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Wie Eltern entspannt bleiben bei mäkligen Kindern

Bei den meisten Kindern gibt es im Laufe der Entwicklung Phasen, in denen sie weniger gut essen: Manchmal haben sie eine Phase, in der sie bestimmte Lebensmittel bevorzugen, manchmal dürfen sich die Speisen auf dem Teller nicht berühren, manchmal essen sie generell weniger und lehnen bestimmte Nahrungsmittel ab oder sind nur an dem interessiert, was auf dem Teller der Eltern liegt. Der Übergang von der flüssigen Nahrung zum Essen am Familientisch ist tatsächlich ein Übergang, der oft nicht geradlinig stattfindet, sondern eher in Wellen und es gibt bessere und schlechter Zeiten. Gerade auch wenn Zähne durchbrechen oder das Kind krank wird/ist/war kann sich das auch auf das Essverhalten auswirken.

Wichtig: medizinische Ursachen abklären

Wenn sich das Essverhalten über einen längeren Zeitraum verändert, das Kind weniger Appetit zeigt, vielleicht abnimmt und/oder müder und erschöpfter ist oder die Entwicklung stillsteht, ist es wichtig, medizinische Ursachen ausschließen zu lassen. Auch dann, wenn das Kind konsequent bestimmte Nahrungsmittel vermeidet, ist eine Abklärung von Unverträglichkeiten sinnvoll, sowie ein Blick auf neurologische Ursachen, die die Wahrnehmung von bestimmten Lebensmitteln beeinflussen können.

Oft sehen wir jedoch, dass Kinder zeitweise bestimmte Speisen bevorzugen, andere ablehnen und sich dennoch über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeglichen ernähren. Dass sie im Kleinkindalter fremde Speisen zunächst ablehnen, ist eine sinnvolle Schutzfunktion und lässt sich durch entspanntes Anbieten oft lösen. Wichtig ist – neben einer gesunden Auswahl – vor allem die Atmosphäre unser Mahlzeiten. Das bedeutet, dass Eltern bestimmte Verhaltensweisen vermeiden sollten.

Was Eltern bei Mahlzeiten vermeiden sollten

Wenn die Mahlzeiten eingeschränkt sind, aber medizinische Ursachen ausgeschlossen werden konnten, ist es besonders wichtig, dass Eltern nicht versuchen, mit Druck mehr Essen in das Kind zu bekommen, als es möchte. Die elterliche Angst ist auch hier ein schlechter Berater und kann die Probleme eher verstärken und ausweiten, als das Problem zu beheben.

Konkret bedeutet das, dass Nahrungsmittel ein Angebot sind, ein Erlebnis, aber kein Zwang. Gewalt hat auch am Esstisch nichts zu suchen: weder durch Lätzchenfixierung, noch durch das Füttern, während ein Arm hinter den Rücken der erwachsenen Person geschoben wird oder anderen körperlichen Maßnahmen.

Aber auch neben der körperlichen Gewalt ist es wichtig, andere Bereiche von psychischer Gewalt in den Blick zu nehmen, denn auch sie können sich negativ auf das Essverhalten und auch die Beziehung auswirken. Psychische Gewalt finden wir dort, wo beispielsweise mit den Schuldgefühlen des Kindes gearbeitet wird: „Ich habe mir aber so viel Mühe gegeben beim Kochen und du willst es gar nicht essen!“ oder auch den Klassiker der Elternsprüche am Esstisch „Woanders verhungern Kinder und du möchtest dieses gute Essen nicht!“, der das Kind beschämen soll ob der eigenen Privilegien nun aufzuessen. Auch Drohungen wie „Der Weihnachtsmann notiert sich auch, ob die Kinder immer brav aufessen!“ sind keine gewaltfreien Methoden.

Während viele Eltern bei solchen Aussagen und Methoden schon einen Gegenwillen spüren und sie deswegen vermeiden, gibt es aber auch noch weniger offensichtliche Druckmittel, die häufiger zu finden sind: „Wenn du jetzt brav aufisst, dann machen wir…“ was nach einer logischen Konsequenz klingt, ist dabei nur eine andere Form der Bestechung und des Drucks. Das Kind wird zur Nahrungsmittelaufnahme überredet, vielleicht über das eigene Körpergefühl nach Hunger hinaus. Auch die scheinbare Belohnung mit einem Nachtisch, wenn zuerst das andere Essen aufgegessen wurde, kann Kinder dazu verleiten, das eigene Sättigungsempfinden zu vernachlässigen und rückt in den Mittelpunkt, dass süße Speisen als Belohnung gelten. Auch das Lob von „Ich freue mich immer so, wenn du aufgegessen hast!“ bedeutet auf der anderen Seite, dass man sich eben nicht freut, wenn der Teller nicht leer ist und kann so zu einem Erwartungsdruck führen.

Wie es anders geht

Statt Druck, Scham und Drohungen ist es zunächst wichtig, sich die eigenen Ängste zu verdeutlichen und realistisch die Fakten zu betrachten: Liegt wirklich eine Störung des Essverhaltens vor, die medizinisch geklärt werden sollte, oder ist es nur die elterliche Sorge, das Kind könnte sich nicht gut entwickeln, obwohl es dafür aktuell keine Anhaltspunkte gibt?

In letzterem Fall ist es – auch wenn es gerade eine mäklige Phase ist – wichtig, entspannt zu bleiben und das Essen des Kindes angemessen zu begleiten. Das bedeutet, dass auf die Wünsche des Kindes, bestimmte Nahrungsmittel nicht zu essen, eingegangen werden kann, wobei Eltern dennoch nicht x andere Mahlzeiten zubereiten müssen. Sinnvoll ist es oft, die einzelnen Bestandteile von Mahlzeiten selbst auswählen zu lassen. Beispielsweise kann das Kind entscheiden, was es vom Mittagessen auf den Teller legen möchte: nur Kartoffeln? Oder auch Erbsen? Oder auch Soße? Vielleicht bevorzugt das Kind gerade besonders Kohlehydrate oder Proteine? Und wenn alles voneinander getrennt liegen soll, damit die einzelnen Bestandteile gut erkennbar sind, ist das auch in Ordnung. Manchmal sind es auch bestimmte Eigenschaften eines Lebensmittels, die Kinder gerade weniger mögen und es lohnt sich, mit der Konsistenz oder Zubereitungsart zu experimentieren: ganze Tomaten werden verschmäht, aber passierte Tomaten gegessen. Gekochte Paprika wird abgelehnt, aber frische Paprikastreifen, die in Hummus getunkt werden können, sind beliebt. Auch können bestimmte Lebensmittel eingeführt werden, indem ihr Bestandteil in der Speise ganz langsam erhöht wird: Anfangs wird Zucchini unter die Soße püriert, dann ist sie stückig enthalten und später wird sie als eigener Bestandteil angeboten.

Auch das Essen ist eine Lernerfahrung des Kindes und entwickelt sich über die Jahre hinweg. Es brauche eine verständnisvolle, respektvolle Begleitung, damit Kinder ein gutes Gefühl für sich, ihren Körper und ihr Empfinden von Sättigung und Hunger ausbilden können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Es ist okay, dass Du Fehler machst, mein Kind!

