Monat: Juli 2018

Zieh Deinem Kind mal die Schuhe aus! Warum Barfußlaufen so gesund ist

Barfußlaufen ist eine besondere Erfahrung für Kinder, denn durch das Laufen nehmen sie ihre Umgebung besonders gut wahr, be-greifen die Natur und Umwelt und haben zudem die Möglichkeit, einen gesunden Fuß zu entwickeln. Die drei Fachrauen Nadine Arndt, Frühpädagogin und Tagesmutter, Maike Meier, Kinderphysiotherapeutin, und Vivian Gläsel, Barfußlauftrainerin und Physiotherapeutin, haben es sich zur Aufgabe gemacht, über das Barfußlaufen aufzuklären und berichten in diesem Artikel über die Vorteile:

Schon für kleine Babys hat das Barfuß-Sein einen großen Mehrwert. Bewegt sich ein Neugeborenes, tut es das immer mit dem gesamten Körper: Dreht es beispielsweise den Kopf, bewegen sich automatisch auch seine Arme, Hände, der Rumpf, die Beine und Füße (mit). Wir sollten die Füße daher in Gedanken nicht vom restlichen Körper trennen. – Der Körper ist eine Einheit und dies gerade noch bei den Babys. Wenn bereits Babys häufig barfuß sind, beschäftigen sie sich viel mehr mit ihren Füßen, betasten sie mit Händen und Mund, fühlen mit ihnen die Untergründe, Gegenstände und bekommen so schon mal eine „Idee vom Fuß“. Auch bei der Selbstregulation spielen die Füße des Babys eine wichtige Rolle

Sobald das Kind in Bewegung ist – und sei es „nur“ das Drehen, sind immer auch die Füße mit dabei. Bewegt sich das Kind dann auf den Füßen fort, mit nackter Haut und ganzer Sohle, werden die vielen Sinneseindrücke gesund und unverfälscht an den Rest des Körpers weitergeleitet und verarbeitet. Immer dick eingepackt „schaltet der Fuß ab“ und kann seine eigentliche Aufgabe der Reizweiterleitung nicht übernehmen. Barfuß können die verschiedensten Bewegungsformen ausprobiert werden: auf Zehenspitzen gehen, auf der Sohle, den Fersen. Kinder können laufen, rennen und klettern – mit dem natürlichen Halt der nackten Haut. Krabbeln, hocken oder auf ihren Oberschenkeln sitzend verweilen. Entgegen der Annahme, die Kinder könnten sich mit ungeschützten Füßen im Alltag leichter verletzten, zB. an Möbelkanten oder durchs Auftreten aufs Spielzeug, zeigten viel barfuß laufende Kinder mehr Umsicht und Vorsicht durch die intensivierte Wahrnehmung ihrer Umwelt. 

Die gesunde Entwicklung des Fußes durchs Barfußlaufen begünstigen

Die Quer- und Längswölbung des Fußes entsteht erst mit der Beckenaufrichtung im 4. Lebensjahr. Daher ist es wichtig, in dieser Zeit den Füßen viel Input zu geben. Die gut entwickelten Fußmuskeln stabilisieren die gewölbte Fußunterseite. Sind die Muskeln zu schwach, können Platt-, Spreiz- oder Senkfüße entstehen. Zwei Drittel aller Kinder wachsen mit „ungesunden“ Füßen auf, was später zu Gelenk- und Haltungsbeschwerden führen kann. Bis zum 8. Lebensjahr sollte sich das Längsgewölbe vollends aufgebaut haben. Hat ein Kind dann noch immer platte Füße, ist es erst recht wichtig, viel barfuß zu laufen und somit den Fuß zu trainieren. Einlagen sind hier eher nicht das Mittel der Wahl: Sie erhalten den Zustand, da sie den Fuß unterstützen anstatt zu fordern. Dies gilt nicht für angeborene oder erworbene Fußdeformitäten (zB. Klumpfüße…). Mit häufigem Barfuß-Laufen können jedoch viele der bekannten Haltungsfehler und Fußfehlstellungen vorgebeugt werden.

