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Kooperationsfähigkeit von Kindern in Pflegesituationen

Pflegesituationen mit Kindern sind nicht immer einfach. Dabei nehmen sie einen wesentlichen Teil der Alltagsroutinen ein: waschen, Zähne putzen, wickeln – all das sind Pflegesituationen, die wir mit unseren Kindern mehrmals am Tag erleben. Manchmal sind sie einfacher zu gestalten, manchmal ist es schwieriger. Schwierig wird es oft dann, wenn wir gegen den Willen des Kindes vorgehen wollen: Wenn wir jetzt sofort die Windel wechseln wollen oder wenn jetzt sofort die Zähne geputzt werden sollen – dabei hat das Kind gerade etwas ganz anderes vor.

In solchen Situationen treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander: Als Eltern sind wir entweder von Zeitdruck oder von Ängsten geleitet, die uns erklären, dass wir ausgerechnet jetzt sofort dieses oder jenes mit dem Kind machen müssten. Das Kind hingegen hat nicht selten gerade jetzt einen anderen Handlungsplan. Manchmal ist es kooperationsbereit und weicht von dem eigenen Handlungsplan ab, manchmal fällt die Kooperation aber auch schwerer.

3 wesentliche Aspekte zur Gestaltung von Pflegesituationen

Es ist gut, von Anfang an Pflegesituationen kooperativ zu gestalten – damit bilden wir eine Basis, auf der auch in späteren Jahren aufgebaut werden kann, denn im Kleinkindalter wird es oft noch schwerer, Kinder von Pflegesituationen zu überzeugen, die sie aktuell nicht durchführen wollen. Um einen gemeinschaftlichen Weg zu gehen, können wir dabei drei Aspekte in den Blick nehmen:

  • Aktuelle Bereitschaft des Kindes
  • Zeitpunkt der Pflegesituation
  • Mitwirkung des Kindes

Signale des Kindes: Wann ist das Kind bereit?

Eigentlich kennen wir es von uns selbst: Wenn wir müde sind, wollen wir gerne schlafen gehen und uns nicht noch einmal ins Bad schleppen, um unser Abendpflegeritual abzuspulen. Wir machen es letztlich (meistens) doch, weil wir ganz rational die Folgen absehen können. Unsere Kleinkinder können das noch nicht. Es fällt ihnen schwer, gegen ihre aktuellen Impulse vorzugehen.

Bei unseren Kindern können wir auf ihre Signale achten, ob sie gerade bereit sind für Pflegesituationen. Bei Babys können wir recht gut sehen, ob sie in einem aktiven Wachzustand sind, so dass sie offen sind für das Pflegeritual. Schauen sie neugierig, plappern vielleicht, bewegen sie Arme und Beine entspannt – dann könnte nun ein guter Zeitpunkt sein, um mit einem Zahnbürsten-Fingeraufsatz die ersten Zähen zu putzen, gemeinsam zu baden, die Windeln entspannt zu wechseln oder eine Bauchmassage zu machen. Ist das Baby hingegen müde, wendet sich ab, blickt in eine andere Richtung, ist nun gerad kein guter Zeitpunkt, denn es braucht Ruhe und ein weiterer Reiz führt sehr wahrscheinlich zu einer Überreizung und damit zum Weinen.

Beim größeren Kind können wir auch die Signale im Blick behalten: Ist es gerade ins Spiel vertieft und spielt hingebungsvoll, wird es für unser Argument, dass dringend die Windel gewechselt werden muss, schwer zugänglich sein. Hilfreich kann es dann sein, entweder selbst eine Pause im Spiel abzuwarten, oder dem Kind schon vorab zu sagen, dass die Windel gewechselt wird, wenn es die Tätigkeit beendet hat.

Der richtige Zeitpunkt im Tageslauf

Neben dem individuell passenden Zeitpunkt ist es auch wichtig, darauf zu achten, ob das Kind generell noch kooperationsfähig ist oder die Kooperationsfähigkeit bereits erschwert oder gar aufgebraucht ist. Hat das Kind einen anstrengenden Tag hinter sich und hat bereits an vielen Stellen kooperiert, sollten unsere Erwartungen nicht mehr zu hoch sein. Schließlich sind Kinder keine Erwachsenen und können nicht mal eben „die Zähne zusammenbeißen“. Auch gegen Abend ist die Kooperationsbereitschaft oft weniger ausgeprägt, wenn das Kind müde wird. Einem übermüdeten Kind die Zähne putzen zu wollen, ist anstrengend: Es möchte nicht mehr mitmachen. Hier lohnt es sich, die zeitliche Planung der Abläufe noch einmal in den Blick zu nehmen: Vielleicht kann das Kind schon im Schlafanzug am Abendessentisch sitzen, damit dieser weitere Ablaufschritt wegfällt und die Situation entzerrt werden kann.

Die Mitwirkung des Kindes

Wenn das Kind von sich aus nicht motiviert ist, eine Pflegesituation mitzumachen, kann die Mitwirkung dies noch einmal ändern: Unsere Kinder lernen beständig und wollen ihre Kompetenzen fortwährend ausbauen. Häufig ist dieses „selber machen“ ein Konfliktfeld in der Autonomiephase, denn unsere Kinder wollen die Handlungen des Alltags selber erledigen, wollen dadurch ihre Fertigkeiten verbessern, treffen aber auf uns Erwachsene, die dafür gerade keine Zeit oder Geduld haben und es als Erwachsene oft schneller und gründlicher erledigen können. Mitwirkung ist daher oft ein guter Baustein für Pflegesituationen: beim Wickeln kann das Kind mit einem Lappen sich selber abwischen, beim Zähneputzen selber nachputzen, beim Haarewaschen kann es das Shampoo in die Hand des waschenden Erwachsenen geben. In jeder Pflegesituation können Kinder eingebunden werden und selber aktiv werden, statt die Pflege passiv über sich ergehen lassen zu müssen. Schauen wir also genau hin, an welcher Stelle das wo möglich ist.

Wenn nichts davon hilft

Manchmal klappt auch einfach nichts davon: Das Kind ist einfach zu müde, der passende Zeitpunkt verpasst und es lässt sich einfach nicht mehr durch Teilhabe und selbst durch lustige Apps, ein ablenkendes Video oder anderes nicht mehr überreden, noch zu kooperieren oder zumindest der Pflege einfach zuzustimmen. An dieser Stelle können wir kurz innehalten und überlegen: Ist das jetzt wirklich wichtig? Müssen heute noch die Füße gewaschen werden, auch wenn das Kind dabei weinen würde? Müssen heute noch die Zähne geputzt werden oder können wir heute eine Ausnahme machen und es morgen früher und anders machen? Kinder mit Gewalt zu Pflegesituationen zu zwingen, ist nicht gut für sie, ihr Selbstbild und unsere Beziehung. Sie sollten nicht festgehalten werden, damit die Zähne geputzt werden und auch nicht unter Tränen gewaschen oder mit einem Unterarm auf dem Wickeltisch fixiert werden, damit ihre Windel gewechselt werden kann. Wenn wir in solche Situationen kommen, in denen wir ernsthaft über diese Grenzüberschreitungen nachdenken, ist der Zeitpunkt gekommen, kurz zurückzutreten und die Situation in Ruhe noch einmal von Außen anzusehen und Alternativen zu suchen. Setzen wir auf Kooperation und Kreativität.

Eure

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Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik)Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.  

Libellen aus Ahornsamen basteln

Ahornsamen sind Kindheitserinnerungen. Meine Kinder kleben sich die geöffneten, klebrigen Samen heute genauso auf die Nase wie ich damals als Kind. Aber sie sind nicht nur zum Aufkleben ein schönes Naturspielzeug, sondern können auch zu kleinen Ahornfeen verbastelt werden wie hier oder zu Libellen, wie sie in diesem Jahr unseren Jahreszeitentisch schmücken.

Für die Libellen braucht Ihr:

  • Ahornsamen
  • Wasserfarbe und Pinsel
  • etwas Draht
  • einen dünnen Stock
  • nach Möglichkeit: zwei kleine Holzperlen für die Augen

Die Ahornsamen können auch schon von kleinen Kindern mit Farbe und Pinsel angemalt werden, für die Befestigung am Stock braucht es allerdings etwas Fingerspitzengefühl: Der Draht verläuft über Kreuz über die Flügel, so dass diese sicher am Stock befestigt werden können. Zwei kleine Holzperlen können ebenfalls auf dem Draht aufgefedelt und dann als Augen festgebunden werden. Aufgehangen können die Libellen im Wind am Fenster fliegen oder auf dem Jahreszeitentisch sitzen.