Immer wieder können wir lesen und hören, wie wichtig es ist, dass Kinder eine psychische Widerstandsfähigkeit ausbilden können, um mit schwierigen Ereignissen im Leben gut umgehen zu können. Dabei gelangt vor allem immer wieder in den Blick, dass wir die respektieren, liebevoll mit ihnen umgehen und sie selbstwirksam sein können. Ein anderer wichtiger Bereich, der allerdings weniger oft benannt wird, ist der Umgang mit Fehlern und die Bedeutung der Erfahrung, dass Fehler in Ordnung sind.

Eltern haben keine perfekte Voreinstellung

Fehler gehören zum Leben dazu. Versuch und Irrtum – so bewegen wir uns oft durch den Alltag und nicht selten baut auch Erziehung ein wenig darauf auf, dass wir bestimmte Handlungsstrategien ausprobieren und sehen, ob sie zu uns und unserer Familie passen – oder eben nicht. Oft kennen wir nicht von Anfang an die richtige Antwort und sind auch erst Lernende auf dem Weg des Elternseins. Und dies ist wichtig: Wir müssen uns als Eltern flexibel anpassen können an das Kind, das zu uns kommt und lernen, mit dem Kind umzugehen, wie es ist. Deswegen ist es kein Makel, dass wir nicht von Anfang an ein ganz bestimmtes Eltern-Verhaltensschema abspulen, sondern eher grob wissen, was wir machen und uns nach und nach auf das individuelle Kind, das wir begleiten, einstellen.

So sehr es uns manchmal das Gefühl drückt, dass wir nicht sofort eine richtige Antwort wissen oder Fehler machen, so normal ist es auch und hilfreich, damit wir den wirklich passenden Weg finden. Oft haben wir erlernt, dass wir keine Fehler machen sollten, dass Fehler sogar bestraft werden und versuchen daher, in möglichst vielen Bereichen ein solches Handeln zu vermeiden und schämen uns, wenn wir doch vermeintliche Fehler begehen. Ohne zu sehen, dass uns diese Fehler bereichern in dem Wissen, wie wir es anders besser machen können und beim nächsten Mal schneller einen leichteren Weg einschlagen.

Kinder profitieren von Fehler-Offenheit

Eine Toleranz und Akzeptanz gegenüber eigenen Fehlern hilft aber nicht nur uns Eltern und entspannt, sondern kann auch den Kindern helfen: Sie sehen, dass auch wir manchmal straucheln, Probleme haben, etwas falsch machen und daraus dann Schlüsse ziehen und neue Handlungsstrategien entwickeln. Es nimmt Druck von den kindlichen Schultern, wenn wir offen mit unseren Fehlern umgehen und Kinder nicht denken müssen, alles perfekt machen zu müssen. Wenn sie sehen dürfen, dass alle Menschen auch Fehler machen, erleben sie sich selbst bei Fehlern nicht so inkompetent, dass sich dies negativ auf ihr Selbstbild auswirkt.

Als Eltern Fehler offen und unterstützend begleiten

Fehler gehören zum Leben dazu – gerade auch bei Kindern. Wir können bei den Dingen, die unsere Kinder vor Herausforderungen stellen, unseren eigenen Ansprüchen gegenüber sowie den Fähigkeiten des Kindes gegenüber von Anfang an Fehlertoleranz entgegen bringen: „Das zu lernen braucht oft Zeit, die nehmen wir uns.“ – So zeigen wir Verständnis und gleichzeitig Unterstützung. Auch ist es wichtig, die Selbstwirksamkeit des Kindes immer wieder zu betonen: „Das ist kompliziert, hast Du eine Idee, was getan werden kann, um das Problem zu lösen?“ Wir müssen nicht beständig eingreifen und Lösungen vorweg nehmen, sondern vielmehr den Raum bieten, über Lösungen zu sprechen und eigene Ideen zu entwickeln. So lernen Kinder, kreativ mit Herausforderungen und Fehlern umzugehen und sich nach und nach selbständig auf Problemlösungssuche zu begeben. Weil sie Wissen, dass ein Fehler keine Sackgasse ist, sondern man einen anderen Weg suchen kann.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Brauchen Kinder Rituale?

Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob Kinder Rituale brauchen oder nicht: Erleichtern Strukturen und feste Abläufe den Alltag mit Kindern oder ist es besser, die Signale spontan zu beantworten und sich davon leiten zu lassen? Tatsächlich ist die Antwort darauf gar nicht so einfach, denn auch hier – wie bei vielen anderen Fragen um das Leben mit Kindern – gibt es kein Schwarzweiß.

Rituale – Bin ich nicht der Typ für! Oder doch?

Bei Ritualen denken wir oft an feste Abläufe, Bräuche, religiös verortete Handlungen. Vielleicht sträubt sich etwas in uns beim Gedanken an solche feststehenden Rituale. Sie existieren aber auch jenseits davon in fast jedem Alltag. Oft bemerken wir gar nicht, dass wir selbst bestimmte Rituale ausführen: Der Kaffee am Morgen, der Umstand, eine nahe Person zur Begrüßung immer zu umarmen, ein bestimmtes Vorgehen bei den Körperpflegeroutinen: all das sind Rituale. Rituale gibt es in einer so großen Vielfalt und Funktion, dass sie keine feste Definition haben. Sie können uns verbinden, können Struktur geben, einen Menschen in eine Gruppe aufnehmen oder einen neuen Lebensabschnitt markieren. Rituale sind, was wir bewusst oder unbewusst als Ritual festlegen.

Rituale bieten Vorhersehbarkeit

Für Kinder – aber auch Eltern – bieten Rituale einen besonderen Vorteil: Sie geben dem Alltag Struktur. Immer ähnliche Abläufe unterstützen dabei sowohl die Eltern in ihren Handlungen und in ihrer Handlungskompetenz, weil sie wissen, wie sie welche Situationen wann gestalten und was dann meistens passiert, als auch die Kinder. Schon Babys entwickeln aufgrund immer gleich ablaufender Situationen eine bestimmte Erwartungshaltung daran, was als nächstes passiert und stimmen sich darauf ein. Beispielsweise beim Wickeln erlernen sie eine bestimmte Erwartungshaltung, wenn sie merken, dass sie wieder auf die Wickelunterlage gelegt werden. In anderen Situationen merken Eltern auch, dass Babys/Kleinkinder beispielsweise anfangen zu weinen, wenn sie wissen, dass nun etwas zu erwarten ist, das sie eigentlich gerade nicht wollen. In einer Welt, die noch so neu ist und in der sie jeden Tag neues erleben und erfahren, bieten die bekannten, wiederkehrenden Situationen einen Ruhepol und geben eine Sicherheit.

