Kategorie: Beikost

Baby-led Weaning aus ernährungswissenschaftlicher Sicht

Wie haben unsere Vorfahren ihre Babys ernährt? Sicherlich hatten die Menschen in der Steinzeit keinen Pürierstab, mit dem sie einen Süßkartoffel-Broccoli-Hähnchenbrei gezaubert haben. Für Babys gab es oftmals Getreidebrei oder sie wurden über Jahre gestillt, bis sie die feste Nahrung essen konnten. In den letzten Jahren ist das BLW in unseren Breitengraden durch die Hebamme Gill Rapley bekannt und populär geworden. Sie betont, dass diese Art und Weise der Beikost nicht neu sei, sondern seit Jahrhunderten auf der ganzen Welt praktiziert werde. Darüber hinaus profitiere die ganze Familie davon, weil durch die breifreie Ernährung für das Baby selbstbestimmtes Essen ohne Druck und Zwang möglich sei.

Welcher Leitgedanke steckt hinter dem Begriff BLW?

Das Baby-led Weaning, kurz die Baby- geführte Entwöhnung von der Muttermilch, ist eine Form der Beikost, bei der das Baby den Übergang von der Milch zur festen Nahrung selbst steuert. Zusätzlich zur Muttermilch tastet es sich im wörtlichen Sinne spielerisch an feste Nahrung heran. Dabei steht anfangs nicht im Vordergrund, WAS genau und WIEVIEL dein Baby isst, sondern vielmehr, dass die kleinen Wesen die Möglichkeit bekommen, selbstbestimmt in ihrem eigenen Tempo Lebensmittel zu erkunden. Langsam tastet sich dein Baby mit allen Sinnen an das Essen heran. Die Energie und Nährstoffe erhält es anfangs eher über die Mutter- bzw. Säuglingsmilch. 

Was ist der wesentliche Unterschied im Vergleich zur landesüblichen Breikost? Statt Breifütterungen gibst du deinem Baby Fingerfood. So werden Löffel und stetiges Anreichen der Mahlzeiten überflüssig. Wir als Eltern bieten die Mahlzeiten an und die Kinder bestimmen ganz individuell, was sie essen möchten. Es wird davon ausgegangen, dass Babys intuitiv das Essen auswählen, was sie für ihre Entwicklung brauchen. Wir als Eltern geben ihnen die Möglichkeit zu entscheiden WAS, WIEVIEL und in WELCHER GESCHWINDIGKEIT sie essen wollen. Deshalb ist die Zusammensetzung der breifreien Babyernährung schwer mess- und vergleichbar mit der landesüblichen Breikost. 

Wie sieht die Praxis des BLW aus?

Kurz gesagt, isst du beim BLW zur gleichen Zeit, am selben Tisch mit deinem Baby das gleiche Essen. Wie lässt sich die breifreie Alternative zur Babyernährung grob in 6 Punkten beschreiben?

  1. Es ist ein Baby-gesteuertes Konzept zur Beikosteinführung
  2. Es gibt Fingerfood statt Brei
  3. Du servierst Familiengerichte
  4. Die Hauptenergie bezieht dein Baby anfangs durch das Stillen
  5. Gestillt wird zwischen den Mahlzeiten
  6. Du entscheidest, was du deinem Baby anbietest, denn es gibt keinen vorgegebenen Speiseplan

BLW – nur ein Trend oder eine tatsächliche Alternative zum Brei?

Immer mehr Familien hierzulande entscheiden sich für die breifreie Babyernährung, wobei sich beide Konzepte – also Brei und Fingerfood, auch gut kombinieren lassen. Du musst dich nicht für die eine oder andere Variante endscheiden! Wenn du dir nicht sicher bist, welcher Weg für eure Familie der passende ist, könnt ihr euch Rat bei eurer Hebamme, Kinderärzt*in suchen oder mit Ernährungsfachkräften darüber reden.

  • Sofern du die Reifezeichen deines Babys berücksichtigst,
  • abwechslungsreiches Essen anbietest,
  • gezielt dem Verschlucken vorbeugst,
  • und die regulären ärztlichen Kontrollen wahrnimmst,
  • kannst du das BLW gut umsetzen.

Pauschal gibt es auch aus dem Blickwinkel der Ernährungswissenschaften keine festgefahrenen Empfehlungen zur „optimalen“ Beikostmethode, weil vergleichende Langzeitanalysen fehlen. Der Vorteil der Breiernährung liegt darin, dass die Rezepturen auf den Nährstoffbedarf deines Babys abgestimmt sind. Für die Nährstoffe Fluorid, Jod, Vitamin D und K (Nährstoffe, die auch bei der Breiernährung zu kurz kommen) gibt es deshalb Empfehlung zur Nahrungsergänzung. Welche Nährstoffe beim BLW kritisch werden können, ist noch nicht hinreichend erforscht.

Was sind die diskutierten Vor- und Nachteile?

Vorteile

  • Das BLW kann einen positiven Einfluss auf die Hunger- und Sättigungs-Regulation haben.
  • Die motorischen Fähigkeiten des Babys werden geschult.
  • Der Beziehungsaufbau und Interaktion zwischen Eltern und Kind wird durch gemeinsame Mahlzeiten gefördert.
  • Ein abwechslungsreicher Speiseplan ist durch eine Vielfalt von Geschmack und Konsistenz möglich.
  • Es bietet für Eltern den Anreiz, sich gesünder zu ernähren.
  • Baby- und Familienmahlzeiten werden gemeinsam gestaltet.

Nachteile

  • Möglicherweise ist die Gefahr des Verschluckens höher.
  • Tendenziell ist die Versorgung mit Eisen geringer.
  • Die Gefahr des zu hohen Salzkonsums besteht, sofern Eltern die Speisen nicht explizit salzfrei gestalten.
  • Es bestehen höhere Tendenzen zur Energieunterversorgung, aber auch nährstoffreiche Gerichte sind beim BLW schwieriger umzusetzen.
  • Babygerechte Fingerfoodgerichte sind aufwändiger zuzubereiten.

Wie du siehst, bringt das BLW viele Vorteile, aber auch einige Risiken mit sich. Was sagen unsere Fachgesellschaften dazu? Die Mehrheit der Expert*innen und auch die Vereinigung nennenswerter Fachgesellschaften von Hebammen, Ärzt*innen und Ernährungsfachkräften (Netzwerk „Gesund ins Leben“) sprechen kein eindeutiges „Ja“ zum BLW aus, weil sie fürchten, dass sich die kleinen Wesen an den groben Stücken verschlucken können, und weil sie das Risiko für einen Nährstoffmangel als potenzielle Gefahr sehen. Schließlich wählt im Gegensatz zur Breikost das Baby frei, was es essen möchte und was nicht. Andererseits sind die genannten Risiken nicht eindeutig wissenschaftlich belegt. Die Forschungslage steckt hier im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Kinderschuhen. Derzeit beschreiben jüngste Fachartikel, wie du die Sicherheit erhöhen und das Risiko für einen Nährstoffmangel reduzieren kannst:

Wie die Sicherheit erhöhen?

