Alle Artikel von Susanne Mierau

Berührungsqualität

Wir wissen: Berührung ist wichtig – nicht nur für unsere Kinder, aber gerade für sie und ihre Entwicklung. Über Berührung erfahren Neugeborene Schutz und Nähe – dies ist insbesondere auch deswegen wichtig, weil ihre Fernsinne wie das Sehen und Hören noch nicht voll ausgebildet sind. Berührung, In-den-Arm-Nehmen, gibt Sicherheit und erinnert an die geborgene Umhüllung im Uterus. Doch nicht nur das: Auch Atmung, Körpertemperatur und Blutzuckerspiegel stabilisieren sich nach der Geburt durch Berührung. Auf der anderen Seite hat auch die Körperkontakt gebende Bindungsperson einen Vorteil von dieser körperlichen Nähe: Das ausgeschüttete Hormon Oxytocin unterstützt den Aufbau der Bindung. So hat der frühe Körperkontakt nachhaltige Auswirkungen. Und noch mehr: Berührung bleibt Zeit unseres Lebens wichtig, unterstützt uns, lindert und fördert. Doch es kommt nicht nur auf die Häufigkeit an, sondern auch die Berührungsqualität ist wichtig.

Streicheleinheiten

Bei „Berührungsqualität“ fällt uns sicherlich zunächst das Streicheln ein: Wenn wir uns ganz bewusst einer anderen Person zuwenden und liebevoll die Haut dieser Person berühren. In unserer Haut gibt es für die Wahrnehmung des Streichelns ganz besondere Rezeptoren: die C-taktikeln Fasern*. Sie reagieren ganz besonders auf Berührungen mit der Temperatur von Fingerspitzen (ca. 32°C) mit einer Geschwindigkeit von ein bis zehn Zentimetern pro Sekunde. – Wahrscheinlich nutzen Eltern intuitiv in der Mehrheit genau diese Geschwindigkeit für den liebevollen Körperkontakt. Und das Baby empfindet genau diese Art der Berührung als besonders angenehm, da ein besonderes Aktivierungsmuster im Gehirn ausgelöst wird. Auf der anderen Seite sind die Fingerspitzen der streichelnden Person besonders empfindlich durch dort gebündelte sensible Nervenenden, Blutgefäße und Drüsen – mit „Fingerspitengefühl“ üben wir Berührung aus**.

Alltägliche Berührungen

Doch nicht nur für Babys ist Berührung wichtig und nicht nur in besonderen Situationen findet Körperkontakt mit Kindern satt: Auch größere Kinder brauchen regelmäßig positiven Körperkontakt und die Stimulation des Tastsinns für eine gesunde Entwicklung. Kinder, die positiven Körperkontakt erfahren, weinen weniger* – viele Eltern verhalten sich auch hier wieder intuitiv und nehmen weinende Kinder oder verängstigte Kinder in den Arm , beispielsweise bei Untersuchungen. Auch wenn wir Hilfe oder Unterstützung benötigen, verwenden wir oft Körperkontakt, denn die freundliche Berührung ermöglicht eine emotionale Verbindung durch das Ausschütten von Belohnungsreizen im Gehirn. Positive Berührung ist gut für das Kind und unterstützt das friedvolle, entspannte Miteinander. Bei Menschen, die sich emotional nahe stehen, hat das über Berührung ausgeschüttete Oxytocin eine verbindungsfördernde Funktion.

Für unserem Alltag mit Kindern bedeutet dies: die Berührungsqualität ist besonders wichtig. Ein hartes An-der-Hand-Ziehen oder ruppiges Anfassen löst etwas anderes in einem Menschen aus, als eine sanfte Berührung. Und nicht nur das: wir können sogar über die Art unserer Berührung ganz gegenteilige Reaktionen hervorrufen. Berühren wir ein Kind liebevoll und zugewandt beispielsweise bei einer Untersuchung bei der Kinderärztin, ist das Kind beruhigter und wahrscheinlich kompromissfähiger als wenn wir es ruppig festhalten und erklären, es solle sich nicht so anstellen.

Aber auch darüber hinaus gibt es viele Situationen in unserem Alltag, in dem wir auf die Berührungsqualität achten können: Beim Wickeln ist eine achtsame Berührung nicht nur angenehmer, sondern unterstützend. Wir sprechen mit dem Kind, erklären unsere nächste Handlung, warten ab und berühren liebevoll und langsam. Nicht immer einfach beim Wickeln? Das stimmt. Aber wenn wir das Wickeln langfristig so gestalten und dem Kind immer wieder Eigenaktivität ermöglichen – gerade bei einem Kleinkind – und Geduld haben, können wir ein ruhiges Ritual etablieren.

Wir alle genießen als Erwachsene Momente der achtsamen Körperpflege: wenn wir beispielsweise aus dem Bad steigen und Zeit haben, uns einzucremen und unserem Körper etwas Gutes zu tun. Genauso können es auch Babys und Kinder genießen. Für die Pflegemomente sollte daher immer Zeit eingeplant werden.

S. Mierau (2016): Geborgen wachsen: Wie Kinder glücklich groß werden

Beim Einschlafen hilft es, ruhig und entspannt mit Worten und Berührungen zu unterstützen, statt mit unruhiger Atmung und angespanntem Körper auf das Einschlafen des Kindes zu warten. Wenn wir die Aufmerksamkeit des Kindes auf etwas richten oder dem Kleinkind zeigen wollen, dass wir es gehört und verstanden haben, hilft uns liebevolle Berührung: wir können es kurz anfassen und uns zuwenden und so signalisieren: „Ich habe dich gehört, gleich kümmere ich mich um dein Bedürfnis!“

Wie genau wir die Berührung auf unser Kind abstimmen, ist individuell: Manche Kinder genießen einen stärkeren Druck, andere weniger starken. Aber genau das ist wichtig: Die individuelle Wohlfühlart des eigenen Kindes herauszufinden. Und diese dann ganz selbstverständlich in den Alltag einzubauen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zum Nachlesen:
*Böhme, Rebecca (2019): Human Touch. Warum körperliche Nähe so wichtig ist. Erkenntnisse aus Medizin und Hirnforschung. – München: C.H. Beck.
** von Thadden, Elisabeth (2018): Die berührungslose Gesellschaft. – München: C.H. Beck.

