausbaut.

Mit diesen wenigen Aspekten können wir unser Baby bereits gut im ersten Jahr begleiten und durch Bewusstmachung und Interaktion einen guten Start mit ermöglichen.
Eure

Mehr Literatur zum Thema:
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. Weinheim: Beltz.
Mierau, Susanne (2016): Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden. München: Kösel.
Elliot, Lise (2002): Was geht da drinnen vor? Die Gehirnentwicklung in den ersten fünf Lebensjahren. Berlin: Berlin Verlag.
Elliot, Lise (2010): Wie verschieden sind sie? Die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen. Berlin: Berlin Verlag.

Emotionsarbeit

Wir wissen alle: Das Leben mit Kindern bringt neue Aufgaben mit sich. Da gibt es auf einmal eine ganze Reihe mehr Dinge zu erledigen, mehr Handgriffe zu tun, mehr Wäsche zu waschen, mehr Müll weg zu tragen, mehr sauber zu machen und mehr Dinge zu suchen. Es gilt, gemeinsam zu verhandeln, welcher Elternteil was tut, damit Aufgaben gut verteilt werden und es auf keiner Seite zu einer Überlastung kommt. Was wir aber oft übersehen, ist der große Berg an Emotionsarbeit, der mit einem Kind auf uns zukommt: in Form von Emotionsregulation und -begleitung und auch in Form von Selbstreflexion. Emotionsarbeit ist es, die uns manchmal am Ende des Tages denken lässt: Was habe ich heute eigentlich getan und warum bin ich so erschöpft, obwohl ich doch scheinbar kaum etwas getan habe? Sie ist unsichtbar, diese Emotionsarbeit. Noch weniger sichtbar als der erledigte Haushalt oder dass wir daran gedacht haben, neue Schuhe zu kaufen. Aber sie ist bedeutsam – und kräftezehrend.

Die Emotionen von Kindern begleiten und regulieren

Auf einmal ist das Kind geboren, hinein in eine ganz neue Welt, in der alles so anders ist als zuvor: Hunger wird gespürt, unterschiedliche Temperaturen, unterschiedliche Materialien auf der Haut. Im Bauch rumpelt es und vielleicht liegt es mal unbequem auf einer Decke oder einem Knopf. Das Kind spürt neue Dinge und kann dies zunächst nicht einordnen: Es braucht Bezugspersonen, die es nicht nur umsorgen und die Bedürfnisse nach Nähe, Nahrung und Pflege allgemein erfüllen, sondern die auch Sicherheit geben und das Gefühl vermitteln: Wir sind für dich da, wir helfen dir. Es bildet sich ein Vertrauen aus durch diese Regulation, durch die Begleitung des Kennenlernens der Welt. Einfach ist das nicht immer für das Kind, denn es gibt viele Dinge, die unangenehm sind, erschrecken oder überreizen. Werden die ersten Anzeichen des Kindes nicht bemerkt oder ist das Kind besonders empfindsam und geht schneller in ein weinen über als andere Kinder, wird das Unbehagen laut kundgetan, damit die nahen Bezugspersonen wirklich verstehen, dass es dem Kind gerade nicht gut geht. Im Laufe der Zeit gewöhnt sich das Kind in das Leben ein, aber die Begleitung und Regulation von bestimmten Zuständen ist weiterhin wichtig: Das Kind in den Schlaf begleiten, wenn es noch nicht allein einschlafen kann, das Kind durch Wutanfälle begleiten, weil es diese noch nicht selbst verarbeiten kann und es ihm schwer fällt, sich allein zu beruhigen. Es gibt viele Jahre lang verschiedene Bereiche, in denen Kinder auf Co-Regulation angewiesen sind, bevor ihnen in allen Bereichen Selbstregulation möglich ist, die sie u.a. über die Co-Regulation von Verhaltenszuständen erlernt haben.