In Beziehung zu sich selbst und zur Umwelt sein über die Füße

Kinder in VerBINDUNG zu bringen mit der Erde, auf der sie leben, auf der sie fühlen, lernen, wachsen – diese ursprüngliche Bindung fördert das Barfuß sein ganz von allein. Barfuß nehmen die Kinder die Welt anders wahr und es ergeben sich auch Gesprächsanlässe über die Wahrnehmung und darüber über die Umwelt. Aber vor allen Dingen: eine VerBINDUNG zu sich selbst aufzubauen, zu seinem Körper, zur natürlichen Nacktheit der Füße, welche das Kind ein Leben lang tragen werden, ist sehr wichtig für den Menschen und eine gesunde Ausbildung des Ich. 

Probier es aus: Barfuß für Kinder (und Eltern)

Was gibt es für ernstzunehmende Tatsachen, die gegen das Barfußlaufen sprechen?

  1. Verletzungen: Ja! Bitte sei wachsam bei spitzen Gegenständen wie Scherben an öffentlichen Plätzen oder Insekten wie Bienen auf dem Rasen! Geht erstmal barfuß los und habt Schuhe dabei, für den Fall, dass ihr in eine gefährdende Situation geratet.
  2. Hitze / Kälte: Auch hier ist Schutz vor Verletzungen geboten, bei so heißen Temperaturen wie in diesem Sommer heizt sich Stein, Asphalt, Terrasse, Sand usw. stark auf und meist wollen die Kinder von sich aus Schuhe anziehen. Ebenso solltet ihr natürlich Winterschuhe haben für frostige Minusgrade.

Das waren sie aber im Grunde auch schon, die Gründe, die gegen das Barfußlaufen sprechen. Historisch gesehen waren dies auch über Jahrtausende die ersten und einzigen Gründe, überhaupt „Schuhe“ (anfänglich ja nur Stoffummantelung oder Textil/Natursohlen) zu tragen.

Vorurteile und Ängste in Bezug auf das Barfußlaufen

„Mein Kind wird bei kalten Füßen schneller krank, es erkältet sich aufgrund der nackten Füße“

Die Sorge, dass Dein Kind aufgrund nackter Füße anfälliger für Erkältungen sein könnte, ist nicht begründet. Bei gesunden (nicht immungeschwächten) Kindern stärken nackte Füße sogar das Immunsystem und die Fähigkeit des Körpers, die Temperatur zu regulieren. Ein Kind wird durch Erreger krank, nicht durch kurzzeitig kalte Füße.Des Weiteren ist der Fuß ein Temperaturausgleicher – der nackte Fuß darf also kühler sein, als der Rest des Körpers. Solange der Rumpf warm ist (zu testen zwischen den Schulterblättern oder im Nacken) dürfen die Füße unbesorgt kühl sein.
Du kannst immer wieder kontrollieren und nach deinem Empfinden wieder Socken anziehen.


„Das ist unhygienisch“

Der junge, weiche, saubere Fuß Deines Kindes ist nicht unhygienisch. Oder meinst du die Straße, den Einkaufsladen, den Waldboden oder den Sand (…) auf dem es barfuß läuft?
Sollte Dein Kind keinen Fußpilz oder ähnliche, infektiöse, ansteckende Erkrankungen am Fuß haben, ist am barfuß laufen drinnen wie draußen nichts unhygienisch. Ebenso sollte es keine offenen Wunden am Fuß haben, damit diese sich nicht entzünden, wenn zB. Erde in die Wunde eintritt. Ansonsten: Krankheitserreger befinden sich überall, ob Dein Kind mit den Händen im Spielplatzsand wühlt oder es die nackten Füße in den Waldboden buddelt oder eben im Drogeriemarkt barfuß einkaufen geht – eine tägliche Hand- und dann auch Fußhygiene zur Vermeidung von Keimverbreitung ist natürlich notwendig. Gerade Fußbäder sind für Kinder auch besonders schöne Momente der Entspannung und können ein wunderbares Ritual werden.