Wenn Kinder Aufmerksamkeit brauchen

Sich unserer Aufmerksamkeit sicher zu sein, ist wichtig für Kinder: Nur wenn sie sicher sein können, dass wir als Bezugspersonen ihre Bedürfnisse wahrnehmen, sie im Blick haben und im Bedarfsfall auf Signale reagieren, fühlen sie sich geschützt und umsorgt. Dann haben sie das sichere Vertrauen, dass wir sie umsorgen und diese Sicherheit der Bedürfniserfüllung lässt eine sichere Beziehung aufbauen. Auf Seiten des Kindes ist Bindung ein Schutzsystem, das dafür sorgt, dass das Kind sicher umsorgt ist.

Warum „verwöhnen“ so wichtig ist

Bestenfalls weiß das Kind und hat verinnerlicht, dass seine Bedürfnisse sicher versorgt werden. Es weiß: Was auch immer passiert, welches Bedürfnis auch immer ich habe – ob Hunger, Durst, das Bedürfnis nach Sicherheit oder Schlaf – meine Bindungsperson kann es erfüllen. Dieses verinnerlicht das Kind, weil wir die Bedürfnisse bedingungslos von klein auf erfüllen: Bedürfniserfüllung ist kein Verwöhnen. Wenn ein Kind mit kleinen Signalen anzeigt, dass es etwas braucht und wir darauf reagieren, ist das normal und angemessen – schließlich haben Kinder, je jünger sie sind, kein Zeitempfinden wie wir. Wenn sie Hunger haben, haben sie Hunger. Wenn sie sich gerade jetzt allein fühlen, brauchen sie gerade jetzt schützende Nähe. Wird das Kind von Anfang an angemessen versorgt, baut es ein Vertrauen in die Bedürfnisbefriedigung auf. Es weiß dann mit zunehmenden Alter, zunehmender Frustrationstoleranz und einem zunehmenden Gefühl für Zeit, dass ein Bedürfnis auch aufschiebbar ist und dennoch sicher erfüllt wird: Wenn meine Bezugsperson sagt, sie ist gleich für mich da, dann kommt sie auch gleich – und vergisst es nicht. Reagieren wir also von Anfang an prompt und sicher, geben wir dem Kind ein Vertrauen mit auf den Weg, von dem es auch später zehren kann. „Es zahlt sich aus“ Kinder am Anfang prompt und sicher zu versorgen, damit sie sich der versorgenden Rolle von ihren Bezugspersonen so sicher sind, dass sie sie auch später nicht in Zweifel ziehen. Sie wissen: Meine Bindungspersonen sind bedingungslos da und sehen mich.

Aufmerksamkeit einfordern

Manchmal gibt es Phasen, in denen wir weniger aufmerksam sein können oder sind – vielleicht durch äußere Stressoren, die uns ablenken. Zeiten, in denen wir die Bedürfnisse des Kindes weniger gut wahrnehmen und/oder nicht richtig interpretieren. Es kommt zu einer Dysbalance: Das Kind signalisiert, wartet, da es eigentlich gewohnt ist, dass wir reagieren. Bleibt die passende Reaktion weiterhin aus, ist das Kind zunächst verunsichert und muss schließlich mehr und mehr Signale senden, damit es die gewünschte Aufmerksamkeit zur Bedürfnisbefriedigung bekommt. Über einen längeren Zeitraum kann es so dazu kommen, dass das Kind versucht, lauter und vehementer Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Reagieren wir nur darauf und weiterhin nicht auf die kleinen Signale, kann es sich einspielen, dass das Kind immer mehr Aufmerksamkeit einfordert auf eine Art, die wir als negativ empfinden: Dass das Kind Aufmerksamkeit und Bedürfniserfüllung braucht, ist normal. Da die normalen Wege aber nicht funktionieren, spielt es sich ein, dass das Kind über frech sein, laut sein etc. Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit die Sicherheit herstellen kann, überhaupt weiterhin gesehen zu werden. Ein negativer Kreislauf kann entstehen – gerade dann, wenn Eltern nun denken: Dieses Verhalten toleriere ich nicht und reagiere bewusst nicht auf das freche, laute Verhalten. Es entsteht eine Art Kampf um Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Heraus aus der Negativspirale

Der Weg aus dieser Spirale heraus kann nur über uns Erwachsene führen. Wir müssen erkannen, was in der Beziehung gerade passiert und dass das Verhalten des Kindes ein Anzeichen dafür ist, dass etwas am Miteinander nicht stimmig ist. Wir müssen hinter das Verhalten des Kindes den wirklichen Grund sehen: das Kind ist unsicher und braucht mehr Zuwendung und Sicherheit.

Im Alltag bedeutet dies, dass wir wieder versuchen, auf die kleinen Signale zu achten und zu reagieren, bevor das Kind mit starken Signalen etwas einfordert, damit es wieder das Gefühl aufbaut, sicher umsorgt zu werden. Manchmal ist das in der aktuellen Situation nicht möglich, weil sich die neuen Verhaltensweisen schon so eingeschliffen haben oder es schwer fällt, sie im stressigen Alltag zu sehen. In diesem Fall hilft es, gemeinsam auf „Reset“ zu gehen mit einem (oder mehreren) gemeinsamen Nesttag(en): Der Alltag mit seinen Ablenkungen und Erfordernissen muss ausgeschaltet werden, Elternteil und Kind verbringen intensive, ungestörte gemeinsame Zeit, wie eine Art Urlaub und in dieser Zeit wird intensiv auf das Kind eingegangen: Es darf bestimmen. Es darf bestimmen, was gespielt wird, was gegessen wird, was gemacht wird. Es ist Zeit da, um sich dem Kind zuzuwenden, zuzuhören und wirklich zu reagieren. Die Speicher an Aufmerksamkeit und Sicherheit werden wieder aufgefüllt und die Dysbalance im gegenseitigen Verhalten ausgeglichen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Kinder stärken – Resilienz im Alltag fördern

Resilienz – wer hat nicht schon davon gehört? Resilienz ist die Fähigkeit „erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen umgehen zu können“*. Sie zeigt sich dann, wenn das Kind erfolgreich eine schwierige, entwicklungsbeeinflussende Risikosituation bewältigt hat. Für unser Leben ist sie deswegen von großer Bedeutung, denn immer wieder stehen wir auch vor schwierigen, herausfordernden Situationen. Aber entgegen früheren Annahmen werden wir nicht mit einer bestimmten Art von Resilienz geboren, sondern sie entwickelt sich in Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das bedeutet: Wir können durch unser Verhalten und unseren Umgang mit unseren Kindern – im Alltag wie auch in schwierigen Situationen – diese besondere Fähigkeit stärken.