Viel Spaß beim Basteln!
Eure

Elementare Erfahrungen der Kindheit

Tief wühlen sich die kleinen Hände in den Schlamm, holen ihn hervor und lassen ihn langsam durch die Finger herunter tropfen. Hose, Arme und Gesicht sind mit kleinen braunen Spritzern übersäht. Aber all das ist gerade jetzt nicht wichtig, das Kind erkundet die Beschaffenheit der Erde, gräbt immer wieder die Hände in den Matsch und holt sie hervor. An einem anderen Tag wollen die Schuhe nicht getragen werden, denn die Füße wollen das Gras spüren, den Sand und das Kind selbst etwas schimpfend über die spitzen Steine hüpfen. Lange kann Wasser von einem Gefäß ins nächste gefüllt werden – hin und her und wieder zurück. All das sind elementare Erlebnisse.

Aber mehr noch: Zu den elementaren Erlebnissen zählt nicht nur all das fühlen, riechen und/oder sehen, es zählt auch die Anteilnahme am Alltag, an den wirklichen Tätigkeiten des Alltags: am schneiden, kochen, sauber machen. Unsere Kinder wollen dieses Leben, ihre Umwelt, uns Menschen kennen und verstehen lernen. Und für dieses Verständnis und den daraus resultierenden Respekt und sorgsamen Umgang brauchen sie die Möglichkeit, elementare Erfahrungen zu machen.

Kinder wollen dabei sein!

Viele Eltern haben am Anfang des Elternseins die Vorstellung, sie würden den Kindern ein schönes Kinderzimmer gestalten, in dem die Kinder fortan gemütlich spielen würden mit all den wunderbaren Spielzeugen. Irgendwann stellen sie dann umso entzauberter fest: Das ist ja gar nicht so! Das Kind bleibt gar nicht im Kinderzimmer! Es kommt ja ständig zu mir und möchte mitmachen bei allem und dabei sein!

Kinder sind soziale Lebewesen, sie wollen mit anderen Menschen zusammen sein und dabei lernen. Sie wollen sich austauschen und vor allem wollen sie eins: Teil der Gesellschaft sein und einen Platz darin einnehmen. Sie freuen sich darüber, wenn sie beteiligt sind, wenn sie vielleicht sogar etwas tun können, dessen Wert sie erkennen: Die Gurke für den Salat schneiden, das Waschbecken sauber putzen,… Über all diese für uns so banalen Tätigkeiten freuen sich Kinder.

Nehmen wir ihnen nicht Teilhabe und Möglichkeiten

Ja, wir Erwachsene können Dinge schneller, geschickter, ordentlicher regeln als Kinder. Wir machen es in unseren Augen „besser“. Aber Kinder werden nicht gut in etwas, wenn sie dazu keine Chance haben. Sie müssen viele Male das Wasser daneben schütten bis sie gelernt haben, sich ein Glas ohne kleckern selbst einzugießen. Und so ist es bei vielen verschiedenen Dingen unseres Alltags. Kinder wollen mitmachen und sie haben daran sogar oft eine viel größere Freude als an den Spielsachen, die in ihrem Kinderzimmer liegen und direkt zum Spielen gedacht sind.

Wir sollten unseren Kindern nicht die Freude nehmen am Helfen, am Unterstützen, an der Teilhabe an unserem Alltag. Sie zu beteiligen bedeutet, sie hinein wachsen zu lassen und ihnen auch Aufgaben zu übertragen, die auch uns unterstützen. In späteren Jahren wünschen wir, dass Kinder einkaufen und den Müll runter bringen ohne Murren. Die Grundlagen dafür bilden wir schon im Kleinkindalter aus, wenn sie lernen, dass diese Aufgaben natürlicherweise in das Familiensystem gehören und alle Familienmitglieder nach ihren Möglichkeiten dabei mitwirken.

Wenn wir Kinder in ihren Unterstützungsangeboten ablehnen, bieten sie Kooperation zunehmend weniger an aufgrund dieser Zurückweisung. Dabei ist es eigentlich ein wunderbar soziales und unterstützendes Verhalten, das wir nicht mindern sollten. Sehen wir hin und überlegen wir, was unser Kind da wirklich gerade tut, wenn es mitmachen will. Gehen wir von dem positivsten Gedanken aus, der uns einfällt, anstatt negativ zu denken, dass das Kind nun wieder gleich Unsinn/Unordnung/Müll macht.

Kleine Kinder einbinden – So kann es beispielsweise gehen:

  • Geschirrspüler aus- und einräumen
  • Socken zusammensuchen aus der Wäsche
  • Obst und Gemüse mit Kindermesser schneiden
  • Wasser in einem kleinen Krug anbieten, damit das Kind selber eingießen kann
  • Brote selber schmieren lassen mit kleinem Buttermesser
  • Putzen, Staubsaugen, Wischen
  • Aufkehren mit Handfeger und Kehrblech

Auch Medien gehören heute zu elementaren Erfahrungsbereichen

Es gibt viele Möglichkeiten, damit Kinder beteiligt sein können. Auf diese Weise können sie die elementaren Erfahrungen unseres Leben machen, die grundlegenden Fertigkeiten erlernen. Sie brauchen sowohl die Möglichkeit, mit Materialien und allen Sinnen umzugehen, als auch die Möglichkeit, kooperieren zu dürfen und sich aktiv in unseren Alltag einzubringen. Dies betrifft nicht nur all die Dinge, die wir aus unserer eigenen Kindheit vielleicht noch kennen, sondern auch den Umgang mit Medien, denn auch diese gehören heute zum Alltag und der Umgang damit wird auch in der Zukunft eine Rolle spielen. Neben all dem Matschen, Basteln, Klettern und der Kooperation in unseren Alltagsaufgaben können wir unseren Kindern deswegen auch dort einen Erfahrungsraum geben, der genauso spielerisch, lustvoll und kreativ genutzt werden kann wie all die anderen Erfahrungsbereiche.

Eure

Unser Schlüssel zur Geborgenheit beim Auswandern

Von unseren ersten Jahren als Familie in Indien habe ich hier schon öfter erzählt. Seit ein paar Wochen sind wir dabei, uns wieder in Deutschland einzuleben. Nach so langer Zeit in einer so anderen Kultur ist uns auch Deutschland ein Stück fremd geworden. Für unsere Tochter ist Deutschland wirklich neu. Sie empfindet Indien als ihr Zuhause, mit ihren Freunden, der vertrauten Umgebung, dem Essen und allem anderen, was eine Kultur ausmacht. Für mich hingegen war Indien wirklich vollkommen fremd. Ich stand vor der Herausforderung: Wie kann man inmitten von all dem Neuen und Anderen Geborgenheit finden mit einem Baby oder Kleinkind? Geborgenheit, schreibt Susanne immer wieder, sieht für jede Familie anders aus. In diesem Artikel möchte ich ein paar unserer Schlüssel für Geborgenheit teilen.

Körperkontakt

Berührung und Kontakt helfen uns, uns als Familie zu spüren, auch wenn die äußeren Umstände sich verändern. In Zeiten von Übergang und Veränderung hilft uns Tragen, Umarmen, Kuscheln. Gerade auch, wenn wir auf Reisen waren, haben wir unsere Tochter oft getragen und waren wir so sicher, das Wichtigste nahe bei uns zu haben. So war unsere Tochter auch jederzeit geschützt. Auch wenn ich gerade überfordert, getriggert oder gestresst war von all dem Fremden, half es mir, in einer Umarmung zu sein, so dass sich mein Nervensystem wieder beruhigen und entspannen konnte. Und jetzt in diesen Wochen wird wieder viel getragen, denn wir Eltern sind im Moment das Einzige, was von der vorherigen vertrauten Welt für unsere Tochter noch geblieben ist. 