  • Beachte die Reifezeichen deines Kindes: Ist es nach 6 Monaten wirklich bereit dafür?
  • Tagesstruktur: Versuche extreme Müdigkeit oder extremen Hunger vor der Mahlzeit zu verhindern!
  • Erhöhe die Sicherheit: lass dein Baby nie allein beim Essen, sorge für eine aufrechte Sitzposition und dass die Hände frei sind.
  • Biete das Essen in einer babygerechten Konsistenz an: Nicht nur an harten, runden Lebensmitteln, sondern auch an Schalen kann sich ein Kind verschlucken!

Was kommt beim Baby-led Weaning konkret auf den Teller? Was tun, um einen Nährstoffmangel zu verhindern?

  1. Die Grundlage bildet eine abwechslungsreiche Kost:
    Nutze die Vielfalt der Lebensmittel in Bezug auf Farben, Konsistenzen und Formen. Das heißt, du kannst nicht nur die Lebensmittel austauschen, sondern auch gleiches Essen in einer anderen Zubereitungsart (z. B. als Bratling) anbieten!
  2. Biete 3 bis 4 verschiedene Lebensmittel und jeweils 1 Stück von jedem auf dem Teller an. Es kann immer nachgenommen werden!
  1. Stelle mindestens ein energiereiches Lebensmittel (z.B. Brot mit Margarine) mit mindestens einem eisenreichen Lebensmittel (z. B. Bratenaufschnitt/Linsen-Aufstrich) pro Mahlzeit zusammen!
  2. Beobachtungen: Lasse die Entwicklung des Kindes ärztlich langfristig beobachten,
    u. a. auch, ob eine Nahrungsergänzung (z. B. mit Eisen) erforderlich ist?

Beispiele für BLW

Mahlzeiten-Ideen:

  • Eieromelette, z.B. mit Spinatfüllung
  • Pizza oder Flammkuchen mit Gemüse belegt
  • Risottobällchen mit Gemüse und Fisch
  • Lasagnemuffins
  • Ofengemüse + Ofenkartoffeln
  • eingerollte gefüllte Pfannkuchen
  • Gemüsebratlinge/ Frikadellen
  • Maiskölbchen/ Hähnchenkeule zum Abnagen

Snack-Ideen:

  • Grießschnitte
  • Bananenbrot
  • Brot- und Käsestreifen
  • Obststücke mit Nussmus
  • süße oder herzhafte Waffeln
  • süße oder herzhafte Muffins
  • Brokkoliröschen, Nektarinen- oder Avocadospalten
  • Gemüse/ Getreidestangen (z.B. Dinkelstangen) mit Dip
  • Maiswaffel mit pflanzlichem Aufstrich

Fazit

Das BLW kannst du alternativ zur Breikost oder zusätzlich praktizieren. Ansonsten ist es eine gute Ausweichmöglichkeit, wenn dein Baby das pürierte Essen verweigert. Mit 8 Monaten wird für Breibabys ohnehin empfohlen, Fingerfood anzubieten. So kannst du die breifreie Methode auch nutzen, um den Übergang zur Familienkost zu gestalten, sofern du Lebensmittel gezielt auswählst, Maßnahmen vornimmst und dem Verschlucken vorbeugst. Für die konkrete wissenschaftlich fundierte Bewertung des BLW sind allerdings noch Langzeitanalysen erforderlich.

Zur Autorin:
Nyara T. Gehringhoff ist Ernährungswissenschaftlerin (M. Sc.), arbeitet in einer ernährungsmedizinischen Abteilung im Krankenhaus und berät Familien rund um das Thema Ernährung. Für ihr Studium hat sie ein Stipendium der „Begabtenförderung Berufliche Bildung“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung erhalten. 2014 hat sie den Wissenschaftspreis beim internationalen Kongress der DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin erhalten. Mehr über ihre Arbeit erfährst du auf ihrem Blog nyarasfamilyfood.de und in ihrem Instagramkanal.

Hilfe, mein Kind bleibt nicht beim Essen sitzen!

Das Essen steht auf dem Tisch, es gibt etwas, was das Kind eigentlich mag. Und dennoch: Das Kind bliebt einfach nicht sitzen. Vielleicht isst es ein paar Happen, vielleicht beginnt es auch, auf dem Teller das Essen hin und her zu schieben. Vielleicht beginnt es auch, im Stuhl zu zappeln oder steht auch selber auf und läuft umher. Was nun? Müssen wir streng sein, damit das Kind lernt, dass alle bis zum Ende am Tisch sitzen bleiben? Tischmanieren sind schließlich wichtig, oder nicht?

Wie Kinder Tischmanieren lernen

Kinder lernen vor allem durch unser Vorbild. Das betrifft viele Alltagssituationen, und auch all das, was wir unter „Manieren“ oder „Benehmen“ zusammenfassen. Bitte, Danke und die Bitte um Entschuldigung lernen sie von uns und durch unser Beispiel. Ebenso wie sie Begrüßungen durch uns lernen und die passende Ansprache von anderen Menschen. Auch beim Essen gilt daher, dass die engen Bezugspersonen Vorbilder sind für das Verhalten: Wenn wir mit Besteck essen, möchte das Kind auch mit der Zeit die unterschiedlichen Esswerkzeuge ausprobieren – das ist neben der Frage nach dem Vorbild aber auch eine nach der Feinmotorik des Kindes: Sie entwickelt sich erst im Laufe der Kleinkindzeit und Kinder greifen in den ersten Jahren gerne noch mit den Händen zu, erfühlen und betasten das Essen und führen es mit den Fingern zum Mund. Hier brauchen wir Verständnis für die Entwicklung. Wenn wir uns den Mund mit einer Serviette abwischen, wird das Kind dies auch übernehmen. Wenn wir einen Tischspruch einführen vor dem Essen (wenn wir das als Ritual in unserer Familie wünschen), wird das Kind mit der Zeit lernen, erst danach mit dem Essen zu beginnen.

Die kindliche Entwicklung berücksichtigen

Bei dem Beispiel mit dem Tischspruch sehen wir bereits: Routinen müssen mit der kindlichen Entwicklung zusammenpassen. Je jünger Kinder sind, desto weniger können sie Bedürfnisse aufschieben. Ein kleines Kind, das großen Hunger hat, wird wahrscheinlich das Bedürfnis nach der Speise noch nicht aufschieben können und die Finger nach dem Essen ausstrecken – auch wenn es eigentlich weiß, dass das Essen erst danach beginnt. Wenn wir es verweigern, kann es sein, dass es nun wütend wird, weil es die Impulse noch nicht ausreichend kontrollieren kann. Wir geraten in einen Streit, sind vielleicht wütend über die Wut, der eigentlich daran lag, dass das Kind sein Bedürfnis noch nicht aufschieben kann.

Dieses Beispiel erscheint uns Erwachsenen noch sehr verständlich. Wenn das Kind aber vom Tisch aufsteht, ist das für Eltern manchmal schwerer zu verstehen, warum genau das Kind dies nun tut und nicht einfach sitzen bleibt. Aber auch hinter dem Aufstehen kann ein Bedürfnis stehen: Vielleicht ist es wirklich satt oder aktuell noch nicht besonders hungrig gewesen. Es ist okay, den Teller stehen zu lassen und anzubieten, dass das Essen später aufgegessen werden kann, wenn das Kind noch Hunger hat. Vielleicht hat es auch das Bedürfnis, sich noch ein wenig zu bewegen oder nach einem ganzen Tag, an dem es nicht zu Hause war, jetzt selbst zu entscheiden und mit einem bestimmten Spielzeug zu spielen. Vielleicht kommt es dann, wenn es sich ein wenig bewegt oder zu Ende gespielt hat, wenn es hungrig ist zurück an den Tisch. Vielleicht ist das Zappeln aber auch ein Zeichen dafür, dass es etwas Nähe braucht und es möchte lieber auf dem Schoß einer Bezugsperson weiteressen.