Als Eltern können wie die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern beeinflussen

Wie stark unsere psychische Widerstandsfähigkeit ausgeprägt ist, ist also von Mensch zu Mensch verschieden und verändert sich auch im Laufe des Lebens. Es gibt allerdings hemmende und stärkende Faktoren, die sich auf die Entwicklung von Resilienz auswirken können. Als Bindungspersonen können wir diese Faktoren in der Kindheit ganz besonders beeinflussen und so dazu beitragen, dass unsere Kinder mit Krisen mehr oder weniger gut umgehen können.

Wie wir die Ausbildung von Resilienz unterstützen können

Unter den Schutzfaktoren wird zwischen personalen Ressourcen und sozialen Ressourcen unterschieden. Hier spielen u.a. Temperament und die Stellung in der Geschwisterfolge eine Rolle, aber auch die Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit des Kindes sind wichtig: Kinder brauchen die Möglichkeit, sich aktiv in den Alltag einzubringen und sich als wertvoller Teil der Gemeinschaft zu empfinden. In jedem Alter können sie entsprechend beteiligt werden am Haushalt, darin kleinere oder größere Aufgaben übernehmen und sich auch in den restlichen Alltag aktiv einbringen. Als soziale Wesen kooperieren sie von Anfang an (auch wenn wir das nicht immer wahrnehmen bzw. ihre Kooperationsbereitschaft irgendwann auch aufgebraucht ist) und wünschen sich, durch eine Einbindung in das Familienleben wertgeschätzt zu werden.

Die Möglichkeit, in dieser Weise in den Alltag eingebunden zu werden, spiegelt sich im Erziehungstil wieder: Als Schutzfaktor gilt ein demokratischer Erziehungsstil mit Bindungspersonen, auf die sich das Kind verlassen kann und die gleichzeitig das Kind eigene Erfahrungen machen lassen: Wurzeln und Flügel. Auch die Einbindung in andere gute Beziehungen und ein unterstützendes familiäres Netzwerk sind wichtige Punkte für die psychische Widerstandsfähigkeit.

Was bedeutet das nun für unseren Alltag?

Wir können die Fähigkeit von Kindern, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen, auf recht einfache Weise fördern: Indem wir sie so annehmen, wie sie sind und sie in unseren Alltag einbinden in Vertrauen und Wertschätzung. Das bedeutet, dass wir ihnen die Chance geben, sich im Spiel und in Alltagsaufgaben auszuprobieren und Lernerfahrungen zu machen: Vielleicht geht es am Anfang daneben, wenn sich das Kind mit einem kleinen Krug selbst einschänken will, aber mit der Zeit und durch wiederholtes Lernen wird es besser. Wir können unsere Kinder „helfen“ lassen – in einem ehrlichen Sinn. Nicht mit babyeinfachen Aufgaben, sondern wirklich ihrem Alter entsprechend und uns über diese Entlastung durch die Kinder freuen: Natürlich können Kinder Müll wegbringen, einkaufen gehen und/oder einfache Gerichte kochen oder backen. Wir können uns über diese Hilfe aufrichtig, nicht aufgesetzt, freuen und Dankbarkeit zeigen. Sie können auch in Entscheidungen demokratisch eingebunden werden, beispielsweise in Form eines Familienrats, in dem wöchentlich wichtige Punkte besprochen werden und alle in der Familie sich einbringen können, ihre Meinung sagen und erklären, was sie gerade brauchen, was gut läuft, was fehlt. Hier kann auch diskutiert werden und es werden gemeinsam Alternativen gefunden, wenn nicht alle übereinstimmen.

Die Resilienz unserer Kinder können wir also durch einfache Beteiligung und Wertschätzung stärken. Wir müssen dazu nichts extra kaufen, müssen nichts beibringen, sondern unterstützen und respektieren unsere Kinder und nehmen sie als wichtigen Bestandteil unseres Lebens ernst.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

*Wustmann 2004

Wer ist hier verantwortlich?

Streit und Auseinandersetzungen gehören zu unserem Leben dazu. Im Zusammenleben mit anderen geraten Meinungen aneinander, wir nehmen unterschiedliche Positionen ein. Das kommt bei erwachsenen Menschen ebenso vor wie bei Erwachsenen und Kind: zwei Meinungen und ein Kind, das noch nicht die Position und Gedankenwelt des Gegenüber einnehmen kann. Manchmal fällt es auch uns Erwachsenen schwer, nun die durchdachte, überlegte Position einzunehmen und auch wir werden wütend in einer Konfliktsituation. Wir streiten, schimpfen und erklären dem Kind dann „Das habe ich getan, weil du mich so wütend gemacht hast!“ Aber stimmt das wirklich?

Das Kind ist Schuld!?

„Weil du immer die Tasse beim Essen umwirfst, bekommst du das Getränk erst nach dem Essen!“, „Weil du immer so trödelst, kommen wir immer zu spät!“, „Weil du dein Brot nicht aufisst, verschwenden wir so viele Lebensmittel!“, „Weil du so frech bist, bin ich immer so fertig.“, „Weil du…“ Die Liste an Beschuldigungen, woran Kinder in den Augen Erwachsener schuldig sein könnten, ist lang. Und es mag sich zunächst auch erst einmal logisch anfühlen: Ursache: eigenwilliges Kind, Wirkung: Problem. Und daraus folgend Streit.

Doch diese Sichtweise entlässt uns Erwachsene aus der Pflicht. Als Erwachsene tragen wir die Verantwortung. Wir gehen den Weg voran, wir zeigen, wie der Alltag funktioniert und was Kinder wie lernen können. Wir sind Vorbild und Impulsgeber*innen. Kindern die Schuld zu geben daran, wenn immer wieder Situationen anders laufen als geplant, oder ihnen gar die Schuld an unseren Emotionen zu geben, vertauscht die Rollen.

