Wenn Kinder unangenehme Einschlafrituale haben…

Von Anfang an unterscheiden sich Kinder bereits in ihrer Erregbarkeit, Tröstbarkeit, in ihrem Ausdruck. Auch das Einschlafen ist bei Kindern unterschiedlich und einige brauchen dazu mehr Ruhe, andere stören sich nicht an lauteren Umgebungsgeräuschen. Und auch im Laufe der Zeit können sich verschiedene Rituale und Gewohnheiten ausbilden, die für Kinder den Übergang zum Schlaf markieren: einige Kinder gewöhnen sich daran, in bestimmter Weise im Arm zu liegen, andere gewöhnen sich daran, wenn ihnen vorgesungen wird beim Einschlafen und wieder andere bilden bestimmte Rituale und Gewohnheiten aus wie das Knibbeln oder Kratzen an der Haut der Person, die das Einschlafen begleitet, das Spielen an den Haaren zur Beruhigung oder auch beim Einschlafstillen das Kneifen in die Brust. Eltern sind bei solchen Einschlafritualen manchmal überfordert und gefangen zwischen dem Gefühl, dass das Einschlafen so funktioniert und sie darüber froh sind einerseits, und dem Umstand, dass diese Angewohnheit anstrengend für sie selbst ist. Oft gibt es einen Punkt, an dem sie sich fragen: Muss ich das wirklich weiter ertragen, nur damit das Kind einschläft?

Der Übergang zum Schlaf

Während Babys in den ersten Monaten nach der Geburt noch “nachreifen” und der Schlaf noch annähernd gleich über Tag und Nacht verteilt ist, gleicht er sich nach und nach an den Tag-Nacht-Rhythmus an und nach den ersten drei Monaten des Nachreifens zeigt sich, dass bereits ein großer Anteil des täglichen Schlafbedarfs nachts eingenommen wird – allerdings noch unterbrochen, was noch lange Zeit sehr normal ist. Für den guten Übergang zum Schlaf müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt ein und das Kind muss sich sicher aufgehoben fühlen – dafür bevorzugt es sehr oft die Nähe von Bezugspersonen, da diese Wärme, Schutz, Nahrung nach Bedarf und Sicherheit versprechen. In dieser Zeit der Begleitung entwickeln wir selbst begleitende Rituale und auch die Kinder entwickeln Vorlieben für eine gute Einschlafbegleitung. Das, was wir als Brücke zum Schlaf, als Einschlafritual anbieten, wird zu einer Gewohnheit: bestimmte Rahmenbedingungen im Schlafraum, bestimmte Verhaltensweisen.

Ritualisiertes Einschlafen

Rituale und ritualisierte Handlungen finden sich an vielen Stellen in unserem Alltag und geben uns oft Halt und Struktur. Auch für unsere Kinder ist dies bereits wichtig. Oft leiten sie bewusst oder unbewusst aus einem Ritual eine Art Vorhersage ab: Wenn dieses so passiert, dann passiert als nächstes… Solche Voraussagbarkeit und Beständigkeit beruhigt. Ebenso, wie bestimmte Handlungen selbst beruhigend wirken können. Während für einige Kinder die Rituale den Übergang zum Schlaf erleichtern und markieren, die die Eltern ihnen beim Einschlafen anbieten (Gesang, Nähe, Stillen/Flasche, Berührung,…), entwickeln andere Kinder auch eigene Rituale. Gerade das Kratzen/Knibbeln an Haaren und Haut sind nicht selten. Darüber hinaus entwickeln einige Kinder aus noch nicht geklärten Ursachen auch schlafbezogene rhythmische Bewegungsbilder wie das Rollen mit dem Kopf, das Wippen des gesamten Körpers oder das Schlagen mit Beinen, manchmal begleitet von Brummgeräuschen. Oft verschwinden diese rhythmischen Bewegungen im Laufe der Kindheit und es ist besonders wichtig, das Kind in diesen Situationen vor Verletzung zu schützen. Wenn das Kind aber bestimmte Routinen entwickelt hat, an denen auch die einschlafbegleitende Person beteiligt ist, die sich davon gestört oder verletzt fühlt, kann diese sich auch selbst schützen und versuchen, dem Kind eine andere Brücke zum Schlaf zu bilden.