Es gibt viele Gründe dafür, dass das Kind gerade jetzt nicht sitzen bleiben möchte. Bei einem Kleinkind ist der Grund aber auf jeden Fall weder ein schlechtes Benehmen noch ein Machtspiel. Und weil das Kind jetzt noch nicht lange Zeit am Tisch stillsitzen kann, bedeutet das nicht, dass es das nie lernen wird. Neben der Reifung spielt dabei auch das individuelle Temperament eine Rolle: manche Kinder sind ruhiger und sitzen schon in jüngeren Jahren länger und ruhiger am Tisch, andere sind zappeliger und brauchen etwas mehr Bewegung.

Kein Zwang, keine Ablenkung

Wir sollten unsere Kinder nicht gegen ihren Willen am Tisch halten – das führt in der Regel nur zu oben erwähnten Wutsituationen, weil sich das Kleinkind nicht gesehen und verstanden fühlt. Wir sollten auch nicht versuchen, das Kind durch die Nutzung von Medien vom eigentlichen Bedürfnis abzulenken und am Tisch zu halten, indem wir es füttern, während es ein Video sieht. Essen ist eine soziale Situation und sollte bewusst und sinnlich erfolgen – mit den Sinnen beim Essen und nicht abgelenkt durch andere Medien. Hilfreicher ist es, dem kindlichen Bedürfnis nachzugeben und das Essen zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder – wenn das Kind eben satt ist – selbst in Ruhe zu Ende zu essen, während das Kind spielen kann. Nach und nach werden die Zeiten am Tisch länger, wenn wir eine insgesamt angenehme Tischatmosphäre schaffen und das Kind erfährt, dass das Zusammenkommen beim Essen mehr als nur Nahrungsaufnahme ist, sondern auch Familienritual, Zeit zum Austausch und insgesamt eine respektvolle, genussvolle Zeit.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Muss mein Kind das Gläschen leeren? – Beikostmengen und Bedürfnisorientierung

Viele Eltern sorgen sich – gerade am Anfang in der Beikostzeit – um die Menge der aufgenommenen Nahrung: Was, wenn das Baby immer etwas im Glas zurücklässt? Was, wenn das Baby auf einmal viel mehr essen will? Soll ich das Baby überreden, mehr zu essen? Soll ich mehr verweigern?

Prinzipiell fällt es vielen Eltern leichter, mit den Mengen der Beikost umzugehen, wenn das Kind am Familientisch mitisst und nicht mit vorportionierter Beikost versorgt wird. Natürlich machen sich auch Eltern, die Baby-Led-Weaning (babygesteuerte Beikosteinführung/Milchentwöhnung) als Beikostmethode ausgewählt haben, gelegentlich Sorgen darum, ob das Kind tatsächlich genügend Beikost und Nährstoffe über die neue Ernährungsform aufnimmt. Die Frage danach, ob es zu viel isst, ist aber relativ selten.

Die Gläschenvariante hingegen verunsichert Eltern in zweierlei Richtungen: zu wenig oder zu viel? Und sie verleitet Eltern eher in Anbetracht der eigentlich vorgesehenen Menge dazu, das Kind zu überreden mit Spielen und Tricks, damit es schließlich doch noch das ganze Glas leert. Doch wie bei der Flaschenernährung und beim Stillen geht es bei der Beikost darum, die Signale des Babys wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und dann darauf zu reagieren.

Langsame Gewöhnung an die neue Ernährung

Gerade zu Beginn der Beikostzeit haben Babys eher ein spielerisches Interesse an der neuen Ernährungsform und wollen diesen neue Angebot mit allen Sinnen erst einmal ausprobieren und im wahrsten Sinne be-greifen. Im Laufe der Zeit machen die Kinder dann die Erfahrung, dass dieses neue Angebot nicht nur ein sinnlicher Reiz ist, sondern auch sättigt.

Wichtig ist es, die Rahmenbedingungen für die Nahrungsaufnahme gut zu gestalten: Das beikostreife Baby kann aufrecht auf dem Schoß oder einem bequemen, passenden Kinderhochstuhl sitzen, die Beikost ist angenehm temperiert (nicht zu heiß) und das Kind wird aktiv einbezogen. Diese Beteiligung kann damit erfolgen, dass das Baby auch einen Löffel halten kann und vielleicht mit einem anderen durch den fütternden Elternteil gefüttert wird. Es ist schön für das Kind, wenn es sehen kann, was sich auf dem Löffel befindet. Wichtig ist auch, genügend Ruhe und Zeit mitzubringen: Es sollte darauf gewartet werden, dass das Kind von sich aus den Mund weit genug öffnet und kann dann den Brei im Mund bewegen, schmecken, erfühlen, bis es schließlich herunterschluckt. Erst wenn das Baby bereit ist, sollte der nächste gefüllte Löffel angeboten werden. Zeigt das Baby aber Ablehnung, wendet sich weg oder schiebt den Brei aus dem Mund heraus, ist Zeit für eine Pause.

Nicht die Signale übergehen

Es ist wichtig, die Signale des Kindes zu achten und nicht zu übergehen. Manchmal dauert es lange, bis eine Mahlzeit beendet ist. Manchmal ist das Baby auch einfach noch nicht bereit für größere Beikostmengen. Aber Eltern sollten sich nicht durch Ungeduld dazu verleiten lassen, über die Signale des Kindes hinwegzugehen mit Tricks („Hier kommt das Flugzeug!“), emotionalen Beeinflussung („Noch ein Löffelchen, dann ist Mama/Papa aber glücklich!“) oder Ablenkung (Handy anschalten mit Videos, damit das Kind währenddessen schnell gefüttert werden kann). Solche Maßnahmen verhindern die Ausbildung eines guten Gespürs für Sättigung.

Schon Babys haben eigentlich ein gutes Gespür

Eine Studie zeigt, dass schon Babys eigentlich ein gutes Gefühl für ihre Sättigung haben und zwar durchaus unterschiedliche Mengen Beikost zu sich nehmen pro Mahlzeit, aber insgesamt über den Tagesrhythmus ungefähr täglich die gleiche Menge an Energie zu sich nehmen, solange sie nicht durch die Fütterungsumstände und elterliche Beeinflussung davon abgebracht werden.Es ist wichtig, eine gesunde, ausgewogene Nahrungspalette anzubieten, aus der das Kind dann über die Signale, die es zeigt, auswählen kann, was und wieviel es isst. Im Laufe der Zeit gibt es immer wieder auch Speisen, die abgelehnt werden und von den Eltern dann immer wieder angeboten werden können. Wichtig ist tatsächlich, dass nicht bei jeder Mahlzeit das ganze Glas verfüttert werden muss, sondern individuell betrachtet werden sollte, wieviel das Kind gerade jetzt essen will.