Vorteile des Barfußseins zusammengefasst

Stimulation der Fußreflexzonen
Durchblutungsförderung
Stärkung des Immunsystem
Weniger Schweiß-Füße
Verbesserung der Koordination
Förderung der motorischen Entwicklung
Training der Fußmuskeln
stabiler Stand
natürliche Entwicklung zu einem gesunden Körperbewusstsein
 Verbundenheit zu sich selbst und der Umwelt

Wie machen es andere? #barfusskinderchallenge auf Instagram

Die Fachkraft für Frühpädagogik und Tagesmutter Nadine Arndt, die Kinderphysiotherapeutin Maike Meier und die Barfußlauftrainerin und Physiotherapeutin Vivian Gläsel haben sich zusammengetan mit dem Ziel, über die Vorteile des Barfußlaufens aufzuklären. Am 01.08. startet hierzu die #barfusskinderchallange auf Instagram, an der sich alle Interessierten beteiligen können. Unter dem Hashtag gibt es Hintergrundinformationen, Ideen und Austausch unter den Teilnehmer*innen. Mehr lest Ihr bei:

Nadine Arndt von @__kuestenkinder__
Maike Meier von @kinderphysiotherapiemaike
Vivian Gläsel von @vivi.barfuß

 

ökohippierabenmütter: Langweiliger Alltag ist gut

Wir tappen so schnell in die Verbesserung- oder Selbstoptimierungsfalle – gerade als Eltern: Wir wollen es doch schön machen – oder schöner als wir es selbst hatten. Wir wollen doch das Beste. Reicht es, die Kinder einfach spielen zu lassen, oder müsste ich nicht eigentlich ein ganz besonderes Lern-Entwicklungs-Besonderheiten-Angebot machen? Kathrin hat hier einen wunderbaren, lesenswerten Artikel geschrieben – ganz besonders wertvoll für die Ferien.

Dos und Don’ts im Wochenbett: So sind Wochenbettbesuche schön. 7 Tipps für Besucher*innen

Wenn das lang ersehnte Baby im Familien- oder Freundeskreis geboren ist, wollen es viele Menschen begrüßen und die Familie beglückwünschen, beschenken und ihre Freude zum Ausdruck bringen. Gerade die ersten Tage und Wochen aber sind eine sensible Phase, in der sich die kleine neue Familie erst einmal kennen lernen möchte und Zeit und Ruhe benötigt – und liebevolle, fürsorgliche und passende Unterstützung, wenn sie diese wirklich wünscht. Mit diesen Tipps fürs Wochenbett kannst Du eine Familie auf ihrem Weg wirklich unterstützen:

1. Den richtigen Zeitpunkt für den ersten Besuch bestimmen die Eltern

Frisch geborene Babys sind zauberhaft: Es ist toll, einen Menschen ganz am Anfang begrüßen zu können und zu bewundern, wie er die ersten Male die Welt erblickt. Aber: Dieses Wunder ist nun vor allem den Eltern vorbehalten. Sie sind es, die nun eine Beziehung zu ihrem Baby aufbauen. Gerade die Mutter hat vielleicht eine mehr oder weniger anstrengende Geburt zu verarbeiten, das Baby ebenso. Vielleicht fühlt sich die Mutter nicht wohl, hat Schmerzen oder das Stillen bereitet ihr noch Probleme und sie braucht Ruhe, um sich einzufinden. Kleine Babys sind auch noch mit einer Woche zauberhaft und auch noch später. Nicht sofort ins Frühwochenbett eingeladen zu werden, ist keine Abweisung und muss nicht negativ interpretiert werden. Im Gegenteil: Mit dem Besuch zu warten bis zum richtigen Zeitpunkt ist ein zusätzliches Geschenk. Deswegen gilt: Warte auf eine Einladung für den ersten Besuch und gehe nicht spontan vorbei mit der Erwartung, in die Wohnung gelassen zu werden.

