Auch Eltern haben Grenzen

Natürlich gibt es Grenzen im Leben mit Kindern. Grenzen in Bezug auf andere Personen, auf gesellschaftliches Zusammenleben. Grenzen von uns Erwachsenen und Grenzen von Kindern. All diese Grenzen sind wichtig. Wo sie verlaufen, können Menschen nur individuell bestimmen: Einige sind geräuschempfindlicher als andere, einige mögen bestimmte Berührungen nicht. Einige Mütter haben Schwierigkeiten damit, wenn ihre Kinder beim Stillen die Brust kneten, anderen macht das nichts aus. Grenzen sind also individuell. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir einen offenen, fließenden Begriff von Grenzen im Zusammenleben mit unseren Kindern haben und ihnen selbst genau auch dies entgegenbringen: eine Offenheit in Bezug auf ihre Signale und Grenzen. Wer ist mein Kind und wie genau kann ich mit diesem individuellen Kind umgehen? Diese jeweiligen Grenzen beachten wir. Auf der anderen Seite stehen wir Erwachsene mit unseren Grenzen und auch hier ist es wichtig, diese Grenzen zu kennen und zu benennen.

Warum es Eltern manchmal schwer fällt, selbst Grenzen zu setzen

Manchmal fällt es Eltern schwer, eine Grenze zu setzen: Sie haben Angst, dass das Kind sie weniger lieben könnte, wenn sie etwas ablehnen. Oder dass es dem Kind schaden könnte, wenn sie bestimmte Interaktionen vermeiden, weil sie einem selbst misshagen. Vielleicht ist das Kind auch besonders gewünscht und lange ersehnt und soll nun besonders mit Liebe überschüttet werden. Manchmal liegen die Ursachen auch in der eigenen Vergangenheit und man möchte es als Elternteil heute unbedingt ganz anders machen als die eigenen Kinder früher und wechselt in das gegenteilige Extrem: nicht zu viele Grenzen setzen, sondern lieber keine und die eigenen Grenzen übertreten lassen, damit das Kind sich wohl fühlt.

Elterngrenzen sind sehr wichtig – für Eltern

Aber auch unsere eigenen Grenzen sind wichtig. Sie zu kennen, ist für die Interaktion mit Kindern von großer Bedeutung. Denn wenn wir uns unserer Grenzen nicht gewahr sind oder versuchen, sie übergehen zu lassen, ohne dass wir es eigentlich wollen, gelangen wir irgendwann in ein unangenehmes Gefühl, sich nun schützen zu müssen. Auf einmal ist es dann wirklich zu viel, wir machen dicht, werden laut, weisen das Kind ab. Das Kind ist verunsichert: Bis eben war doch alles in Ordnung, warum jetzt auf einmal nicht? Besser ist es deswegen, wenn wir uns unserer eigenen Grenzen wirklich bewusst sind: Was sind meine körperlichen Grenzen, was sind meine emotionalen Grenzen und was kann ich an Handlungen und Tätigkeiten im Alltag zulassen, ohne heimlich mit den Zähnen zu knirschen? Wir sollten auch in unseren persönlichen Grenzen authentisch sein.

Natürlich ist es wichtig, diese Grenzen zu hinterfragen. Zu überlegen: Sehe ich das zu eng mit…? Und dann können wir ganz persönlich mit dieser Frage umgehen und daran arbeiten, um diese Grenze vielleicht zu verschieben. Aber im Bewusstsein dessen, dass sie ein Problem für uns darstellt und wir ganz bewusst damit umgehen wollen.