Sollte sich das Kind nicht gut entwickeln, abnehmen oder weniger aktiv sein, sollte in der kinderärztlichen Praxis abgeklärt werden, was genau die Ursache dafür ist und ob es eine Unterversorgung mit Nährstoffen gibt.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Hilfe, mein Kind will nicht essen!

Wohl nahezu alle Eltern kennen diese Phasen mit Kindern, wenn das Kind auf einmal nicht essen möchte: Das Essen steht auf dem Tisch, aber das Kind möchte einfach nichts davon haben. Manchmal erstreckt sich dieses Verhalten auf einen oder wenige Tage, manchmal über Wochen und manche Kinder sind von sich aus wählerischer und eingeschränkter in der Auswahl als andere Kinder*.

In der Kleinkindzeit haben viele Kinder eine Skepsis gegenüber einigen Nahrungsmitteln und besonders neue Speisen werden erst einmal abgelehnt. Angenommen wird besonders, was bekannt ist. Und es benötigt eines immer wieder freundlichen Anbietens dieser Speise bis sie dann doch ausprobiert wird. Manchmal ist es auch die Konsistenz und was als Brei nicht probiert wird, funktioniert stückig besser oder schmeckt in einer Sosse verkocht oder in einem Smoothie verarbeitet viel besser als pur.

Was wir vermeiden sollten, wenn unser Kind nicht essen möchte

Wenn unser Kind weniger isst oder Essen ablehnt, sollten wir bei gesunden, normal entwickelten Kindern* nicht sofort in Angst verfallen, die uns zu übergriffigen Verhalten und Druck verleitet. Für viele Eltern ist die Ernährung – oft auch durch eigene Kindheitsthemen belastet – ein schwieriges Thema und bei kleinen Abweichungen von der Norm geraten sie schnell in Sorge. Diese Sorge und die eigenen negativen Ernährungserfahrungen führen dazu, dass gerade beim Essen schnell Druck aufgebaut wird, um das Kind wieder zum Essen anzuhalten.

Auch wenn wir als Eltern gut informiert sind über Nahrungsmittel, Inhaltsstoffe und gesunde Ernährung, erwarten wir von unseren kleinen Kindern zu viel, wenn wir denken, dass diese abstrakten Informationen sie davon überzeugen würden, jetzt das grüne Gemüse doch freudig zu essen. Vorträge über gesunde Ernährung am Esstisch sind deswegen keine zielführende Idee. Größere Schulkinder hingegen können sich mit dem Thema Ernährung kreativ beschäftigen und lernen in der Regel auch in der Schule noch einmal, auf die Bestandteile gesunder Ernährung zu achten.

Auch Bewertungen wie „gute*r“ oder „schlechte*r“ Esser*in oder Kategoriesierungen von „gesunder“ vs. „ungesunder“ Ernährung sind oft nicht zielführend, da sie einerseits für das kleine Kind zu abstrakt sind und die eigene Ernährung in Vergleich zu anderen Menschen setzen, vielleicht sogar in eine Art Wettbewerb und das Konzept von „gesund“ und „ungesund“ anhand einzelner Lebensmittel ungünstig ist, da nicht das Nahrungsmittel an sich, sondern die Menge oft den entscheidenden Faktor ausmacht und Kinder langfristig lernen sollten, nicht bestimmte Nahrungsmittel per se aus Angst zu vermeiden, sondern sinnvoll und kritisch damit umzugehen.

Auch Schulgefühle sollten wir nicht aufbauen, um das Kind zum Essen zu überreden: „Aber ich habe mir so viel Mühe gegeben beim Kochen….“ oder „Jetzt bin ich ganz traurig, weil du wieder nichts isst!“. Auch Bestrafungen/Belohnungen werden oft genutzt, um das Kind zum Essen zu überreden: „Wenn du das nicht isst, dann gibt es auch nachher kein Eis!“ – Süßigkeiten können, wenn eine Familie sich dafür entscheidet, ganz normal in den Alltag integriert werden, müssen aber nicht in Zusammenhang mit den Hauptmahlzeiten stehen und nicht als Belohnung oder Bestrafung genutzt werden. Natürlich werden Kinder von einem Pudding nicht unbedingt satt – Müssen wir ihn deswegen als Nachtisch anbieten oder macht es nicht mehr Sinn, den Pudding lieber losgelöst vom Mittagessen anzubieten?

Was wir tun können

Was wir stattdessen machen können? Ruhig bleiben, uns das Essverhalten des Kindes über einen längeren Zeitraum genauer ansehen. Manchmal verändert sich unser Blick bereits, wenn wir wirklich einmal aufschreiben, was das Kind den ganzen Tag über isst. Manchmal sehen Eltern dann, dass es so viele kleine Mahlzeiten sind (hier eine Maiswaffel, da ein Apfel und noch eine Banane,…), dass das Kind zu den Hauptmahlzeiten wenig Hunger hat. Auch unser eigenes Essverhalten kann dabei in den Blick geraten: Wer isst hier eigentlich wie und was und wann? Auch hier gilt: Wir sind Vorbild im Alltag für unsere Kinder.

Wir können unseren Blick mehr auf Bedürfnisse, Wünsche und Signale wenden und mit dem Kind erkunden, wann es hungrig ist und wann nicht und warum das so ist.  Wie fühlt sich Hunger und Sättigung an?

Zudem können wir über die aktuelle Situation und Entwicklung des Kindes nachdenken: Was macht es gerade besonders gerne? Bewegt es sich weniger? Hat es vielleicht Streit mit Freund*innen? Bekommt es Zähne und das Essen schmerzt?

Vor allem sollten wir den Druck heraus nehmen aus den Esssituationen: Essen sollte Spaß machen, ein soziales Miteinander sein, Genuss sein und so auch zelebriert werden – von allen Anwesenden. Das ist nicht immer einfach und im Laufe der Jahre gibt es immer wieder Situationen, die am Esstisch auch schwierig sind. Aber wenn wir diesen Herausforderungen als Eltern mit Entspannung und Wohlwollen begegnen, geben wir unseren Kindern ein großes Geschenk mit.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

*Bei Kindern mit Gedeihstörungen, Erkrankungen etc. oder bei Kindern, die in der Entwicklung verzögert sind, sowie bei Kindern, die neben einem Appetitverlust an anderen Symptomen leiden, ist eine ärztliche Beratung angezeigt. Auch wenn Eltern ein nicht näher definierbares ungutes Gefühl haben in Bezug auf die Ernährung ist eine ärztliche Abklärung und Unterstützung sinnvoll. Eine Ernährungsberatung durch Fachpersonen kann in jenen Fällen bei sehr eingeschränktem Essverhalten und/oder Mangelernährung eine hilfreiche Unterstützung sein. Dieser Artikel bezieht sich auf Kinder, die zwischenzeitlich Nahrung ablehnen und nicht unter einer Erkrankung/Mangelernährung/Gedeihstörung leiden.

Essen mit Kleinkindern – 4 typische Probleme und ihre Lösungen

Mit einem Kleinkind können Mahlzeiten manchmal zu einer Herausforderung werden. Gemütlich möchte man sich zusammen an den Esstisch setzen und das gekochte Essen verzehren, aber dann will das Kind nicht essen/schimpft/wirft das Essen hinunter/spielt mit der Mahlzeit. Schnell können die gemeinsamen Mahlzeiten dann zu einem Dauerproblem werden. Doch was können wir gegen die schwierigsten Tischprobleme unternehmen?

