Monat: Februar 2017

Jede*r hat Wohlbefinden verdient

Ich sitze morgens in der Straßenbahn mit den Kindern. Es ist recht leer, ein paar Sitze weiter sitzt eine Frau, etwa in meinem Alter. Sie hält ihr Handy vor sich, mit der anderen Hand trägt sie zuerst an den Haltestellen Mascara auf, dann einen Lippenstift. Die zwei Frauen im Viererabteil neben uns stecken die Köpfe zusammen, eine sagt: “Die hat es aber nötig.” und nickt in ihre Richtung. Als die geschminkte Frau aussteigt, geht sie an uns vorbei. Aus ihrer Jackentasche schaut eine Bäckereitüte, in ihrer offenen Handtasche sehe ich einen braunen Puppenhaarschopf. Sie ist Mutter, denke ich mir. – Und ja, vielleicht hat sie es nötig, weil es ihr einfach gut tut. Warum eigentlich auch nicht? Weiterlesen

Was wir von unseren Babys über das Essen lernen können

Manchmal denken wir, dass wir unseren Kindern alles beibringen müssen, obwohl sie voller Kompetenzen in das Leben kommen. Sie entwickeln sich nach ihrem eigenen Tempo innerhalb eines recht festgelegten Ablaufplans und eine Kompetenz baut auf der nächsten auf. Genau so ist es auch beim Essen: Sie beginnen dann zu essen und Interesse an Nahrung zu zeigen, wenn sie so weit sind und körperlich dazu in der Lage sind. Unsere Aufgabe ist es, ihre Signale wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Wie in vielen anderen Bereichen müssen sie nicht von uns “essen lernen”, sondern wir begleiten sie auf ihrem eigenen Weg. Wenn wir sie bei der Erkundung des Essens beobachten, sehen wir sogar, dass sie sich äußert sorgsam mit dem Essen verhalten. Anstatt zu denken, dass wir unseren Kindern etwas über das Essen beibringen sollten, können wir uns vielleicht eher ein paar Aspekte von ihnen absehen.

Essverhalten im Laufe des Lebens

Stefanie Stahl schreibt in ihrem Buch “Das Kind in Dir muss Heimat finden” (2015): „Wird das Kind in seinem Lustbedürfnis und damit gleichsam in seinem Autonomiebedürfnis zu stark reglementiert, so kann dies dazu führen, dass der Erwachsene […] – angepasst an den elterlichen Erziehungsstil – genussfeindliche Normen und zwanghaftes Verhalten entwickelt. Oder – in Abgrenzung zu den Eltern – undiszipliniert und maßlos seinem Lustempfinden nachgibt.“ Wie wir mit der Ernährung unseres Kindes umgehen, ist also für die weitere Entwicklung des Kindes sehr wichtig. Auch die KIGGS Studie des Robert Koch Instituts zeigte, dass ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren Hinweise auf ein gestörtes Essverhalten zeigen, Mädchen fast doppelt so häufig wie Jungen. Mahlzeiten und der Umgang damit sind mehr als “nur” Nahrungsaufnahme.

 

Babys bringen von sich aus Kompetenzen mit

Lustbedürfnis und Autonomiebedürfnis müssen bei der Ernährung mit berücksichtigt werden. Unsere Babys zeigen uns von sich aus noch sehr gut, wie der Umgang mit gesundem Essen funktioniert. Wir als Eltern geben dabei einen gewissen Rahmen vor mit der Auswahl an Nahrungsmitteln, die wir ihnen anbieten. Aus dieser gesunden (!) Auswahl können sie sich frei bedienen und zeigen uns dabei wichtige Aspekte der Ernährung:

  • Babys essen dann, wenn sie Hunger haben
    Unsere Kinder zeigen sehr direkt, wenn sie Hunger haben, schon als Neugeborene: Sie wenden den Kopf, um nach der Brust zu suchen, sie nuckeln an ihren kleinen Fäusten, sie beginnen zu schreien, wenn wir ihre leiseren Hungersignale nicht beantworten. Auch bei der Beikost merken wir dies: Ihr Rhythmus der Mahlzeiten ist noch anders als unserer und nur weil für uns gerade Mittagessenszeit ist, muss das für sie noch nicht stimmen. Es ist gut, die Signale zu beachten und einfach später noch einmal etwas anzubieten.
  • Babys hören auf zu essen, wenn sie gesättigt sind
    Stillkinder hören mit der Stillmahlzeit auf, wenn sie satt sind. Manchmal nuckeln sie noch ein wenig, aber sie haben ein eigenes Gefühl der Sättigung. Auch wenn sie mit der Beikost beginnen, zeigen sie uns eindeutig, ob sie Hunger haben oder satt sind und wenden sich ab, wenn sie nicht mehr möchten. Sie bringen die Kompetenz mit, selbst zu entscheiden und das ist eine sehr wichtige Eigenschaft, die wir berücksichtigen sollten.
  • Babys nehmen Nahrung mit allen Sinnen wahr
    Wenn die Beikost eingeführt wird, möchten sie die Nahrung mit allen Sinnen begreifen: Sie riechen daran, sie befühlen sie mit Händen und Mund und nehmen wahr, wie sie sich verhält: weich,matschig, hart, flüssig – wie muss ich es anfassen, um es zum Mund zu befördern? Der Ansatz des Baby-Led Weaning ist hierfür besonders praktisch.
    Gerade dies ist ein Aspekt, der uns oft beim Essen verloren geht: Das genussvolle Wahrnehmen, genau nachschmecken, wonach eine Speise schmeckt und wie sie sich anfühlt.
  • Babys probieren aus
    Anfangs probieren Babys gerne noch unterschiedliche Sachen vorurteilsfrei aus. Alles wird zum Mund geführt und damit ertastet und es wird probiert, ob es essbar ist oder nicht. Später führen sie Essen gerne auch zum Mund der Bezugsperson wie eine Frage:  “Beißt Du ab und zeigst, dass es genießbar ist?” Auch hier sind wir Vorbilder.
    Neophobien, die Angst vor dem Neuen, entwickeln sich erst ab der Zeit, wenn die Kinder weiter entfernt  von uns sind, um den 18. Monat, sagt Dr. Herbert Renz-Polster. Wenn wir ihnen geduldig immer wieder (8-10 Mal) eine Speise anbieten, probieren sie es doch irgendwann. Wie ist das bei uns Erwachsenen? Wann probieren wir etwas Neues aus?
  • Babys essen langsam
    Während wir manchmal schnell zwischen den Terminen einen Bissen einschieben, nehmen sich Babys und Kleinkinder noch Zeit: Sie fühlen, wenden Stücke in der Hand hin und her, probieren, kauen und zerkleinern mit der Zunge. Sie brauchen Zeit und nehmen sie sich für ihr Essen.
  • Babys reicht Wasser als Getränk
    Babys und Kleinkindern reicht Wasser als Getränk zum Essen vollkommen aus. Sie brauchen keine Fruchtsäfte, keine (gesüßten) Tees, keine (Kinder)milch. Sie sind zufrieden mit einem kleinen Glas Wasser und später einem kleinen Krug, mit dem sie sich selbst nachschenken können.

Unsere Babys und Kinder sind toll. Sie bringen alle wichtigen Kompetenzen zur Ernährung schon selbst mit. Wir Eltern sollten ihnen ihre achtsame Ernährungsform nicht abtrainieren. Und an vielen Stellen können wir uns sogar etwas von ihnen abschauen.

Eure

 

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Gute Getränke unterwegs – mit großer Affenzahn-Verlosung

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Wer kennt es nicht, wenn man gerade unterwegs ist:  “Mama/Papa, ich habe Durst!”. Unterwegs Getränke zu kaufen, ist auf Dauer mit drei Kindern zu kostenintensiv und Trinkpäckchen produzieren viel Müll. Auch die Auswahl ist unterwegs manchmal etwas schwierig – wenn überhaupt sofort ein Laden in der Nähe ist. Wir haben uns deswegen angewöhnt, unsere Getränke mitzunehmen. “Wir” bedeutet dabei, nicht ich trage die Getränke für alle, sondern jedes Kind hat sein eigenes Getränk dabei in eigenem Rucksack. Weiterlesen

Bienenwachswickel gegen Husten selber machen

Dieses Jahr haben wir wieder einen langen und kalten Winter und die Erkältungen kommen und gehen. Leichte Erkältungen*, bei denen die Kinder eher Ruhe, Zuwendung und sanfte Unterstützung brauchen, können gut mit Tees, Ölen, Massagen und Wickeln begleitet werden. Bei diesen Anwendungen sind besonders auch “Zuwendung” und “Liebe” mit dabei: Wir gießen einen Tee auf, lassen ihn abgedeckt ziehen und reden in der Zwischenzeit oder schauen ein Buch an. Bei Massagen gibt es wohltuenden Köperkontakt wie auch beim Anlegen von Wickeln und Einreibungen.