Emotionen begleiten ist oft anstrengend für die Bezugspersonen

Das Begleiten von Weinen, Schreien, Wut, aber auch unbändiger Freude, Neugierde etc. ist nicht immer einfach. Ein weinendes Baby aktiviert in uns Zuwendung – wir versuchen, die Ursache zu ergründen, das Unbehagen des Babys anzunehmen und nach Möglichkeit zu beenden. Häufiges, intensives und/oder langes Weinen erleben wir als anstrengend bis hin zu einem Gefühl der Gefahr: Es verängstigt Eltern, wenn sie über einen längeren Zeitraum ihr Baby nicht beruhigen können.* Langfristig kann durch besonders häufiges Weinen und Schreien nicht nur die Beziehung zwischen Eltern und Kind beeinflusst werden, sondern es zeigen sich auch körperliche Beschwerden in Form von Verspannungen, Veränderungen der Atmung (Abflachung) und anderem. Ohnmacht, Verzweiflung und Wut können sich ausbreiten bis hin zum Burnout.**

Auch die Co-Regulation des Schlafes ist nicht immer einfach. Auch wenn Kinder von Anfang an schlafen können, müssen sich unsere Schlafrhythmen erst einander angleichen. Je nach Rahmenbedingungen, Temperament des Kindes und Unterstützung kann das Eltern vor große Herausforderungen stellen. Auch wenn wir an vielen Stellen lesen und hören, Schlafmangel sei nahezu natürlich für Eltern und ganz normal in den ersten Jahren, ist er nicht gut und auch nicht richtig für Familien: Schlafmangel führt dazu, dass wir gereizter sind, uns eher bedroht fühlen, unsere Amygdala überreagiert. Feinfühligkeit und Beziehungsarbeit sind unter Schlafmangel erschwert. Wenn wir also zu wenig schlafen, weil der Schlafrhythmus unserer Kinder es nicht anders ermöglicht und wir den fehlenden Schlaf nicht nachholen können, führt das zu Stress.***

Aber nicht nur in der Babyzeit ist die Regulation von Gefühlen und Begleitung anstrengend für uns: Auch im Kleinkindalter ist das Begleiten von Gefühlen nicht einfach. Auch hier haben wir wieder viel zu tun und können leicht in stressige Situationen geraten, wenn das Kind wütend ist, nicht kooperiert oder eigene Ideen umsetzen möchte, von denen wir gerade nicht überzeugt sind. Stress führt zu negativem Erziehungsverhalten, das wir eigentlich vermeiden wollen. In den stressigen Situationen können wir jedoch, da wir gerade im Stressmodus sind, nicht überlegt und wie eigentlich gewünscht handeln. Gerade dann, wenn der Alltag mit Aufgaben angefüllt ist und wir ohnehin unter Zeitdruck stehen, kann uns dann das eigentlich normale Verhalten des Kindes weiter stressen. Im nächsten Moment tut es uns wieder leid, wie wir unter Stress gehandelt haben, was uns dann häufig weiter grübeln lässt.

Auch wenn wir auf einmal getriggert werden in eigenen Erfahrungen durch das Verhalten unseres Kindes und wir uns mit der eigenen Kindheit, unseren gemachten Erfahrungen oder auch den Mängeln unserer Kindheit auseinander setzen müssen, erfordert das besondere mentale Kraft und innere Arbeit – dies insbesondere dann, wenn wir merken, dass es bestimmte erlernte Handlungsmuster gibt, die wir in stressigen Situationen zeigen, aber nicht zeigen wollen.

Emotionale Arbeit ist Arbeit

All diese Begleitung von Kindern ist nicht immer einfach. Im Laufe der Kindheit gibt es immer wieder Phasen, in denen eine stärkere emotionale Begleitung notwendig ist: Eintritt in den Kindergarten, in die Schule, Erklimmen bestimmter Meilensteine der Entwicklung, Begleitung von Streitigkeiten unter Freund*innen. Je nach eigenen Kraftressourcen und persönlicher Belastbarkeit kann diese emotionale Begleitung von Kindern viel Kraft erfordern. Und manchmal bleibt dann weniger Kraft für andere Dinge übrig. Manchmal fragen sich Eltern vielleicht „Was hab ich heute eigentlich geschafft?“ aber diese Frage ist nicht richtig: Jeder Tag, an dem ein Kind begleitet wird, erfordert von uns Zuwendung, Aufmerksamkeit, Kraft. Und es ist vollkommen normal, davon auch erschöpft zu sein. Manchmal mehr, manchmal weniger. Aussagen wie „Du bist doch nur zu Hause mit dem Kind!“ verkennen, welch große Arbeit – neben den vielen Handgriffen – wirklich vollbracht wird einfach damit, ein Kind emotional zu begleiten. Emotionsarbeit ist Arbeit. Es ist oft auch schöne Arbeit, manchmal sehr anstrengende Arbeit, oft unterschätzte und vor allem zu wenig honorierte Arbeit. Jeder Mensch, der Kinder begleitet, leistet jeden Tag sehr viel.