Verantwortung übernehmen

Wenn Situationen in unserem Alltag schief laufen, ist es unsere Aufgabe als erwachsene Person zu hinterfragen: Wie kann ICH diese Situation anders gestalten, damit mein Kind damit anders umgeht? Wie kann ich die Rahmenbedingungen am Tisch ändern, damit es das Wasser nicht umwirft (stehen die Dinge an einem falschen Platz? Braucht es ein kleineres Glas? Möchte das Kind mit umgeworfenen/heruntergeworfenen Dingen zeigen, dass das Essen beendet ist?…) – und zwar ohne die Bestrafung, das Wasser wegzustellen? Wie kann ich als erwachsene Person morgens die Rahmenbedingungen ändern, damit wir pünktlich los kommen? Es ist zu viel von einem Kleinkind und selbst Grundschulkind verlangt, dass es selbst an Pünktlichkeit denkt und ein konkretes Zeitgefühl hat. Wie kann ich die Mahlzeiten entweder so anbieten, dass das Kind sie verzehrt (kleinere Portionen, mehr Orientierung an den Nährstoffen und Suche nach Alternativen Lebensmitteln, die diese enthalten)?

Ganz besonders wichtig ist, dass wir die Verantwortung übernehmen für unsere Gefühle: Unsere Kinder können in uns Gefühle auslösen, aber sie sind nicht Schuld daran. Sie sind Kinder. Als Erwachsene müssen wir verantwortungsvoll mit unseren Gefühlen umgehen. Das bedeutet: Natürlich dürfen wir enttäuscht, wütend, erschöpft etc. sein. Aber: Wir sollten dies nicht dem Kind anlasten, dass sich eben wie ein Kind verhält, sondern die Rahmenbedingungen betrachten, die uns dazu führen, dass wir das Kind vielleicht als zusätzlich belastend empfinden. Und ganz besonders sollten wir unseren Gefühle hinterher spüren und ihre Umsetzung betrachten: Wenn ich wütend bin, wie gehe ich mit meiner Wut um? Es liegt in unserer Verantwortung, gerade starke Gefühle kindgerecht ausdrücken und unsere Kinder nicht zu verängstigen, zu beschämen oder unter Druck zu setzen, weil wir selbst so fühlen, weil wir selbst keinen Weg finden, mit unseren Gefühlen umzugehen und sie ungefiltert an das Kind übergeben.

Als Eltern tragen wir Verantwortung. Und wir gehen als Beispiel für einen verantwortlichen Umgang mit den eigenen Gefühlen voran. Als Vorbild für eine – noch ferne – Zukunft.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Ein Dankeschön an das Kind

Vielleicht sind auch bei euch gerade die Zeiten nicht so einfach: Vielleicht habt ihr viele Aufgaben und wenig Zeit, sie zu erledigen. Vielleicht ist der Tag gerade vollgestopft mit „Muss ich noch…“ und „Gleich, aber vorher noch schnell…“ – eine aufreibende Situation nicht nur für uns Erwachsene, sondern auch für die Kinder. Denn ja: Manchmal werden Bedürfnisse gerade jetzt übersehen. Aufgeschoben und dann vergessen, statt sich daran zu erinnern. Oder es wird ein „Oh ja, stimmt, aber jetzt schaffen wir das nicht mehr, vielleicht morgen…“ hinterher geschoben. Es ist viel gerade. Zu viel. Und es ist menschlich, dass wir all den Trubel nicht immer und jeder Zeit überblicken können.

Nicht das Kind ist das Problem!

Wichtig ist in dieser Zeit, dass wir unseren Kindern dennoch vermitteln, dass sie keine zusätzliche Last sind. Die Situation ist belastend, die Vereinbarkeit von Homeoffice und Kinderbetreuung zu Hause ist belastend. Finanzielle Nöte sind belastend. Die Balance von Bedürfnissen ist belastend und auch der Umstand, dass wir unter Stress weniger feinfühlig sind und weniger gut die Bedürfnisse und Signale unserer Kinder wahrnehmen können. Unter Stress fallen viele Dinge, gerade zwischenmenschliche, schwerer. Unter Stress wird der Rahmen enger, in dem sich unsere Kinder frei bewegen können, weil wir weniger Toleranz haben für die ganz natürlichen, kindgerechten Dinge, die eben im Leben mit Kindern so schief laufen: Dass hier mal das Waschbecken überläuft oder die Tasse umkippt oder das neue Shirt nun Tomatenflecken hat. Was wir in entspannten Zeiten mit einem Lachen hinnehmen können, ist in schwierigen Zeiten manchmal ein Problem. Aber nicht das Kind ist das Problem. Das Kind ist ein Kind. So, wie es immer ein Kind ist.

Ein kleines Ritual in einer stressigen Zeit

Es ist wichtig, dass sich unsere Kinder auch jetzt – gerade jetzt – geliebt und wertvoll fühlen. Dass sie sich als geliebter, wertvoller Bestandteil empfinden der Familie. Und gerade dann, wenn es vielleicht tagsüber zu wenig solcher Anerkennung und Zuwendung gab, tut es gut, ein Ritual zu haben, um dem Kind jeden Tag noch einmal eine positive Bestärkung mit auf den Weg zu geben. Ihm jeden Tag zu sagen, dass es wichtig ist, dass es geleibt ist. Nicht nur mit den Worten „Ich hab dich doch lieb!“, sondern mit echten und persönlichen Worten. Mit Worten wie „Heute habe ich gemerkt, dass du dich lange beschäftigt hast mit…“, „Du hast heute ein besonders buntes Bild gemalt!“ – Und wir können darüber nachdenken, welche besonders schönen Momente wir mit dem Kind hatten und vielleicht auch, was wir heute durch die Augen unserer Kinder anders gesehen haben, was uns selbst – jetzt, mit etwas Abstand betrachtet – bereichert hat. Wir können uns jeden Tag eine kleine Notiz darüber aufschreiben, was wir am Zusammensein mit unserem Kind wertschätzen, lieben, genießen. Gerade jetzt. Und für später. Für uns selbst und für unser Kind.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Sollen wir Konflikte mit Kindern vermeiden?