2. Sei ein Geschenk!

Beim Begrüßen eines kleinen Menschen sind wir schnell verleitet, unsere eigene Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen: Einmal das kleine Baby halten, es streicheln und tragen. Tipps weiter geben, die für uns wichtig waren, weil wir es schon wissen… Beim Wochenbettbesuch ist es jedoch wichtig, selbst das Geschenk zu sein und sich an die Bedürfnisse vor Ort anzupassen: Das beginnt bei den Rahmenbedingungen: Plane nur einen kurzen Besuch ein, parfümiere Dich nicht, denn sowohl die Mutter als auch das Baby sind gerade sehr empfindsam. Vielleicht möchten die Eltern das Baby noch nicht in fremde Hände legen: Schenke Verständnis dafür und fordere nichts ein und stelle keine Erwartungen auf. Erwarte keine saubere Wohnung und keinen gedeckten Tisch, sondern bringe selber etwas mit für den Tisch.

3. Geschenke sind gut, wenn sie für alle sind

Es gibt so zauberhafte Babysachen, die verschenkt werden können. Oft ist die Familie aber schon gut ausgestattet für die ersten Wochen. Babykleidung sollte daher lieber nach Absprache vorher geschenkt werden und oft ist es sinnvoll, lieber Sachen für die späteren Monate auszuwählen, wenn das Baby der Erstausstattung entwachsen ist. Ins Wochenbett kann mitgebracht werden, was der ganzen Familie gut tut: Vielleicht ein kleines Körbchen mit gekochtem Essen oder anderen Leckereien für die Eltern, einer schönen Wasserflasche für die Mutter, damit sie beim Stillen daraus trinken kann (sofern sie stillt), (Trocken)früchte, einem schönen Buch für das Wochenbett und natürlich ein Geschenk für Geschwisterkinder, wenn es diese gibt.

4. Aufmerksamkeit für alle

Bei einem Besuch im Wochenbett ist natürlich der neue kleine Mensch ein wesentlicher Besuchsgrund, aber eine ganze Familie möchte nun Aufmerksamkeit und Zuwendung haben. In den Gesprächen sollte es sich nicht nur um das Baby drehen, sondern um die Gefühle und das Empfinden aller. Ganz besonders wichtig: andere Kinder der Familie. Sie sollten nach Möglichkeit zuerst begrüßt werden, bekommen ein eigenes kleines Geschenk oder Mitbringsel und werden nach ihrem Empfinden gefragt.

5. Zuhören ist wichtig

Aber nicht nur die Aufmerksamkeit für alle ist wichtig und das Fragesteller. Besonders wichtig ist es nun, zuzuhören: Was wollen die Familienmitglieder erzählen, was loswerden? Wo wollen sie Freude teilen und wo vielleicht auch Kummer und Sorgen? Hier setzt eine liebevolle Unterstützung an: Ich verhelfe nicht meine eigene Geschichte über, sondern nehme die Geschichte dieser Familie auf und schaue, wo ich sie unterstützen kann. Wenn sie wirklich Hilfe brauchen und dies sagen, biete ich individuelle Hilfe an oder schaue mich nach Unterstützung um.

6. Wirklich helfen

Viele Familien brauchen eher Zeit statt Zeug im Wochenbett: Sie brauchen Zeit, um die Geburt zu verarbeiten und im Bett zu liegen und sich kennen zu lernen. Hilfe ist, anzubieten, mit den größeren Geschwistern zu spielen oder spazieren zu gehen. Hilfe ist, essen zu kochen oder vorbei zu bringen. Hilfe ist, einmal durch die Wohnung zu saugen oder einen Gutschein für eine Putzhilfe für die erste Zeit zu schenken. Hilfe ist es, beim Verlassen der Wohnung den Müll mit hinunter zu nehmen. Es können so kleine Dinge sein. Hilfe ist all das, was die Familie wirklich entlastet und einander näher bringt.

7. Anerkennung der persönlichen Familienentscheidungen

Jede Familie geht ihren Weg. Und immer sieht er ein wenig anders aus. Wir haben in unserer Familie, in unserer persönlichen Situation mit einigen Dingen gute Erfahrungen gemacht, mit anderen schlechte – jede Familie geht ihren ganz eigenen Weg. Wir können liebevoll unsere Empfehlungen mit auf den Weg geben, aber wir sollten immer die Entscheidungen einer anderen Familie anerkennen. Das fängt beim Namen des Kindes an, geht über die Ernährungsweise und Kleidung bis hin zu Tragen, Stoffwindeln oder Abhalten. Und auch wenn wir selbst auf Erfahrungen zurück blicken können, darf diese Familie nun ihre ganz eigenen Erfahrungen sammeln.