Statt Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln

Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln sind für die begleitenden Eltern oft auf Dauer anstrengend und natürlich müssen sie dies nicht über sich ergehen lassen, damit das Kind endlich einschläft. Wie auch beim Ungewöhnen vom Einschlafstillen auf das Einschlafen ohne Stillen ist es wichtig, dass wir uns zunächst vor Augen führen, dass diese Brücke zum Schlaf für das Kind bedeutsam ist und eine ganz normale, alltägliche Gewohnheit, von der es selbst nicht versteht, warum sie geändert werden sollte. Es wird daher sehr wahrscheinlich nicht damit einverstanden sein und sieht auch keine Notwendigkeit, die geliebte und etablierte Methode zu verändern.

Beschämung, Schimpfen oder Gewalt in Form von Festhalten der Hände helfen nicht weiter und auch die Androhung, dass das Kind ganz allein einschlafen muss, wenn es “das immer mit uns macht”, wird dem Kind nicht helfen, gut in den Schlaf zu kommen. In letzterem Fall würde nicht nur die besondere Angewohnheit wegfallen, sondern das Kind eine völlig neue und überfordernde Situation erleben. Sinnvoller ist deswegen ein sanftes Vorgehen, bei dem nur das eine Problem ausgetauscht wird:

Hilfreich ist es, dem Kind eine Alternative anzubieten: Vielleicht ein Kuscheltier, an dessen Schweif gedreht werden kann statt an den Haaren des Elternteils, ein Schnuffeltuch mit “tags”, vielleicht aus verschiedenen Materialien, an denen genibbelt werden kann, eine Puppe, die angekratzt werden kann. Auch wenn wir eine solche Alternative einführen, wollen dennoch viele Kinder zunächst die bewährte Handlung ausführen und es braucht Zeit und eine klare, liebevolle Begleitung der Umstellung.

Während das gesamte Schlafritual wie immer verläuft, wird nur die störende Handlung ausgewechselt. So hat das Kind weiterhin Beständigkeit und Sicherheit in vielen Punkten, wird aber immer wieder auf den Ersatz umgeleitet. Wichtig ist deswegen, dass die Eltern, die die Umgewöhnung begleiten, hierfür das Verständnis und die Ruhe mitbringen, beständig umzuleiten und eine Alternative anzubieten. So kann sich nach und nach die Alternative etablieren.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

17 Kommentare

  1. Bei uns ist es das Knibbeln am Ohr(Läppchen). Zum Einschlafen stört es mich nicht, aber manchmal geht das ab 2 Uhr nachts wieder los…ich habe schon ein paar Mal locker versucht es “umzulenken”, aber ich bin bisher nicht überzeugt genug dran geblieben. 😉

  2. Haha, bei uns war es ne zeitlang die Hand die an meinem Unterhosengummi fummeln musste.
    Bin ich froh dass das vorbei ist.

  3. Christina

    Hallo Susanne,
    Du schreibst genau zum richtigen Moment. Meine Tochter knibbelt, zupft und kratzt mir ebenfalls am Ohrläppchen herum, was mir wirklich sehr wehtut. Ich werde es mir der Umlenkung versuchen. Vielen Dank. LG Christina

  4. Bei meinem Sohn hat sich das Knibbeln an Fuß- oder Fingernägeln etabliert, was leider odt zu eingerissen Nägeln führt. Was könnte man da denn als Ersatz anbieten?

    LG

    • Es gibt so Schnuffeltücher mit unterschiedlichen Tags dran (wenn du nähen kannst, kannst du das auch selber machen) die auch aus verschiedenen Materialien sind und manche Kinder nutzen anstelle von Ohrläppchen oder Hautkneifen dann solche härteren Schildchen aus robusterem Material.

  5. Wie haben genau diese Situation!!! Wahnsinn, das ich das jetzt hier so lesen kann, das beruhigt mich sehr 🙂 Bei uns ist es das Finger in Mamas Mund stecken und an der Lippe kneifen, knibbeln und und…

    Danke für diese Infos! ♡

  6. Leider kennen wir das Problem nur zu gut. Unsere Tochter (21 Monate) kneift ungefähr seit ihrem 1. Geburtstag in die Haut. Anfangs die Brust, mittlerweile die Handoberseite und (sehr schmerzhaft) die Innenseite der Oberarme… jegliche Versuche Umzuleiten sind trotz hartnäckigem Dranbleiben bisher gescheitert. Wir haben viele unterschiedliche Materialien angeboten, wissen aber keinen Rat mehr. Wir Eltern sind mittlerweile beide mit entzündeten Stellen am Handrücken geplagt und hoffen darauf, dass es irgendwann von selber aufhört.