Gerade in Zeiten, die für uns anstrengend und schwierig sind, versuchen wir, unnötige Steine aus dem Weg zu nehmen. Das ist ein sehr sinnvolles Vorgehen. Es entlastet uns und gibt und Kraft für die anderen Aufgaben. Manchmal sind wir versucht, so auch bei den Kindern zu handeln: Bevor es wieder Streit gibt, mache ich es lieber anders. Das kann eine gute Idee sein, muss es aber nicht:

Meine Überzeugungen leiten mich

Manchmal machen es uns bestimmte Annahmen schwer, die wir im Laufe unseres Lebens erworben haben. Überzeugungen, die vielleicht aus der eigenen Kindheit stammen und von denen wir, wenn wir ehrlich darüber nachdenken, nicht wissen, warum sie falsch sein sollten. Solche Überzeugungen können uns den Alltag wirklich manchmal schwerer machen, als er sein müsste und wir können sie entspannt einmal zur Seite legen. Beispiele dafür können sein: „Kuchen darf nicht zum Frühstück gegessen werden!“, „Eine warme Mahlzeit am Tag muss sein!“, „Wer sich nicht bewegt, darf heute nicht fernsehen!“, „Wenn wir den Ablauf einmal anders machen, dann klappt das nie wieder mit…“ … Natürlich hat jede Familie eigene Werte und Leitsterne. Aber an manchen Stellen ist es auch völlig in Ordnung, sie zu hinterfragen und von ihnen abzuweichen, wenn wir feststellen, dass sie uns mehr einengen, als dass sie uns helfen. Und gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt gerade, ist es gut, einfache Lösungen zur Entspannung zu finden.

Meine erwachsene Grundannahme ist falsch

Manchmal geraten wir mit unseren Kindern in einen Konflikt, weil wir eine falsche Grundannahme haben: Wir denken beispielsweise, das Kind könne etwas noch nicht. Das Kind aber fordert dieses Handeln ein, denn es verfolgt den eigenen Entwicklungsfortschritt und möchte lernen. Als Eltern könnten wir nun diesem scheinbaren Problem aus dem Weg gehen, indem wir die Situation vermeiden, damit der Konflikt nicht auftritt. Wir wären den Konflikt los, gleichzeitig würde das Kind aber nicht seiner Entwicklungsaufgabe nachkommen und das Problem würde sich eventuell nur verschieben.

In diesem Fall würde es nicht hilfreich sein, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, sondern wir müssten verstehen, warum das Kind beispielsweise darauf beharrt, sich allein anzuziehen, den Teller abzuräumen etc. – weil es dadurch die eigenen Kompetenzen ausbaut.

Die Situation ist nur ein Auslöser

Ähnlich verhält es sich auch in einer anderen Situation: Das Kind zeigt beispielsweise immer wieder abends ein bestimmtes Verhalten und ist wütend oder schimpft oder schreit. Die Eltern versuchen mit immer anderen Tricks diesem Verhalten zuvor zu kommen, ändern hier und da etwas am Ablauf, versuchen es dem Kind auf jede Art recht zu machen, aber es klappt einfach nicht. Das Verhalten des Kindes liegt nämlich nicht an einer bestimmten Situation, sondern das Kind sucht einen Kanal, um noch einmal Gefühle loszuwerden. Hier ist es hilfreicher, als dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, andere Strategien auszuprobieren oder zu suchen, wie das Kind noch Ärger, Frustration oder Energie loswerden kann.

Wir wünschen uns, dass unsere Kinder fröhlich sind und lachen. Wir kommen schnell in Versuchung, unser Kind abzulenken oder den Grund für seine Traurigkeit zu mildern: „Ach, sei nicht traurig, ich kauf dir ein neues Kuscheltier.“ Manchmal ist dies eine gute Lösung. doch oft brauchen Kinder einen Menschen an ihrer Seite, der die Situation begleitet und ihnen ihre Gefühle spiegelt, damit sie damit umgehen lernen.

S. Mierau (2017): Ich! Will! Aber! Nicht!

Dem Konflikt nicht aus dem Weg gehen

Manchen Konflikten können wir tatsächlich nicht aus dem Weg gehen. An vielen Stellen können wir – wie oben gesehen – unsere Annahmen hinterfragen über unsere Werte oder Annahmen über das Kind, wir können die Ursache hinterfragen, aber manchmal gibt es eben doch nur den Konflikt zwischen Eltern und Kindern. Und auch das ist nicht schlimm. Auch Konflikte gehören zum Alltag dazu und über sie lernt das Kind viel über zwischenmenschliche Beziehungen, Diskursfähigkeit und andere Bedürfnisse. Wir müssen auch als liebevolle, bedürfnisorientierte Eltern nicht allen Konflikten aus dem Weg gehen – gerade weil wir die Bedürfnisse des Kindes im Blick haben und diese Auseinandersetzungen zur Entwicklung dazu gehören. Im Konflikt lernen Kinder etwas über sich, andere, den Umgang mit Gefühlen. Sie lernen, Wut und Enttäuschung auszudrücken und wie diese beruhigt werden können.

Wichtig ist also, sich die Ursache und die eigenen Gedanken erst einmal in Ruhe anzusehen und dann zu entscheiden, in welche Richtung wir gehen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Toben und wild sein

Kinder sind Kinder. Sie hüpfen, rennen, balancieren und kugeln sich auf dem Boden. Je nach Temperament setzen sie das stärker oder schwächer um, sind dabei forscher oder schüchterner. Dass sie all das tun, ist aber Teil ihrer Entwicklung: Nachdem sie das Laufen erlernt haben, lernen sie auch die Feinheiten der Fortbewegung, die schnellen und ruhigen Arten und lernen, mit ihrem Körper auf ganz unterschiedliche Art umzugehen. Im Alltag suchen sie sich dafür ihre Räume und Möglichkeiten: Klettern auf kleine Mauern, um darauf zu balancieren, rollen sich einen Hügel seitwärts hinab im weichen Gras. Was aber, wenn diese Möglichkeiten wegfallen, weil die Kinder mehr zu Hause sind?

Das Bedürfnis nach Bewegung

Dass Kinder ein Bedürfnis nach Bewegung haben, ist normal. Auch wir Erwachsene haben es, auch wenn sich unser Bedürfnis nach Bewegung über die Jahrzehnte verändert hat, wie vielleicht durch die Erfahrungen des Stillsitzens und der langen Schreibtischarbeit, durch die wir diesem Bedürfnis weniger nachkommen (zum Teil mit gesundheitlichen Folgen). Wir können durch Bewegung Stress abbauen, die motorische Entwicklung unterstützen, ebenso wie die Gesundheit. Unsere Kinder kommen diesem Bedürfnis in ihrem Alltag nach, im Spiel, während wir Erwachsene dafür eigene Räume und Anlässe haben wie gezielte Sportangebote. Der Sport- und Bewegungswissenschaftler Dr. Dieter Breithecker erklärt, dass Kinder „zum Aufbau ihrer organischen Funktionen eine tägliche Belastungseinheit von mindestens (!) zwei Stunden“ benötigen.