Manche Kinder brauchen es mehr, andere weniger

Kinder sind nicht alle gleich. Einige Kinder bevorzugen einen strukturierteren, regelmäßigen Tagesablauf und haben scheinbar eine „innere Uhr“, so dass sie beispielsweise pünktlich zur gleichen Tageszeit ihr Mittagessen haben wollen, während für andere Kinder weniger die Uhrzeit, sondern eher eine bestimmte Abfolge von Tagespunkten wichtig ist. Einigen Kindern fällt es leichter, sich an neue Situationen zu gewöhnen und sie haben auch weniger Schwierigkeiten mit Übergängen wie der Umstellung von der Betreuung zu Hause auf den Kindergarten, andere brauchen mehr Unterstützung und emotionale Begleitung. Es ist unter anderem eine Frage des Temperaments. Thomas & Chess (1980) haben insgesamt 9 Temperamentsdimensionen ausgemacht, eine davon ist die Dimension des Rhythmus: Wo bewegt sich das Kind zwischen Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit? Hier gilt es, das Kind individuell zu betrachten und herauszufinden, wie das Kind ist.

Gerade Kinder, die sich in den Temperamentsdimensionen eher in den extremen Bereichen bewegen (sowohl besonders ruhig und zurückhaltend, als auch besonders extrovertiert) können dann von Ritualen profitieren, wenn ihnen damit Möglichkeiten gegeben werden, ihre Temperamentseigenschaften aufzugreifen und ihnen Hilfestellung geben in Situationen, die sonst für sie schwierig sind. Beispielsweise können leicht ablenkbare Kinder Rituale erlernen, sich zu beruhigen und Reize zu minimieren, damit sie dann in einer reizreduzierten Umgebung ihre Fähigkeiten entfalten können.

Ziel ist es also, das eigene Kind zu erkennen und den individuellen Bedarf des Kindes zu erkennen. So können Rituale für einige von besonderem Vorteil sein, während andere weniger darauf angewiesen sind.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Wenn Kinder unangenehme Einschlafrituale haben…

Von Anfang an unterscheiden sich Kinder bereits in ihrer Erregbarkeit, Tröstbarkeit, in ihrem Ausdruck. Auch das Einschlafen ist bei Kindern unterschiedlich und einige brauchen dazu mehr Ruhe, andere stören sich nicht an lauteren Umgebungsgeräuschen. Und auch im Laufe der Zeit können sich verschiedene Rituale und Gewohnheiten ausbilden, die für Kinder den Übergang zum Schlaf markieren: einige Kinder gewöhnen sich daran, in bestimmter Weise im Arm zu liegen, andere gewöhnen sich daran, wenn ihnen vorgesungen wird beim Einschlafen und wieder andere bilden bestimmte Rituale und Gewohnheiten aus wie das Knibbeln oder Kratzen an der Haut der Person, die das Einschlafen begleitet, das Spielen an den Haaren zur Beruhigung oder auch beim Einschlafstillen das Kneifen in die Brust. Eltern sind bei solchen Einschlafritualen manchmal überfordert und gefangen zwischen dem Gefühl, dass das Einschlafen so funktioniert und sie darüber froh sind einerseits, und dem Umstand, dass diese Angewohnheit anstrengend für sie selbst ist. Oft gibt es einen Punkt, an dem sie sich fragen: Muss ich das wirklich weiter ertragen, nur damit das Kind einschläft?

Der Übergang zum Schlaf

Während Babys in den ersten Monaten nach der Geburt noch „nachreifen“ und der Schlaf noch annähernd gleich über Tag und Nacht verteilt ist, gleicht er sich nach und nach an den Tag-Nacht-Rhythmus an und nach den ersten drei Monaten des Nachreifens zeigt sich, dass bereits ein großer Anteil des täglichen Schlafbedarfs nachts eingenommen wird – allerdings noch unterbrochen, was noch lange Zeit sehr normal ist. Für den guten Übergang zum Schlaf müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt ein und das Kind muss sich sicher aufgehoben fühlen – dafür bevorzugt es sehr oft die Nähe von Bezugspersonen, da diese Wärme, Schutz, Nahrung nach Bedarf und Sicherheit versprechen. In dieser Zeit der Begleitung entwickeln wir selbst begleitende Rituale und auch die Kinder entwickeln Vorlieben für eine gute Einschlafbegleitung. Das, was wir als Brücke zum Schlaf, als Einschlafritual anbieten, wird zu einer Gewohnheit: bestimmte Rahmenbedingungen im Schlafraum, bestimmte Verhaltensweisen.

Ritualisiertes Einschlafen

Rituale und ritualisierte Handlungen finden sich an vielen Stellen in unserem Alltag und geben uns oft Halt und Struktur. Auch für unsere Kinder ist dies bereits wichtig. Oft leiten sie bewusst oder unbewusst aus einem Ritual eine Art Vorhersage ab: Wenn dieses so passiert, dann passiert als nächstes… Solche Voraussagbarkeit und Beständigkeit beruhigt. Ebenso, wie bestimmte Handlungen selbst beruhigend wirken können. Während für einige Kinder die Rituale den Übergang zum Schlaf erleichtern und markieren, die die Eltern ihnen beim Einschlafen anbieten (Gesang, Nähe, Stillen/Flasche, Berührung,…), entwickeln andere Kinder auch eigene Rituale. Gerade das Kratzen/Knibbeln an Haaren und Haut sind nicht selten. Darüber hinaus entwickeln einige Kinder aus noch nicht geklärten Ursachen auch schlafbezogene rhythmische Bewegungsbilder wie das Rollen mit dem Kopf, das Wippen des gesamten Körpers oder das Schlagen mit Beinen, manchmal begleitet von Brummgeräuschen. Oft verschwinden diese rhythmischen Bewegungen im Laufe der Kindheit und es ist besonders wichtig, das Kind in diesen Situationen vor Verletzung zu schützen. Wenn das Kind aber bestimmte Routinen entwickelt hat, an denen auch die einschlafbegleitende Person beteiligt ist, die sich davon gestört oder verletzt fühlt, kann diese sich auch selbst schützen und versuchen, dem Kind eine andere Brücke zum Schlaf zu bilden.

Statt Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln

Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln sind für die begleitenden Eltern oft auf Dauer anstrengend und natürlich müssen sie dies nicht über sich ergehen lassen, damit das Kind endlich einschläft. Wie auch beim Ungewöhnen vom Einschlafstillen auf das Einschlafen ohne Stillen ist es wichtig, dass wir uns zunächst vor Augen führen, dass diese Brücke zum Schlaf für das Kind bedeutsam ist und eine ganz normale, alltägliche Gewohnheit, von der es selbst nicht versteht, warum sie geändert werden sollte. Es wird daher sehr wahrscheinlich nicht damit einverstanden sein und sieht auch keine Notwendigkeit, die geliebte und etablierte Methode zu verändern.

Beschämung, Schimpfen oder Gewalt in Form von Festhalten der Hände helfen nicht weiter und auch die Androhung, dass das Kind ganz allein einschlafen muss, wenn es „das immer mit uns macht“, wird dem Kind nicht helfen, gut in den Schlaf zu kommen. In letzterem Fall würde nicht nur die besondere Angewohnheit wegfallen, sondern das Kind eine völlig neue und überfordernde Situation erleben. Sinnvoller ist deswegen ein sanftes Vorgehen, bei dem nur das eine Problem ausgetauscht wird:

Hilfreich ist es, dem Kind eine Alternative anzubieten: Vielleicht ein Kuscheltier, an dessen Schweif gedreht werden kann statt an den Haaren des Elternteils, ein Schnuffeltuch mit „tags“, vielleicht aus verschiedenen Materialien, an denen genibbelt werden kann, eine Puppe, die angekratzt werden kann. Auch wenn wir eine solche Alternative einführen, wollen dennoch viele Kinder zunächst die bewährte Handlung ausführen und es braucht Zeit und eine klare, liebevolle Begleitung der Umstellung.

