Ich will Ruhe, Du willst Spiel

Ein langer Arbeitstag liegt hinter uns, das Kind ist vom Kindergarten abgeholt und hatte ebenfalls einen vollen Tag mit Erfahrungen, sozialem Austausch, Regeln. Eigentlich wollen wir als erwachsene Person uns jetzt kurz ausruhen: Endlich mal die Beine hochlegen nach dem langen Tag, Gedanken abschalten, einfach ausruhen. Vielleicht sind wir erschöpft, vielleicht sogar etwas kränklich. Aber da ist das Kind an unserer Seite, das nun mit uns spielen will. Schnell kann eine solche Situation zu einem Streit führen zwischen „Ich will spielen!“ – „Ich will Ruhe!“

Bedürfnisse verstehen

Dass wir nach einem Arbeitstag Ruhe und Entspannung als Erwachsene brauchen, ist verständlich. Es ist wichtig, dass wir dieses Bedürfnis wahrnehmen und darauf reagieren, für uns selbst und unser Wohlergehen und auch die Beziehung zum Kind: Nur wenn es uns selbst gut geht, unsere Bedürfnisse berücksichtigt werden, können wir langfristig auch gut mit den Bedürfnissen des Kindes umgehen.

Auf der anderen Seite steht das Kind mit einem Bedürfnis. Denn ja: Der Wunsch nach gemeinsamen Spiel ist wahrscheinlich nicht nur ein Zeitvertreib, es möchte uns damit auch nicht ärgern oder nur die Langeweile besiegen. Nach der Zeit der Trennung ist es gut möglich, dass das Kind gerade jetzt das Bedürfnis nach Nähe hat, die Verbindung zur Bezugsperson herstellen will.

Dieser Blick darauf, dass beide Personen jetzt ein Bedürfnis haben, ist ein erster wichtiger Schritt, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen: Wir nehmen keine böse Absicht an, kein Machtspiel, kein Ärgern.

Kompromisse finden

In einer Familie können unterschiedliche Bedürfnisse unterschiedlicher Personen zusammentreffen und die Aufgabe der erwachsenen Bezugspersonen ist es, einen Weg durch das Wirrwarr der unterschiedlichen Bedürfnisse zu finden, der alle langfristig gleichmäßig berücksichtigt. Wir müssen also gute Kompromisse finden und können uns dazu fragen: Welches der Bedürfnisse ist am ehesten aufzuschieben? Gleichzeitig müssen wir aber auch bei einer Verschiebung im Blick behalten, dass wir das verschobene Bedürfnis dann auch wirklich erfüllen: Wenn wir sagen, dass wir beispielsweise gleich etwas zusammen spielen nach der Ruhe, dürfen wir nicht in die „Ja, ja, sofort“-Falle tappen. Und anders herum: Wir dürfen unsere eigenen Bedürfnisse als erwachsene Person nicht beständig aufschieben und vergessen, um unseren Kindern einen vermeintlichen Gefallen zu tun.

Was also können wir tun? Wir können also überlegen, ob eines der Bedürfnisse verschiebbar ist: In dieser Situation mit einem Kleinkind ist das Bedürfnis nach Nähe wahrscheinlich weniger aufschiebbar, aber auch unsere Erschöpfung braucht eine Antwort. Daher können wir nach weiteren Kompromissen suchen: Vielleicht können wir gemeinsam ruhen und ein Hörspiel hören, Musik hören, einer Traumreise für Kinder nachgehen, ein Buch ansehen. Vielleicht lässt sich das Kind auch darauf ein, schon einmal etwas zum Spielen aufzubauen, wenn wir selbst nur eine kurze Pause brauchen. Vielleicht gibt es ein Massagespiel, das gespielt werden kann: Die erwachsene Bezugsperson ist die Pizza und liegt bäuchlings auf dem Boden, das Kind knetet den Rücken, belegt ihn und reibt mit den Händen wärmend darüber. Solche Kompromisse können beide Seiten in den Blick nehmen. Vielleicht können wir auch zukünftig einplanen, dass wir vor dem Abholen des Kindes eine kleine Ruhepause für uns selbst einplanen: eine Viertelstunde auf der Parkbank sitzen und entspannen, bevor das Kind abgeholt wird.

Im Alltag mit Kind(ern) gibt es immer wieder Situationen, in denen verschiedene Bedürfnisse im Raum stehen und gegeneinander abgewogen werden wollen. Oft können wir durch Gespräche und/oder eigene Überlegungen Lösungen finden, die einen Mittelweg anbieten und damit gleichzeitig einen guten Weg für die Eltern-Kind-Beziehung.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

2 Kommentare

  1. Oh, ich kenne es zu gut…nach der Arbeit schnell in die Kita gehetzt, denn die Betruungsstunden sind in unserem Bundesland nur auf Arbeitszeit + Arbeitsweg ausgelegt.
    Feierabend, das Bedürfnis, einfach mal hinsetzen und einen Kaffee trinken… Es war ein Prozess, aber es gelingt uns, dass anschließend jeder etwas Ruhe hat. Unser Ritual ist es, dass wir uns, sobald wir heim kommen, an den Tisch setzen. Die Kinder haben dann am Nachmittag eh immer erstmal Hunger, ich mache mir meinen Kaffee. Dann kann ich für eine halbe Stunde auf mein Zimmer, die Jungs bauen etwas im Kinderzimmer, oder malen, hören CD o.ä. Im Anschluss erledigen wir noch ein paar Hausarbeiten, bereiten das Abendbrot vor…
    Die Pause tut uns allen gut. Und wenn ich mal etwas mehr Ruhe brauche, erkläre ich es meinen Kindern und bedanke mich im Anschluss. Ich bin froh, dass es meistens so gut klappt.

  2. Ohja, „Pizza“ spielen wir auch oft in solchen Situationen! Und ein Picknick auf dem Sofa ist auch meist gut, um etwas gemeinsam zu machen, aber gleichzeitig ein bisschen kuscheln, einen Kaffee trinken und etwas auftanken zu können.

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