Verlangsamung

Ich habe in der Zeit in Indien unglaublich viel „verpasst“. Ich habe nicht einmal das Taj Mahal gesehen. Weil ich andere Prioritäten gesetzt habe. Es war mir sehr wichtig, einen stressarmen Familienalltag zu gestalten und Zeit zu haben. Dazu gehört für mich die Möglichkeit verlangsamen zu können, für einzelne Momente, aber auch für Stunden oder Tage oder Wochen. Die Verlangsamung ermöglicht mir, im Kontakt mit mir zu bleiben, mit meiner Tochter, mit meinem Mann. Oder diesen Kontakt wieder herzustellen. Manche Erfahrungen in Indien lösten eine solche Dichte an Empfindungen in mir aus, die ich sonst gar nicht hätte aufnehmen können. Die Verlangsamung ermöglicht mir, Gefühle und Empfindungen zu durchleben und dann auch wieder gehen zu lassen. So konnten wir diese ersten Jahre als Familie in ziemlich großer Langsamkeit gestalten. Das finde ich auch jetzt sehr wertvoll, wo in Deutschland wieder ein anderer Beat vorherrscht. Langsamkeit bedeutete, mehr vor Ort zu sein, weniger zu unternehmen. Dafür aber Zeit zu haben für Beziehung. 

Das Hüten der eigenen Kultur

Neben all dem Abenteuer eines Lebens in Indien war es wichtig, auch die Rituale und Gewohnheiten der eigenen Kultur für uns zu bewahren und Räume zu schaffen, wo sie weiter gelebt werden können. Neben dem Zuhause gehörten für uns dazu vertrautes Essen wie Brot oder auch das Feiern von Festen wie Weihnachten oder Ostern. Wunderschön ist, dass man dieses Würdigen des Eigenen mit den Menschen vor Ort teilen kann: Wir haben oft unsere Nachbarsfamilie eingeladen und konnten sehen, wie bereichernd es für die Kinder ist, zu erleben, dass es bei uns ganz anders zugeht. Dass man bei uns mit Besteck isst und alle gemeinsame am Tisch sitzen zum Beispiel, oder dass man an Ostern Eier anmalt und sucht. Ich brachte den Nachbarn selbstgebackenes Brot und Apfelkuchen und dafür bekamen wir Chapati und Parata. Das Bewahren und Teilen des Eigenen baut Brücken und verbindet. Diese Verbundenheit in aller Verschiedenheit ist etwas sehr Kostbares. Jede und jeder darf anders sein. Trotzdem sind wir zusammen und verbunden. 

All dies hilft uns jetzt übrigens auch beim Einleben in Deutschland. Nur dass es nun darum geht, auch etwas von dem Leben in Indien in unserem Herzen und Alltag zu bewahren. Gerade auch für unsere Tochter, für die Indien das erste Zuhause war.  

Anka Falk hat einen Magister in Rhetorik und Pädagogik und ist Körperpsychotherapeutin, Coach und Dozentin. Von 2007-2017 arbeitete sie in Lehre und Forschung an einem experimentellen Design Institut in der Schweiz. Sie ist im Alter von 37 Jahren mit ihrem Mann nach Indien gegangen. Ihr Kind hat sie in Deutschland geboren, ist dann aber zurück gegangen nach Indien und berichtet von ihrem Alltag dort. Zudem bloggt sie auf ljuno.de und gibt einen Einblick in ihr Alltagsleben in Indien hier auf Instagram 

Wir sind für dich da

Als Baby lagst du in unseren Armen, wurdest getragen. Wir sind zu dir gekommen bei jedem Schrei, bei jedem Weinen – und es waren viele. Kein Weinen musste allein durchlebt werden. Es wurde begleitet, manchmal über Stunden. In der Kleinkindzeit haben wir die Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert: Zusammen gelacht, zusammen die Wut durchgestanden. Wunden angepustet, Hände gehalten, Tränen getrocknet. Wir haben gemeinsam die Stunden durchgestanden, in denen der beste Freund „Du bist nicht mehr mein Freund“ war – und mitgefiebert bei aufregenden Geschichten. Wir haben zusammen Abschiede gemeistert und neue Wege beschritten. Nicht immer einfach, nicht immer ohne Anstrengungen und auch nicht immer ohne Elterntränen. Aber immer wieder mit Liebe.

So bist du größer geworden, jeden Tag. Du bist aus dem Familienbett ausgezogen, hast an anderen Orten übernachtet. An vielen Stellen bist du über dich selbst hinaus gewachsen, immer wieder. Und wir waren da. Manchmal an deiner Hand, manchmal an deiner Seite. Manchmal irgendwo im Hintergrund. Immer ein Ort, an den du zurück kommen kannst. Immer der Ort, an dem sicher alle Gefühle ihren Raum bekommen. An dem du sein kannst, wer du bist. Nicht, wer du sein solltest oder könntest. Manchmal ein lachendes Kind, manchmal weinend, manchmal zornig, manchmal still und dann wieder laut.

Du hast erfahren: Es gibt diesen einen Ort, an dem du angenommen wirst wie du bist. Dieser Ort ist kein Haus, kein Raum, es sind wir, deine Eltern. Mit jeder Geschichte, hast du gelernt, kannst du zu uns kommen. Mit jedem Kummer, mit jedem Unsinn. Wir haben gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht, haben – nicht selten – die Augenbrauen hochgezogen und tief durchgeatmet, bevor wie geantwortet haben. Wir haben als Eltern manchmal zusammen gesessen und uns aneinander gelehnt, um uns gegenseitig aufrecht zu halten. Und wir haben heimlich gelacht über die Streiche, bei denen wir eigentlich ernst sein sollten.

Dieser Ort des Vertrauens geht nicht verloren. Die Themen ändern sich, die Probleme bekommen so manches Mal eine gewisse Schwere. Die Sachen, die „angestellt werden“ sind bedeutender als der fehlende Keks aus dem Weihnachtsvorrat. Aber was auch immer es ist, sind wir erst einmal da. Hören zu, atmen, nicken. Wir sind der Ort, an dem die Geschichten des Lebens erzählt werden können. Der Ort des Vertrauens, an dem dies möglich ist.

Wenn ich Familien eines wünsche, dann ist es dies: Dass das Gefühl dafür, da zu sein, bestehen bleibt. Auch nach der Babyzeit, auch nach der Kleinkindzeit. Seid die sicheren Orte, zu denen getragen werden kann, was belastet – ohne Furcht vor Strafen. Seid die Menschen, mit denen Lösungen gesucht werden anstatt die zu sein, vor denen Probleme versteckt werden. Seid der Ort, der signalisiert: Ich bin für Dich da, egal was ist.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Erst drei Jahre alt – erwarten wir nicht zu viel von ihnen

An manchen Tagen fällt es mir schwer, mich in mein Kind hinein zu versetzen: Warum kann er denn jetzt nicht…? Warum macht er denn jetzt nicht…? Oder warum macht er denn ausgerechnet…? Schließlich erscheint mein Kind nun, mit mehr als 3 Jahren, schon so groß: Es kann sich sprachlich schon so gewandt ausdrücken, es kann laufen, klettern, balancieren. Es kann Knoten machen und Knöpfe schließen. Mit einem Messer schneidet es Gurke und schiebt sich einen kleinen Stuhl an den Schrank, um sich selbst eine Maisscheibe aus dem Regal zu holen. Aber wenn ein Geschwisterkind ein Spielzeug nicht hergeben mag, das Essen auf dem Teller scheinbar falsch ist oder der Pullover sich einfach nicht allein anziehen lässt, wird es so wütend, dass es laut schreit und für Worte nicht erreichbar ist.

Lass Dich von Fähigkeiten nicht verunsichern

Mit drei Jahren können unsere Kinder schon sehr viel. Sie haben viele Fertigkeiten gelernt, die sie im Alltag mit uns benötigen. Ihre Grobmotorik hat sich nach und nach ausgebaut und ebenso die Feinmotorik. Sie können schon ziemlich gut sprechen und manchmal sogar diskutieren. Aber all diese Fähigkeiten dürfen uns nicht darüber hinweg täuschen, dass sie eigentlich noch ziemlich klein sind: Nicht schon drei Jahre, sondern erst drei Jahre. Und mit drei Jahren sind zwar viele Fähigkeiten schon ausgebildet, aber unsere Kinder denken dennoch anders.

Auch wenn Kinder von Anfang an Teil der Gesellschaft sein wollen und kooperieren, sind ihre Fähigkeiten zur Kooperation noch begrenzt: Manchmal sind sie einfach ausgeschöpft nach einem langen Tag und das Kind kann einfach nicht noch mehr Kompromisse eingehen, sich noch ein weiteres Mal „zusammenreißen“ oder Bedürfnisse aufschieben. All das ist normal in diesem Alter.