Während das gesamte Schlafritual wie immer verläuft, wird nur die störende Handlung ausgewechselt. So hat das Kind weiterhin Beständigkeit und Sicherheit in vielen Punkten, wird aber immer wieder auf den Ersatz umgeleitet. Wichtig ist deswegen, dass die Eltern, die die Umgewöhnung begleiten, hierfür das Verständnis und die Ruhe mitbringen, beständig umzuleiten und eine Alternative anzubieten. So kann sich nach und nach die Alternative etablieren.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

„Ich habe dich gehört!“ – Kindern das Zuhören bestätigen

„Und dann, Papa, habe ich mit meinem Freund gespielt und wir haben… Papa, hörst Du? Wir haben gespielt und dann… Hörst Du zu?“ viele Eltern kennen solche und ähnliche Gespräche. Oder auch den Umstand, dass mehrere Personen gemeinsam am Tisch sitzen und sich locker unterhalten, während das Kind immer wieder in das Gespräch hineinplatzt mit einer Frage oder Aussage. Oft nimmt das einen negativen Einfluss auf die Atmosphäre und Eltern entgegnen schließlich nicht selten ruppig: „Du sollst uns nicht immer unterbrechen!“ Gerade kleinen Kindern fällt es oft schwer, ihre Gedanken und Empfindungen aufzuschieben. Sie haben den Impuls, das, was sie aktuell bewegt, mitzuteilen und mit diesem für sie wichtigen Inhalt gehört zu werden. Gerade dann, wenn wir von ihnen eigentlich wünschen, dass sie diesen Inhalt nicht gerade jetzt kommunizieren, sondern später, benötigen sie ein klares Zeichen der Aufmerksamkeit von uns, dass wir ihr Signal überhaupt wahrgenommen haben.

Das Kommunikationsproblem

Wenn Erwachsene keine Zeit haben, sich dem Thema des Kindes zu widmen, erfolgt oft keine passende Kommunikation: Das Kind erzählt etwas, möchte Aufmerksamkeit haben, aber die erwachsene Bezugsperson kann oder will gerade nicht zuhören. Anstatt dem Kind zu sagen, wann genau dessen Bedürfnis nach einem Gespräch erfüllt werden kann, wird oft ein „hm“ oder „ja“ oder „aha“ genutzt, damit das Kind die Botschaft loswerden kann, während nicht wirklich zugehört wird. Bemerkt das Kind dies, erzählt es nochmals das gleiche oder fragt nach, was die Bereitschaft der erwachsenen Person für dieses Gespräch oft noch weiter vermindert.

Kurze Zuwendung

Anstatt das Kind mit einem Füllwort abzuspeisen, das ohnehin nicht den gewünschten Effekt zeigt, ist es sinnvoller, sich kurz aktiv zuzuwenden. Kinder wollen gesehen werden, sie wollen das Gefühl haben, dass wir ihnen Aufmerksamkeit zukommen lassen, wenn sie sie benötigen. Was wir also tun können in solchen Situationen ist, eine wirkliche zugewandte Bestätigung zu geben: Sowohl in jenen Situationen, in denen Kinder uns etwas zwischendurch erzählen und wir abgelenkt erscheinen, als auch in jenen Situationen, in denen wir uns gerade jetzt nicht auf das Kind konzentrieren können. Wir können Blickkontakt aufnehmen, das Kind vielleicht sogar leicht berühren, wenn es nah bei uns ist und ihm sagen, dass wir es gehört haben. „Ich habe dich gehört!“ verbunden mit einer körperlichen Zuwendung und einem wirklichen Moment der Aufmerksamkeit zeigt dem Kind, dass wir anwesend sind, dass wir die Geschichte wahrgenommen haben oder auch, mit der Erweiterung „Ich habe dich gehört, aber jetzt gerade mache/spreche ich noch… Gleich höre ich dir zu, wenn ich fertig bin.“ dass wir das Bedürfnis wahrgenommen haben, es aber noch etwas aufschieben müssen.

Wichtig ist bei einem aufgeschobenen Gespräch, dieses dann auch wirklich sicher und von uns ausgehend wieder aufzunehmen: „Jetzt bin ich fertig, jetzt kann ich dir ganz zuhören. Was wolltest du mir erzählen?“ Hierdurch lernt das Kind, dass es sich auf unsere Aussage und Zuwendung sicher verlassen kann.

Nicht selbst interpretieren, sondern das Kind aussprechen lassen

Manchmal sind wir in Eile auch geneigt, die Geschichte des Kindes selbst fortzuführen oder zu interpretieren. Bestätigendes Zuhören meint auch, dass wir nicht unsere Erwachsenenperspektive in den Vordergrund schieben, sondern dass wir zunächst die Wahrnehmung des Kindes anerkennen: Kinder brauchen nicht nur das Gefühl, dass wir uns ihnen ernsthaft körperlich zuwenden und zuhören, sondern auch emotional Zuwendung und Bestätigung zeigen, indem wir ihre Gedanken und Gefühle anerkennen – so wie sie sie wahrnehmen. Nicht immer teilen wir diese Gedanken und Gefühle des Kindes, aber wir können zunächst zeigen, dass wir hören, wie das Kind fühlt und denkt und diesen Inhalt verstanden haben. Wenn ein Kind erklärt, dass es traurig ist, können wir „Ich habe dich gehört!“ zeigen, indem wir die Trauer nicht absprechen durch ein „Aber das ist doch nicht schlimm!“ oder „Ach, das geht schnell vorbei, stell dich nicht so an.“, sondern zunächst annehmen „Du bist ganz schön traurig deswegen, lass uns schauen, wie wir damit umgehen können.“ oder anerkennen, wenn ein Kind uns sagt „Ich kann die Aufgaben einfach nicht lösen, ich bin zu blöd!“, dass das Kind gerade jetzt dieses Gefühl hat. Mit einem „Stimmt doch gar nicht!“ oder „Stell dich nicht immer unter den Scheffel!“ können wir dem Kind in dieser Situation nicht helfen, mit einem „Du fühlst dich gerade blöd, weil du die Lösung der Aufgabe nicht herausbekommst? Lass uns schauen, was dir an der Aufgabe schwer fällt.“ schon eher.

