Alle Artikel von Susanne Mierau

Ich will Ruhe, Du willst Spiel

Ein langer Arbeitstag liegt hinter uns, das Kind ist vom Kindergarten abgeholt und hatte ebenfalls einen vollen Tag mit Erfahrungen, sozialem Austausch, Regeln. Eigentlich wollen wir als erwachsene Person uns jetzt kurz ausruhen: Endlich mal die Beine hochlegen nach dem langen Tag, Gedanken abschalten, einfach ausruhen. Vielleicht sind wir erschöpft, vielleicht sogar etwas kränklich. Aber da ist das Kind an unserer Seite, das nun mit uns spielen will. Schnell kann eine solche Situation zu einem Streit führen zwischen „Ich will spielen!“ – „Ich will Ruhe!“

Bedürfnisse verstehen

Dass wir nach einem Arbeitstag Ruhe und Entspannung als Erwachsene brauchen, ist verständlich. Es ist wichtig, dass wir dieses Bedürfnis wahrnehmen und darauf reagieren, für uns selbst und unser Wohlergehen und auch die Beziehung zum Kind: Nur wenn es uns selbst gut geht, unsere Bedürfnisse berücksichtigt werden, können wir langfristig auch gut mit den Bedürfnissen des Kindes umgehen.

Auf der anderen Seite steht das Kind mit einem Bedürfnis. Denn ja: Der Wunsch nach gemeinsamen Spiel ist wahrscheinlich nicht nur ein Zeitvertreib, es möchte uns damit auch nicht ärgern oder nur die Langeweile besiegen. Nach der Zeit der Trennung ist es gut möglich, dass das Kind gerade jetzt das Bedürfnis nach Nähe hat, die Verbindung zur Bezugsperson herstellen will.

Dieser Blick darauf, dass beide Personen jetzt ein Bedürfnis haben, ist ein erster wichtiger Schritt, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen: Wir nehmen keine böse Absicht an, kein Machtspiel, kein Ärgern.

Kompromisse finden

In einer Familie können unterschiedliche Bedürfnisse unterschiedlicher Personen zusammentreffen und die Aufgabe der erwachsenen Bezugspersonen ist es, einen Weg durch das Wirrwarr der unterschiedlichen Bedürfnisse zu finden, der alle langfristig gleichmäßig berücksichtigt. Wir müssen also gute Kompromisse finden und können uns dazu fragen: Welches der Bedürfnisse ist am ehesten aufzuschieben? Gleichzeitig müssen wir aber auch bei einer Verschiebung im Blick behalten, dass wir das verschobene Bedürfnis dann auch wirklich erfüllen: Wenn wir sagen, dass wir beispielsweise gleich etwas zusammen spielen nach der Ruhe, dürfen wir nicht in die „Ja, ja, sofort“-Falle tappen. Und anders herum: Wir dürfen unsere eigenen Bedürfnisse als erwachsene Person nicht beständig aufschieben und vergessen, um unseren Kindern einen vermeintlichen Gefallen zu tun.

Was also können wir tun? Wir können also überlegen, ob eines der Bedürfnisse verschiebbar ist: In dieser Situation mit einem Kleinkind ist das Bedürfnis nach Nähe wahrscheinlich weniger aufschiebbar, aber auch unsere Erschöpfung braucht eine Antwort. Daher können wir nach weiteren Kompromissen suchen: Vielleicht können wir gemeinsam ruhen und ein Hörspiel hören, Musik hören, einer Traumreise für Kinder nachgehen, ein Buch ansehen. Vielleicht lässt sich das Kind auch darauf ein, schon einmal etwas zum Spielen aufzubauen, wenn wir selbst nur eine kurze Pause brauchen. Vielleicht gibt es ein Massagespiel, das gespielt werden kann: Die erwachsene Bezugsperson ist die Pizza und liegt bäuchlings auf dem Boden, das Kind knetet den Rücken, belegt ihn und reibt mit den Händen wärmend darüber. Solche Kompromisse können beide Seiten in den Blick nehmen. Vielleicht können wir auch zukünftig einplanen, dass wir vor dem Abholen des Kindes eine kleine Ruhepause für uns selbst einplanen: eine Viertelstunde auf der Parkbank sitzen und entspannen, bevor das Kind abgeholt wird.

Im Alltag mit Kind(ern) gibt es immer wieder Situationen, in denen verschiedene Bedürfnisse im Raum stehen und gegeneinander abgewogen werden wollen. Oft können wir durch Gespräche und/oder eigene Überlegungen Lösungen finden, die einen Mittelweg anbieten und damit gleichzeitig einen guten Weg für die Eltern-Kind-Beziehung.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Warum viele Kinder eine Begleitung beim Einschlafen UND Aufwachen brauchen

Die Einschlafbegleitung sind wohl die meisten Eltern aus dem ersten Babyjahr bereits gewohnt. Oft wird um den ersten Geburtstag herum überlegt: Wann hört das eigentlich auf? Braucht das Kind das überhaupt noch? Und gerade dann, wenn ein Kind bislang beispielsweise beim Stillen immer problemlos eingeschlafen ist und nun länger und aufwändiger begleitet werden muss, weil es nicht mehr beim Trinken einschläft, stellen sich manche Eltern die Frage, wie lange denn dieses neue Ritual anhalten muss und ob es nicht doch Alternativen gibt zu diesem oft zeitaufwändigem Begleiten. Gerade bei Kleinkindern wird dann aber nicht nur das Einschlafbegleiten, sondern auch das Aufwachen ein Thema: Nicht wenige Eltern kennen die Situation, dass das Kind am Morgen oder nach dem Mittagsschlaf übellaunig aufwacht, vielleicht auch weint, schreit oder wütend um sich schlägt.

Schlaf: eine besondere Situation für Kinder

Aber warum nur sind sowohl das Einschlafen als auch das Aufwachen für Kinder so ein Problem? Und Erwachsenen gelingt es doch oft auch, es sich gemütlich zu machen und die Augen zu schließen, um in den Schlaf hinüber zu gleiten und später in Ruhe aufzuwachen, sich umzublicken und in den Tag zu starten?