Eure

Literatur
*Harms, Thomas (2016):Emotionelle Erste Hilfe. Bindungsförderung – Krisenintervention – Eltern-Baby-Therapie. – Gießen: Psychosozial-Verlag.
**Gaca, Anja Constance/Mierau, Susanne (2018): Mein Schreibaby verstehen und begleiten. Der geborgene Weg für High-Need-Babys. – München: GU.
***Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. – Weinheim: Beltz.

„Ich kann damit nicht umgehen!“ – Wenn unsere Kinder uns scheinbar herausfordern

„Ich kann damit einfach nicht umgehen!“ Das ist ein häufiger Satz, den Eltern sagen. Manche Eltern sagen ihn in Bezug auf die Wut des Kindes, andere in Bezug auf das Weinen, die Trauer oder Schimpfworte. Manchen Eltern fällt es besonders schwer, dass die Kinder selbständig werden, anderen fällt es schwer, wenn sie besonders an ihnen „kleben“. Wenn wir merken, dass bestimmte Situationen uns schwer fallen, wenden wir den Blick oft zunächst auf das Kind: „Dieses Kind ist besonders anhänglich/selbständig/wütend/laut/…“. Und auch wenn natürlich jedes Kind ein eigenes Temperament mitbringt in das Leben und dieses Temperament durch Erziehung vielleicht in bestimmte Bahnen gelenkt wird, aber sich dennoch durch das Leben zieht, lohnt sich auch ein Blick auf das Gegenüber – uns Eltern – und die Frage, warum wir mit bestimmten Verhaltensweisen nicht umgehen können.

Was uns leicht oder schwer fällt, ist eine Frage der eigenen Erfahrung

Uns allen fallen unterschiedliche Dinge im Zusammensein mit unseren Kindern leicht oder schwer: Während es einigen leicht fällt, die Wutanfälle des Kleinkindes gelassen zu begleiten und ruhig daneben zu sitzen, hat es eben dieses Elternteil vielleicht schwer, wenn das Kind besonders anhänglich ist. Andere Eltern können geduldig lange Zeit Kinder in den Schlaf begleiten, während dies für andere zu einer Geduldsprobe wird. Wie wir mit den unterschiedlichen Gefühlen und Äußerungen unserer Kinder umgehen, ist eine Frage der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse: Wir haben selbst bestimmte Handlungsmuster erlernt oder reagieren auf bestimmte Situationen besonders empfindsam: Unsere Kinder wecken mit ihrem Verhalten Erinnerungen, die tief in unserem Gehirn verwurzelt sind. Wir werden „getriggert“ in diesen Erinnerungen durch das Verhalten unserer Kinder: Weint es, beißt es, wütet es, ist es abweisend, kann das Handlungsmuster auslösen, die wir selbst erfahren haben – oder eben auch zu Hilflosigkeit führen. Vielen Eltern fällt es schwer, mit der eigenen Wut vor den Kindern umzugehen. Ebenso gibt es aber auch Eltern, die sich hilflos fühlen, wenn das Kind weint und sie wissen nicht, wie sie es „richtig“ trösten können. Auch hier kann eine mögliche Ursache darin liegen, dass das Trösten nicht erlernt wurde und dies nun im Zusammensein mit dem Kind zu Tage tritt.

Fehlinterpretationen

Wenn es bestimmte Situationen immer wieder gibt, in denen uns der Umgang mit dem Kind schwer fällt, können wir dazu neigen, die Ursache kurzerhand im Kind zu suchen: Das Kind ist besonders schwierig. Liegt aber die eigentliche Ursache in uns, können wir die Bedürfnisse des Kindes nicht nur in dieser Situation, sondern auch langfristig nicht befriedigen: Das Kind kann nicht angemessen begleitet werden, Probleme in der Interaktion manifestieren sich.

Das Kind, das uns als besonders anhänglich erscheint, wird in dem Bedürfnis nach Nähe nicht gesehen und nicht ausreichend begleitet – es erfährt Zurückweisung und Ablehnung, fehlenden Schutz. Das Kind, das uns als zu waghalsig erscheint, um das wir beständig Angst haben, wird in der Erkundung eingeschränkt und eventuell in der Entwicklung gehemmt. Das Kind, dessen Weinen uns herausfordert und bei dem wir das Gefühl haben, daran arbeiten zu müssen, dass es weniger weint, wird nicht ausreichend und zuverlässig getröstet, um auf dieser Basis später Selbstregulation zu erlernen.