Raum für Bewegung

Im Alltag haben die Kinder normalerweise eine Vielfalt an Möglichkeiten, um dieser körperlichen Belastung nachzugehen: Sie rennen mit Freund*innen, sie balancieren und klettern auf dem Weg zur Kita/Schule oder auf dem Spielplatz, sie hüpfen vor Freude oder rutschen ein Treppengeländer hinunter. Sie raufen und balgen mit Geschwistern und Freund*innen – nicht eines kriegerischen Kampfes wegen, sondern weil sie durch das Toben ihre Fertigkeiten ausbauen und wichtige Erfahrungen machen. Gerade das Toben unter Kindern ist für sie auch von besonderer Bedeutung: Hier erfahren sie, mal stark oder schwächer zu sein in Auseinandersetzung mit anderen Kindern, spüren Kraft und Ausdauer, Fairness, Regeln, Grenzen zu benennen und bei anderen zu bewahren, sich bei Grenzverletzungen zu streiten und wieder zu vertragen. Sie lernen, mit Impulsen umzugehen und Kanäle für Aggressivität zu finden. Es ist normal, dass Kinder miteinander toben und kämpfen und das auch einen Raum in ihrer Kindheit hat. Diese normalen Impulse der Kinder zu unterdrücken mit einem „Kämpfen/Toben ist doof!“, „Wir kämpfen/toben nicht.“ oder gar einer geschlechtsstereotypen Zuordnung wie „Mädchen kämpfen/toben nicht!“ kann Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen. Auch das Toben mit Erwachsenen kann für Kinder manchmal eine Bereicherung sein, wenn sie sich daran erproben und gelegentlich auch Oberhand gewinnen, die sonst vorherrschende Machtverteilung umkehren können.

Kinder brauchen diesen Raum für das wilde Spielen. In unserem Alltag geben wir dem manchmal wenig Raum – im wahrsten Sinne des Wortes, wenn Kinder sich in den Wohnungen nicht kindgerecht bewegen dürfen, wenn das Trampeln und Hüpfen verboten ist oder es keine Orte gibt, an denen balanciert und gesprungen werden darf. Gerade jetzt, wo die Bewegungsfreiheit und die Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sind und auch das Toben mit anderen Kindern nur bedingt möglich ist, können Kinder darunter leiden, in ihrem Bewegungsbedürfnis eingeschränkt zu sein. Angeleitete Sportangebote unter elterlicher Aufsicht können nur bedingt das freie Bewegen und Ausprobieren ersetzen. Deswegen ist es wichtig, auch dafür Räume zu schaffen, beispielsweise durch:

  • die Möglichkeiten, sich zu Hause nach Bedarf bewegen zu können, beispielsweise auf dem Bett zu hüpfen oder einen Kletterparcours aufbauen zu können mit Stühlen
  • keine oder nur geringe Einschränkungen in Bezug auf die normalen Bewegungsbedürfnisse wie das Hüpfen und Rennen (ggf. mit den Nachbarn klären, Aushang im Haus und Ruhezeiten)
  • das Angebot des wilden Tobens mit Eltern, wenn andere Kinder hierfür nicht verfügbar sind,
  • Besuche im Wald oder der Natur, wenn Spielplätze geschlossen sind, damit Kinder sich ungezwungen bewegen können,
  • gemeinsame Bewegungsspiele, spontaner Tanz

Auch wenn es unserer erwachsenen Erwartungen und Vorstellungen manchmal nicht entspricht und ein wild tobendes Kind auch eine akustische Herausforderung ist, sind Toben und Bewegung für Kinder von besonderer Bedeutung und wir müssen dieses Bedürfnis in unserem Alltag berücksichtigen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Eine Tagesstruktur im Homeoffice mit Schulkindern und Kindergartenkindern ausbilden

Die vergangenen Wochen waren für viele Eltern nicht einfach, weil sich ihr Arbeitsalltag verändert hat. Die vergangenen Wochen waren auch für viele Kinder nicht einfach, weil sich deren Alltag verändert hat. Und um es noch komplizierter zu machen, sind die veränderten Gewohnheiten von Eltern und Kindern in den Familien aufeinander getroffen, mussten aufeinander abgestimmt werden und es musste Rücksicht genommen werden auf die jeweiligen Bedürfnisse und Gefühle.

Bedürfnisse und Erfordernisse vereinbaren

Unter diesen besonderen Rahmenbedingungen einen neuen Alltag auszubilden, ist nicht einfach, denn sowohl Bedürfnisse als auch Erfordernisse müssen unter einen Hut gebracht werden: In Bezug auf Erfordernisse bedeutet das in vielen Familien, dass die Eltern (manchmal in geringerem Umfang) zu Hause arbeiten müssen, in Bezug auf die Kinder, dass sie ggf. (je nach Schule und Klassenstufe) Unterrichtsinhalte aufarbeiten sollen und es bedeutet auch, dass sie ihren natürlichen Entwicklungsbedürfnissen auch nachkommen müssen, um weiter in das Leben hinein zu wachsen. Dazu kommen Bedürfnisse nach Nähe, Kontakt, Wertschätzung, Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe, Ernährung,… All diese Aspekte gibt es auf Seiten der Eltern, als auch der Kinder – nur sind Kinder auf die Versorgung durch die Eltern angewiesen: Während Erwachsene selbständig mal zwischendurch ein Obst essen, wollen Kinder das zubereitet bekommen (weil sie es noch nicht selbst zubereiten können und/oder zugleich mit der Nahrung auch das Bedürfnis nach Zuwendung einfordern).

Um eine eigene Tagesstruktur festzulegen, kann es hilfreich sein, sich die Bedürfnisse und Erfordernisse der Familienmitglieder aufzuschreiben. Gerade in Bezug auf die Kinder ist dies auch hilfreich, um sich ihre Abhängigkeit in vielen Punkten vor Augen zu führen und auch zu verdeutlichen, dass ihr Verhalten an vielen Stellen tatsächlich normal ist – auch wenn es mit unserem Alltag schwer vereinbar ist, beispielsweise das kindliche Bedürfnis nach Bewegung (das wir Erwachsene eigentlich auch haben, aber oft über lange Zeit unterdrückt haben): balancieren, rennen, hüpfen – all das ist ein normales Bedürfnis. Ebenso wie ihr in der aktuellen Zeit vielleicht besonders starkes Bedürfnis nach Zuwendung und Sicherheit, das sich durch häufige Kontaktversuche und mehr Hilflosigkeit zeigen kann.