Beim Einschlafen können wir Erwachsene auf viel Wissen zurückgreifen: Wir wissen, dass unsere Wohnung sicher ist, haben vorher vorausschauend dafür gesorgt, dass unsere verschiedensten Bedürfnisse befriedigt sind (wir sind satt, waren auf Toilette, haben uns zur Gesunderhaltung die Zähne geputzt, die Wohnungstür abgeschlossen, vielleicht nochmal gelüftet für frische Luft, haben den nächsten Tag vorbereitet und den zurückliegenden gedanklich abgeschlossen). So können wir beruhigt von einem Bewusstseinszustand in einen anderen hinübergleiten. Wir Erwachsene wissen aber auch: Wenn uns noch etwas gedanklich beschäftigt, ist dieser Übergang in die Schlafphase nicht so problemlos möglich. Ohne Entspannung, kann auch für uns dieser Übergang schwierig werden.

Bei kleinen Kindern hingegen verhält sich die Situation noch etwas anders: Für sie ist der Schlaf eine Trennungssituation von den schutzgebenden Bezugspersonen, auf die sie noch angewiesen sind. Sie wissen nicht um die Sicherheit dieser Wohnung, dass wir über den Schlaf wachen, auch wenn sie träumen, dass ihnen nichts passieren kann. Bei größeren Kindern kann es sogar zu Ängsten vor Monstern und gefährlichen Tieren im Zimmer kommen, obwohl das in der Realität ausgeschlossen ist. Das Loslassen in diese Phase ist deswegen für Kleinkinder oft gar nicht so einfach. Immerhin: Sie haben das Schutzsystem des nächtlichen Aufwachens, mit dem sie nachts die Rahmenbedingungen der Sicherheit überprüfen.

Nach und nach lernen Kinder ihren Schlafort als sichere Basis kennen und vertrauen darauf. So können sie selbst wieder einschlafen, wenn sie einmal aufgewacht sind. Doch diese Entwicklung braucht Zeit und von Eltern die Unterstützung, den Schlafplatz als sicheren Ort zu erfahren – egal ob Familien- oder eigenes Kinderbett. Die Kinder lernen, dass immer eine Bindungsperson in der Nähe ist und dass sie nachts nichts befürchten müssen. Diese Sicherheit gilt es, ihnen in den ersten Jahren zu vermitteln.

aus: Susanne Mierau (2020): Geborgene Kindheit, S.55

Auch das Aufwachen kann herausfordernd sein

Beim Aufwachen verhält sich die Situation nun anders herum: Das Kind gelangt vom Schlaf in den Wachzustand. So, wie wir Erwachsene manchmal auch noch etwas brauchen, um nach einem aufreibenden Traum im Hier und Jetzt anzukommen, kann das auch bei den Kindern auf kindliche Weise vorkommen. Sie sind desorientiert, vielleicht greifen sie zunächst noch nach etwas, was sie Schlaf anfassen wollten, einige sind auch aus diesem Wechsel heraus wütend. Wie beim Einschlafen ist auch hier Sicherheit ein gutes Angebot, um die Situation zu begleiten: Manche Kinder mögen es, nach dem Aufwachen noch zu kuscheln und so langsam anzukommen. Wenn der Start in die Wachphase turbulenter ist, helfen manchmal Erklärungen: „Du hast gerade geschlafen und bist jetzt aufgewacht. Ich bin hier.“

Wichtigstes Hilfsmittel in beiden Situationen: Co-Regulation

Sowohl beim Einschlafen, als auch beim Aufwachen sind viele Kinder darauf angewiesen, dass eine nahe Bezugsperson sie unterstützt. Diese Unterstützung gibt ihnen Sicherheit und ein gutes Gefühl in der konkreten Situation, wodurch sie sich beruhigen können bzw. von der Bezugsperson eine Anleitung zur Beruhigung (unbewusst) vermittelt bekommen. Mit der Zeit lernen sie, wie sie sich selber beruhigen können und verinnerlichen auch das Gefühl von Sicherheit der Rahmenbedingungen. Einschlafroutinen können hilfreich sein, um das Gefühl der Sicherheit zu unterstützen. Manche Kinder haben auch für uns unangenehme Einschlafrituale entwickelt wie kratzen oder knibbeln, die wir verständnisvoll umlenken können.

Aus dieser Perspektive betrachtet ist auch klar, warum es Kindern schwer fällt, zur Ruhe zu kommen, wenn der begleitende Elternteil selbst unruhig ist oder unter Zeitdruck steht: Das Kind spürt die Unruhe, es wird unsicher und gleichzeitig fehlen Beruhigungsstrategien. So kann sich das Einschlafen hinauszögern.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Warum es sich (auch in späteren Jahren) lohnt, bei Babys „bei jedem Piep zu springen“

Aber wenn wir immer alle Gefühle begleiten und darauf eingehen, wird das Kind dann nicht unselbständig und fordert es dann nicht auch ständige Begleitung ein? Schwächen wir es nicht, wenn wir bei jedem „Piep“ aufspringen und da sind, Verständnis zeigen und mitfühlen?

Woher der Gedanke des Verwöhnens u.a. kommt

Noch immer tragen wir an der Last der frühen Form des Behaviorismus: Hier wurde jedes Verhalten auf Reiz und Reaktion zurückgeführt und innerpsychische Vorgänge wurden ausgeklammert. Das typische Bindungsverhalten des Babys wurde so interpretiert, dass es dazu dienen würde, die Bindungsperson in der Nähe zu behalten – was im Groben durchaus passend ist. Allerdings lässt sich davon nicht, wie es getan wurde, ableiten, dass dieses Eingehen dazu führen würde, dass die Kinder für immer auf das Eingehen angewiesen wären: John B. Watson, einer der Väter des Behaviorismus, erklärte 1928, dass zu viel Sorge die Entwicklung des Kindes verzögern und das Kind auf das Umsorgtwerden konditionieren würde.* Diese Theorie prägte, auch wenn sie unbewiesen blieb, die Erziehung der kommenden Jahre und hält auch heute noch Einzug in unser Denken.