Schau hin!

Wenn wir also merken, dass es Situationen mit unseren Kindern gibt, die uns immer wieder schwer fallen, können wir genauer hinsehen: Ist es wirklich das Temperament des Kindes, das eine besondere Herausforderung für uns darstellt, oder ist es vielleicht in unserem Verhalten begründet, dass wir hier immer wieder eine Herausforderung spüren? Spüren wir hinein in diese Situation und unser persönliches Empfinden: Was genau ist es, was uns hier behindert, was es uns schwer macht? Warum fühlen wir uns hilflos in Anbetracht der Tränen des Kindes? Warum denken wir, mit den Bauchschmerzen des Kindes nicht umgehen zu können? Warum fällt es uns schwer, das Kind auf Erkundungstour zu lassen?

Mit diesen Fragen an uns selbst können wir unser Verhalten reflektieren und die Bedürfnisse unserer Kinder im Blick behalten, so dass sich einige Probleme im Familienalltag nicht manifestieren oder zu immer größeren Herausforderungen werden.
Eure

Warum es gut ist, dass unsere Kinder so langsam sind

Montagmorgen, der kleine Rucksack ist gepackt, alles ist Startbereit, die Eltern stehen wartend in der Tür, bereit zum Aufbruch in den Tag und in die neue Woche. – Nur das Kind sitzt noch da, mühsam den Schuh über den kleinen Fuß ziehend. „Komm, ich helf Dir schnell, wir müssen los!“ „Nein, alleine!“ – Aber wir müssen doch schnell…

Die Hektik unseres Alltags

Wenn wir unseren Kindern bei ihren Tätigkeiten zusehen, stellen wir fest, wie langsam sie oft sind: beim Anziehen, beim Waschen, beim Schreiben,… bei all den Tätigkeiten, die sie sorgsam neu in ihrem Alltag verrichten. Sie probieren aus, ihre kleinen Finger üben neue Griffe, ganz langsam wird ein Reißverschluss zugemacht, mit Sorgfalt werden die Knöpfe geschlossen oder die Müslischale in das Regal gestellt. Manchmal haben wir aus der Hektik unseres Alltags den Impuls, sie in ihrem Handeln zu ermahnen: „Nun mach doch mal schneller, wir müssen doch…“ Treten wir einen Schritt zurück und betrachten unsere Kinder in ihrem Tun, können wir feststellen, welch großer Schatz eigentlich in ihrem Handeln liegt: Sie tun die Dinge langsam, behutsam. Sie gehen achtsam mit den Dingen um – eine Achtsamkeit, die wir in unseren Jahren erst wieder versuchen, in unseren Alltag zurück zu holen durch Übungen, Kurse und Trainings. Natürlich sind auch sie manchmal schnell, hektisch oder ungeduldig – und je nach Temperament sind einige Kinder das mehr und andere weniger – aber in vielen Tätigkeiten sind sie zunächst in einer Weise bedacht, sie wir Erwachsenen in unseren Jahren erst wieder erlernen müssen, weil der Stress unseres Alltags uns die Langsamkeit im Handeln genommen hat.

Alleine machen

Natürlich geht es in diesem langsamen Handeln des Kindes um mehr als Achtsamkeit: Es liegt ein Lernwille dahinter: Das Kind übt sich in neuen Tätigkeiten, in neuen Handlungsabläufen und Gedanken. Anfangs ist das noch schwer und das Kind muss erst lernen, wie die richtige Bewegungsabfolge ist, um zum Ziel zu kommen. Nicht anders ist es bei vielen anderen Dingen, die es gerade jetzt lernt: soziale Regeln, Verhaltensweisen. All das will gelernt werden und braucht auch einfach Zeit. Unsere Kinder lernen, aber in vielen Dingen nicht von heute auf morgen, sondern über einen langen Zeitraum hinweg. Sie wollen nicht „die Abkürzung“ nehmen in de Form, dass ihnen dieses Lernen abgenommen wird: Sie wollen die Erfahrungen selbst machen, um sich Stück für Stück weiter auf das eigenständige Leben vorzubereiten.