Elterngrenzen sind wichtig – für Kinder

Auch für unsere Kinder ist es wichtig, dass wir sichere, verlässliche Grenzen haben. So sind unsere Reaktionen in Teilen voraussagbar. So können Kinder sicher damit umgehen. Natürlich stoßen sie dennoch daran – es sind Kinder, die noch den sozialen Umgang erlernen. Aber es ist hilfreich für sie, dass immer wieder an dieselben Grenzen stoßen und so ein Gefühl für den elterlichen Raum bekommen. Und nicht zuletzt lernen sie auch hier durch unser Vorbild: Es gibt Grenzen bei Menschen und Menschen haben das Recht, diese Grenzen zu bewahren, zu schützen. Wo diese Grenze verläuft, ist von Mensch zu Mensch und von Grenzart zu Grenzart unterschiedlich, aber es gibt sie und ebenso wie Erwachsene haben Kinder das Recht, dass ihre Grenzen respektiert und gewahrt werden.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

7 Kommentare

  1. Schön geschrieben!
    Diese persönlichen Grenzen fallen mir sehr schwer. Wie mache ich meinem Kind verständlich, dass ich was nicht will, ohne dass es zu einem Streit kommt? Mir fällt es einfach viel leichter, ‘konsequent’ zu sein, wenn ich schon am Ende bin.. davor ists ja noch aushaltbar, oder ich frage mich, warum ich so wenig aushalte, wo doch (scheinbar) alle anderen Mütter so viel mehr aushalten als ich.
    Ich möchte meinem Kind auch nicht zu viel verbieten, aber alles, was ich ihm nicht verbiete, läd sich als Mehrarbeit bei mir ab und irgendwann brech ich dann wieder nieder…
    Er spielt gerne mit Wasser, das ist auch ok. Ich mag es aber nicht, wenn er den Becher da wo er grad lust dazu hat, ausschüttet. Dass ich ihm den Becher danach wegnehme und ihm sage, er soll das nicht machen, interessiert ihn recht wenig.
    Ihm aber deswegen das Wasserspielen (und Trinkenlernen aus dem Becher) im Haus gänzlich zu verbieten, scheint mir ein bisschen harsch…
    Und so gehts den ganzen Tag ?

    • Tanja Krzensk

      Unser weg, 2 mal warnen 3. mal ist der Becher weg. Wasserspiele nur draussen oder am Waschbecken, dusche Wanne. Trinken lernen mit offenem Becher: Bei uns hatte der dann einen festen Platz am Tisch oder Kindertisch, wo auch mal was nass werden darf. Lappen dazulegen, kommt aber auf das Alter an. Spielbecher nicht gleich Trinkbecher. Wenn nichts konsequenzen hat, warum soll das Kind sonst aufhören? Klare Strukturen, für Kinder gut erkennbar machen vieles einfacher. (Klappt natürlich nicht immer.)

  2. Danke für den schönen Artikel. Ich merke, dass wir abends an eine Grenze stoßen, nämlich meine. Unser fast fünfjähriger Sohni wird abwechselnd von uns einschlafbegleitet. Es wird aber immer später, was umgekehrt immer weniger Zeit für uns selbst und für uns als Paar bedeutet. Wenn einer von uns nach 21 Uhr aus dem Schlafzimmer getrottet kommt (wenn überhaupt, meistens schlafen wir direkt mit ein), ist ja auch nichts mehr los…
    Wir würden gern das Thema alleine einschlafen in Angriff nehmen, aber eben ganz behutsam und natürlich gern im Familienbett. Hat jemand hilfreiche Tipps?
    Liebe Grüße
    Caro

  3. so schön geschrieben! Gerade bezogen auf das Thema Grenzen, Strafen, Konsequenzen erleben viele Eltern eine große Unsicherheit ihrer eigenen Rolle. Diese Unsicherheit führt dann oft zu widersprüchlichen halbherzigen unklaren Hinweisen und Verhaltensweisen, die Kindern keine Orientierung geben, sondern verunsichern.

  4. Vielen Dank für den tollen Artikel!
    Wir haben uns gefragt, ob die Grenzen immer dieselben sein müssen. Zitat: “Aber es ist hilfreich für sie, dass immer wieder an dieselben Grenzen stoßen und so ein Gefühl für den elterlichen Raum bekommen.” Die eigenen Bedürfnisse können ja auch sehr unterschiedlich ausfallen. Als Beispiel, unsere Tochter (17 Monate) greift noch sehr gerne tief in den Ausschnitt, was in manchen Momenten okay ist, aber manchmal gefühlt eben nicht. Gibt es da Erfahrungswerte, ob es besser ist, das dann komplett immer zu verbieten?

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