Babys brauchen genau dieses Eingehen und Begleiten

Wenn das Baby auf die Welt kommt, versteht es nicht, was es fühlt und wahrnimmt in dem Sinne, wie wir Erwachsenen unsere Gefühle und Eindrücke einordnen können. Es spürt etwas, das vielleicht unangenehm ist und weiß nicht, dass es Hunger ist oder ein drückender Knopf des Bodys oder die Nässe der Windel. Es spürt ein unangenehmes Gefühl, das es nicht einordnen kann und drückt das Unbehagen aus durch Signale. Wenn wir als Bezugspersonen darauf reagieren, können wir dem Kind drei Dinge vermitteln:

Einerseits vermitteln wir, was die Ursache der Wahrnehmung ist und geben dem Kind so die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Wahrnehmung kennen und verstehen zu lernen. Gleichzeitig zeigen wir, indem wir reagieren, welche Problemlösungsstrategien es bei bestimmten Gefühlen und Wahrnehmungen gibt. Diese Strategien werden im „prozeduralem Gedächtnis“ des Kindes gespeichert, so dass es mehr und mehr lernt, was es selbst tun kann in bestimmten Situationen**. Und schließlich vermitteln wir dem Baby auch, dass es wichtig ist für uns und wir uns um das Kind kümmern – die Basis für ein Urvertrauen.

In der Kleinkindzeit kann dann etwas gewartet werden

Ist das Kind der Babyzeit entwachsen und hat ein grundlegendes Vertrauen und auch einige Selbstberuhigungsstrategien entwickelt, muss nicht immer prompt reagiert werden, sondern das Kind kann zunehmend lernen, dass bestimmte Bedürfnisse auch aufgeschoben werden können und auch bei einem Aufschieben noch sicher etwas später beantwortet werden. Aus der sicheren Beantwortung der Bedürfnisse im ersten Lebensjahr hat das Kind ein Vertrauen entwickelt, dass sich auf das Eingehen des Kindes auf die Bedürfnisverschiebung auswirkt: Hat das Kind gelernt, dass die Bedürfnisse bisher sicher erfüllt werden, ist es oft in späteren Zeiten kooperativer, weil es von dem Erfüllen prinzipiell ausgeht.

Im ersten Jahr legen wir den Grundstein

Es lohnt sich also, wenn wir gerade im ersten Jahr versuchen, auf die Bedürfnisse des Babys schnell und richtig einzugehen. Durchaus gibt es – gerade am Anfang – auch einige Abstimmungsprobleme und nicht immer verstehen Eltern gleich, was das Baby gerade braucht. Aber allein das Umsorgen und Dasein hat viele Vorteile, auch wenn Eltern nicht gleich (oder mal auch überhaupt nicht) die Ursache finden: Es zeigt dem Kind, dass wir da sind und versuchen, zu helfen. Und dieses Umsorgen bildet den Grundstein für ein Vertrauen, von dem Kinder und Eltern in den späteren Jahren noch profitieren. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn wir aufspringen, Nähe geben und umsorgen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Literatur:
* Bischof-Köhler (2011): Soziale Entwicklung in Kindheit und Jugend: Bindung, Empathie, Theory of Mind – Stuttgart: Kohlhammer, S. 93
** Hoffmann, K./Cooper, G./Powell, B. (2019): Aufwachsen in Geborgenheit. Freiburg: Arbor, S.136

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Duschen, Haare waschen, Hände seifen – Körperpflege mit Kleinkindern entspannt gestalten

Manche Kinder baden und duschen von Anfang an gerne, andere brauchen schon in der Babyzeit ganz bestimmte Rahmenbedingungen wie eine enge Begrenzung durch ein Mulltuch, in dem sie gebadet werden, und wieder andere Kinder genießen zunächst die Pflege mit Lappen und Wasser und entwickeln später in der Kleinkindzeit auf einmal eine starke Abneigung. Auf einmal heißt es „Nein!“ und „Stopp!“ oder „Selbermachen!“. Viele Eltern fragen sich, wie sie mit dem Unwillen bzw. Selbstbestimmungsdrang des Kindes umgehen sollen: Schließlich ist es einerseits unsere Aufgabe als Eltern, für die Pflege des Kindes zu sorgen und die körperliche Gesundheit sicherzustellen, andererseits ist bekannt, dass es wichtig ist, gerade auch in Körperthemen keine Gewalt in physischer oder psychischer Form anzuwenden, damit das Kind sich gut entwickelt und ein gutes Körperbild ausbilden kann.

Wenn wir Kindern die Körperpflege näher bringen wollen, gelten ähnliche Rahmenbedingungen wir beim Zähneputzen: die körperliche Integrität des Kindes ist wichtig und wir sollten als Bezugspersonen darauf achten, dass wir eine Atmosphäre schaffen und Strukturen, die das Kind dazu einladen, mitzumachen oder selbst aktiv zu werden.

1. Der Zeitpunkt

Es gibt Aspekte der Körperpflege, die sich schwer zeitlich beeinflussen lassen wie beispielsweise das Händewaschen vor dem Essen, nach der Toilette oder bei stark verschmutzten Händen, bevor etwas anderes damit gemacht wird. Um hier Motivation zu schaffen, können die anderen Punkte betrachtet werden, beispielsweise Rituale und Materialien. Es gibt aber auch Körperpflegemomente, die durchaus zeitlich verschiebbar sind: Ist das Kind abends müde, macht es wenig Sinn, sich auf einen Streit um das Haarewaschen einzulassen. Wenn wir wissen, dass am Ende des Tages die Kooperationsbereitschaft aufgebraucht ist, macht es Sinn, solche Aktivitäten generell auf den Nachmittag oder auf den nächsten Tag am Morgen zu verschieben.

2. Die Sensitivität des Kindes achten

Wir alle können verschiedene Dinge ganz unterschiedlich wahrnehmen, beispielsweise Temperaturen oder wie es sich anfühlt, mit einem Lappen abgerubbelt zu werden. Wir können unterschiedlich empfindsam sein in Bezug auf Gerüche. All diese Möglichkeiten sollten wir beachten, wenn es um unsere Kinder geht. Es ist deswegen gut, sprachlich miteinander in Kontakt zu sein „Fühlt sich das gut an für dich?“, „Ist das eine angenehme Temperatur?“ und das Kind beispielsweise die Pflegeprodukte mit auswählen zu lassen.

3. Selber machen!

Kleinkinder wollen oft (nicht immer) viel selber machen, gerade auch in Bezug auf ihren Körper. Hierfür können wir ihnen die Möglichkeiten geben, beispielsweise wenn wir ihnen ermöglichen, selber an das Waschbecken zu kommen oder ihnen eine kleine Schüssel, Lappen, Seife und einen Spiegel auf ihrer Höhe hinstellen. Gerade auch für körperlich empfindsame Kinder kann es hilfreich sein, wenn sie sich selber waschen oder die Haare bürsten können.