Mit Bestätigung und Annahme des Kommunikationsbedürfnisses können wir unserem Kind zeigen, dass wir es ernst nehmen, seine Signale wahrnehmen, es bei uns mit seinen Bedürfnissen (auch wenn wir sie nicht sofort befriedigen können) sicher ist. Oft können wir dies bereits mit einem sprachlich (oder durch Zuwendung emotional) ausgedrücktem „Ich habe dich gehört“ vermitteln.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Wie wir unsere Kinder JETZT stärken können

Die aktuellen Rahmenbedingungen sind für Kinder und Familien an vielen Stellen schwer: nicht nur die Kontakte zu Familienangehörigen sind eingeschränkt, auch zu Kindern und anderen Familien. Viele Kinder sind aktuell zu Hause mit einem oder mehreren Elternteilen, Schulkinder sollen auch zu Hause Schulinhalte lernen. Auf der anderen Seite befinden sich die Eltern nicht selten in ebenfalls angespannten Verhältnissen durch die Kontakteinschränkungen, durch Sorgen und Ängste, vielleicht Probleme bei der Arbeit und/oder in finanziellen Nöten. Die Situationen von Familien sind komplex und ebenso die als problematisch erlebten Situationen. Dieses Gesamtgefüge an Problemen kann sich dann auch noch auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken, wenn sich die Anspannung durch Konflikte Raum macht.

Reflexion von Gefühlen ist gerade jetzt wichtig

Gerade jetzt ist es deswegen wichtig, zu reflektieren, wie es uns geht und warum es uns wie geht. Zunächst auf der Seite der Eltern: Wie geht es mir gerade? Was sorgt mich und warum? Wo kann ich in dem aktuell begrenzten Raum selbst wirksam sein, wo habe ich „die Dinge in der Hand“ und kann aktiv unsere Lebenssituation gestalten? Wichtig ist auch, dass wir unseren Blick nicht nur auf das richten, was aktuell nicht geht, sondern unsere Ressourcen und die schönen Dinge in den Blick nehmen: Was passiert jeden Tag Schönes? Welchen schönen Moment habe ich heute erlebt, was hat mir gut getan? Es können Kleinigkeiten sein, aber unsere Gedanken verändern sich, wenn wir den Blick besonders auch auf die schönen Momente richten.

Wichtig ist es auch, mit unseren Kindern über ihre Gefühle zu sprechen. Generell sollte das Reden über Gefühle in ihrer Vielfalt einen Platz im Alltag einnehmen. Aber gerade jetzt sind solche Gespräche besonders wichtig. Kinder erleben eine Vielzahl verschiedener Gefühle jeden Tag: von Langeweile über Einsamkeit, Freude, Wut, Liebe – und vielen anderen. Diese Vielfalt können wir mit unseren Kindern besprechen und ihnen bei der Einordnung der Gefühle helfen. Wenn wir merken, dass bestimmte belastende Gefühle über einen längeren Zeitraum immer wieder benannt werden, können wir überlegen, wie wir die Situation verändern können und wo das Kind weitere Hilfe im Alltag braucht. Was Kinder also jetzt gerade ganz besonders brauchen, ist Empathie: Unsere Bereitschaft und Fähigkeit, uns einzufühlen. Das zeigen wir u.a., indem wir unserem Kind wirklich zuhören.

Akzeptanz

Es ist wichtig für das Selbstwertgefühl des Kindes und seine gesamte Entwicklung, dass wir das Kind so, wie es ist, annehmen und schätzen. Kinder müssen bedingungslos geliebt werden und nicht das Gefühl haben, sich beständig für uns verbiegen zu müssen, um zu gefallen oder akzeptiert zu werden.

Gerade jetzt mag es eine besondere Herausforderung zu sein, dass sich nicht das Gefühl einschleicht „Meine Eltern mögen mich nur, wenn ich besonders leise bin“ oder „Meine Eltern fühlen sich unwohl mit mir, weil ich ihre Arbeiten verhindere“. Auch bei Schulkindern gibt es eine besonders schwierige Situation, wenn die Motivation für die Erledigung von Arbeitsblättern gering ist und die Eltern den Druck der Schule zur Erfüllung der Aufgaben weitergeben sollen. Hier kann sich schnell ein Gefühl des „nicht gut genug“ seins einstellen und es entstehen Konflikte. Wichtig ist es gerade jetzt, die Fähigkeiten und Grenzen des Kindes in dieser Situation zu berücksichtigen: Das Schulkind sollte realistische Aufgaben machen, die in dieser aktuellen Situation machbar sind, ohne dass sich die Situation negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt. Die Erwartungen an das Verhalten jüngerer Kinder sollten nicht durch den persönlichen Druck der Eltern zu hoch werden: Kleinkinder und Vorschulkinder sind weiterhin genau dies und können sich nicht langfristig und täglich den Erwartungen von Büroarbeiten anpassen.

Selbstwirksamkeit

So wie es Erwachsenen gut tut, den Blick auf das zu richten, worin sie gerade aktiv sein können, was sie an den Rahmenbedingungen innerhalb der Vorgaben gestalten können, ist für Kinder Selbstwirksamkeit jetzt besonders wichtig: Wo können sie im Alltag mitbestimmen, im Haushalt helfen, Entscheidungen selbständig treffen und umsetzen und sich kreativ mit Problemen auseinandersetzen? Es ist hilfreich, regelmäßig zu sehen, wo das Kind aktiv werden kann und auch gemeinsam die Teilhabe bewusst zu planen.

Gerade jetzt in dieser Zeit ist es wichtig, die psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) von Kindern zu unterstützen. Einige Faktoren hierfür werden angeboren, andere ergeben sich über die Zeit und den Umgang im Laufe des Lebens. Zu jedem Zeitpunkt aber können wir als Eltern darauf einwirken, indem wir unsere Kinder liebe- und respektvoll behandeln und ihnen das Gefühl geben, ein wichtiger und wirksamer Teil ihrer sozialen Gruppe zu sein. Das ist, was sie gerade jetzt ganz besonders brauchen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

„Lass mich doch mal gewinnen!“

Kinder gewinnen lassen, Kinder „stärker“ sein lassen – das fällt manchen Eltern gar nicht so einfach. Schließlich müssen Kinder doch vorbereitet werden aufs Leben? Und sie müssen doch lernen, dass es Menschen gibt, die stärker sind? Sie sollten doch lernen, sich anzupassen? Später lässt sie doch auch niemand immer gewinnen?

Macht umkehren ist gut für Kinder

Jetzt gerade aber sind Kinder noch Kinder und die Möglichkeit, im Spiel auch gewinnen zu können, schadet ihnen nicht nur nicht, sondern kann ihnen sogar sehr gut tun. „Machtumkehrspiele“ nennt die Entwicklungspsychologin Dr. Aletha Solter jene Spiele, in denen Kinder bestimmen dürfen und die „mächtigere“ Position einnehmen: Ob nun bei der Kissenschlacht oder anderen Tobespielen – es tut Kindern gut, mal in der machtvolleren Position zu sein und dieses Gefühl kennenzulernen und dabei auch eigene Gefühle der Aggression und Wut auszulassen, die die sonst unterlegenere Position manchmal mit sich bringt. Auch kann dabei erfahren werden, wie die andere Person mit ihrer Position umgeht, wo es Grenzen gibt, wie diese gewahrt werden (sollten) und aufgezeigt werden können.