1. Mein Kind will nicht essen

In der Kleinkindzeit ist es nicht selten, dass gesunde Kinder nicht so essen wollen, wie wir es uns manchmal vorstellen. Auf einmal schmeckt dieses oder jenes nicht und sie haben auch keine Lust, davon zu probieren. Das als „Neophobie“ bezeichnete Ablehnen von neuen Speisen ist gar nicht so selten und sogar eine ganz sinnvolle Eigenschaft kleiner Kinder: Sie schützt davor, Unbekanntes unbedacht in den Mund zu stecken. Eigentlich eine wirklich gute Eigenschaft für die sonst abenteuerlustigen Kleinkinder. Nur gerade jetzt, beim gesunden Essen auf dem Tisch, macht das doch eigentlich keinen Sinn? Es hilft aber auch nichts, dem gerade mäkeligen Kind das Essen aufzuzwingen: Besser ist es, das Nahrungsmittel immer wieder anzubieten, auch mal in unterschiedlichen Arten (püriert, ganz, klein geschnitten, vermengt mit andere, geliebten Dingen,…) bis das Kind doch einmal probiert.

Es kommt auch vor, dass Kinder rund um eine Erkältung herum weniger essen oder gerade dann bestimmte Nahrungsmittel bevorzugen und beispielsweise besonders viele Proteine zu sich nehmen wollen oder in Zeiten, in denen sie besonders körperlich aktiv sind, Kohlehydrate bevorzugen. Nehmen wir also in den Zeiten, in denen nur bestimmte Dinge auf den Tisch kommen sollen, die aktuelle Entwicklung des Kindes in den Blick und nicht nur das Essverhalten. Oft gibt dies einen Aufschluss über das Essverhalten. Es kann auch helfen, die tatsächlichen Nahrungsmengen und -bestandteile in einem Protokoll festzuhalten – manchmal essen Kinder über den Tag verteilt so viele kleine Snacks, dass sie zu den Mahlzeiten keinen Hunger haben. Wird das Kleinkind noch gestillt, gibt es manchmal rund um Erkrankungen auch Phasen, in denen die Muttermilch wieder zur Hauptnahrungsquelle wird und anschließend wieder mit gutem Appetit zurückgedrängt wird. Die Beikostaufnahme erfolgt nicht linear, d.h. erst gibt immer wieder auch mal Rückschritte in der Beikostzeit.

2. Mein Kind spielt mit dem Essen

Beikost ist erstmal eine spielerische Annäherung an eine neue Ernährungsform. Kinder lernen neue Nahrungsmittel kennen und lernen nach und nach, dass auch diese sättigen. Dabei erfahren sie ganz neue Konsistenzen und Geschmäcker. Nahrungsaufnahme ist deswegen lernen und lernen erfolgt im Spiel. Kinder gehen deswegen oft neugierig an neue Speisen heran: sie riechen darin, befühlen sie, testen ihre Konsistenz mit den Händen und erst später mit dem Mund. All das ist normal und bedeutet nicht, dass das Kind niemals Tischmanieren entwickeln wird. Tischmanieren lernt es mit der Zeit nach und nach durch unser Vorbild, denn auch hier lernt es im natürlichen Alltag und eignet sich mehr und mehr das an, was es in seiner Umgebung sieht. Spielt das Kind besonders zum Ende der Mahlzeit mit dem Essen, nachdem es zunächst „normal“ gegessen hat, könnte es auch einfach satt sein (siehe Punkt 4).

3. Mein Kind „trotzt“ beim Essen

Auch das Essen ist ein Teil der wichtigen Lernerfahrungen der Kleinkindzeit. Kinder wollen auch hier ihre Fertigkeiten ausbauen. Mit dem Essen kann ganz besonders gut die Feinmotorik verbessert werden. Wichtig ist natürlich auch hier, dass Kinder wirklich beteiligt werden und sich aktiv einbringen können. Bieten wir ihnen nicht die Möglichkeit dazu, führt das oft zu Frustration und Ärger.

Konkret bedeutet das: Kleinkinder sollten nach ihren Möglichkeiten an der Zubereitung, am Tischdecken und Essen beteiligt werden: Sie können beim Zubereiten des Essens helfen, indem sie Bestandteile davon schneiden oder zusammen mischen können. Sie können helfen, den Tisch zu decken und später ihren Teller und das Besteck abräumen und in die Küche bringen. Sie können mit Kinderbesteck (Messer, Gabel, Löffel) essen und aus einem kleinen Glas selbst trinken. Mit einem kleinen Krug können sie sich selbst Wasser einschenken und mit einer kleinen Kelle auftun. Kleinkinder brauchen kein spezielles Kindergeschirr, sondern können von normalen Tellern essen. So vermitteln wir ihnen, dass sie ebenso sicher und gut am Essen teilnehmen können wie alle anderen. Vielleicht geht gelegentlich etwas kaputt, oft aber fallen dort, wo echtes Geschirr verwendet wird, seltener Teller und Gläser zu Boden als dort, wo Kinder erfahren, dass das Werfen keinen Einfluss auf die Dinge nimmt.

4. Das Kind wirft Dinge auf den Boden

Und wenn das Kind nun doch Teller, Besteck oder Essen auf den Boden wirft? Wir kennen es manchmal aus der Babyzeit: Die Freude daran, zu sehen, dass Dinge nach unten fallen. Kleinkinder haben dieses Spiel aber eigentlich schon überwunden. Oft werfen sie deswegen nicht wegen des Interesses an der Physik, sondern weil sie etwas anderes ausdrücken möchten mit ihrem Verhalten: Ich will nicht mehr! Für Kleinkinder ist es oft noch schwer, sich sprachlich auszudrücken und auch am Tisch fehlen noch oft noch so einige Worte. Während das Kind beim Füttern durch Abwenden zeigt, dass es fertig ist, ist es beim selbständigen Essen manchmal schwierig. Nehmen die Eltern nicht wahr, dass das Kind eigentlich satt ist, und bleibt das Kind vor dem Teller sitzen, wird ihm langweilig: es beginnt zu spielen und eventuell damit, Essen oder Besteck auf den Boden zu werfen. Lernt es nach wiederholtem Herunterwerfen vielleicht sogar, dass Teller und Besteck abgeräumt werden, wenn es Dinge herunter geworfen hat, erscheint diese Handlung dem Kind logisch, um das Essen zu beenden und endlich weiter spielen zu können. Ein ungünstiger Kreislauf. Deswegen ist es auch beim Essen wichtig, auf die Signale des Kindes zu achten: Ist es satt, isst es nicht weiter, spielt auf dem Teller mit dem Essen herum, sollte das Essen beendet werden. Wir können noch einmal nachfragen und dann abräumen. Alternativ kann dem Kind auch ein Signal beigebracht werden, damit es auch ohne Sprache äußern kann, dass es satt ist. Das kann ein Signal mit den Händen sein (wie aus der Babyzeichensprache) oder einfach das Wegschieben des Tellers zur Tischmitte.