Manchmal aber ist es beim Reinigen wie auch beim Anziehen (oder anderen Dingen) auch so, dass sie gerade nichts selber tun wollen oder angeben, es nicht zu können. Auch das ist in Ordnung, wenn sie gerade das Gefühl brauchen, umsorgt zu werden und Nähe über diese Pflege einfordern. Dann ist an einem anderen Tag wieder Zeit für mehr Selbständigkeit.

4. Rituale

Wenn Kinder keine große Freude an der Körperpflege haben, können manchmal kleine Rituale hilfreich sein, um ihnen mehr Freude dabei zu bringen, beispielsweise ein Lied oder ein Gedicht, das dazu oder danach gesungen/aufgesagt wird oder ein Ritual wie das Goldtröpfchen: nach dem Händewaschen gibt es einen kleinen Tropfen duftendes Öl in die Hand zum Verteilen.

Gerade für Pflegetätigkeiten, die aus mehreren Teilen bestehen, kann auch eine Übersicht für Kinder hilfreich sein: Ein kleines Poster, auf dem alle Einzelschritte abgebildet sind: Zähne putzen, Hände waschen, … Wer mag, kann das auch laminieren und mit einem Folienmarker an die Wand hängen, damit die einzelnen Schritte abgehakt werden können.

5. Erklären, warum es wichtig ist

Manche unserer Regeln sind für Kinder nicht verständlich. Beispielsweise die Notwendigkeit des Händewaschens erschließt sich unseren Kindern im Kleinkindalter nicht unbedingt: Die Hände sehen doch eigentlich ganz sauber aus, warum sollen sie denn gewaschen werden? Hier können wir mit Bilderbüchern über Bakterien und Viren aufklären oder für ältere Kinder auch ein kleines Experiment anbieten: Wenn das Händewaschen nicht verstanden wird, streu Glitzer drauf! Wenn wir ein wenig Glitzer (dieser steht für Viren/Bakterien) auf die Hand nehmen und einmal darauf pusten, wie wir es beim Niesen oder Husten machen, verteilt sich der Glitzer in der Umgebung. Wenn das Kind nun irgendwo anfasst, wo der Glitzer herumliegt, klebt er auch an den Händen des Kindes und kann dann mit Wasser und Seife abgewaschen werden.

6. Und wenn es mal gar nicht geht?

Manchmal geht es einfach nicht – oder nicht, ohne dass die Eltern übergriffig sein müssten. An dieser Stelle können wir uns fragen: Ist das jetzt wirklich wichtig? Oft ist die Antwort wahrscheinlich: Nein. Ja, Pflegeroutinen sind insgesamt wichtig und als Eltern müssen wir ein Auge auf die Hygiene des Kindes haben und dem Kind Routinen zur Pflege beibringen. Aber bevor wir Gewalt anwenden, sollten wir dann doch auf das Haarebürsten, das Duschen am Abend oder die gewaschenen Füße verzichten. Wir können erklären, dass wir heute mal eine Ausnahme machen, weil das Kind zu müde ist/der Tag zu anstrengend war/wir das Kind verstehen und einen Termin vereinbaren, wann wir die Pflege nachholen.

Die körperliche Integrität des Kindes zu wahren, ist wichtig, denn Übergriffe und Gewalt können sich auf das weitere Leben auswirken: auf das Selbstbild, den Selbstwert, die Selbstwahrnehmung und darauf, wie das Kind mit anderen Gewalterfahrungen umgeht. Als Bindungspersonen ist es unsere Aufgabe, für Kinder eine sichere Basis zu sein, ein sicherer Hafen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass wir sie schützen, respektieren und sie uns jederzeit vertrauen können. Körperliche Übergriffe können dieses Empfinden stören. Das geborgene Gefühl und diese Sicherheit sind wichtiger, als vielleicht einmal mit schmutzigen Füßen oder strähnigen Haaren ins Bett zu gehen. Und für das nächste Mal überlegen wir uns, wie es leichter klappt.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Hilfe, mein Kind bleibt nicht beim Essen sitzen!

Das Essen steht auf dem Tisch, es gibt etwas, was das Kind eigentlich mag. Und dennoch: Das Kind bliebt einfach nicht sitzen. Vielleicht isst es ein paar Happen, vielleicht beginnt es auch, auf dem Teller das Essen hin und her zu schieben. Vielleicht beginnt es auch, im Stuhl zu zappeln oder steht auch selber auf und läuft umher. Was nun? Müssen wir streng sein, damit das Kind lernt, dass alle bis zum Ende am Tisch sitzen bleiben? Tischmanieren sind schließlich wichtig, oder nicht?

Wie Kinder Tischmanieren lernen

Kinder lernen vor allem durch unser Vorbild. Das betrifft viele Alltagssituationen, und auch all das, was wir unter „Manieren“ oder „Benehmen“ zusammenfassen. Bitte, Danke und die Bitte um Entschuldigung lernen sie von uns und durch unser Beispiel. Ebenso wie sie Begrüßungen durch uns lernen und die passende Ansprache von anderen Menschen. Auch beim Essen gilt daher, dass die engen Bezugspersonen Vorbilder sind für das Verhalten: Wenn wir mit Besteck essen, möchte das Kind auch mit der Zeit die unterschiedlichen Esswerkzeuge ausprobieren – das ist neben der Frage nach dem Vorbild aber auch eine nach der Feinmotorik des Kindes: Sie entwickelt sich erst im Laufe der Kleinkindzeit und Kinder greifen in den ersten Jahren gerne noch mit den Händen zu, erfühlen und betasten das Essen und führen es mit den Fingern zum Mund. Hier brauchen wir Verständnis für die Entwicklung. Wenn wir uns den Mund mit einer Serviette abwischen, wird das Kind dies auch übernehmen. Wenn wir einen Tischspruch einführen vor dem Essen (wenn wir das als Ritual in unserer Familie wünschen), wird das Kind mit der Zeit lernen, erst danach mit dem Essen zu beginnen.

Die kindliche Entwicklung berücksichtigen

Bei dem Beispiel mit dem Tischspruch sehen wir bereits: Routinen müssen mit der kindlichen Entwicklung zusammenpassen. Je jünger Kinder sind, desto weniger können sie Bedürfnisse aufschieben. Ein kleines Kind, das großen Hunger hat, wird wahrscheinlich das Bedürfnis nach der Speise noch nicht aufschieben können und die Finger nach dem Essen ausstrecken – auch wenn es eigentlich weiß, dass das Essen erst danach beginnt. Wenn wir es verweigern, kann es sein, dass es nun wütend wird, weil es die Impulse noch nicht ausreichend kontrollieren kann. Wir geraten in einen Streit, sind vielleicht wütend über die Wut, der eigentlich daran lag, dass das Kind sein Bedürfnis noch nicht aufschieben kann.