Und was sind Eure ganz persönlichen Tipps?
Eure

 

Wenn Geschwister streiten – Teil 1: Streit als Entwicklungsressource betrachten

Konflikte gibt es in allen sozialen Gruppen und auch in Familien. Und gerade dann, wenn verschiedene Bedürfnisse aufeinander treffen und wenn Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten, sich in andere Personen hinein zu versetzen, zusammen sind und vielleicht auch noch jedes für sich versuchen, die vorhandenen Ressourcen an Materialien und auch an emotionalen Ressourcen größtmöglich zu beanspruchen, kann es zu Streit kommen. Manchmal sind es auch äußere Ursachen, die in Geschwisterstreit entladen werden. Konflikte sind normal, auch wenn wir in einem romantisierten Bild von Kindheit und Familie immer davon ausgehen, Geschwister sollten sich nicht streiten und Familie sollte rein harmonisch sein. Die Wahrheit aber ist: Geschwister streiten sich. Und sie dürfen sich auch streiten. Die Frage lautet daher nicht: Geschwisterstreit ja oder nein. Sondern: Geschwisterstreit ja, aber wie?

Die falsche Grundannahme der Eltern: Streit ist schlecht

Die meisten Eltern kennen den Impuls, sofort einzugreifen, wenn sich Geschwister streiten: Eine Alternative wird vorgeschlagen, eine Ablenkung geboten, das Streitobjekt einfach kurzerhand entfernt, das ältere/stärkere Kind zur Rücksicht ermahnt… Wenn sich Kinder streiten, ist das anstrengend für uns: Es ist laut, es zehrt an uns. Dies umso mehr, wenn wir selber keine Streitkultur hatten und als Kinder zur Stille und Anpassung ermahnt wurden. Das ist die eine Seite des Streits. Betrachten wir den Streit aber aus der anderen Perspektive, aus dem Blickwinkel der Entwicklungsmöglichkeiten, die dahinter stehen, sehen wir mehrere Möglichkeiten:

  • Ein Streit gibt die Möglichkeit, Emotionen zu offenbaren und auszuleben, Wut auszudrücken. Kinder dürfen wütend sein, Kinder müssen wütend sein dürfen.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, sich mit den Wünschen anderer auseinander zu setzen: Zwei Meinungen, zwei Bedürfnisse prallen aufeinander. Kinder erfahren: Mein Gegenüber denkt nicht wie ich.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, Verhandlungen zu üben: Erst ich, dann Du – oder umgekehrt. Natürlich geht das erst, wenn die Beteiligten in einem Alter sind, in dem einige Bedürfnisse aufgeschoben werden können.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, Kompromisse zu finden: Auf Deine Weise nicht, auf meine Weise nicht, also brauchen wir eine andere Lösung. Auch hier gilt: Das ist erst dann möglich, wenn beide Teilnehmer*innen dazu kognitiv fähig sind.
  • Ein Streit gibt kleinen Kindern die Chance, durch die Begleitung der Eltern dazu befähigt zu werden, die oben angeführten Kompetenzen für spätere Streitsituationen zu erwerben – wenn sie von Anfang an gut begleitet werden.
  • Ein Streit gibt den Eltern die Chance, aktuelle Bedürfnisse der Kinder zu sehen: Gibt es immer wieder Streit um das Spielzeug des großen Geschwisterkindes und zeigt das vielleicht, dass das kleine Geschwisterkind den aktuellen Spielangeboten entwachsen ist und neue Angebote braucht? Gibt es immer wieder Streit um die Aufmerksamkeit und Zuwendung von Eltern und ein Kind fühlt sich zu wenig gesehen?