Auch wenn unsere Kinder schon so tolle Dinge machen und sagen, denken sie dennoch im Alter von drei Jahren anders als wir und die Verarbeitung von Gefühlen im Gehirn verläuft noch ganz anders: Wir Erwachsenen ordnen unsere Gefühle ein, können abwägen und rational überlegen. Im Kleinkindalter ist dies noch nicht möglich, weil die zuständige Verarbeitsungsstelle, der Neocortex, noch nicht dazu in der Lage ist: Das Kind regaiert impulsiv, instinktiv, reflexhaft. Und dies ist aus Sicht des Kindes durchaus sinnvoll, weil es auch nicht besonders viele Situationen im Laufe des Lebens kennen gelernt hat und keinen Vorrat an vergleichbaren Situationen hat. Es reagiert so, wie es aus dieser Entwicklung heraus sinnvoll ist. Und durch unsere Begleitung lernt es nach und nach, anders zu handeln. – Das dauert allerdings einige Jahre .

Denk daran, was Dein Kind sonst so denkt und sagt

Mit drei Jahren sagen und tun sie so viel. Aber auf der anderen Seite ist die Welt auch noch voller Wunder und Möglichkeiten: Hasen, die sprechen können. Die Existenz von Feen, Kobolden, Weihnachtsmann und Osterhase wird noch nicht per se in Zweifel gezogen. Die Welt ist noch magisch, noch voller möglicher Wunder und nicht rein rational erklärbar. Die Dinge haben noch ihren unerklärlichen Zauber. Auch so sieht die Welt eines dreijährigen Kindes aus: Voller Geschichten, die möglich sein könnten. Unsichtbare Freunde und Spielgefährten. Denken wir auch an diese Gedanken und Erlebnisse mit einem dreijährigen Kind, bevor wir denken, es müsste doch endlich schon verstehen, dass…

Eure

Entspannungsideen für Erstklässler*innen

Für ein Kind, das in die Schule kommt, beginnt ein neuer Lebensabschnitt: War es im Kindergarten die/der „Große“, so ist es nun, nach den Ferien, die/der „Kleine“. Es hat einen neuen Tagesablauf, einen neuen (Schul-)Weg zu beschreiten, neue (Bezugs-)Personen, die es kennen lernen muss, neue Kinder, Klassenkameraden, um sich. Dort sind Kinder über mehrere Stunden einer hohen Lautstärke und vielen Sinneseindrücken ausgesetzt. Die Räumlichkeiten und das Gebäude sind ebenso neu wie die Regeln, die Kommunikation, überhaupt das ganze System Schule. Vielleicht kommen Kinder auch bewusst zum ersten Mal mit Vergleich und Bewertung in Kontakt. Eine ganz schöne Leistung, die die neuen Schulkinder da bewältigen, oder?

Rückzugsort Zuhause

Wenn wir uns vor Augen führen, was ein Schulkind bis mittags schon alles leistet, ist es nicht verwunderlich, dass Kinder zuhause erst einmal „in ein Loch fallen“ oder „aufdrehen“. Was viele Kinder jetzt brauchen, sind sicherere, vertrauter Personen und Orte. Die allerwenigsten Kinder rufen jetzt: „Bitte bring mich zum Klavierunterricht!“. Meist wünschen sich Kinder nun einfach „sein“ zu dürfen – und auch ein Stück in Ruhe gelassen zu werden bzw. haben das Bedürfnis nach gemeinsamer Spiel- oder auch Kuschelzeit mit den Eltern. Die Akkus wollen aufgeladen werden. Sie haben bereits schon viele Stunden kooperiert. Wichtig ist, dass nun die Kinder zu Wort kommen. „Was wünscht DU dir jetzt? Wollen wir gemeinsam ein Buch lesen/ malen/ etwas spielen?“ zeigt den Kindern, dass sie uns wichtig sind. 

Raus in die Natur – am besten Barfuß

In der Natur erden sich – nicht nur – Kinder. Das Grün der Pflanzen wirkt entspannend auf die Augen und auf den gesamten Organismus (Stichwort „Waldbaden“). Also raus in Wald und auf die Wiese, in den Stadtpark, in den Garten. Es tut Kindern gut, die Schuhe auszuziehen zu dürfen, barfuß zu laufen, Kontakt zum Boden aufnehmen. Die Füße bilden das Fundament für den ganzen Körper. Spielerisch können die Kinder barfuß ihre Füße trainieren: Auf den Fersen, auf den Ballen, auf den Außen- und dann Innenkanten versuchen zu gehen, Steine oder Eicheln mit den Zehen aufheben,… Anschließend in die „Berghaltung“ kommen: Gerade stehen, Augen schließen und bewusst zu den Füßen spüren. Wie fühlen sich die jetzt an?

Auch gärtnern, in der Erde wühlen, tut gut und baut Stress ab. Barfußpfade fördern die Wahrnehmung. In der Natur entwickeln sich meist von ganz alleine Spielideen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Hier kann ein Stock ein Zauberstab, eine Person, ein Schwert oder ähnliches sein. Die Kinder kommen wieder in den „Selbstwirksamkeitsmodus“. Hier legen sie Spielregeln fest.

In der Schule verbringen Kinder zudem in der Regel die meiste Zeit im sitzenden Zustand. Hier gilt es „auszugleichen“ den Kindern viel Bewegungsfreiheit zu bieten, denn Bewegung baut Stress ab. 

Ton aus

Oft lassen wir uns bewusst oder unbewusst „berieseln“: Das Radio läuft beim Kochen, Duschen oder beim Frühstück, die Kinder lassen beim Spielen den CD Player laufen, im Auto laufen die Nachrichten, im Zug per Kopfhörer Musik oder ein Hörspiel und abends läuft der Fernseher, während wir noch am PC arbeiten. Es kann gut tun, einmal bewusst darauf zu verzichten. Der Stille zu lauschen, die Geräusche wahr zu nehmen, die z. B. innerhalb des Autos oder der Wohnung ganz natürlich entstehen. Und welche außerhalb. „Was kannst du jetzt in dem Moment alles hören?“ Ist eine ganz simple Achtsamkeitsübung für Kinder, die überall gespielt werden kann. Oder man öffnet das Fenster und das Kind lauscht bewusst für 1-2 Minuten den Geräuschen. Hinterher kann man sich über das Erlebte austauschen. 

Ruhehaltung Shavasana

Bitte dein Kind sich in Rückenlage auf den Boden zu legen. Es kann sich auf eine Decke oder eine Yoga-/ Gymnastikmatte legen, damit es nicht so hart ist.  Die Beine sind gestreckt und entspannt, die Füße fallen locker auseinander. Die Arme liegen ausgestreckt neben dem Körper, die Handflächen zeigen nach oben.  Das Kind kann nun die Augen schließen, wenn es mag. Mag es nicht auf dem Rücken liegen, so kann es sich alternativ auf den Bauch drehen.

An kalten Tagen kann eine warme Wärmflasche (oder auch mehrere) bzw. Körnerkissen auf den Bauch (oder Rücken) gelegt werden. Eine Wohltat nach einem aufregendem Schultag. Wichtig ist zu fragen, ob es für das Kind angenehm ist und nicht zu heiß oder schwer. Andersrum geht es genau so gut: An heißen Tagen kann mit Kühlis gearbeitet werden, z. B. eins auf die Stirn, je eins auf jedes Handgelenk.  Liegt das Kind auf dem Rücken, so kann auch ein Augenkissen (ggf. sogar mit entspannendem Lavendelduft) auf die Augen gelegt werden. Dies kann die Entspannung vertiefen. Wer mag, kann sich auch Kopfhörer aufsetzen, um die Außengeräusche auszublenden.

Massagen

Viele Kinder lieben Massagen. Ihr könnt gemeinsam ein Körbchen mit unterschiedlichen Materialien füllen: verschieden große und harte Igelbälle, unbenutzte Malerpinsel – und Rollen, Schwämme, Bürsten, Tuschpinsel, usw. Nach Lust und Laune können die Massageutensilien für Massagen verwendet werden. Schön ist es auch, wenn eine Massagegeschichte dazu erzählt wird. Zu den Klassikern gehört die „Pizzamassage“ oder eine „Wettermassage“. Das Kind darf natürlich auch die Eltern oder Geschwister massieren und sich eigene Massagegeschichten ausdenken. Selbstverständlich kann sich das Kind auch selbst massieren: Dazu kann es sich zum Beispiel mit einem Fuß auf einen Igelball stellen und darauf kreisen. Der Druck bestimmt die Intensität der Massage. Das Kind kann sich auch auf den Boden legen und einen Tennisball unter den Rücken schieben und sich durch Bewegung eine wohltuende Rückenmassage schenken. Eine Kopfhautmassage mit den Fingerspitzen wirkt belebend und entspannend. Müde Beine können auch mit einem Igelball sanft bearbeitet werden. 