In der Umkehr der Position können sich Kinder ausprobieren und die Erwachsenen erleben auch, wie das Kind die mächtigere Rolle wahrnimmt und ausfüllt. Vielleicht fällt es Kindern dabei – je nach Temperament – auch schwer, Grenzen anzunehmen und einzuhalten. Gerade das kann aber auch ein Gesprächsanlass sein, um über das Aufzeigen von Grenzen zu sprechen und festzulegen: Egal wer sich gerade als mächtiger oder unterlegener fühlt, muss immer auf ein „Stopp“ des anderen hören. Dieses gilt in allen Situationen – auch jenseits des aktuellen Spiels.

Aber: auch nicht immer gewinnen lassen

Machtumkehrspiele können eine Bereicherung für den Alltag sein. Das bedeutet aber nicht, dass Kinder immer gewinnen müssten. Zumal das Gefühl, wir Erwachsene sind starke, sichere und vorausschauend schützende Bezugspersonen, auch wichtig für Kinder ist. Eine gute Balance im Alltag ist sinnvoll. Es ist hilfreich, auf das Kind zu achten und zu überlegen, ob eine Umkehr vielleicht jetzt gut tun würde. Möglich ist auch, das Kind gelegentlich einfach zu fragen, wie gespielt werden soll.

Für manche Eltern ist es schwierig, mit der emotionalen Reaktion des Kindes auf das Verlieren umzugehen – aber wie bei vielen anderen Emotionsbegleitungen gilt auch hier, dass Erwachsene sich nicht durch Vermeidung aus der Verantwortung ziehen dürfen in der Begleitung von Gefühlen. Auch wenn das Kind aktuell noch sehr impulsiv auf das Verlieren reagiert, sollten Eltern dies begleiten und ihren Blick immer wieder darauf lenken, dass das Kind eben ein Kind ist.

Aber mein Kind kann nicht verlieren! – Muss es das nicht lernen?

Frustrationstoleranz bildet sich im Laufe der Kindheit aus und ist auch abhängig vom jeweiligen Temperament des Kindes. Einige Kinder brauchen längere und stärkere Begleitung, andere weniger. Hilfreich ist es dabei aber nicht, wenn das Kind immer wieder in frustrierende Situationen gebracht wird, damit es diese Fertigkeit ausbildet: Kinder immer verlieren zu lassen in Brett- und anderen Spielen ist nicht zielführend für das Engagement des Kindes und die Freude am gemeinsamen Spiel und auch nicht für die Ausbildung der Kompetenz im Umgang damit. Hat das Kind größere Schwierigkeiten im Umgang mit dem Verlieren, können kooperative Spiele eher unterstützen: In kooperativen Spielen wird gemeinsam auf ein Ziel hin gearbeitet. Wenn, dann verliert das Team gemeinsam und kann dieses Verlieren dann auch gemeinsam tragen und damit umgehen. So sieht das Kind am Beispiel der erwachsenen Person, wie mit dem Verlieren umgegangen werden kann und alle Teammitglieder können sich gegenseitig trösten.

Es ist also völlig in Ordnung, das Kind auch gewinnen zu lassen und kann sogar hilfreich sein. Es mag manchmal schwer fallen, dies zuzulassen, weil das Bild davon, das Kind gewinnen zu lassen, im Gegensatz steht zu vielen Erziehungspositionen vergangener Zeiten, die wir verinnerlicht haben und die uns eher dazu drängen, dass Kinder sich unterzuordnen haben. Für das Wohlbefinden und die Entwicklung des Kindes ist es jedoch vorteilhaft, wenn wir aus diesem Denken ausbrechen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Genannte Literatur:
Solter, Aletha J. (2015): Spielen schafft Nähe – Nähe löst Konflikte. Spielideen für eine gute Bindung. – München: Kösel.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Was wir unseren Kindern zum Ende des Jahres schenken sollten

Hinter uns liegt ein Jahr, das anders war als viele anderen Jahre. Das uns in besonderer Weise gefordert hat, das besorgniserregend war, das und geängstigt hat. Vielleicht haben wir mit unserer Familie direkt die Auswirkungen dieses Jahres gespürt: haben Verluste im Familien- oder Freundeskreis erlitten, Sorgen um unsere Arbeit gehabt, um das Einkommen, mussten in Kurzarbeit gehen oder haben vielleicht sogar die Arbeit verloren. Vielleicht waren wir viel mehr als sonst erschöpft und genervt durch Homeschooling und Homeoffice mit Kindern. Dieses Jahr hat an verschiedenen Stellen Probleme aufgeworfen und Familien waren davon in höchst unterschiedlicher Art betroffen.

Es war ein anstrengendes Jahr für Kinder

Auch unsere Kinder waren vor neue Herausforderungen gestellt, mit den Problemen dieses Jahres umzugehen: mit dem, was sie von ihren Eltern wahrgenommen haben an Problemen und Sorgen, mit den Auswirkungen der Erwachsenenprobleme auf ihren Alltag, mit den Anforderungen eines neuen Alltags mit Abstandhalten, dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, mit neuen Hygieneregeln. Sie haben erlebt, wie Kitas und Schulen teilweise kurzfristig geschlossen wurden und daher ihre Beziehungen zu anderen Kindern, Lehrenden und Erziehenden unterbrochen wurden – gerade für jüngere Kinder war dieser teilweise abrupte Abbruch manchmal eine besondere Herausforderung. Unsere Kinder mussten auf eine andere, neue Weise zusätzlich im Alltag kooperieren: nicht nur wie sonst, dass sie sich in unsere Zeitpläne und Regeln einpassen sollten, sondern in ganz neue, strengere und herausfordernde Vorgaben. Das hat sie Energie gekostet – und auch uns Eltern, denn Kinder sind trotz allem Kinder und passen sich nicht immer einfach und entspannt in strenge Vorgaben ein. Sie haben in diesem Jahr sozial und emotional viel leisten müssen – und Eltern auch. Glücklicherweise sind Kinder viel anpassungsfähiger und stabiler, als es ihnen manchmal nachgesagt wird – und dies ganz besonders dann, wenn wir ihnen dafür ein stabiles Fundament geben, auf dem diese Anpassung aufbauen kann, dass sie sicher trägt.

Was wir unseren Kindern schenken sollten

Es ist aktuell nicht absehbar, dass sich an den neuen Rahmenbedingungen etwas ändert oder entspannt. Und gerade deswegen haben unsere Kinder es verdient, dass wir zum Ende des Jahres und auch mit Blick auf das neue Jahr, noch einmal ihre Bedürfnisse in den Blick nehmen. Dass wir uns ansehen, wie wir sie aktuell stärken können für diese großen Herausforderungen und uns ein paar Tage besonders Zeit nehmen, um anzuerkennen und zu schätzen, was sie in diesem Jahr geleistet haben.