„Alleine machen!“ ist kein Aufbäumen gegen unsere Wünsche, kein Machtspiel. Es bedeutet oft: „Ich muss mir diese Zeit jetzt nehmen, um zu lernen, wie es wirklich geht, damit ich es wirklich lernen kann!“ Berauben wir unsere Kinder durch Hektik dieser Möglichkeiten, berauben wir sie um Lernerfahrungen, die sie dringend brauchen. – Und die wir ja schließlich auch irgendwann einfordern: Kein Kind wird sich selbst die Schuhe anziehen und binden können, wenn wir es nicht geduldig haben lernen lassen.

Lernen in einer Umgebung, in der es erlaubt ist

Was Kinder also brauchen, ist eine Umgebung, die das Lernen zulässt und auch das Lerntempo des Kindes berücksichtigt. Eine Umgebung, in der diese vermeintliche Langsamkeit erlaubt ist. Das Lernen geht dann umso leichter, wenn wir eine Umgebung schaffen, in der es natürlicherweise erlaubt ist. Eine Umgebung, in der sich das Kind nicht erst durchsetzen muss, in der es nicht erst rebellieren muss, um das Recht auf Selbständigkeit zu erlangen, sondern in der es selbstverständlich davon ausgehen kann, dass es erlaubt ist. Muss es sich erst wehren, durchsetzen und Widerstand leisten gegen unsere Anordnungen, ist das Lernen wesentlich schwerer.

Nehmen wir also die Langsamkeit und den Wunsch, selber zu lernen, an und versuchen wir, unsere erwachsene Hektik ein wenig aus dem Kinderalltag zu verbannen, damit sie auf ihre Weise entspannt einen Zugang zu unserer Welt finden.
Eure

Wie Babys schlafen

Der Schlaf von Babys und Kindern ist eines der großen Themen in den ersten Jahren. Wir lesen davon, dass „Kinder schlafen lernen“ müssen, dass Schlaf wichtig sei für die Entwicklung und zu wenig Schlaf ungesund, wir stellen uns Fragen darüber, ob nun Mittagsschlaf wirklich wichtig ist, wenn wir abends doch gerne ein wenig Zeit für uns hätten ohne Kind. Wie also ist es nun mit dem Schlaf? Können oder müssen Kinder das lernen oder machen sie das von ganz allein? Und wie verändert sich das Schlafen im Laufe der Zeit?

Die gute Nachricht ist: Babys müssen nicht schlafen lernen, sie schlafen schon ganz selbständig von Anfang an. Die von vielen Erwachsenen allerdings als schlecht wahrgenommene Nachricht ist: Sie schlafen anders als wir. Und genau das bringt uns manchmal in eine Zwickmühle. Nach der Geburt hat das Baby erst einmal keinen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus: Schlafen und Wachen wechseln sich ab. Wie bei uns Erwachsenen ist auch schon für die Kleinsten der Schlaf wichtig, u.a. für das Gehirn und die Lernprozesse. Daher haben sie auch einen anderen Schlafrhythmus und eine andere Verteilung der Schlafphasen. Noch im Uterus besteht der Schlaf des ungeborenen Babys zu nahezu 100% aus REM-Schlafphasen, bei neugeborenen Kindern aus etwa 70%. Diese Schlafphase, in der die Augen sich unter den Lidern schnell bewegen (REM = Rapid Eye Movement) dient dem Gehirn zum Sortieren und Verarbeiten von Eindrücken – wir lernen, insbesondere auch emotionale Erlebnisse verfestigen sich hier.

Das Baby lässt sich nicht ablegen!

Vom Wachzustand geht das Baby zunächst in den REM-Schlaf über und dann in den Tiefschlaf: Viele Eltern wissen, dass sich das Baby, obwohl es doch gerade eingeschlafen scheint, nicht gleich ablegen lässt. Es erwacht sofort, wenn wir es ablegen, wenn es eine Diele knarzen hört oder sich die Situation in einer anderen Art für das Baby spürbar ändert. Und auch wenn uns Erwachsenen das oft als unpraktisch für uns selbst erscheint, ist es dieses Schlafverhalten für das Baby durchaus sinnvoll: Während dieser ersten Schlafphase ist es noch aktiv genug, um zu überprüfen, ob die Rahmenbedingungen für einen Schlaf wirklich gut sind, oder ob es nicht doch vorher noch einmal versorgt werden muss oder andere Rahmenbedingungen braucht, beispielsweise weil es zu kühl oder zu warm bekleidet ist, weil es spürt, dass es allein ist und dieses Gefühl seinem Bedürfnis nach Sicherheit widerspricht.