Zeug stresst Familien

Der Eintritt in die Schule bietet auch allgemein die Chance bestimmte Bereiche als Familie einmal anzugucken. Denn häufig entsteht Stress aus einem Mangel an Zeit und einem zuviel an Zeug, wie Klamotten oder Spielsachen. Hier könnte „Weniger ist mehr“ helfen, den Alltag zu entschleunigen. Folgende Fragen dienen als Reflexionsinspiration: 

  • Passt unser Tagesablauf zu unseren Bedürfnissen?
  • Was wollen wir als Familie wirklich? Was ist uns wichtig? Was nicht mehr?
  • Muten wir unserem Kind zu viel zu in Bezug auf „Freizeitprogramm“?
  • Stresst sich das Kind evtl. sogar selbst mit seinen Freizeitbeschäftigungen?
  • Wer oder was raubt ungewollt Zeit – wie können wir das abschalten?  
  • Welche Personen sind uns wichtig und wollen wir weiterhin in unserem Leben haben?
  • Und welche Personen tun uns nicht gut?
  • Können wir Haushaltsaufgaben neu und anders aufteilen oder an Dritte delegieren?
  • Fühlen wir uns in unseren 4 Wänden wohl?
  • Mit welchen Räumen oder Ecken in der Wohnung sind wir unzufrieden? Wie können wir das ändern?
  • Gibt es Streit über bestimmte Sachen? Welche Sachen werden nicht mehr benötigt und können weitergegeben oder verkauft werden?

Ich wünsche allen Familien einen entspannten Schulalltag!

Stephanie Weich ist Erzieherin und Krippenpädagogin aus Vechelde. Sie hat u.a. Weiterbildungen zur Entspannungstherapeutin, Stressmanagementtrainerin und Kursleiterin für Progressive Muskelentspannung & Autogenes Training besucht. Weitere Angebote finden sich auf ihrem Blog und auf Instagram.Zu dem ist sie Autorin des Buches Spielerische Meditationen mit Klang, Bewegung und allen Sinnen.


Der Unterschied zwischen Grenzen und Strafen in der Erziehung

Immer wenn es um das Thema geht, Kinder nicht zu bestrafen, tut sich eine andere Frage auf: Aber wie sollen Kinder Grenzen lernen, wenn sie nicht bestraft werden? Dabei handelt es sich eigentlich um zwei verschiedene Themen, die nur durch den Ansatz des Bestrafens miteinander in Verbindung gebracht werden. Natürlich sind Grenzen für Kinder wichtig und ein wesentlicher Bestandteil des Aufwachsens hinein in eine Gesellschaft. Aber Grenzen müssen nicht mit Strafen eingehalten oder durchgesetzt werden, um bewahrt zu bleiben.

Was sind Grenzen und warum sind sie wichtig?

Wir alle haben viele Grenzen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Körperliche Grenzen, welche Berührungen wir wie und von wem mögen, was uns weh tut oder angenehm ist. Wir haben moralische Grenzen und unterscheiden uns darin: Was für einen unethisch ist (wie z.B. Fleischkonsum) ist für einen anderen keine Frage der Ethik. Wir haben unterschiedliche Belastungsgrenzen: einige Menschen halten weniger Stress aus, andere mehr. Wenn eine Grenze erreicht ist, beginnt ein unangenehmes Empfinden: Wir wünschen, dass etwas aufhört, weil es uns überfordert. Wo aber diese Grenze sich befindet, können einzelne Personen nur selbst festlegen: Was für eine Person zu laut ist, ist für eine andere vielleicht noch angenehm. In vielen verschiedenen Bereichen haben wir also ganz unterschiedliche Grenzen – als Erwachsene, aber auch im Vergleich zu den Kindern. Warum unsere Grenzen so unterschiedlich sind, kann ganz verschiedene Ursachen haben: Wir haben unterschiedliche Temperamente, die angeboren sind und wir machen im Laufe unseres Lebens unterschiedliche Erfahrungen, die sich auf unsere Bedürfnisse und Grenzen auswirken: Wenn wir Gewalt erfahren, sind wir später vielleicht sehr empfindsam in Bezug auf Berührungen und/oder unser gesamtes Stressverarbeitungssystem ist schneller an der Belastungsgrenze. Und auch unsere Alltagssituationen wirken sich auf unsere Grenzen aus: Sind wir bereits gestresst, sind wir vielleicht empfindsamer gegenüber Lautstärke und unsere Grenze ist schneller erreicht als sonst.

Auch Kinder haben Grenzen, die wir respektieren sollten: körperliche Grenzen (Wenn ein Kind beispielsweise aus Erschöpfung nicht mehr laufen kann. Oder von wem es welche Berührungen zulässt oder nicht), ethische Grenzen (hier haben die Eltern ganz besonders die Verantwortung, beispielsweise wenn es um vermeintlich „lustige“ Fotos geht, die in Social Media geteilt werden) und auch Grenzen der Sinnesempfindungen (Was für ein Kind laut oder zu laut ist, kann sich von dem unterscheiden, wie wir es empfinden). Am Anfang ist es für Kinder oft schwer, ihre Grenzen wirklich wahrzunehmen und selbst darauf zu achten. Sie sind auf unsere Co-Regulation angewiesen. Wir sehen das beispielsweise an Babys, die einen Tag über zu viel stimuliert wurden, von Arm zu Arm gereicht, durch ein Einkaufszentrum getragen mit hellen Lichtern und sich selbst vor diesen Reizen nicht schützen konnten und dann später viel weinen. Kinder sind sehr lange darauf angewiesen, dass wir uns um den Schutz ihrer Grenzen kümmern.

Die Grenzen also zeigen auf, wann unsere Belastungsmöglichkeit erreicht ist und nicht überschritten werden sollte. Es ist wichtig, dass wir Grenzen von anderen wahrnehmen und berücksichtigen, denn nur so funktioniert das Zusammenleben in einer Gemeinschaft – nicht nur in der Kleinfamilie, sondern der gesamten Gesellschaft: Jeder Mensch hat in verschiedenen Bereichen individuelle Grenzen, die nicht überschritten werden sollten, damit sich diese Person weiterhin wohl fühlt.

Wie können wir Grenzen schützen?

Wir sehen also: Wir alle haben Grenzen. Aber unsere Grenzen unterscheiden sich: Was mich anstrengt, ist für eine andere Person vielleicht in Ordnung. Was für mein Kind nicht geht, ist vielleicht für ein anderes passend. Das bedeutet: Wir müssen zunächst verstehen und anerkennen, dass wir alle unterschiedliche Grenzen haben und unser eigenes Empfinden nicht der Maßstab für alle ist.

Haben wir dies verstanden, können wir ansehen, welche Signale bei uns darauf hindeuten, dass eine Grenze erreicht ist bzw. bei anderen Menschen. Welche Signale geben unsere Kinder, bevor sie vehement und laut zeigen, dass eine Grenze überschritten ist? Und welche Signale können wir bei uns selbst wahrnehmen, bevor eine Grenze erreicht ist?