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Was ich als Mutter alles bin

An manchen Tagen bin ich weich wie ein Kissen, fange auf und lasse in mich fallen. Ein Taschentuch ist mein Begleiter, wenn ich Tränen weg wische und kleine Wunden mit bunten Pflastern beklebe. Warm und weich scheine ich tausend Arme zu haben für all die vielen Aufgaben und Herausforderungen. An mir hängen Taschen und Rucksäcke und Beutelchen mit Schätzen. An jeder Hand ein anderer Mensch auf unterschiedlicher Höhe. Ich streichle über Köpfe, zupfe zurecht, ich lasse los und fasse wieder an. Meine Hände suchen Kleidungsstücke heraus, wechseln Windeln, waschen kleine Köpfe, kochen Essen, legen Pullover zusammen. Sie spielen Schattentheater und Mensch-Ärgere-Dich-nicht.

Manchmal bin ich wild und abenteuerlustig, gehe auf Expedition und durchquere abenteuerliche Räume. Ich übersteige spitze, rechteckige Plastikgebilde barfuß, kämpfe mich durch Kleiderberge und fasse waghalsig in Taschen ohne zu wissen, welchen organischen Ursprung ich darin finden werde. Ich gehe zu wütenden Wesen, renne lautem Geschrei hinterher und pirsche mich vorsichtig an Gefahrensituationen heran. Ich bin ein Blitzableiter für Gewitter, fange Stürme auf und wandel sie in andere Energie um.

An anderen Tagen bin ich still und gebe Raum. Ich bin wie ein Gefäß, das mit Worten und Erlebnissen gefüllt wird. Ich höre zu und habe tausend Ohren für jede Geschichte, jedes Lachen, jedes Weinen. Ich nehme auf und nehme anderen etwas ab. Manchmal werde ich davon leichter, manchmal schwerer. Manchmal brauche ich später andere, die die Geschichten in mir aufnehmen und ich gebe sie weiter.

An einigen Tagen bin ich lustig und kann hüpfen wie ein Flummi, mich anmalen und lustige Frisuren machen lassen. Ich kann kichern und prusten und lachen und kitzeln und gekitzelt werden. Ich kann Picknick in der Stube auf dem Fußboden machen und Cocktails mit Kribbelwasser und Schirmchen aufstellen.

Anderntags bin ich einfach nur bei mir. Manchmal bin ich auch nicht weich oder wild oder still oder munter oder lustig oder traurig für andere. Manchmal bin ich auch einfach nur für mich und für das, was mir gut tut. Damit ich später auch wieder für andere da sein kann.

Und Du?
Deine

Das ist aber die schönste Zeit…

Am Wochenende hatten wir Besuch von einer Freundin mit ihren Kindern. Eines ist so groß wie  meine Tochter, eines ist zwischen meinem Baby und meinem Mittelkind. Ihr kleines Kind tollte durch die Wohnung, sprach erste kurze Sätze und war einfach ganz bezaubernd. Ich lachte und sagte zu ihr: “Das ist so ein schönes Alter!” Und dann schaute ich auf meine Kinder und dachte: Ist es das nicht immer? Weiterlesen

Aus dem Bücherregal im Januar 2017

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Zu Weihnachten haben sich viele neue Bücher in unserem Kinderbücherregal eingefunden und andere haben ihre Reise in andere Kinderzimmer angetreten. Denn die Regel ist: Für neue Bücher verlassen uns alte. Einige kommen in eine Kiste und werden dort aufbewahrt für das nächst kleinere Geschwisterkind. Viele andere geben wir aber weiter an Freunde, Kindergarten, Schule, wenn sie lange nicht gelesen wurden. Heute zeige ich Euch die Bücher, die neu zu uns gekommen sind. Weiterlesen