Das Baby wacht nachts auf!

Nach etwa 20 Minuten REM-Schlaf geht das Baby dann in den Tiefschlaf über: Nun lässt es sich ablegen. Nach einem Schlafzyklus von etwa 50 Minuten erwacht das Baby mehr oder weniger kurz, häufig zur Nahrungsaufnahme. Zudem überprüft es nun wieder, ob die Rahmenbedingungen weiterhin gut sind. Fühlt es sich beispielsweise schutzlos, wird es erwachen und weinen, um die Bezugspersonen zu sich zu holen. Auch bei einem Ausscheidungsbedürfnis erwachen die Babys oder werden unruhig. Wer das Baby abhält, merkt, dass es nach dem Ausscheiden wieder gut einschlafen kann.

Auch ältere Kinder und sogar wir Erwachsene wachen nachts auf – allerdings können wir selbständig wieder einschlafen und müssen (meistens) nicht durch eine andere Person wieder in den Schlaf begleitet werden, weil wir genug Erfahrungen im Laufe der Zeit gesammelt haben und wissen, dass wir an unserem Schlafort sicher sind. Auch verlängern sich im Laufe des Lebens die Schlafzyklen: Bei einem Erwachsenen dauern sie 90 bis 120 Minuten an – wir wachen also in späteren Jahren seltener auf pro Nacht.

Babys schlafen nicht durch – oder doch?

Dass Babys nicht in dem Sinne durchschlafen, wie wir von durchschlafen denken, ist also ganz normal. Die Gesamtschlafdauer bei Babys variiert stark: Neugeborene schlafen zwischen 11 und 20 Stunden am Tag, 6 Monate alte Babys zwischen 9 und 17 Stunden. Und auch nach der Babyzeit ist der Schlafbedarf noch unterschiedlich und einige Kinder brauchen noch länger einen Mittagsschlaf und andere hören früher damit auf. Mit „durchschlafen“ wird in der Regel ein Zeitfenster von 5 Stunden bezeichnet. Im ersten Jahr wachen viele Babys noch drei Mal und mehr nachts auf. Und selbst nach dem ersten Geburtstag schlafen Kinder noch nicht in dem Sinne durch, wie wir es uns oft wünschen würden.

Mit dem Babyschlaf umgehen

Dass Babys also so schlafen, wie sie schlafen, ist richtig und normal. Leider kollidiert es dennoch mit unseren erwachsenen Schlafgewohnheiten – und unseren Erwartungen hierzulande. Während in Costa Rica davon ausgegangen wird, dass Kinder etwa mit 3,5 Jahren durchschlafen, erwarten dies in Indien Eltern erst von 5jährigen. Zudem gibt es selbst in der voranschreitenden Entwicklung immer wieder mal Rückschritte in Phasen, in denen das Baby besondere neue Entwicklungen durchläuft und daher unruhiger schläft oder wenn es beispielsweise einen Infekt hat oder Zähne bekommt.

Wichtig ist daher: Den Schlaf des Babys so annehmen, wie er ist. Babys brauchen einfühlsame Begleitung und keine Schlaftrainings. Wichtig ist es dennoch, dass auch wir Erwachsene auf unsere Schlafbedürfnisse achten. Daher ist es gut, wenn sich Eltern abwechseln können, damit beide ausreichend Schlaf bekommen. Praktisch für ein gutes Schlafgefühl ist auch der so genannte „Ammenschlaf“: Schlafen Mutter und Baby in körperlicher Nähe (das Baby beispielsweise im Familienbett oder Beistellbett), nähern sich die Schlafphasen von Mutter und Kind an, wodurch die erwachsene Bezugsperson nicht aus dem Tiefschlaf gerissen wird durch das erwachte Baby, sondern oft kurz vor dem Baby erwacht, schnell auf die Bedürfnisse eingehen kann und dann selbst wieder schnell in den Schlaf findet. der Schlaf kann so erholsamer sein beim Co-Sleeping als bei räumlicher Trennung.

Wie geht es Euch mit dem Schlaf Eures Babys?
Eure

Passende Bücher zum Thema:
Mierau, Susanne (2016): Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden. – München: Kösel.
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. – Weinheim: Beltz.
Mierau, Susanne (2024): Das Schlafbuch für die ganze Familie. – Weinheim: Beltz.
Lüpold, Sibylle (2014): Ich will bei Euch schlafen! (Ein-)Schlafen lernen mit Co-Sleeping. – Freiburg: Urania Verlag.