Gerade um unsere eigenen Grenzen zu schützen, ist es sinnvoll, nicht erst dann zu reagieren, wenn unsere Grenze schon erreicht oder gar überschritten ist, sondern schon vorher. Denn: Wenn unsere Grenze erreicht oder überschritten ist, sind wir bereits in Not und handeln aus einem Notgefühl heraus. Wir sind aggressiver, lauter (oder auch ganz abweisend und „flüchten“). Wenn wir also an uns selbst erkennen, dass unsere Grenzen bald erreicht sind, können wir besser und entspannter handeln und sind weniger verleitet, schnell und grob zu handeln, wie beispielsweise mit dem Androhen von Strafen. Um zu erkennen, dass eine Interaktion auf dem Weg ist, unsere Grenze zu erreichen, brauchen wir allerdings ein gutes Gespür für uns selbst:

  • vielleicht atmen wir schneller und/oder flacher
  • wir merken, dass wir unbestimmt unruhig werden
  • wir reden schneller
  • unser Blutdruck steigt
  • wir fühlen uns verkrampft

Wenn wir frühzeitig merken, dass unsere Grenzen erreicht werden, können wir handeln: Wir können dem Kind sagen: „Es ist mir zu laut, lass uns mal ruhigere Musik anmachen.“ oder „Es ist mir zu laut, ich gehe in einen anderen Raum. Sag Bescheid, wenn du fertig bist.“ oder wenn wir einen ohnehin stressigen Tag haben, das Kind nach der Kita schlechte Laune hat, können wir erklären: „Heute gehen wir nicht zusammen einkaufen, sondern es gibt abends einfach Reste von gestern.“ (und so einem Streit im Supermarkt vorbeugen). Wir können, wenn das Kleinkind im Essen stochert und wir merken, dass es uns langsam aufregt, frühzeitig reagieren, mit dem Kind über das Essen reden oder fragen, ob es nicht mehr essen mag, bevor es das Essen vom Teller schiebt und wir deswegen verärgert sind. Bevor also das Fass zum Überlaufen gebracht wird, können wir meistens noch recht gut und verständlich andere Wege einleiten.

Wenn sich Grenzen bedroht anfühlen, sind wir in Versuchung, zu strafen

Dann aber, wenn plötzlich eine Grenze überschritten wird, wollen wir auch schnell handeln: Hier ist unsere eigene Unversehrtheit in Gefahr (Das Kind schlägt oder beißt), hier sind unsere Werte in Gefahr (Das Kind sagt Scheiß-Papa und benutzt damit ein in der Familie verbotenes Schimpfwort), hier sind wir akut überreizt (Das Kind schreit wild und laut über Minuten), hier wollen wir vielleicht andere Personen schützen (Das Kind der Freundin) oder sorgen uns um unser Ansehen (Was sollen die Nachbarn denken). Unser Wunsch ist: Schnell dieses Verhalten abstellen und auch nachhaltig, damit wir nicht wieder in diese Situation kommen.

Viele von uns sind mit Strafen in der ein oder anderen Weise aufgewachsen, denn aus der Verhaltsbiologie wurde auch für die Erziehung von Kindern abgeleitet: Durch Belohnung können wir positives Verhalten verstärken, durch Bestrafung negatives Verhalten vermindern. Tatsächlich funktioniert diese Technik auch ganz gut, denn als Erwachsene sind wir den Kindern gegenüber in einer Machtposition: Bestrafen wir ein „falsches“ Handeln, lernt das Kind, dass es schwächer ist, unterliegt, sich unterwerfen muss. „Wenn Du nicht lieb bist, bekommst Du abends keinen Nachtisch!“ Das Kind versucht demnach, unserem Wunsch nach „lieb sein“ zu entsprechen, um der Strafe zu entgehen. Es passt sich an unsere Forderung an. Was es aber tatsächlich bedeutet, lernt es nicht. Es lernt auch nicht, dass „lieb sein“ ja nicht gezwungen werden kann, sondern ein tiefes Gefühl des Wunsches ist, einen anderen Menschen glücklich zu machen. Es verhält sich lediglich angepasst an unsere Vorstellungen: „lieb sein“ bedeutet dann – je nach unserer Forderung – leise sein, nicht schimpfen, nichts schmutzig machen. Es lernt nicht, das Gefühl des „lieb seins“ zu übertragen und auf andere Situationen anzuwenden. Es lernt, dass es scheinbar nicht lieb ist, wenn es diese Anforderungen nicht erfüllt – obwohl die Verhaltensweisen, die wir als Eltern oft reglementieren eigentlich völlig normale kindliche Verhaltensweisen sind, die meist der Neugierde und dem Wunsch nach Selbstständigkeit entspringen. Recht wahrscheinlich zeigt es dann das gewünschte Verhalten in jenen Situationen, in denen die erwachsene Person anwesend ist, die dies einfordert. Und weil es Angst vor der Folge eines falschen Verhaltens hat, ist es zudem nicht darum bemüht, ein eventuell doch abweichendes Verhalten einzugestehen: Es lügt, weil es (verständlicherweise) die Folgen des „lieb seins“ genießen möchte und keine Bestrafung erhalten will.

Was also durch Bestrafung passiert: Das Kind fühlt sich machtlos, es fühlt sich schwach und unterlegen und verinnerlich das Weltbild, dass der Stärkere gewinnt und Kooperation und Gleichwürdigkeit keine Methoden der Wahl sind in Konfliktsituationen. Diese Haltung verinnerlicht das Kind für die Zukunft (wie wahrscheinlich auch viele von uns sie verinnerlicht haben) und andere Interaktionen, auch im Zusammensein mit anderen Kindern. Das Kind lernt keine sinnvollen und nachhaltigen Lösungsstrategien für die Zukunft, um sie in der Zukunft anzuwenden und Problemsituationen beispielsweise anders zu verarbeiten. Oftmals sind Strafen Mittel der Wahl in der Kleinkindzeit, in der sich Kinder noch gar nicht in andere hinein versetzen können, weil sich die Theory of mind erst langsam ausbildet. Das Kind versteht also nicht, warum es eine bestimmte Handlung ausführen oder lassen soll für eine andere Person, sondern lernt nur stures Befolgen. Aus Angst vor der Bestrafung, ist es in Anwesenheit der strafenden Person bemüht, die Forderungen einzuhalten. Es kann in Anwesenheit der bestrafenden Person also nicht „es selbst sein“ und verstellt sich, um sich anzupassen. Das ist auf Dauer anstrengend, besonders wenn es ein normales kindliches Verhalten unterdrücken muss (nicht schmutzig machen/nicht laut singen/nicht wütend sein/nicht mit den Fingern das Essen anfassen/…). Manchmal äußert sich dies dann in scheinbar „grundlosen Wutausbrüchen“, die aber eigentlich der angestauten Überlastung zuzuschreiben sind. Vielleicht versucht es, heimlich dieses Verhalten auszuleben und lügt aus Angst dann die bestrafende Person an („Ich habe das nicht schmutzig gemacht, das war ein fremder Hund.“).

Durch Bestrafen gewinnen wir also tatsächlich langfristig nichts: Das Kind wird kein „besserer Mensch“ durch Strafen. Das Kind ist ein guter Mensch und wir müssen es auf dem Weg begleiten, zu erfahren, wie es Grenzen anderer gut berücksichtigen kann. Das erlernt es aber nicht durch Strafen. Auch nicht solche, die wir als „Konsequenzen“ bezeichnen, weil es Strafen sind, die sich direkt auf das vermeintliche Fehlverhalten beziehen: „Wenn du nicht aufisst, gibt es keinen Nachtisch!“, „Wenn du nicht aufräumst, spielen wir nicht miteinander!“, „Wenn du Schimpfwörter benutzt, musst du allein in deinem Zimmer bleiben, damit niemand das hört!“ Ja, diese Strafen stehen in Zusammenhang mit der Ursache, die vermieden werden möchte, aber dennoch sind es Strafen, die ein von uns als negativ betrachtetes Verhalten abstellen sollen aufgrund eines Machtgefälles und rein dazu dienen, das Verhalten zu vermeiden anstatt dem Kind echte Lösungsstrategien anzubieten.

„Kinder testen keine persönlichen Grenzen böswillig aus, sie fordern uns nicht heraus. Sie gelangen aber durch ihr Handeln an Grenzen, um zu erfahren, wie sie sich in einer Gesellschaft richtig bewegen. Neben all den Dingen, die sie lernen, lernen sie nämlich auch, wie andere Menschen sind.“

S. Mierau (2017): Geborgene Kindheit, S. 104

Wie können Grenzen bewahrt werden, ohne zu bestrafen?

Wir sehen: Grenzen sind wichtig und müssen geschützt werden. Aber Strafen sind nicht das Mittel der Wahl dafür, wir brauchen andere Handlungsmöglichkeiten. Um diese zu finden, müssen wir unseren Blick auf das Kind ändern: Wenn es eine Grenze überschreitet, dann hat das einen Anlass. Kindliches Verhalten ergibt eigentlich immer einen Sinn, auch wenn er uns zunächst nicht klar ersichtlich ist. Hinter dem Verhalten eines Kindes steht ein Anlass: Im Kleinkindalter hat das oft mit Neugierde, Selbständigkeit und Ressourcen zu tun. Das Kind will sich die Welt aneignen, will Erfahrungen darin machen, sich erproben. Manchmal ist es dabei zu ungestüm: es hat Unfälle, macht Dinge kaputt, kann mit anderen Menschen noch nicht so umgehen, wie wir Erwachsenen (im positiven Fall) miteinander gut umgehen. Kinder machen Dinge nicht, um „Machtspiele“ zu provozieren, sie sind ja auch uns Erwachsene als Versorger*innen angewiesen und wollen dies nicht von sich aus umkehren. Wenn Kinder scheinbar „provozieren“ lohnt sich auch ein Blick hinter dieses Verhalten: Warum wollen sie Aufmerksamkeit, wo fühlen sie sich nicht gesehen, wo ist es gerade anstrengend für sie, dass sie mehr Zuwendung brauchen, die wir anscheinend aktuell nicht geben?