Auch wenn Kinder Unsicherheit und Angst in Bezug auf die Pandemie und ihre notwendigen Schutzmaßnahmen nicht so ausdrücken wie Erwachsene, können sie durchaus beängstigt oder verunsichert sein durch die aktuellen Rahmenbedingungen, Nachrichten und das Verhalten und/oder die Angespanntheit ihrer Eltern. Es ist wichtig, diesen Gefühlen von Angst/Sorge/Verunsicherung Raum zu geben und mit unseren Kindern altersentsprechend über ihre Gefühle zu reden. Kein Gefühl muss verschwiegen werden, alle Gefühle dürfen Raum haben. Wir können am Ende jedes Tages mit ihnen darüber reden, wie sie sich heute gefühlt haben, was sie gefühlt haben und warum. Auch unsere eigenen Gefühle können wir dabei altersangemessen einbetten und offen sein: Wenn unser Kind uns sagt, dass es Angst hat wegen der Nachrichten, können wir sagen, dass auch wir die Nachrichten manchmal beunruhigend finden. Gleichwohl können wir uns dann den Fakten zuwenden und dem Kind erklären, was wir tun, um Sicherheit herzustellen und warum die aktuellen Vorkehrungen in der Gesellschaft genau dafür da sind. Auf diese Weise nehmen wir einerseits das Gefühl des Kindes an, auf der anderen Seite unterstützen wir das Gefühl von Sicherheit, indem wir erklären, was wir tun.

Das Erklären unserer eigenen Handlungen hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt für die Kinder: Wir zeigen ihnen ein Stück Selbstwirksamkeit in einer Situation, in der viele Bestrebungen nach Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Wir sehr diese Einschränkungen der Selbstbestimmung uns herausfordern, merken wir an uns Erwachsenen und sehen es auch (leider) an vielen Menschen, die sich den Erfordernissen nicht anpassen wollen. Dass diese Einschränkung eine Herausforderung ist für uns und unser Autonomiestreben, ist normal. Dennoch müssen wir damit umgehen. Auch für unsere Kinder ist es schwierig, noch eingeschränkter zu sein, als sie es ohnehin schon oft durch unsere Erwachsenenregeln und -erwartungen sind. Dies gerade in einem Entwicklungsalter, das durch Neugierde und Autonomie gekennzeichnet ist. Um so wichtiger ist, ihnen dort, wo es aktuell möglich ist, Autonomie zu schenken (gerade beispielsweise auch in Quarantäne): sie in der Beteiligung bei Alltagsentscheidungen ernst zu nehmen (beispielsweise bei einer regelmäßigen Familienkonferenz), sie am Haushalt zu beteiligen, oder sich beim Spiel ganz auf ihre Vorstellungen und Regeln einzulassen und ihnen die Führung zu übergeben (Bindungsspiele). Kinder brauchen das Gefühl, aktiv und selbstwirksam zu sein. Selbstwirksamkeit ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung psychischer Widerstandsfähigkeit – gerade diese brauchen Kinder jetzt. Wir können sie durch Beteiligung, einen demokratischen Erziehungsstil und Anerkennung unterstützen.

Gerade jetzt, in den letzten Tagen des Jahres, können wir uns unseren Kindern auf diese Weise widmen und uns zu ihnen setzen, mit ihnen nach ihren Bedürfnissen spielen und sie bestimmen lassen. Nein, das schadet ihnen nicht, verzieht sie nicht, „verwöhnt“ nicht negativ. Gerade jetzt tut genau dies der Bindungsbeziehung gut, denn Bindung ist auf Seiten des Kindes vor allem ein Sicherheitssystem und diese Sicherheit der Fürsorge, der Umsorgung brauchen sie gerade jetzt. Sie brauchen gerade jetzt das Gefühl, geliebt und in ihrem individuellem Wesen angenommen zu sein.

Vielleicht zeigen unsere Kinder auf besondere Weise, dass sie gerade jetzt unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen: Vielleicht sind sie aggressiver, fordernder, „kleben“ mehr an uns, sagen noch öfter „Mama“/“Papa“ als sonst, wollen noch mehr Aufmerksamkeit, wollen vielleicht wieder mit im Elternbett schlafen oder fordern auf andere Weise ganz besonders Zuwendung ein. Das darf sein. Es ist wichtig, dass wir hier genau hinsehen und ergründen, woher die Ursache des Verhaltens unseres Kindes kommt und darauf nicht mit Abweisung und Strafe reagieren, sondern mit Annehmen und Verständnis. Kinder sind von Anfang an unterschiedlich in ihrem Temperament und in ihren Persönlichkeitseigenschaften: einige sind ruhiger, andere wilder. Wenn wir wahrnehmen, dass sich unser Kind von seinem ursprünglichen Wesen weiter wegbewegt und entweder viel stiller oder viel aggressiver wird, sollten wir genauer hinsehen.

Schenken wir unseren Kindern also gerade jetzt Liebe, Anerkennung, Verständnis – und vor allem Gewaltverzicht. Schenken wir ihnen Aufmerksamkeit und die Beachtung ihrer Gefühle. All das ist generell wichtig für die Entwicklung von Kindern, aber gerade jetzt, nach diesem Jahr und in dieser Zeit hat es noch einmal einen ganz besonderen Stellenwert für die Entwicklung der Kinder. Und gerade dies sollte auch unser Blick nach vorn auf das nächste Jahr sein.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

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Wenn Kinder nach dem Tod fragen

„Und wenn du stirbst, was passiert dann, Papa?“, „Und dann sterben Oma und Opa und dann sind sie nicht mehr da.“, „Wenn du stirbst, Mama, sterbe ich dann auch?“ – Mit Kindern über den Tod zu sprechen, fällt vielen Eltern nicht leicht. Manchmal fehlen schlicht die Worte, manchmal kommt erst durch die Frage des Kindes die eigene Unsicherheit zum Vorschein, manchmal steigen eigene schmerzhafte Gefühle und Erinnerungen auf und manchmal möchte man vielleicht auch selbst nicht über die Fragen nachdenken. Doch so sehr wir auch die Antworten hinauszögern oder von uns weg schieben, sind Kinder in ihrem Wunsch nach Wissen und Verständnis oft unnachgiebig.

Am Anfang noch ein unvollständiges Bild vom Tod

Oft fangen Kinder rund um den 4. Geburtstag damit an, selbst mehr mit dem Thema Tod umzugehen: Er wird in das Spiel eingebunden und auf einmal sterben die Spielfiguren oder werden sogar absichtlich getötet. Die offenen und neugierigen Fragen des Kindes stehen im Raum: Was passiert da eigentlich, warum und wie – und sterben eigentlich nur alte Menschen? Auch wenn das Kind in diesem Alter noch nicht die gesamte Tragweite des Todes versteht und wirklich einschätzen kann, wie unwiederbringlich der Tod ist, hat es jetzt oft ein grobes Wissen vom Tod (in dem Sinne, dass der Körper seine Funktionsfähigkeit verliert), das sich in den folgenden Jahren weiter ausbaut. Nach und nach verinnerlicht es, was der Tod wirklich bedeutet: dass alle Lebewesen sterben und dieses Sterben nicht umgangen oder rückgängig gemacht werden kann.