Kürbiszimtschnecken und andere Kürbisleckereien

Der Herbst ist da und damit Zeit für leckere Backwerke neben einem warmen Getränk. In diesen Tagen kommt Kürbis hier häufig auf den Tisch – in ganz verschiedenen Varianten von salzig bis süß. Vom Hokkaido-Kürbis kann die gesamte Frucht verwendet werden von der Schale bis zu den Kernen und wird zu: Kürbissuppe, Kürbisbrötchen, Ofengemüse-Kürbis, Kürbisgnocci, Kürbiswaffeln, Kürbis-Flammkuchen, Kürbiskern-Snack, Kürbiskuchen, Kürbisdonuts – und diese leckeren Kürbis-Zimtschnecken.

Für etwa 10 Zimtschnecken benötigst Du:

250g Mehl
50g Rohrzucker
1/2 Päckchen frische Hefe
1/2 TL Salz
50g geschmolzene Butter
125 ml Milch
100g Hokkaido-Kürbispüree

50g weiche Butter
50g Zucker
2 TL Zimt
1/2 TL Kardamompulver

Und so werden Zimtschnecken daraus:

Für das Kürbispüree wird der Hokkaido-Kürbis gewaschen, der Stiel entfernt, Kerne ausgeschabt (diese können gekocht, im Ofen mit Gewürzen bestreut geröstet und dann als Snack gegessen werden). Der restliche Kürbis wird in Stücke geschnitten und bei 180°C im Backofen weich gegart. Der abgekühlte Kürbis wird dann püriert und die entsprechende Menge für die Zimtschnecken abgenommen. Reste können zu Suppe, für Pizzateig etc. weiter verarbeitet werden.

Mehl in eine Rührschüssel geben, Zucker zugeben, die geschmolzene Butter mit der Milch auffüllen und beides gemeinsam zum Mehl-Zucker-Gemisch geben, Hefe unterkneten und das Kürbispüree unterkneten. Der Teig sollte nicht zu klebrig sein, ggf. Mehl zugeben. Den Teig abgedeckt an einem warmen Ort etwa 60 Minuten gehen lassen bis er sich verdoppelt hat.
Dann rechteckig ausrollen. Butter Zucker, Zimt und Kardamom verrühren und diese Mischung auf dem ausgerollten Teig verstreichen. Den Teig von der Unterkante zu einer Schnecke recht fest aufrollen. Von der Rolle ca. 2cm breite Scheiben abschneiden, auf das mit Backpapier belegte Blech geben und noch, als 30 Minuten gehen lassen und dann im vorgeheizten Ofen bei 180°C 10 Minuten backen.

Abschließend können die Zimtschnecken noch mit Zuckerguss oder Hagelzucker versüßt werden.

Die Atmosphäre am Familientisch

Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Gerade bei unseren Kindern sehen wir, wie wichtig die gesamte Atmosphäre am Esstisch und rund um die Nahrungsmittel ist, damit dieses Alltagsritual entspannt und bedürfnisorientiert ablaufen kann. Dies bezieht sich nicht nur auf die Familienmahlzeiten größerer Kinder, sondern hat seine Bedeutung von Anfang an, wenn schon kleine Babys mit am Tisch sitzen oder liegen und später mit dem Probieren der Beikost beginnen. Eine entspannte Atmosphäre ohne Druck, Zwang, die Selbständigkeit und Teilhabe ermöglicht, ist ein wesentlicher Baustein der Ernährung.

Freude am Essen von Anfang an Erleben

Schon das Baby beobachtet uns bei den Mahlzeiten: Es nimmt wahr, ob wir entspannt und ruhig mit Genuss essen oder hektisch. Auch durch unser Vorbild entwickelt sich beim Kind nach und nach ein Interesse an den Nahrungsmitteln, die das Kind bei uns sieht. Dieses Interesse an Nahrungsmitteln wird später zu einem der Beikostreifezeichen unter mehreren. Noch bevor es selbst die erste Beikost zu sich nimmt, lernt es am Familientisch schon von der Atmosphäre etwas über Nahrungsaufnahme. Es ist gut, wenn Kinder diesen Ort der Nahrungsaufnahme von Anfang an kennen lernen, das Ritual des Essens erleben und später dann, wenn sie selber richtig am Tisch sitzen, diesen Ort ganz selbstverständlich mit dem gemeinsamen Essen verbinden.