Dieses Beispiel erscheint uns Erwachsenen noch sehr verständlich. Wenn das Kind aber vom Tisch aufsteht, ist das für Eltern manchmal schwerer zu verstehen, warum genau das Kind dies nun tut und nicht einfach sitzen bleibt. Aber auch hinter dem Aufstehen kann ein Bedürfnis stehen: Vielleicht ist es wirklich satt oder aktuell noch nicht besonders hungrig gewesen. Es ist okay, den Teller stehen zu lassen und anzubieten, dass das Essen später aufgegessen werden kann, wenn das Kind noch Hunger hat. Vielleicht hat es auch das Bedürfnis, sich noch ein wenig zu bewegen oder nach einem ganzen Tag, an dem es nicht zu Hause war, jetzt selbst zu entscheiden und mit einem bestimmten Spielzeug zu spielen. Vielleicht kommt es dann, wenn es sich ein wenig bewegt oder zu Ende gespielt hat, wenn es hungrig ist zurück an den Tisch. Vielleicht ist das Zappeln aber auch ein Zeichen dafür, dass es etwas Nähe braucht und es möchte lieber auf dem Schoß einer Bezugsperson weiteressen.

Es gibt viele Gründe dafür, dass das Kind gerade jetzt nicht sitzen bleiben möchte. Bei einem Kleinkind ist der Grund aber auf jeden Fall weder ein schlechtes Benehmen noch ein Machtspiel. Und weil das Kind jetzt noch nicht lange Zeit am Tisch stillsitzen kann, bedeutet das nicht, dass es das nie lernen wird. Neben der Reifung spielt dabei auch das individuelle Temperament eine Rolle: manche Kinder sind ruhiger und sitzen schon in jüngeren Jahren länger und ruhiger am Tisch, andere sind zappeliger und brauchen etwas mehr Bewegung.

Kein Zwang, keine Ablenkung

Wir sollten unsere Kinder nicht gegen ihren Willen am Tisch halten – das führt in der Regel nur zu oben erwähnten Wutsituationen, weil sich das Kleinkind nicht gesehen und verstanden fühlt. Wir sollten auch nicht versuchen, das Kind durch die Nutzung von Medien vom eigentlichen Bedürfnis abzulenken und am Tisch zu halten, indem wir es füttern, während es ein Video sieht. Essen ist eine soziale Situation und sollte bewusst und sinnlich erfolgen – mit den Sinnen beim Essen und nicht abgelenkt durch andere Medien. Hilfreicher ist es, dem kindlichen Bedürfnis nachzugeben und das Essen zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder – wenn das Kind eben satt ist – selbst in Ruhe zu Ende zu essen, während das Kind spielen kann. Nach und nach werden die Zeiten am Tisch länger, wenn wir eine insgesamt angenehme Tischatmosphäre schaffen und das Kind erfährt, dass das Zusammenkommen beim Essen mehr als nur Nahrungsaufnahme ist, sondern auch Familienritual, Zeit zum Austausch und insgesamt eine respektvolle, genussvolle Zeit.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Mit Kindern über die Flutkatastrophe reden

Die Flutkatastrophen der letzten Woche haben viele Menschen direkt betroffen und auch jene, die nicht direkt betroffen sind, haben vielleicht Familie und Freunde, die betroffen sind. Ältere Kinder haben vielleicht aus den Medien davon erfahren, jüngere Kinder die Eltern darüber sprechen hören. Es ist ein Thema, das uns alle angeht und das wir auf die ein oder andere Weise verarbeiten müssen. Kinder und Jugendliche gehen allerdings mit Katastrophen anders um als Erwachsene und brauchen eine besondere Unterstützung, auch um Langzeitfolgen zu vermeiden.

Es ist schwer, als Eltern mit Kindern über Probleme, Krisen und Katastrophen zu sprechen: Wir wollen sie nicht verängstigen, zugleich aber auch nicht die Realität vollkommen von ihnen fernhalten. Wenn wir direkt betroffen sind, wünschen wir uns, gerade ihre Not abzumildern und ihnen zu helfen – auch wenn es schwer ist, weil wir selbst gerade emotional nicht stabil sind.

Mit Kindern über Katastrophen und Krisen sprechen

Auch wenn wir nicht direkt betroffen sind, ist es für größere Kinder sinnvoll, über die Ereignisse zu sprechen, über die sie vielleicht aus den Medien oder dem Bekanntenkreis erfahren. Damit diese Informationen gleich richtig eingeordnet und aufgearbeitet werden können, ist es sinnvoll, als Eltern die ersten Ansprechpartner*innen dafür zu sein. Informationen sollten aufklären, aber nicht verängstigen. Fehlen Eltern die Worte hierfür, können geeignete Medien für Kinder hinzugezogen werden, beispielsweise ein Beitrag der Sendung mit der Maus hier oder für größere Kinder ein aktueller Beitrag von ZDF logo! über Überschwemmungen. Mit größeren Kindern im Grundschulalter und darüber hinaus kann es auch sinnvoll sein, die Geschehnisse weiter einzubetten und mit ihnen über Ursachen und Möglichkeiten zu sprechen, um einem starken Gefühl der Klimaangst entgegenzuwirken, das durch aktuelle Meldungen aufkommen/verstärkt werden kann.

Wenn wir direkt betroffen sind – So unterstützen wir unsere Kinder

Wir können das Erlebte nicht ungeschehen machen, aber unsere Kinder auffangen und ihnen helfen, Erlebnisse zu verarbeiten und einzuordnen. Hierfür kann es notwendig sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Auswirkungen des Erlebens einer Notsituation können sich auch langfristig zeigen, beispielsweise in Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Aggressivität oder Zurückgezogenheit – sollten diese oder andere Veränderungen auftreten ist es gut, auch wenn bereits Zeit vergangen ist, eine Fachperson hinzu zu ziehen.