Essen ist eine sinnliche Erfahrung, die Kindern Freude machen sollte. Sie lernen gerade am Esstisch sehr viel in der Kleinkindzeit: Feinmotorik bildet sich aus, sie lernen Tischmanieren und das Essen ist immer auch ein soziales Miteinander. Eine positive Stimmung am Familientisch ist deswegen ein guter Baustein zum Ausbau dieser Fertigkeiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Die Atmosphäre am Familientisch

Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Gerade bei unseren Kindern sehen wir, wie wichtig die gesamte Atmosphäre am Esstisch und rund um die Nahrungsmittel ist, damit dieses Alltagsritual entspannt und bedürfnisorientiert ablaufen kann. Dies bezieht sich nicht nur auf die Familienmahlzeiten größerer Kinder, sondern hat seine Bedeutung von Anfang an, wenn schon kleine Babys mit am Tisch sitzen oder liegen und später mit dem Probieren der Beikost beginnen. Eine entspannte Atmosphäre ohne Druck, Zwang, die Selbständigkeit und Teilhabe ermöglicht, ist ein wesentlicher Baustein der Ernährung.

Freude am Essen von Anfang an Erleben

Schon das Baby beobachtet uns bei den Mahlzeiten: Es nimmt wahr, ob wir entspannt und ruhig mit Genuss essen oder hektisch. Auch durch unser Vorbild entwickelt sich beim Kind nach und nach ein Interesse an den Nahrungsmitteln, die das Kind bei uns sieht. Dieses Interesse an Nahrungsmitteln wird später zu einem der Beikostreifezeichen unter mehreren. Noch bevor es selbst die erste Beikost zu sich nimmt, lernt es am Familientisch schon von der Atmosphäre etwas über Nahrungsaufnahme. Es ist gut, wenn Kinder diesen Ort der Nahrungsaufnahme von Anfang an kennen lernen, das Ritual des Essens erleben und später dann, wenn sie selber richtig am Tisch sitzen, diesen Ort ganz selbstverständlich mit dem gemeinsamen Essen verbinden.

Die Fürsorge für uns, uns selbst eine gute Mahlzeit zuzubereiten und entspannt zu essen, wird so auch zum Vorbild für das Kind. Ernährung ist eines unserer Grundbedürfnisse, das wir auch mit kleinem Baby nicht vernachlässigen sollten – auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, viele Dinge im Alltag wären gerade jetzt wichtiger. Aber wie auch der Schlaf ist eine regelmäßige und gesunde Ernährung für Eltern wichtig, um auch dem oft trubeligen Babyalltag entspannter begegnen zu können.

Beikost entspannt gestalten

Viele Eltern fiebern dem Beikostbeginn aufgeregt entgegen – um dann festzustellen, dass es gar nicht so aufregend ist, weil viele Babys anfangs nur sehr wenig der angebotenen Beikost zu sich nehmen und viel weniger daran interessiert sind, als die Eltern es vielleicht erwartet haben. Schließlich ist es genau das, was der Name auch besagt: Bei-Kost. Wichtig ist – trotz aller Gläschenmengenangaben – sich dies immer wieder vor Augen zu führen und entspannt zu bleiben. Denn das Kind sollte die ersten (und auch zweiten, dritten,…) Erfahrungen mit der Beikost so ruhig und entspannt machen können, dass die Freude an diesem Spiel erhalten bleibt. Noch lange Zeit versteht das Baby dieses Essen nämlich besonders als Spiel: Es weiß noch nicht, dass es auch so gesättigt wird und probiert Gerüche, Geschmäcker und Konsistenzen aus. Es lernt, Nahrungsmittel im Mund zu bewegen, den Speisebrei mit Speichel zu durchmischen für eine bessere Verdauung. Nebenher lernt es am Familientisch neue Worte für Farben, Lebensmittel und Teller etc., die das Essen begleiten. Es ist eine aufregende, neue Zeit voller Eindrücke, die verarbeitet werden wollen.

Vertrauen und Stressreduktion für entspannte Mahlzeiten

Was in dieser Zeit für eine entspannte und anregungsreiche Atmosphäre am Tisch wichtig ist: Vertrauen und Entspannung der Eltern. Beikosteinführung braucht Zeit und es gibt immer wieder mal Rückschritte und Kinder essen weniger oder nur bestimmte Nahrungsmittel. Manchmal sind Kinder mäklig, manchmal essen sie mehr. Begegnen wir diesen Wellen der neuen Ernährung mit Nachsicht, üben wir keinen Druck aus mit einem Zwang zu Probierhäppchen, Nachtischverweigerung oder anderen Übergriffen in die Selbstbestimmung des Kindes. Akzeptieren wir ein Wegdrehen oder Kopfschütteln als Zeichen und setzen wir es in Sprache um: „Du schüttelst den Kopf, du magst nicht mehr essen.“ Hier lernen Kinder, ihren Körper und seine Signale zu verstehen und angemessen zu reagieren. Übergehen wir diese Signale nicht, sondern lassen wir den Kindern auch diesen Erfahrungs- und Lernraum.

Und noch ein anderer Faktor ist wichtig für diese Zeit: So wenig Zubereitungs- und Aufräumstress wie möglich. Natürlich frustriert es Eltern, wenn das sorgsam zubereitete Mahl nicht angerührt wird. Oder wenn das Essen vor lauter Freude am Fühlen in die Tischplatte einmassiert wird oder die noch ungeschickten Hände mehr fallen lassen, als in den Mund stecken. Diesem Stress können wir begegnen, indem wir unsere Erwartungen nicht zu hoch ansetzen und keine schwierigen Mahlzeiten kreieren, sondern einfach etwas unserer gedünsteten Familienkost für das Kind abzweigen und entweder zu Brei pürieren oder in handlichen Stücken anbieten – so bleiben der Zubereitungsaufwand und auch die Kosten gering.

Begegnen wir unserem Kind respektvoll, übergehen wir die Grenzen des Kindes nicht aus Angst, das Kind würde zu wenig essen. Und auch nicht die Angst, das Kind könnte zu viel essen: Lassen wir das Kind die Signale geben, wann es wieviel aus einem gesunden Nahrungsangebot auswählen möchte. Reflektieren wir unsere Ängste und ihre Ursprünge, wenn wir sie spüren. So können wir eine entspannte Atmosphäre am Familientisch schaffen, die die Basis legt für viele weitere Jahre.

Eure

Vertrauen ist die wichtigste Zutat im Familienessen – von der Beikost bis zum Familientisch

Ich erinnere mich noch gut daran, wie kompliziert der Gedanke an die Beikost bei meinem ersten Kind war. Damals gab es noch feste Richtlinien, was wann als Beikost eingeführt werden sollte. Zusammen sahen wir als Paar dem aufregenden Termin des 6. Monats entgegen, kauften ein kleines Holzschüsselchen, einen kleinen Holzlöffel, ein Lätzchen und letztlich die so angepriesenen Pastinaken. Wir kochten zusammen, setzten uns mit unserem Kind an den Tisch und führten den Löffel zum Mund. Unser Kind sah uns mit weiten Augen an, schob die Unterlippe ein wenig vor gegen den Löffel, leckte sich die Lippen ab und verzog das Gesicht, um den Mund nicht mehr zu öffnen. Aber es war doch nun sechs Monate alt. Und es müsste doch jetzt essen. Und es war doch Bio-Pastinake! Aber der Mund blieb zu.