Anregung und Entspannung

Neben diesen Dingen, die zu vereinbaren sind, braucht es auch noch einen guten Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung im Tagesablauf: Erwachsene machen häufig alle 90 Minuten eine kleine Pause von ihrer Arbeit, indem sie aufstehen, zur Toilette gehen, sich ein Getränk holen… Auch für Kinder ist ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung wichtig, denn sowohl ein Überlastung in Hinblick auf Anregungen kann zu viel werden, als auch zu wenig Möglichkeiten für anregende Tätigkeiten. In der Schule sehen wir das anhand der Schulpausen zwischen den Unterrichtseinheiten, obwohl gerade in den jüngeren Jahrgängen auch individuelle Pausen möglich sein sollten. Es ist gut, beide Aspekte ganz bewusst in den Alltag einzubinden und ein Bewusstsein für Anspannung und Entspannung zu schaffen, und dass beides wichtige Bestandteile des Alltags sind. Während wir Erwachsenen der Entspannung durch unbewusste Handlungen nachkommen und durch ganz bewusste Entspannungsübungen, brauchen Kinder oft noch eine Begleitung, um diese gut in den Alltag zu integrieren und wir Co-regulieren sie mit einem Entspannungsangebot nach einer Anspannung.

Ruhepausen für Eltern

In der aktuellen Situation sind Eltern oft besonders angespannt, da uns die Ungewissheit ängstigt und einschränkt, wie selbst uns als weniger selbstwirksam erfahren und zudem noch finanzielle Sorgen hinzu kommen können. Auch die Arbeitslast generell ist hoch zwischen Care-Arbeit, Haushalt und Erwerbsarbeit und vielleicht gibt es auch noch persönliche Sorgen bei Erkrankungen nahestehender Personen oder eigentlich pflegebedürftigen Menschen, die wir aktuell nicht versorgen können. Das Fass an Stress ist also ohnehin schon sehr voll.

Kinder mit ihren natürlichen Bedürfnissen und ihrem kindlichen Verhalten können nun dieses Fass zum Überlaufen bringen. Dabei zeigen sie eigentlich ein normales Verhalten, das wir nur gerade nicht zusätzlich aufzufangen schaffen. Deswegen ist es wichtig, dass Eltern gerade jetzt auch gut auf sich schauen und die oben genannten Entspannungszeiten ganz besonders auch für sich selbst in den Alltag einbinden.

Den richtigen Weg für Deine Familie finden

In unserem ganz persönlichen Tagesablauf (siehe Bild oben) für unsere Familie haben wir versucht, Anspannung und Entspannung in einem ausgewogenen Verhältnis aufzubauen und besonders auch die Bedürfnisse der Kinder nach Zuwendung zu berücksichtigen, aber auch bewusst Ruhepausen für uns Eltern einzubinden, beispielsweise während der Medienzeiten der Kinder. Diese sind aktuell ausgeweitet, sorgen aber dabei dafür, dass wir Eltern im Tagesablauf auch Rückzugsmöglichkeiten haben, in denen wir uns mit einem Tee in Ruhe auf das Sofa setzen können ganz ohne Kinderfragen. Das beugt in unserer Familie Stress und Gereiztheit etwas vor. Jede Familie muss aber ihren eigenen Weg finden in Abhängigkeit von Temperamenten, Bedürfnissen, Alter der Kinder, Erwerbsarbeit der Eltern etc. – eine allgemein gültige Lösung gibt es nicht. Nur die Aufforderung, wirklich alle Bedürfnisse und Besonderheiten der einzelnen Personen genau anzusehen und daraus ein Konzept zu bilden.

Kommt gut durch diese Zeit.
Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Mit den starken Gefühlen meines Kindes umgehen

Die Gefühlswelt von Kindern ist groß und schillert in vielen Facetten. Anders als bei uns Erwachsenen, können sie die vielen unterschiedlichen und starken Gefühle aber noch nicht gut regulieren und sind auf uns und unsere Co-Regulation angewiesen: Anders als Säuglinge schaffen es Kleinkinder schon mehr, ihre Bedürfnisse etwas aufzuschieben, mehr zu kooperieren und fangen an, auch die Perspektive der Eltern einzunehmen, aber viele Gefühle werden noch sehr intensiv ausgelebt und können nicht gut eingeordnet und verarbeitet werden. Das liegt vor allem an der Gehirnentwicklung: Das Fühlen und überlegte Denken des Kindes ist noch nicht wie bei erwachsenen Menschen miteinander verbunden, weshalb sie noch impulsiv reagieren. Erst durch die Einordnung und Begleitung durch Erwachsene lernen Kinder nach und nach mit Gefühlen umzugehen und bilden ein Muster für den Umgang mit den einzelnen Gefühlen aus.

Gefühle wollen begleitet werden

Allein ist es dem Kind noch nicht möglich, die starken Gefühle, die es wahrnimmt, einzuordnen. Es braucht dafür andere erwachsene Bezugspersonen, die

So lernt es zunehmen, mit den Gefühlen umzugehen, sie wahrzunehmen, einzuordnen und einen passenden Ausdruck dafür zu finden. Hilfreich kann es auch sein, abseits von aktuellen Gefühlssituationen, passende Bücher über die Bandbreite von Gefühlen gemeinsam anzusehen. Lehnen wir hingegen bestimmte Gefühle bei dem Kind ab, unterdrückt es diese zunehmend und bildet keinen guten Zugang zu ihnen aus, lehnt sie bei sich selbst und anderen ab, was sich auf die Selbstwahrnehmung und Interaktion mit anderen auswirkt. Zeigen wir keine Umgangsmöglichkeiten mit Gefühlen auf und helfen dem Kind nicht, einen guten Umgang mit starken Gefühlen zu finden, hat das Kind Schwierigkeiten, selber gute Strategien auszubilden und kann somit schuldlos immer wieder an gesellschaftliche Konventionen anstoßen.