Jenseits einer solchen Hilfe können wir den Kindern als Ansprechpartner*in zur Verfügung stehen, damit sie ihr Erleben mitteilen können. Der Impuls des Erzählens geht dabei vom Kind aus und wir sollten als geduldige Zuhörer*in zur Verfügung stehen. Auch können wir das Erzählte des Kindes einordnen in einen Gesamtverlauf, der dem Kind vermittelt, dass es nun wieder in Sicherheit ist nach der beängstigenden Situation. Manche Kinder drücken die Erlebnisse auch gestalterisch aus im Spiel oder in Bildern – auch hier können wir aufmerksam sein und den Ausdruck begleiten und einordnen. Es gut, wenn wir die Situation/das Erlebte weder herunterspielen, noch Ängste verstärken durch die eigene Angst/Sorge. Als Eltern können und sollten wir auch über unsere Empfindungen sprechen und sie nicht verbergen, aber dabei darauf achten, dass hierdurch nicht noch mehr Angst und Unsicherheit entsteht. Gerade jetzt ist es wichtig, dass das Kind sich der Sicherheit der Bindungsbeziehung sicher sein kann und spürt, dass trotz aller Änderungen im Umfeld die nahen Bezugspersonen ein Anker im Durcheinander sind.

Soweit möglich, ist es für Kinder deswegen auch hilfreich, möglichst viel Sicherheit gebende Struktur anzubieten durch Nähe, Rituale und einen weitgehend geregelten Tagesablauf. Die Grundbedürfnisse des Kindes sollten erfüllt werden. Dies mag in Notsituationen schwierig sein, gerade wenn das gewohnte häusliche Umfeld fehlt, aber es ist hilfreich, im Rahmen der Möglichkeiten darauf zu achten, möglichst viel Struktur und Sicherheit zu vermitteln. Auch hier sollte dann, wenn dies nicht möglich ist, weitere Hilfe in Anspruch genommen werden. Es ist durchaus möglich, dass Eltern sich gerade in einer so schwierigen Situation befinden, dass es ihnen schwerfällt, das Kind selbst emotional aufzufangen. Hier braucht es dann Unterstützung durch Freunde, Familie oder andere qualifizierte (Fach-)Personen.

Gerade in Notsituationen erleben wir uns oft als hilflos und ausgeliefert – so geht es auch unseren Kindern. Wichtig ist daher, ihnen das Gefühl von Selbstwirksamkeit soweit möglich zurückzugeben: sie in Aufgaben altersangemessen einzubinden, ihnen Handlungsspielraum zu geben und das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können und aktiv zu sein. Auch im Spiel können sie diese Selbstwirksamkeit erfahren und Eigenständigkeit ausleben. Durch das Gefühl der Selbstwirksamkeit kann ihre psychische Widerstandsfähigkeiten (Resilienz) gestärkt werden.

Eine Zusammenfassung der psychischen Ersten Hilfe für Kinder im Hochwassergebiet findet sich in dem „SEEBAER“ Konzept von Prof. Dr. Harald Karutz

Es gibt mittlerweile verschiedene Spendenaufrufe. Auf Nachfrage hat der Caritasverband für die Stadt Bonn e.V., der Gelder sammelt für die schwer betroffene Region Ahrtal, diese Spendenmöglichkeit benannt für finanzielle Hilfen für die schwer betroffene Region.

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Familien brauchen keine speziellen Bindungs-Angebote: Bindung findet im Alltag statt

Für viele Eltern ist das Thema der sicheren Bindung ein Leitstern, aber auch oft ein Ursprung von Sorgen. Sie fragen sich, wie genau sie eine sichere Bindung herstellen können und ob ihre Bemühungen im Alltag dafür ausreichen oder sie nicht mehr „besondere“ Situationen schaffen sollten, die dem Kind ein Gefühl von Verbundenheit geben können. In einer konsum- und leistungsorientierten Gesellschaft stellt sich schnell die Frage: Reicht es denn eigentlich wirklich, „nur“ da zu sein und Alltag zu leben, damit mein Kind mit mir glücklich ist und sich sicher fühlt?

Wofür ist Bindung überhaupt da?

Das Bindungssystem ist in erster Linie ein Schutzsystem für Kinder: Es sorgt dafür, dass ihre Bedürfnisse von einer oder mehreren festen Bezugspersonen sicher erfüllt werden – gerade dann, wenn es selbst noch nicht dazu fähig ist. Durch das Wahrnehmen, interpretieren und beantworten von kindlichen Signalen sorgen die Bezugspersonen dafür, dass das Kind genau dies erfährt: Ich werde gesehen, ich bin sicher und umsorgt. Durch dieses Verhalten bildet sich ein Vertrauen in die Bezugsperson(en) aus und es entsteht nach und nach über die ersten Jahre eine bestimmte Qualität der Beziehung. Je öfter und voraussagbarer wir passend reagieren, desto sicherer fühlt sich das Kind.

Fehler sind völlig normal

Natürlich gibt es dabei immer wieder auch mal Situationen, in denen Eltern mit der Interpretation daneben liegen oder es gerade jetzt und gerade hier nicht ganz so gut geht mit der Bedürfniserfüllung: Wenn jetzt gerade nicht gestillt/gefüttert werden kann/will an der Schlange in der Supermarktkasse oder wenn es gerade heute Zeitdruck gibt und man nicht ewig lang die Ameisen auf ihrem Weg beobachten kann. – All diese Situationen dürfen auch sein und führen dennoch nicht dazu, dass das Kind eine schlechte Bindungsbeziehung aufbaut. Auch Eltern müssen erst einmal verstehen, welche Signale das Kind gibt und was es damit aussagen möchte. Auch ändern sich die Signale im Laufe der Zeit und Eltern müssen sich neu ausrichten und sich immer wieder neu auf die fortschreitende Entwicklung des Kindes und damit neuen Signalen und Bedürfnissen anpassen. Es ist ein Wechselspiel, in dem es manchmal auch kleine Anpassungsstörungen gibt. Das ist okay. Es geht vielmehr darum, dass Eltern in der Mehrzahl der Situationen passend und sicher reagieren, dass das Kind quasi eine sichere Grundmelodie der Beziehung verinnerlichen kann.