Angepasst Gespräche führen

An den jeweiligen Stand des Kindes angepasst sollten wir auch mit unserem Kind über Tod und Sterben sprechen. Das bedeutet, dass dieses Thema in den Jahren der Kindheit immer wieder aufkommen und unterschiedlich behandelt werden kann je nach fortschreitender Entwicklung des Kindes. Das Wichtige dabei ist, dass das Kind den Rahmen vorgibt, in dem das Thema Tod behandelt wird und die Bezugspersonen gehen auf die konkreten Fragen des Kindes ein, ohne darüber hinaus zu sehr abzuschweifen. Je näher wir dabei an der Frage des Kindes bleiben, desto besser. Sollte es darüber hinaus etwas wissen wollen, wird es eine weitere Frage stellen. Wichtig ist, nicht unsere eigenen Ängste und Sorgen auf das Kind zu übertragen in den Gesprächen – das Kind gibt den Weg vor.

Natürlich gibt es viele Fragen, die auch wir nicht konkret beantworten können, die Kinder aber dennoch stellen: „Wann stirbst du?“, „Wann sterbe ich?“ Auch hier lohnt es sich, möglich ehrlich und nicht zu weitschweifend zu antworten. Wir können sagen, dass man nicht genau weiß, wann man stirbt, aber die Wahrscheinlichkeit geringer ist, in jungen Jahren zu sterben. Wir können auch erklären, dass wir natürlich aufpassen auf uns – vielleicht reicht das bereits als Antwort. Wichtig ist, dass wir auf unsere Wortwahl achten, wenn wir über den Tod sprechen – gerade bei Kindern. Denn ein als Ausflucht und Verharmlosung gedachtes „Und dann schläft man für immer ein“ oder „Sich auf die letzte Reise begeben“ kann Kinder verunsichern oder ängstigen.

Wenn Kinder mehr Informationen einfordern, können wir passende Kinderbücher zum Thema auswählen und darüber sprechen. Je nach Alter der Kinder und Entwicklungsstand kann auch hier unterschiedlich vorgegangen werden – Schulkinder finden vielleicht einen Besuch in einem ägyptischen Museum spannend, um sich dort Mumien anzusehen.

Im Trauerfall

Anders als die alltägliche Frage nach dem Tod verhält es sich, wenn eine konkrete Situation mit einem Trauerfall vorliegt. Wie Kinder damit umgehen, kann sehr unterschiedlich aussehen. Wichtig ist auch hier, offen zu sein und Fragen zuzulassen. Alle Gefühle dürfen ihren Raum haben und Erwachsene sollten das Bedürfnis des Kindes nach Austausch so annehmen, wie es kommt: Manchmal möchte das Kind eine konkrete Frage beantwortet wissen, spielt dann wieder, um etwas später mit einer anderen Frage oder einem Gedanken zurückzukommen.

Wie sich die Trauer konkret äußert, ist verschieden. Kleine Kinder leiden beispielsweise öfter unter Störungen des Schlafverhalten, Unruhe oder auch Änderungen im Ess- und Trinkverhalten. Aber auch bei älteren Kindern kann der Schlaf betroffen sein. Manche Kinder werden ruhiger, andere wilder. Wichtig ist, dass das Kind so angenommen und gesehen wird, wie es sich gerade fühlt – auch der Kindergarten oder die Schule sollten hier einbezogen und informiert werden, um das Verhalten des Kindes einordnen zu können. Schwierig ist das Annehmen der kindlichen Bedürfnisse und des kindlichen Verhaltens dann, wenn die Eltern selbst sehr von der Trauer betroffen sind. Wenn unsere Gefühle uns nicht zu sehr mitreißen, dürfen Kinder aber auch an der Trauer der Eltern Teil haben und sie erleben. Mit ihnen kuscheln und trauern und gleichzeitig auch Erinnerungen wachrufen. Hilfreich ist es, wenn es Unterstützung um die Familie herum gibt, die sich um die Alltagsaufgaben kümmert, damit die Familie den Raum für die Trauer hat.

Abschiedsrituale können Kindern helfen, mit dem Tod umzugehen. Auch hier müssen wir aber sehen, wie es zum Kind passt. Vielleicht ist die Teilnahme an einer Beerdigung zu viel für das Kind und wird von Anfang an ausgeschlossen, vielleicht muss die Beerdigung auch ungeplant verlassen werden, weil das Kind überfordert ist. Vielleicht passt es dann besser, ein gemeinsames Abschiedsritual im kleinen Kreis zu zelebrieren auf dem Friedhof nach der Beerdigung oder abseits, beispielsweise indem ein Papierschiffchen zu Wasser gelassen wird oder ähnliches. Wir dürfen kreativ umgehen mit solchen Ritualen und auch mit der Trauer des Kindes.

Sie wird vielleicht in den folgenden Jahren wieder ab und zu auftauchen, wenn nach der verstorbenen Person wieder gefragt wird. Dann kann gemeinsam ein Fotoalbum angesehen werden und es kann darüber gesprochen werden, welche schönen Erinnerungen man an die verstorbene Person hat. Auch hier gilt: Eltern können den Fragen des Kindes nachgehen und diese begleiten im Wachsen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Lieber Nikolaus…

Dieses Jahr war für alle herausfordernder und anders als viele andere Jahre. Kinder brauchen weder in diesem, noch in einem anderen Jahr Bestrafung oder Fantasiefiguren, die mit ihnen schimpfen. Sie haben in diesem Jahr viel kooperiert, viel Neues gelernt, viel mitgetragen. Sie brauchen verlässliche Bezugspersonen, die sie wertschätzen, die sehen, wie sie sind und welche Stärken sie haben. Jedes Kind ist einzigartig mit seinem ganz persönlichen Wesen und möchte als genau dieses gesehen werden. Wenn in einer Familie ein Nikolaus oder Weihnachtsmann zu Besuch kommt, sollte er genau dem Rechnung tragen und die Individualität des Kindes beschreiben: was es tut, was es gerne mag, was es in diesem Jahr Neues gelernt hat, welchen Herausforderungen es begegnet ist und auch, wie dieses Kind von den Eltern geliebt wird und dass es zu der sozialen Gruppe seiner Familie gehört.

Und auch wir Erwachsenen haben in diesem Jahr bisher viel schultern müssen, gelernt, Pläne geändert. Auch wir haben ein Lob verdient und vor allem auch die „Erlaubnis“, in diesem Jahr alles wirklich ganz entspannt zu gestalten – so, wie es dieser Familie eben gerade jetzt gut tut. Ohne Erwartungsdruck. Deswegen:

Lieber Nikolaus, ich mag Dir sagen,
ich danke Dir für Deine Gaben.
Leider sind die Schuh‘ voll Schmutz,
denn wir haben nicht geputzt.
Der Mental Load war dieses Jahr,
ach, einfach unberechenbar.

Die Kinder waren wie sie sind,
mal wild, mal still – halt einfach „Kind“.
Hier muss niemand brav Kind sein,
denn das wäre ja gemein.
Wir lieben sie mit allen Seiten,
am Tag, des Nachts, zu allen Zeiten.

Nun freu ich mich auf diesen Tag,
der uns viel Freude bringen mag.
Die Pädagogik liegt beiseite,
damit niemand hier mehr streite:
Zucker, Spielzeug, Fernsehabend,
lieber Freude statt hochtrabend.
Denn grad‘ in diesem Jahr
ist Entspannung doch ganz wunderbar.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de