  7. Wir haben Zwillinge. Sohnemann will seine Ruhe haben, um einzuschlafen. Töchterchen kann erst schlafen, wenn sie mit ihrem Daumen im Elternauge gepuhlt hat. Die ultimative Beruhigung für sie. Vielleicht braucht sie zum Tagesabschluss nochmal die Gewissheit, dass ihre Eltern wirklich noch den größten Mumpitz mitmachen. 😀

  8. Einschlafprobleme sind mein zweiter Vorname! Während ich vor den Kids immer geschlafen habe wie ein Baby, bin ich seit der ersten Geburt ein Zombie. Und Abendbeschäftigungen finden quasi nicht mehr statt. Denn ich schlafe regelmäßig beim Kind-ins-Bett-bringen ein und bin danach nicht mehr zu gebrauchen. Dann kann ich mich meistens nicht mehr aufraffen, nochmal hochzufahren und Dinge zu erledigen. Ich will einfach nur noch schlafen.

  9. Ohja, auch ein riesen Thema bei uns. Das ursprüngliche Haarewuscheln ging bei uns irgendwann in “Haareziehen” über – nicht nur nervig, sondern auch teils schmerzhaft. Wir haben alle möglichen Alternativen versucht und es allmählich mit einem Hundeteddy zum Festhalten und Kneten im wahrsten Sinne des Wortes im Griff.. Haare und Kopfhaut danken es 😀 LG Jasmina

  10. Bei uns sind es die Haare oder Nase. Das tut vielleicht weh… Sie wird in 3 Wochen 1 Jahr alt.
    Hat jemand vielleicht eine Idee für einen Ersatz für meine Haare?

    • Auch wenn der Artikel älter ist, vielleicht ist es noch relevant. Wir haben über einen schwedischen online Handel. Ein Zopfgummi mit Echthaar gekauft. Dieses über sein geliebtes Kuscheltier gezogen. Nun hat Zuma ein Zopfgummi mit Echthaaren um den Hals gebunden. Das ganze Ding wurde Wuschel getauft. Es hat seine Zeit gedauert, bis mein Sohn das als Ersatz zu meinen Haaren akzeptiert hat. Aber es hat funktioniert.
      Das Zopfgummi war mit ca. 18 Euro relativ günstig in der Anschaffung und meinem Kopf geht es seitdem deutlich besser. Aus Haarewuscheln wurde nämlich bei uns auch an den Haaren ziehen, vor allem wenn er nicht einschlafen oder schlimmer noch, nachts nicht weiter schlafen konnte.

      • Lea, du musst mir helfen 😀 – wo findet man so einen Zopfgummi? Hab mich auch schon nach Puppen mit Echthaar totgesucht 😉 Ich wäre dir seeehr dankbar!

  11. Joana Dechow

    Hallo liebe Susanne,
    Bei uns ist es das Knibbeln ab der Ellenbogenhaut. Ich habe es versucht (vielleicht zu inkonsequent) umzulenken auf einen Lederhasen (bio Hundedummie, den Knibbler) . Unsere Maus ist sehr hartnäckig und wir zu erschöpft die Alternative zu etablieren. Mit dem kindgeleiteten Abstillen erhoffe ich mir auch eine Reduktion des Knibbelns an meinen gestreckten Ellenbogen. Früher waren es zudem die Hände. Sie macht es seit ihrem 6 Lebensmonat bis jetzt 2,9 Jahre alt. Es ist sehr anstrengend mit Beruf , Stillen und dem Knibbeln ^^‘

  12. Bei uns ist es die Brust, die mein Sohn knetet oder auch sogar kneift. Aber nicht nur zum einschlafen, sondern auch zwischendurch zur Beruhigung. Ein Kuscheltier ist bisher leider noch keine Alternative, ich hab es aber auch noch nicht konsequent umgesetzt. Aber so langsam möchte ich die Angewohnheit abgewöhnen, mein Sohn ist jetzt 2,5 Jahre.

  13. Meine Tochter hat jahrelang (bis etwa 3,5) an meinen Brustwarzen geknetet, gezogen, gedrückt, gezwirbelt. Anstrengend, nervig und vor allem schmerzhaft. Ich habe so viele Alternativen versucht, die auch zunächst oft Zustimmung fanden, aber nach wenigen Tagen nicht mehr gefühlsecht genug waren: verschiedene Bälle zum kneten, z.T. mit Noppen dran, Stofftiere mit allen möglichen Accessoires, Fummelketten (zum kauen, knabbern und kneten), Brüste aus Silikon aus dem Scherzartikelladen uvm.
    Am Ende half nur ein T-Shirt nachts (bis heute ist das so ?)

    • Hier dasselbe!

      Tochter ist 3,5 und hört damit nicht auf.

      Ich fauche sie manchmal an und das ist das einzige was sie zum aufhören bewegt.

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