Wenn wir also in einer Konfliktsituation sind, in der wir geneigt sind, eine Strafe verhängen zu wollen, macht folgendes Vorgehen Sinn:

  • Erst einmal ruhig bleiben: etwas trinken, tief durchatmen, kurz aus dem Raum gehen,…
  • Du darfst wütend sein. Nur brauchst du eine Methode, um gut mit der Wut umzugehen udn sie nicht am Kind auszulassen.
  • Nachdenken: Warum genau hat mein Kind wie gehandelt? Was steht hinter dem Verhalten meines Kindes?
  • Wenn wir den Grund des Kindes erfahren haben (weil es das gesagt hat oder wir es durch nachdenken erkunden konnten): Überlegen (ggf. gemeinsam): Wie kann diesem Bedürfnis nachgegangen werden, ohne dann Grenzen überschritten werden? Wie hätte die Situation auch laufen können? Wie wäre es besser gegangen? Größere Kinder können in diese Analyse einbezogen werden.
  • Vielleicht ist etwas kaputt gegangen, etwas wurde verschüttet,… Gemeinsam kann nun das Problem behoben werden: Wir räumen zusammen auf, machen zusammen sauber. So lernt das Kind auch gleich, wie es richtig gemacht wird (und es ergibt sich nicht sofort der nächste Problemfall: „Das ist ja gar nicht sauber, mach das nochmal!“)
  • Später kann noch einmal besprochen werden, wie zukünftig in solchen Situationen gehandelt werden kann. Vielleicht kann auch gemeinsam ein Plakat gebastelt werden, wenn es beispielsweise immer wieder abends Probleme gibt in der Abendroutine: Statt zu drohen „Wenn du dich nicht endlich fertig machst, dann gibt es keine Geschichte!“ können wir ein Papier mit den abendlichen Routinen skizzieren, damit das Kind eine Orientierung hat. „Schau, jetzt ist Punkt 3 dran: Wir gehen Zähne putzen.“

Aber wenn es gefährlich ist, dann muss ich doch verbieten?

Wenn etwas gefährlich ist, müssen wir unsere Kinder vor Gefahr schützen: Kinder dürfen nicht auf die Straße rennen, nicht auf dem Fensterbrett spielen, nicht als Nichtschwimmer*in ins Wasser springen. Natürlich müssen wir in allen gefährlichen Situationen eingreifen und unsere Kinder schützen und dies auch gegen ihren Willen, weil sie die Situation nicht überblicken können. Aber dieser Schutz ist keine Bestrafung. Eine Bestrafung wäre es, wenn wir das Kind davor schützen, auf die Straße zu rennen und danach sagen: „Weil du das gemacht hast, bekommst du heute kein Eis.“

Unsere Aufgabe ist es – und natürlich ist das nicht immer einfach – unseren Kindern Handlungsfähigkeit beizubringen und zu ermöglichen. Verständnis für Gefahrensituationen ermöglichen, Lösungsstrategien aufzeigen, so dass sie zukünftig nicht wegen eines Verbotes etwas nicht tun, sondern weil sie wirklich verstanden haben, warum ein solches Handeln in dieser Situation falsch wäre. Statt also das Eis zu verbieten, können wir danach in die Bibliothek gehen und Bücher über Verkehrserziehung ausleihen und lesen, können zukünftig an der Straße besser aufpassen und gemeinsam in Kommunikation sein: besprechen, was als nächstes passiert, warum hier was gemacht werden muss.

Und natürlich müssen wir auch da eingreifen, wo andere Personen durch das Kind in Gefahr geraten: Wenn das Kind andere haut oder beißt, müssen wir eingreifen, um die anderen Kinder zu schützen. Aber auch hier sollte im Anschluss keine Bestrafung des Kindes erfolgen, sondern es sollte genau hingesehen werden: Warum beißt/kratzt/schlägt/spuckt mein Kind? Was können wir an Situationen ändern, damit das Kind das nicht macht, welche Alternativen gibt es?

Neue Wege fallen oft schwer

Ja, viele von uns haben Strafen erlernt als Handlungsmethode, aber das bedeutet nicht, dass es die richtige und sinnvolle Möglichkeit ist, mit Kindern umzugehen und um eigene oder andere Grenzen zu sichern. Wir haben unseren Kindern gegenüber die Verantwortung, auch ihre Grenzen zu bewahren. Strafen verstoßen dagegen und deswegen ist es unsere Aufgabe, andere Wege zu finden. Dass das nicht immer einfach ist, ist klar. Uns fehlen Vorbilder hierfür, wir haben diese Art des Umgangs oft selbst nicht erlernt. Deswegen machen wir eben auch Fehler. Aber wir sind keine schlechten Eltern, weil wir überfordert sind. Wenn wir Fehler machen, können wir um Entschuldigung bitten. Und wir können versuchen, es beim nächsten Mal anders zu machen und so nach und nach von den Strafen wegzukommen und das Denken zu verändern.

Eure

Kinder bei Veränderungen begleiten

Manchmal gibt es anstrengende Momente mit Kindern, anstrengende Tage oder auch ganze Wochen. Dies besonders dann, wenn unsere Kinder in Umgewöhnungsprozessen stecken, wenn Routinen wegfallen. Und dies noch ganz besonders dann, wenn sie solche Umstellungen noch schwer verarbeiten können, weil sie noch im Kleinkindalter sind und diese Veränderungen sich in Form von Wutausbrüchen zeigen.

Was nehmen Kinder als Veränderungen wahr?

Das, was für Kinder Veränderung ist, ist aus unserer Perspektive manchmal zunächst nicht augenscheinlich. Manchmal übersehen wir, welche Situationen oder Ereignisse für die Kinder ein einschneidendes Erlebnis sind. Oft sind das Situationen, die wir eigentlich positiv bewerten: Urlaub, Einschulung, Kindergartenbeginn. Wir denken oder sagen: „Wir sind zusammen im Urlaub und machen so viele tolle Dinge zusammen! Warum hast Du nur so schlechte Laune?“ oder „Wow, die Schule beginnt, Du bekommst eine Schultüte und Feier und darfst endlich in der Schule lernen!“ oder „Endlich triffst Du all Deine Freund*innen nach den Ferien im Kindergarten wieder!“ Aber für Kinder sind diese Situationen oft schwierig, weil sie einen Umbruch bedeuten, weil Bindungspersonen wechseln und/oder weil sie in besonderer Weise kooperieren müssen und sie das sehr beansprucht. Im Urlaub sind gerade Kleinkinder oft sehr herausgefordert, weil sie sich einer völlig neuen Umgebung wiederfinden mit neuen Geboten und Verboten: „Nicht so laut sein beim Essen!“, „Nein, das gehört nicht uns, da müssen wir…“ Urlaube fordern für Kleinkinder ein hohes Maß an Kooperation – sind sie erschöpft davon, reagieren sie mit schlechter Laune, Wut, Erschöpfung. Auch der Wechsel von Bezugspersonen kann sehr schwierig und anstrengend sein: Wenn Erzieher*innen oder Lehrer*innen wechseln, wenn ein Geschwisterkind vom Kindergarten in die Schule wechselt und fortan nicht mehr den Alltag im Kindergarten teilt.

Oftmals ist es zunächst schwer, sich hier einzufühlen und zu interpretieren, woher die Wut oder schlechte Laune des Kindes kommt. Unser Blick auf das Kind und den Alltag ist ein anderer und wir erkennen zunächst nicht, welche großen Umbruchprozesse gerade stattfinden oder welche große Leistungen das Kind gerade vollbringt. Unsere Perspektiven sind unterschiedlich, was zu Problemen in der Interaktion führen kann: Das, was wir denken, was das Kind gerade gerne tut/was ihm gut tut/worauf es sein Augenmerk richtet, muss nicht mit dem übereinstimmen, was wirklich im Kind vorgeht. Wir sehen das Kind aus der Erwachsenenperspektive und denken analytisch, logisch nach unseren Maßstäben. Das Kind hingegen denkt anders: Anders emotional, aber auch konkret in anderen Hirnbereichen.