Die Fürsorge für uns, uns selbst eine gute Mahlzeit zuzubereiten und entspannt zu essen, wird so auch zum Vorbild für das Kind. Ernährung ist eines unserer Grundbedürfnisse, das wir auch mit kleinem Baby nicht vernachlässigen sollten – auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, viele Dinge im Alltag wären gerade jetzt wichtiger. Aber wie auch der Schlaf ist eine regelmäßige und gesunde Ernährung für Eltern wichtig, um auch dem oft trubeligen Babyalltag entspannter begegnen zu können.

Beikost entspannt gestalten

Viele Eltern fiebern dem Beikostbeginn aufgeregt entgegen – um dann festzustellen, dass es gar nicht so aufregend ist, weil viele Babys anfangs nur sehr wenig der angebotenen Beikost zu sich nehmen und viel weniger daran interessiert sind, als die Eltern es vielleicht erwartet haben. Schließlich ist es genau das, was der Name auch besagt: Bei-Kost. Wichtig ist – trotz aller Gläschenmengenangaben – sich dies immer wieder vor Augen zu führen und entspannt zu bleiben. Denn das Kind sollte die ersten (und auch zweiten, dritten,…) Erfahrungen mit der Beikost so ruhig und entspannt machen können, dass die Freude an diesem Spiel erhalten bleibt. Noch lange Zeit versteht das Baby dieses Essen nämlich besonders als Spiel: Es weiß noch nicht, dass es auch so gesättigt wird und probiert Gerüche, Geschmäcker und Konsistenzen aus. Es lernt, Nahrungsmittel im Mund zu bewegen, den Speisebrei mit Speichel zu durchmischen für eine bessere Verdauung. Nebenher lernt es am Familientisch neue Worte für Farben, Lebensmittel und Teller etc., die das Essen begleiten. Es ist eine aufregende, neue Zeit voller Eindrücke, die verarbeitet werden wollen.

Vertrauen und Stressreduktion für entspannte Mahlzeiten

Was in dieser Zeit für eine entspannte und anregungsreiche Atmosphäre am Tisch wichtig ist: Vertrauen und Entspannung der Eltern. Beikosteinführung braucht Zeit und es gibt immer wieder mal Rückschritte und Kinder essen weniger oder nur bestimmte Nahrungsmittel. Manchmal sind Kinder mäklig, manchmal essen sie mehr. Begegnen wir diesen Wellen der neuen Ernährung mit Nachsicht, üben wir keinen Druck aus mit einem Zwang zu Probierhäppchen, Nachtischverweigerung oder anderen Übergriffen in die Selbstbestimmung des Kindes. Akzeptieren wir ein Wegdrehen oder Kopfschütteln als Zeichen und setzen wir es in Sprache um: „Du schüttelst den Kopf, du magst nicht mehr essen.“ Hier lernen Kinder, ihren Körper und seine Signale zu verstehen und angemessen zu reagieren. Übergehen wir diese Signale nicht, sondern lassen wir den Kindern auch diesen Erfahrungs- und Lernraum.

Und noch ein anderer Faktor ist wichtig für diese Zeit: So wenig Zubereitungs- und Aufräumstress wie möglich. Natürlich frustriert es Eltern, wenn das sorgsam zubereitete Mahl nicht angerührt wird. Oder wenn das Essen vor lauter Freude am Fühlen in die Tischplatte einmassiert wird oder die noch ungeschickten Hände mehr fallen lassen, als in den Mund stecken. Diesem Stress können wir begegnen, indem wir unsere Erwartungen nicht zu hoch ansetzen und keine schwierigen Mahlzeiten kreieren, sondern einfach etwas unserer gedünsteten Familienkost für das Kind abzweigen und entweder zu Brei pürieren oder in handlichen Stücken anbieten – so bleiben der Zubereitungsaufwand und auch die Kosten gering.

Begegnen wir unserem Kind respektvoll, übergehen wir die Grenzen des Kindes nicht aus Angst, das Kind würde zu wenig essen. Und auch nicht die Angst, das Kind könnte zu viel essen: Lassen wir das Kind die Signale geben, wann es wieviel aus einem gesunden Nahrungsangebot auswählen möchte. Reflektieren wir unsere Ängste und ihre Ursprünge, wenn wir sie spüren. So können wir eine entspannte Atmosphäre am Familientisch schaffen, die die Basis legt für viele weitere Jahre.

Eure