Ausweglos – Wenn Eltern schimpfen und Kinder nicht weg können

Als Erwachsene habe ich einen großen Vorteil in schwierigen Situationen: Ich kann gehen. Wenn mich ein Ereignis emotional zu sehr belastet, wenn ein Mensch meine Grenzen übertritt, dann gehe ich. Wenn ich merke, dass ein Mensch mir über längere Zeit nicht gut tut und keine Besserung in Sicht ist, verlasse ich ihn. Nicht ohne Worte und Versuche, aber wenn sie nicht fruchten, gehe ich. Ich sorge für mich, indem ich für mich schlechte Situationen umgehe, schlechte Menschen aus meinem Leben fern halte. Wenn ich einen Text im Internet lese, der mir nicht gefällt, dann schließe ich das Fenster.

Ich habe Glück, denn ich bin erwachsen und ich kann all dies tun. Ich kann bestimmen, wann meine Grenzen überschritten sind und ich mich vor anderen schütze. Selbst bei den mir sehr nahe stehenden Personen kann ich gehen, wenn ich mich unwohl fühle.

Unsere Kinder können das nicht. Sie können nicht die Tür hinter sich schließen und sagen: “Jetzt reicht es aber, ich gehe oder ziehe aus.” Sie können sich vor uns nur schwer zurück ziehen, wenn wir sie emotional verletzten, wenn wir schimpfen, wenn wir strafen. Sie sind auf uns angewiesen: auf unseren Schutz, unsere Fürsorge. Der einzige Ort, an den sie sich wirklich zurück ziehen können, ist in sich selbst. Sie haben nicht die Möglichkeit zu sagen: “Du bist mir zu laut, ich will das nicht, ich gehe.” Sie sind da und dem ausgeliefert, bei uns zu bleiben. Selbst dann, wenn sie es gerade gar nicht wollen. Sie können sich nur schwer durch Rückzug selbst beschützen und für sich sorgen. Sie haben Angst und können sich nicht abwenden. Welche Kritik es auch sein mag, sie beziehen sie auf sich und ihr Selbst.

In vielen Situationen verstehen sie wahrscheinlich nicht einmal, warum wir reagieren, wie wir reagieren. Denn oft sind es ja nicht einzelne Taten der Kinder, die uns aus der Haut fahren lassen, sondern es ist ein kleiner Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, weil wir selbst es vorher nicht geleert haben. Manchmal sind es auch Erfahrungen und Gefühle, die schon lange in uns wohnen, die wir aus der eigenen Kindheit mit uns tragen und die nun erst durch das Verhalten der Kinder hervorgespült werden und ihre Antwort in einem Verhalten finden, wie wir es selbst erlebt haben.

Wenn sie noch sehr klein sind, wissen sie nicht einmal, wie sie sich schützen könnten. Sie sind auf uns angewiesen, sie brauchen uns – noch sehr lange. Dies sollten wir immer bedenken, wenn wir merken, dass unsere Gefühle uns überrennen. Es ist gut, wenn wir uns selber bremsen können oder uns bewusst vornehmen, mit unseren Kindern nicht zu schimpfen. Es ist wichtig, Strategien zu lernen, mit der eigenen Wut umzugehen. Und vor allem ist es wichtig, Stress im Alltag zu minimieren, damit unser Stresslevel nicht so hoch ist, dass Kinder der berühmte kleine Tropfen sind. Wir sind die Erwachsenen, wir können aus der Situation hinaus gehen. Unsere Kinder nicht. Sie müssen zuhören, sie müssen anhören und haben nur sich selbst als Rückzugsort. Sie beziehen all das auf sich, verinnerlichen es. Sie lernen, sich als Last oder falsch zu sehen, wenn sie immer Anlass des Ausbruchs des Ärgers sind – auch wenn sie eigentlich nicht der Grund sind für den Umfang des Gefühls, das sich in uns einen Weg bahnt. Es ist unsere Aufgabe, unser Verhalten in eine Bahn zu lenken, die unsere Kinder nicht überfordert. An manchen Tagen mag es vielleicht nicht klappen, aber es ist immer wieder wichtig, sich dies vor Augen zu führen, damit wir langfristig an uns, unserem Verständnis und unserer Beziehung arbeiten können.

Eure