Die wichtigste Regel in der Beikostzeit: Entspannt bleiben

Glücklicherweise hatte ich damals eine Stillgruppenleiterin, die mich entgegen aller anderen Kommentare beruhigte und erklärte, dass das Kind schon essen würde irgendwann und bis dahin nicht verhungern würde. Irgendwann im zehnten Monat begann es dann doch zu essen. Nicht die Pastinake und auch sonst keinen Brei, sondern das, was es mit der Hand selbst vom Tisch nehmen und zum Mund führen konnte. Und so trat die wichtigste Erkenntnis über Kinder und Nahrung in mein Leben: einfach entspannt bleiben und Vertrauen haben.

Vertrauen und kindliche Entwicklung gehen Hand in Hand

Die andere wichtige Erkenntnis zur Beikost ist, dass unser elterliches Vertrauen mit der kindlichen Entwicklung Hand in Hand geht: Wenn wir unser Kind beobachten, die Signale des Kindes verstehen und einen Blick für die Kompetenzen des Kindes haben, können wir Vertrauen fassen. Deswegen ist es vor allem auch hier wieder wichtig zum Beikostbeginn: Beobachte Dein Kind!

Glücklicherweise geben uns unsere Kinder Signale dazu, ob sie bereit sind für die Beikost oder nicht. Mein Kind in der Geschichte oben hat ein sehr deutliches Signal gegeben: Es hat den Mund einfach geschlossen. Ein geschlossener Mund ist immer ein Zeichen dafür, dass das Kind nicht möchte. Nicht nur am Anfang, sondern auch später. Wir müssen unsere Kinder dann nicht überreden, ihnen keinen Hunger einreden. Und sie auch nicht austricksen mit dem kleinen Flugzeug, das da angeflogen kommt. Mund zu bedeutet: Nun geht es nicht weiter.

Wenn der Mund dann geöffnet wird, muss die Nahrung nicht nur hinein kommen, sondern darin auch zerkleinert und bewegt werden. Wir können vertrauen, dass das Kind Nahrung zu sich nehmen kann, wenn es sie selbst zum Mund führen kann mit der Hand und wenn es die Nahrung mit der Zunge nicht wieder hinaus schiebt aus dem Mund. Wenn der ganze Mundbereich verschmiert ist und das Baby immer wieder Brei nach vorne schiebt, sollten wir ihn nicht mit einem Löffel abkratzen von der Mundpartie und wieder hinein schieben, sondern darauf vertrauen, dass das Kind zeigt, dass es die Nahrung noch nicht richtig verarbeiten kann. Der Versuch, dennoch Brei in das Kind zu bekommen, ist für beide Seiten frustrierend.

Kann das Baby mit etwas Unterstützung aufrecht sitzen, ist der Weg durch den Körper für die Speisen auch gut passierbar. Kann das Baby das noch nicht oder liegt es in einer Babyschale beim Füttern, ist die Mahlzeit oft unbequem. Wir alle kennen es aus eigener Erfahrung, dass das Essen im Liegen wenig angenehm ist. Das ist auch für unsere Babys so.

Wir sehen also: Ein Baby bringt viele Kompetenzen mit, um Nahrung zu sich zu nehmen und wir müssen „einfach“ darauf vertrauen, dass das Kind so kompetent ist, dass es selbst isst. Unser Kind zeigt, was es isst und was es essen kann. Die körperlichen Fähigkeiten werden ausgebildet und so verändert sich auch die Nahrung, die es selbständig zu sich nehmen kann: Kann es zunächst nur in der geballten Faust ein großes Stück weiche Kartoffel halten, kann es sich später mit der flachen Hand Nahrung in den Mund schieben und schließlich im Griff von Zeigefinger und Daumen auch kleine Beeren aufsammeln und zum Mund führen. Schauen wir genau hin, was es gerade kann und bieten wir dem Kind dazu passende Nahrung. So kann es sich selbst versorgen und bekommt ein gutes Gefühl dafür, was es selber kann und auch, wann es satt ist und die Mahlzeit beenden möchte.

Vertrauen in die richtige Auswahl

„Aber das Kind isst immer nur Nudeln/Kartoffeln/Joghurt!“ Fast alle Kinder haben Phasen, in denen sie bestimmte Nahrungsmittel bevorzugen. „Phasen“ bedeutet: Unterschiedlich lange Zeiten. Hier sind zwei Sachen wichtig: Vertrauen in die Auswahl und passende Ergänzungen ermöglichen.

Betrachten wir einmal die Auswahl des Kindes genau: Isst es vielleicht gerade besonders viele Nahrungsmittel mit einer bestimmten Nährstoffverteilung? Stehen gerade Eiweiße im Vordergrund? Oder Kohlehydrate? Oder eisenreiche Nahrungsmittel? Finden wir heraus, was die Bevorzugung des Kindes bedeutet, können wir uns auch auf die Suche nach Alternativen machen, die diesem Bedürfnis entsprechen: Eiweiß findet sich beispielsweise nicht nur in Milchprodukten, sondern u.a.auch Hülsenfrüchten und Nüssen. Ein leckeres Nussmus kann oft eine schöne Abwechslung sein. Auch bei den Kohlehydraten können wir schauen, wie Abwechslung hinein gebracht werden kann und beispielsweise welche Art von Nudeln wir anbieten und welche Art von Brot.

Süßigkeiten!?

Süßigkeiten sind in unserer Gesellschaft kaum weg zu denken, ebenso wenig Chips und anderer „ungesunder Kram“. Unsere Kinder müssen auch damit einen Umgang lernen. Im ersten Lebensjahr sind solche Nahrungsmittel nicht geeignet. Je nachdem, ob ein älteres Geschwisterkind da ist oder nicht, kommen Kinder aber irgendwann auch mit Süßigkeiten und anderem in Kontakt. So viel Zucker! So viel Fett! Natürlich hat unser Körper oft eine Neigung dazu, das gerne zu essen und als Vorrat anzulegen. Besonders, wenn es auch noch besonders intensiv schmeckt. Deswegen ist es so wichtig, das Kind im Alltag aus einer gesunden Auswahl Nahrungsmittel wählen zu lassen, mit denen es die Grundbedürfnisse des Körpers befriedigen kann. Ein gesundes Nahrungsmittelangebot ist die Basis. Und dazu kann es auch Süßigkeiten geben. Ein entspannter Umgang damit ermöglicht es dem Kind, zu verstehen, dass es auch solche Nahrungsangebote gibt und sie einfach ein Anteil des Essens sein können, aber keine besondere Attraktion oder Belohnung sind. Was unsere Kinder essen und einfordern ist oft auch damit verbunden, welchen Wert wir diesem Nahrungsmittel selber zuweisen.

Vertrauen, dass Kinder Neues essen

Wir alle schrecken vor neuen Speisen manchmal zurück. Im Restaurant bestellen wir oft die gewohnten Lebensmittel, auf Reisen schauen wir oft nach vertrauten Speisen im Menü. Sich auf Neues einzulassen, fällt auch Kindern oft schwer. Und auch hier ist es wieder wichtig: Vertrauen. Wir sollten unsere Kinder nicht zwingen, eine bestimmte Nahrung zu essen. Wir können aber Nahrungsmittel immer wieder anbieten. Wir können Vorbild sein und wir können neue Angebote ganz bewusst spielerisch einführen: In Mitten der Tomatensoße sitzt eine kleine Insel Stangensellerie. In das Schüsselchen mit Blaubeeren ist eine Stachelbeere gelegt. Kinder sind neugierig, damit können wir spielen.