Veränderungen, die besondere Kooperation voraussetzen

Unsere Kinder kooperieren in unserem Alltag an vielen Stellen mit uns. Kooperation meint dabei, dass wir gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten. Sie unterstützen uns in vielen kleinen Momenten des Alltag, indem sie beispielsweise den Fuß ruhig halten, um sich einen Schuh anziehen zu lassen, indem sie am Tisch sitzen bleiben beim Essen, indem sie versuchen, bei der Zubereitung des Essens zu helfen oder sich etwas selber aufzutun oder einzuschenken. Manchmal übersehen wir, wieviel sie jeden Tag auf uns zu gehen oder an wie vielen Stellen sie unterstützen wollen. Und manchmal erwarten wir auch einfach zu viel und übersehen, wie anstrengend einige Situationen sein können. Typisches Beispiel hierfür ist der oben aufgeführte Urlaub, in dem Kinder neuen und anderen Regeln unterliegen, deren Einhaltung anstrengend ist und die sie auch nicht beständig erinnern. Viele dieser Regeln können sie wahrnehmen, manchmal müssen sie erinnert werden, aber manchmal wird es auch einfach zu viel der Einschränkung und Veränderung. Es ist wichtig, dass wir unseren Blick darauf lenken, an wie vielen Stellen sie Änderungen vorfinden und damit umgehen müssen. Wir können uns selbst daran erinnern, indem wir diese Situationen sprachlich begleiten, beispielsweise wenn sich das Kind an den Tisch setzt und auf Kellner oder Kellnerin wartet, können wir sagen: „Du weißt jetzt schon, dass wir das Essen erst bestellen müssen und es nicht wie zu Hause so schnell auf dem Tisch steht.“ Damit zeigen wir dem Kind, dass wir sehen, dass es selbst kooperiert und gleichzeitig erinnern wir uns selbst daran, welche Leistung das Kind hier gerade erbringt.

Ganz ähnlich ist es in anderen neuen Situationen: Im Kindergarten müssen sie auf eine neue Weise Rücksicht nehmen auf Abläufe, Routinen und viele andere Kinder. All das ist anstrengend und am Ende des Kitatages, wenn wir sie abholen, sind sie erschöpft und vielleicht gerade jetzt, bei ihren Hauptbindungspersonen, lassen sie los und wollen entspannen. Wir nehmen die schlechte Laune wahr, übertragen sie vielleicht auf uns, stellen in Frage, ob das Kind uns noch mag, aber eigentlich ist es wirklich total erschöpft und schon das Anziehen ist jetzt gerade zu viel.

Auch dann, wenn Bindungspersonen wechseln, ist das für Kinder anstrengend: Der Lieblingserzieher ist im Urlaub, der Ablauf morgens anders, die Lieblingserzieherin geht in Elternzeit, die Geschwisterkinder oder andere nahe Freund*innen wechseln vom Kindergarten in Schule: Auf einmal fallen wesentliche Bindungspersonen weg im Alltag und das Kind ist traurig, die neuen Abläufe und die Umgewöhnung sind anstrengend.

Diese Punkte kannst Du beachten, um Dein Kind gut zu begleiten:

  • Auf Augenhöhe“ des Kindes gehen: Was ist gerade bei meinem Kind aktuell, was hat sich verändert?
  • Erwachsene Bewertungen vermeiden: Was schlimm ist oder nicht, kann nur das Kind selbst bewerten.
  • Gefühle annehmen und begleiten: Die Gefühle, die das Kind hat, darf es haben und sie brauchen eine Begleitung
  • Nicht zu viel verlangen: Unsere Kinder gehen mit schwierigen Situationen anders um, haben weniger Erfahrungswissen. Setzen wir keine erwachsenen Maßstäbe an sie und ihr Verhalten.
  • Augenmerk auch auf positive Dinge richten: Mit dem Kind auch darüber sprechen, was am Tag besonders schön war und selbst die Situationen sprachlich hervorheben, in denen etwas gut läuft (siehe Beispiel oben) – und sich selbst auch an die positiven Dinge im Alltag erinnern
  • Bei anhaltenden Problemen, Traurigkeit, Erschöpfung: Hilfe suchen und Fachpersonen kontaktieren

Umgang mit Veränderungen

Wenn unsere Kinder auf einmal besonders wütend, übellaunig oder traurig sind, lohnt sich ein Blick auf die Dinge, die sich vielleicht gerade verändert haben. Denken wir nicht einfach nur: Ach, das ist eine blöde Phase, sondern sehen wir hinter das Verhalten auf das wirkliche Bedürfnis, auf die kindlichen Gefühle. Nehmen wir an, dass das Kind sich schwerer tut mit Umstellungen als wir Erwachsene und denken wir nicht, dass das Kind wie ein Erwachsener denken oder handeln sollte. Nehmen wir die Kindlichkeit an und respektieren sie. Nehmen wir an, dass das Kind gerade die breite Palette an Gefühlen kennenlernt und dass es alle Gefühle fühlen darf und wir es dabei begleiten. Erklären wir dem Kind, dass es sich gerade in einer Umstellungssituation befindet und Umstellungen immer mal vorkommen und es okay ist, dann traurig oder wütend zu sein.

Eure

Sommererlebnisse in Bildern festhalten

Die Ferien gehen ihrem Ende entgegen, es ist Zeit für einen Rückblick auf die Unternehmungen, Erlebnisse, Sommermomente. So, wie wir am Ende des Tages auf den Tag zurück blicken, sehen wir am Ende der Ferien auch einmal zurück und fragen nach, was wir erlebt haben und halten einige Erinnerungen fest: Die großen Kinder haben bereits Tagebücher, aber auch sie sitzen gerne mit am Maltisch und gestalten ihre Erinnerungen. Heute gibt es drei Ideen, die Sommererlebnisse auf Papier festzuhalten.

Sommerblumen mit Fingerabdrücken gestalten

Was blüht denn hier? Vielleicht habt ihr im Sommer auch die vielen bunten Blüten bewundert und daran gerochen. Für kleine Kinder ist es noch schwer, das Gesehene abzubilden, aber wir können auf einfache Art eine Erinnerung schaffen an die bunten Blumenwiesen: Mit etwas Aquarellfarbe können Eltern einen Blumenwiesenhintergrund gestalten: etwas Grün für die Wiese, etwas Blau für den Himmel, etwas Geld für die Sonne. Das Kind kann dann auf den getrockneten Untergrund mit in Farbe getauchten Fingerspitzen nach Belieben Blüten auf dem Feld verteilen oder dem Blumenstengel antupfen. So entstehen bunte Blumenkunstwerke, die an der Kinderzimmerwand noch lange an den Sommer erinnern.

Sommerfrüchte-Handabdruck

Bei den Sommerblumen machen die Eltern den ersten Teil der Malarbeit, bei den Sommerfrüchten die Kinder: Einfach Hände anmalen und auf das Papier drücken. So werden aus roten Handabdrücken Erdbeeren, aus gelben Ananas, aus grünen gestreifte Melonen. – Und was gab es sonst an Obst im Sommer? Eine schöne Idee, um kulinarisch auf den Sommer zurück zu blicken und nebenher den Wortschatz auszubauen. Das sieht nicht nur an der Kinderzimmerwand schön bunt aus, sondern kann auch die Küche wunderbar zieren.

Sandbilder aus Urlaubserinnerungen

Gehört ihr zufällig zu den Menschen, die aus dem Urlaub Sand mit nach Hause nehmen in einer kleinen Flasche? Wir machen das immer wieder und lassen die kleinen Gläser dann beschriftet stehen oder verwenden den Sand weiter. Zum Beispiel, um ein schönes Sandbild daraus zu machen. Das geht ganz einfach: Zeichne mit Bleistift die Umrisse des Bildes vor, beispielsweise eine Sandburg. die Umrisse werden dann mit Kleber nachgezogen und der gesammelte Sand wird auf das Papier gegeben und klebt an den Klebeumrissen fest. Anschließend so lassen oder die Zwischenräume mit Wasserfarbe ausmalen.