Es braucht keine Extra-Bindungsmomente

Natürlich können wir in unserem Alltag wunderbare Rituale einbinden, in denen wir gemeinsam mit dem Kind ruhen oder spielen und dabei eine besondere Nähe genießen. Vielleicht erschaffen wir damit wunderbare Erinnerungen. Aber wir müssen den Alltag nicht mit besonderen Momenten, Erlebnissen, Situationen anfüllen, damit das Kind sich sicher und behütet bei uns fühlt. Es sind tatsächlich die vielen Momente des Alltags, die Geborgenheit und Verbindung herstellen: Dass das Kind weiß, dass es getröstet wird, wenn es traurig oder ängstlich ist. Dass es weiß, dass es Essen oder Trinken sicher bekommt nach Bedarf. Dass es auch in Wut erfährt, dass es geliebt wird. Dass es überhaupt als Mensch, so wie dieses Kind eben ist, angenommen wird und sich nicht beständig verbiegen und anpassen muss, weil es sonst nicht oder weniger geliebt wird. All dies sind die Situationen und Momente, die wirklich relevant sind. Es sind – wie so oft – die kleinen Momente des Alltags, die den besonderen Zauber, die Vertrautheit und Verbindung ausmachen.

Und genau das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, wenn wir das Gefühl haben, dass unser Alltag zu langweilig sei oder wir denken, wir müssten viel mehr anbieten, tun, sein. Es geht um Beständigkeit, Echtheit, Aufmerksamkeit.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Über die Scham, etwas falsch gemacht zu haben als Elternteil

Wir kennen ihn wohl alle, den Gedanken: „Das wollte ich nicht!“ oder „Oje, ich mache es immer wieder falsch!“ oder sogar „Ich bin einfach eine schlechte Mutter/ein schlechter Vater!“. Was es ist, das dieses Gefühl auslöst, kann ganz unterschiedlich sein: Während es bei einem Elternteil entsteht, weil es wirklich zu viel schreit, kann ein anderes Elternteil dieses Gefühl haben, weil das Kind sich das Knie schlimm aufgeschlagen hat, während man selbst gerade abgelenkt war. Jetzt, in diesem Artikel, soll es nicht um eine Bewertung dessen gehen, welche Situation dieses Gefühl konkret auslöst, sondern um unseren Umgang mit der Scham über Fehlerhaftigkeit im Familienalltag.

Fehler gehören in gewissem Grad dazu

Ja, wir machen Fehler. Wir alle. Jeden Tag und manchmal mehrmals am Tag. Wie schwer sie wiegen, ist ganz unterschiedlich. Und wie oft wir sie machen, ebenfalls. Dies hängt auch mit anderen äußeren Umständen zusammen: Haben wir gerade generell viel Stress, sind deswegen weniger feinfühlig und das Kind bringt mit seinem (vielleicht ganz normalem kindlichen Verhalten) das Stressfass zum Überlaufen?

Wir brauchen dringend eine größere Fehlertoleranz und eine Fehleroffenheit, von der aus es möglich wird, neu zu starten. Denn wir alle machen Fehler, jeden Tag. Viele davon verlaufen sich ohnehin im sonst liebevollen Alltag, andere können wir aufrichtig entschuldigen, und bei den dritten brauchen wir Hilfe – aber ohne Abwertung.

S. Mierau „Frei und unverbogen“ S.175

Ein gewisses Maß an Fehlern tolerieren unsere Kinder in ihrer Entwicklung. Nicht mit allen Fehlern schaden wir langfristig der Bindungsbeziehung. Es ist aber wichtig, dass wir über die Zeit hinweg und in der Mehrheit der Situationen unseren Kindern zeigen, dass sie sich auf uns verlassen können, dass wir sie schützen, dass wir sie lieben und respektieren.

Natürlich gibt es Dinge, die wir unbedingt vermeiden sollten: psychische und physische Gewalt. Wenn wir merken, dass uns dies schwer fällt, brauchen wir Unterstützung von professioneller Seite.

Die Scham-Falle

Scham allerdings kann uns schnell in einem Kreislauf gefangen halten, der die Veränderung behindert: Wir denken nur daran, dass wir gerade und immer wieder schlechte Eltern sind und dieses Denken behindert uns daran, uns den Ursachen zuzuwenden. Wir sind gefangen in der Scham. Nicht selten ist sie es auch, die uns daran behindert, uns Hilfe zu holen: im kleinen bei Freunde und Familie oder auch im großen bei Beratungsstellen. Denn wir denken „Andere bekommen das ja auch hin!“ oder „Dann denken/wissen auch die anderen, dass ich ein schlechtes Elternteil bin!“

Der Weg heraus aus der Schamfalle führt darüber, dass wir wirklich verinnerlichen, dass Elternschaft eben auch bedeutet, dass wir selbst noch lernen: Wir lernen dieses Kind kennen, das da so neu zu uns gekommen ist mit einem eigenen Temperament und Bedürfnissen, die manchmal mit unseren eigenen Bedürfnissen in Konflikt stehen. Wir lernen, uns als Eltern in dieser Gesellschaft zu bewegen und ecken hier und da an, müssen uns erst einmal unseren Weg suchen. Manchmal haben wir nicht sofort eine Antwort auf Fragen des Elternseins – auch das ist okay.

Hilfreich ist es auch, wenn wir einen Kreis von Menschen um uns haben, dem wir uns wirklich öffnen können. In dem wir gegenseitig von unseren Fehlern und Problemen berichten können. Mit der Toleranz gegenüber Fehlern können wir zudem selber gegenüber anderen anfangen: In unseren Köpfen, wenn wir das nächste Mal denken, dass diese Eltern auf dem Spielplatz ja scheinbar alles falsch machen und uns selbst innerlich korrigieren damit, dass dies, was wir gerade sehen, ein kleiner Ausschnitt ist aus einem anderen Leben. Oder auch im Internet, wenn wir kurz überlegen, einer fremden Person zu schreiben, dass das ja wohl völlig daneben ist, können wir kurz innehalten, nachdenken und einen Angriff in eine Unterstützung oder wirklich wohlgesonnene Frage umwandeln.

Steigen wir aus aus der Scham-Falle und überwinden wir sie auch gemeinsam durch eine neue Fehlertoleranz uns selbst und anderen gegenüber.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Fallenlassen nach der Anstrengung

Immer dann, wenn Luise vom Kindergarten abgeholt wird, ist von einer Minute auf die andere nichts mehr möglich: Sie sieht ihren Vater in der Garderobe stehen und erklärt, dass er sie nun anziehen und raustragen soll. Aber morgens, da schafft sie es doch auch mit dem Anziehen, fragt er sich.

Immer dann, wenn Finn abends von seiner Großmutter abgeholt wird, gibt es Streit: Auf einmal benimmt er sich „wie ein kleines Baby“, obwohl er doch den ganzen Tag „so ein großer Junge war“. Auf einmal verabschiedet er sich nicht anständig und macht nicht mehr mit.