Gefühle übersetzen

Während es auf der Seite des Kindes wichtig ist, dass wir Eltern dem Kind die Gefühle erklären, sie begleiten und benennen, ist es auf der anderen Seite auch für uns Eltern wichtig, uns selbst das Verhalten des Kindes zu erklären und den Ausdruck der Gefühle zu übersetzen: Was zeigt mein Kind mit seinem Verhalten? Was braucht es gerade, wenn es wütend, traurig oder freudig ist?

Es ist ebenso wichtig, die Freude eines Kindes zu begleiten und sich mitzufreuen, wie Wut oder Angst zu begleiten. Allerdings erscheint es uns manchmal einfacher, die Freude zu teilen, als die Angst eines Kindes anzunehmen, zu verstehen, dass es jetzt ein Gefühl von Sicherheit braucht, auch wenn wir als Erwachsene die Situation nicht als ängstigend einschätzen. Auch hier gilt: Zunächst nehmen wir das Gefühl des Kindes respektvoll an, zeigen mit unserem Verhalten Beruhigungsstrategien auf und zeigen dadurch gleichzeitig, dass dies keine Situation ist, in der das Kind sich ängstigen muss. So erlernt es nach und nach Kompetenz im Umgang. Ist es doch eine Situation, in der Angst angebracht ist, lernt das Kind durch unser Vorbild einen respektvollen Umgang mit der Situation.

Gerade in Situationen, die Kinder noch nicht gut überblicken können, die neu sind, in denen Veränderungen eingetreten sind (vielleicht sogar plötzlich), können Kinder starke Gefühle zeigen. Das ist in einer solchen Situation, die vielleicht auch für die Eltern noch neu und übersichtlich ist, besonders anstrengend. Dennoch ist es aber wichtig, diese starken Gefühle des Kindes als Ausdruck dieser Verunsicherung oder Umgewöhnung zu sehen und sie weder abzulehnen/zu unterdrücken, noch ins Leere laufen zu lassen. Gefühle wollen begleitet werden, damit Kinder zunehmend gut selbständig damit umgehen können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Rückzug und Selbständigkeit im Nahbereich der Eltern

Wenn wir an Rückzug und Ruhe denken, denken wir oft an die Bedürfnisse von Eltern und weniger daran, dass das natürlich auch Bedürfnisse von Kindern sind. Auch Kinder brauchen Rückzugsräume und dann Ruhe, wenn sie es brauchen – was nicht immer mit unserem Urteil übereinstimmt. Und gerade dann, wenn Kinder sehr viel Zeit im Nahbereich der Eltern verbringen und sich „unter ihren Augen“ entwickeln, sind Räume für den Rückzug, für Heimlichkeit und Selbständigkeit besonders wichtig.

Im elterlichen Nahbereich

Kindheit findet heute ohnehin viel mehr im Nahbereich der Eltern statt: Kinder entfernen sich weniger weit von ihrem Zuhause ohne Eltern, es gibt mehr „Spielinseln“, zu denen Eltern ihre Kinder bewegen (Kindergarten, Sportvereine, Musikschule,…), als dass Kinder sich alleine und selbständig bewegen und auch zu Hause haben Kinder weniger Freiraum für ihr Tun. Dabei ist dieser Freiraum natürlich eigentlich ein wichtiger Bereich der kindlichen Entwicklung, denn hier findet ungehinderte Entwicklung und freies Lernen statt: Das Kind probiert sich aus, kann mit Ursache-Wirkung und Versuch-Irrtum lernen – Lernmöglichkeiten, die unter den Augen der Eltern nicht immer gegeben sind.

Als Eltern greifen wir aufgrund unseres persönlichen Wissens schnell ein: „Das passt nicht ineinander!“ oder aufgrund unserer Ängste: „Lass das lieber, sonst tust du dir noch weh!“ oder weil wir keine Zeit und/oder Ressourcen haben, um die Konsequenzen des kindlichen Handelns zu bewerkstelligen „Nein, sonst muss ich das nachher wieder aufräumen!“ – So verständlich dies aus der Erwachsenenperspektive ist, schränkt es kindliches Handeln und Erfahren ein.

Lernen und Entwicklung aber finden im Raum des Auseinandersetzens statt. Kinder lernen durch Erfahrungen und dem Be-Greifen der Welt. Es ist verständlich, dass wir unsere Kinder schützen wollen vor Gefahren, aber gleichzeitig müssen wir die vor der Gefahr schützen, dass wir ihnen den Zugang zur Welt nicht ermöglichen, indem wir sie einschränken und klein halten.

Kinder machen lassen

Gerade jetzt, wo der kindliche Aktionsradius noch mehr als ohnehin schon eingeschränkt ist und die meiste Zeit des Tages unter den Augen der Eltern agiert wird, sind Freiräume wichtig. Als Eltern können wir unseren Kindern zu Hause versuchen, diese Freiräume je nach Alter anzubieten: Indem wir sie in den Haushalt einbinden und sie beispielsweise bei der Essenszubereitung beteiligen und sie selber Entscheidungen treffen können oder das Essen verrühren. Im Alltag können wir uns bewusst zurücknehmen mit unserem Urteil und unseren Vorgaben und die Kinder dazu ermuntern, Dinge selber auszuprobieren und zu machen. Wir können Präsenz zeigen, anwesend sein und ansprechbar, aber den Kindern die Chance geben, selbst wirksam zu sein. Manchmal bedeutet das wirklich, dass dann gemeinsam am Abend mehr aufgeräumt werden muss, aber es gibt auf der anderen Seite mehr Freiräume und Zufriedenheit.

Rückzug

Und neben dem freien Tun und Entfalten ist es auch wichtig, dass Kinder ab Vorschulter auch Dinge im Verborgenen tun können, sich zurückziehen können. Vielleicht gibt es zu Hause nicht die räumlichen Möglichkeiten, um sich in ein eigenes Zimmer zurück zu ziehen, um den Gedanken nachzuhängen oder in Ruhe etwas zu bauen oder auch etwas zu tun, was in unseren erwachsenen Augen unsinnig ist. Vielleicht aber können wir dem Kind dann eine kleine Höhle tagsüber einrichten unter dem Esstisch, eine Rückzugsecke in einem Teil eines Zimmers hinter einem Vorhang oder einem Raumtrenner oder sogar kreativ einen Schrank mit Kissen und Decken ausstatten, in den sich das Kind mit einem Buch zurückziehen kann, wenn es das mag. Auch Kinder brauchen einen Wechsel von Anspannung und Entspannung und Möglichkeiten, dies selbst zu tun.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de