Wie oft es braucht, damit ein Kind etwas Neues probiert, ist ganz unterschiedlich. Es ist auch eine Frage des Temperaments, ob ein Kind prinzipiell Dingen offen gegenüber steht oder weniger offen. Manche Kinder brauchen einfach viele Versuche, um neue Speisen auszuprobieren. Auch hier müssen wir wieder vertrauen: Wir können immer wieder anbieten, immer wieder Vorbild sein, immer wieder nachfragen. Und irgendwann wird das Kind vielleicht probieren – ohne Druck.

Entspannt essen

Gemeinsames essen ist schön. Es ist ein sozialer Moment, eine Zeit des Austausches und Zusammenseins, wenn alle am Tisch zusammen kommen. Für Kinder ist es lange Zeit auch eine Zeit der Abenteuer, des Kennenlernens von Neuem und des Spiels. Deswegen passen unsere erwachsenen Vorstellungen von einer entspannten Mahlzeit nicht immer mit dem zusammen, was unsere Kinder als entspannte Mahlzeit empfinden. Aber auch hier brauchen wir Vertrauen: Unsere Kinder entwickeln Tischmanieren, weil wir sie vorleben: Sie essen mit Besteck, wenn wir es ihnen ermöglichen und gleichzeitig auch erlauben, dass sie die Hände nutzen können, wenn es nicht klappt. Sie sagen „Bitte“ und „Danke“ wenn wir das am Tisch vorleben und übernehmen es einfach irgendwann. Sie hören auf, das Essen mit den Händen zu zermanschen und das Manschgefühl zu lieben, wenn sie es durchgespielt haben. Sie hören auf, Nahrungsmittel auf den Boden zu werfen, wenn sie das Schwerkraftthema abgeschlossen haben.

Wichtig ist immer wieder über die Jahre hinweg, dass wir entspannt gesunde Nahrung anbieten und unseren Kindern vertrauen schenken. Damit sind wir auf einem guten Weg.
Eure

Die erste Beikost – von der (Mutter)Milch zu Brei oder Fingerfood

Langsam rückt der Zeitpunkt näher, an dem das Baby sechs Monate alt wird. In vielen Familien wird diesem Zeitpunkt aufgeregt entgegen gesehen: Die erste Mahlzeit außerhalb von Muttermilchernährung oder Muttermilchersatznahrung steht bevor und viele Familien fragen sich: Welches ist das geeignete erste Lebensmittel? Was brauche ich dafür? Wie werden wir diese erste andere Mahlzeit gestalten?

Den richtigen Zeitpunkt für die Beikost bestimmt dein Baby, nicht der Kalender

Eigentlich ist es ganz einfach: Der richtige Zeitpunkt ist nicht unbedingt der, an dem das Kind genau sechs Monate alt wird. Es gibt keinen Stichtag „Nun ist dein Baby bereit für Beikost“, sondern jedes Kind bringt auch hier ein eigenes Tempo und Temperament ein. Besser, als nach dem Datum zu sehen ist es, die Anzeichen des Babys zu berücksichtigen:

  • Der Zungenstoßreflex ist verschwunden, Nahrungsmittel werden nicht gleich wieder mit der Zunge aus dem Mund geschoben.
  • Das Baby kann mit wenig Unterstützung aufrecht sitzen und hat eine gute Kopfkontrolle. Es muss nicht selbständig im Stuhl sitzen können, sondern es sitzt beispielsweise angelehnt sicher auf dem Schoß.
  • Das Baby kann selbständig Nahrung aufnehmen und in den Mund stecken.
  • Es kann Sättigung durch Ablehnung der angebotenen Nahrung anzeigen.
  • Interesse an Lebensmitteln haben Kinder oft auch schon bevor die anderen Anzeichen auftreten, da sie interessiert den Tischsituationen der anderen Familienmitglieder zusehen und neugierig sind. Allein das Hinterherblicken ist deswegen kein ausreichendes Beikostreifezeichen.

Die richtige Beikost bestimmt ihr zusammen

Wenn das Baby nun alle Anzeichen dafür zeigt, dass es bereit ist, Beikost zu sich zu nehmen, kann begonnen werden. Nun stellt sich nur die Frage: Womit eigentlich? Lange Zeit gab es strikte Regeln und Ernährungspläne zur Einführung von Beikost. Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass diese nicht nur nicht notwendig sind, sondern eine bunte Variation und abwechslungsreiche Kost sogar vorteilhaft ist in Hinblick auf die Minderung des Allergierisikos. Und auch ein Blick auf andere Kulturen kann uns aufatmen lassen: Während hier in Deutschland mildes Gemüse wie Pastinake oder Fenchel für den Beginn angepriesen werden, essen die Babys in Indien Linsen, Reis und Joghurt. Und auch in anderen Ländern sind die Zutaten für die erste Beikostmahlzeit äußerst unterschiedlich.

Was also als erste Beikost auf den Tisch kommt, bestimmt ihr als Familie selbst. Es ist gut, das Baby von Anfang an an die Familienkost zu gewöhnen, also das anzubieten, was ohnehin gerade gekocht wurde und es babygerecht anzubieten. Der Vorteil: kein extra Kochen, weniger Zeitaufwand, weniger Müll, Kostenersparnis und weniger Lebensmittel, die entsorgt werden, weil bedarfsgerechter angeboten werden kann. Das Baby muss später nicht noch einmal von Gläschenkost auf Familienkost umgewöhnt werden und es hat Freude daran, genau das zu essen, was alle anderen auch zu sich nehmen.

Ob diese Familienkost nun für das Baby püriert wird oder nicht, entscheidet ihr. Gut ist es aber, dem Baby auch immer mal wieder weiches Fingerfood anzubieten. So kann es selbständig am Essen teilnehmen, entwickelt Kompetenz im Umgang mit Nahrungsmitteln und nach und nach im Umgang mit Besteck, kann unterschiedliche Sinne einsetzen in der Erkundung und Wahrnehmung des Essens und die Muskulatur im Gesicht kommt stärker zum Einsatz.

Die einzigen Nahrungsmittel, die im ersten Jahr nicht gegessen werden sollten, lassen sich schnell zusammenfassen:

  • Rohmilch (Keime)
  • rohe Eier (Salmonellengefahr)
  • Honig (Botulismusgefahr)
  • Salz (belastet Nieren, verändert Geschmack)
  • Salat (noch nicht zerkleinerbar)
  • unverarbeitete Nüsse (Gefahr des Verschluckens), aber Nussmus wie Mandelmus
  • kleine Beeren (Gefahr des Verschluckens)
  • Zuckerzusätze (auch Ahornsirup) & Süßigkeiten
  • Bindemittel und Geschmacksverstärker
  • Vollmilch nur bis zu 200 ml täglich in Form von Milchbrei oder -speisen und Käse

Ob mit Fleisch oder ohne, bestimmen eure Familienernährungsgewohnheiten. Ob Fingerfood oder Brei, entscheidet ihr. Ob süß oder herzhaft, findest du mit deinem Baby zusammen heraus. Und dann kann sie losgehen, die liebevolle und bedarfsgerechte Beikostzeit.

Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik), DAIS-Stillbegleiterin, Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Elternblogs über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.