Immer nach dem Abendessen ist es schwer, Mia noch dazu zu bringen, sich die Zähne putzen zu lassen und sich bettfertig zu machen. Eben noch saß sie am Tisch, hat ihr Brot geschmiert, den kalten Tee getrunken und die Tomate klein geschnitten, danach hat sie keine Lust mehr auf nichts.

Viele Dinge des Alltags sind für unsere Kinder anstrengend. Anstrengend meint, dass sie Kraft aufwenden, um sie zu meistern. Sie werden herausgefordert durch sie: Sei es der Vormittag im Kindergarten, wenn sie sich an Regeln anpassen müssen oder der Besuch bei einer Verwandten, wenn erwartet wird, dass das Kind „groß ist“ oder das ordentliche Essen am Tisch. Für Kinder sind all diese Aufgaben noch recht neu, erfordern Geschick im Umgang mit anderen und/oder Geschick der Fein- oder Grobmotorik. Soziales Miteinander erfordert Kooperationsfähigkeit und manchmal auch das Aufschieben eigener Bedürfnisse. Kinder lernen all diese Dinge, aber sie müssen sich dabei anstrengen: Nicht selten gehen sie in ihrem Tun und Lernen bis an die eigenen Grenzen.

Und dann sind sie erschöpft von dem, was sie geleistete haben. Nach der Anspannung, nach der Anstrengung kommt die Entspannung. Mit dem Fallenlassen der Anpassung, Anstrengung und Anspannung brauchen sie es, aufgefangen zu werden. Sie lassen sich fallen in den sicheren Hafen. Jeden Tag bewegen sie sich zwischen dem eigenständigen Lernen und Tun und der Rückkehr zu uns, um irgendwann wieder aufbrechen zu können. Wenn wir sie dann auffangen, geben wir ihnen damit Geborgenheit und Verständnis.

Eigentlich kennen wir selbst als Erwachsene auch das Gefühl, wie wunderbar es ist, sich nach einem anstrengenden Tag oder einer besonderen Herausforderung bei der Arbeit an einen Menschen, der uns nahe ist, anzulehnen. wie gut es tut, sich nach einem schwierigen Tag einfach in das Sofa fallen zu lassen und nichts mehr zu tun. Und während wir erwachsen sind und unsere Gefühle und Bedürfnisse schon viel besser regulieren können, sind unsere Kinder Kinder. Erwarten wir also nicht zu viel von ihnen. Überfordern wir sie nicht mit Erwartungen und seien wir nachsichtig mit ihnen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

„Mama/Papa, ich kann nicht mehr laufen!“

Noch eben ist das Kind munter auf dem Spielplatz umher gehüpft, aber als es darum geht, nach Hause zu gehen, kann es auf einmal nicht mehr laufen. Oder auf dem Weg von der Kita nach Hause zeigt sich auf einmal, dass nun wirklich kein Schritt mehr geht, obwohl doch am Tag zuvor ein viel längerer Spaziergang stattgefunden hat und offenbar auch allein bewältigt werden konnte? Ist es ein Machtspiel? Müssen wir Kinder überreden, zu laufen, damit sie ihre Muskeln stärken?

Es gibt einen Unterschied zwischen Toben und Laufen

Auch wenn Kleinkinder jeden Tag viel in Bewegung sind und wir Erwachsenen manches Mal überrascht sind von ihrer schier endlosen Energie, ist diese nicht unbegrenzt und vor allem nicht in allen Situationen gleichermaßen verfügbar. Denn für Kinder gibt es einen Unterschied darin, ob sie selbstgesteuert einer Bewegung oder Tätigkeit nachgehen, oder ob sie ihre Bewegung/Tätigkeit auf die Anforderungen einer anderen Person abstimmen müssen. Sich an den Wünschen einer anderen Person und/oder den Erfordernissen in einer Gesellschaft zu orientieren, ist für Kleinkinder herausfordernd. Wenn wir ihnen erklären, dass wir gemeinsam nach Hause gehen nach der Kita oder dem Spielplatz, müssen sie sich kognitiv darauf einstellen: sie müssen auf die Regeln des Straßenverkehrs achten, auf andere Passant*innen, sie dürfen nicht zu weit vorrennen oder zu weit zurück bleiben. All dies ist wesentlich anstrengender als das selbstgesteuerte Umherrennen auf dem Spielplatz oder das entspannte Laufen auf einem Spaziergang im Wald nach eigenem Tempo und ohne Regeln.

Das „Abhärten“ als Erziehungsmittel ist tief in uns verankert und begegnet uns immer wieder. Kinder sollen abgehärtet werden, damit sie mit den Herausforderungen des Lebens später besser zurechtkommen. Sie sollen körperlich abgehärtet werden, um den Herausforderungen der Umwelt zu trotzen. Wie wir aber aus der Resilienzforschung wissen, hilft in Bezug auf den Umgang mit belastenden Lebensumständen nicht, wenn Kinder schon früh Schwierigkeiten allein meistern müssen und schutzlos Problemen ausgeliefert werden.

Susanne Mierau „Frei und unverbogen“ S. 151

Es ist kein Machtspiel

Wenn unsere Kinder uns also sagen, dass sie wirklich nicht mehr laufen können, dann sollten wir diese Mitteilung nicht als Machtspiel betrachten. Sie wollen uns nicht ärgern oder austricksen. Wir sollten auch nicht in Versuchung geraten, sie dann gerade besonders zu fordern, um sie abzuhärten. Was sie brauchen, ist Verständnis für ihre Situation. Auch wenn sie es selbst noch nicht so formulieren können, sind sie erschöpft und/oder überfordert von den Anforderungen der Fortbewegung. Es ist deswegen sinnvoll, auf ihr Bedürfnis einzugehen. Manchmal kann es helfen, ein Spiel aus dem Weg zu machen: Lass uns bis zur nächsten Einfahrt hüpfen/schleichen/schlendern. Manchmal kann es auch helfen, in besonderer Weise in Verbindung zu gehen: „Wenn du magst, fass mich an und ich schicke dir Energie über meine Hand!“. Und manchmal hilft es einfach nur, sie eben auf den Arm zu nehmen, in eine Toddler-Trage oder in den Buggy – und ja, das können wir auch mit drei, vier oder fünfjährigen Kindern noch tun, wenn das gerade benötigt wird.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de