Streit zulassen und richtig interagieren

Geschwisterstreit ist daher nicht per se schlecht. Problematisch wird er dann, wenn eine Auseinandersetzung immer sofort unterbunden wird und Gefühle und Probleme nicht wirklich verbalisiert werden dürfen: „Du sollst Dich nicht immer mit Deinem Bruder streiten!“ „Jetzt vertragt Euch sofort wieder!“

Konflikte sind deswegen normal, auch wenn wir in einem romantisierten Bild von Kindheit und Familie immer davon ausgehen, Geschwister sollten sich nicht streiten und Familie sollte rein harmonisch sein

Und auch dann, wenn wir als Eltern ungünstig in den Streit eingreifen und auf eine falsche Weise vermitteln wollen: In einer Konfliktsituation sehen wir schnell, dass das größere Kind dominiert – geistig oder körperlich und sind schnell dazu verleitet, einzugreifen zugunsten des kleineren Kindes: „Nun gib ihm doch schon kurz Dein Spielzeug, das kannst Du ja wohl mal kurz teilen!“ Schnell entwickeln sich Muster, dass das größere Kind immer zurückstecken muss. Oder es dominiert der Gedanke: „Das müssen die unter sich klären, damit sie was lernen!“ Wenn jedoch ein schwächeres Kind auf ein überlegenes Kind trifft, befördert dieses Verhalten nur das Gewinnen des Stärkeren und ein vermittelnder Lerneffekt und Empathie bleiben zugunsten des „Recht des Stärkeren“ auf der Strecke.

Wenn Kinder streiten und in solch unterschiedlichen Entwicklungsphasen sind, dass ein Kind immer unterlegen ist, oder die kognitive Entwicklung beider Kinder noch sehr unterschiedlich ist, benötigen sie deswegen eine Begleitung im Streit, die nicht verurteilt, nicht wertet, sondern in der Vermittlung unterstützt:

  1. Situation nicht bewerten: Als Erwachsener waren wir vielleicht nicht bei der Entwicklung des Streits dabei, wir kennen die Vorgeschichte nicht. Es ist wichtig, nicht Partei für eines der beiden Kinder zu ergreifen. Besser: „Ich war nicht dabei, erzählt mir jeder, was passiert ist.“
  2. Keine Vorverurteilung: „Hast Du wieder Streit angefangen mit Deiner großen Schwester?“
  3. Wiederholen dessen, was die Kinder sagen: „Du sagst, er hat dein Heft mit Absicht heimlich angemalt. Er sagt, er hat es angemalt, weil er es so schöner findet.“
  4. Anregen zur Perspektivübernahme: „Was glaubst Du, warum hat er/sie das gemacht?“ „Was glaubst Du, wie geht es ihm/ihr jetzt?“ Bei Kindern, die das noch nicht können, die Reaktionen des anderen Kindes oder dessen Gefühle übersetzen: „Ich sehe, dass er jetzt ganz traurig ist und weint, weil er das nicht wollte.“
  5. Lösungsideen finden lassen, Kompromisse vorschlagen, die die Rechte beider Kinder respektiert, nicht urteilen, weil ein Kind älter/größer/stärker ist, sondern objektiv bleiben. Nicht einfordern, dass ein Kind unbedingt nachgeben muss, weil es ja größer ist/schon verstehen muss, dass…
  6. Nicht vom Konflikt ablenken oder versuchen, ihn lustig zu machen. Manchmal können Situationen spielerisch umschifft werden, aber nicht immer. Und es sollte auch nicht immer sein. Die Kinder haben ein für sie ernstes Thema zu besprechen.
  7. Manchmal finden sich keine für alle zufrieden stellenden Lösungen. Und zu einem Streit gehört es auch dazu, mit Frustration umzugehen. „Dein Bruder möchte Dir das Buch nicht geben, es ist seins. Komm doch her, ich nehm Dich in den Arm, wenn Du magst.“ Die Wut und Trauer begleiten, so lange sie anhält und dann zusammen Alternativen finden. „Jetzt geht es Dir besser? Wir können jetzt Dein Bagger-Buch ansehen.“

Und wie macht Ihr das in Konfliktsituationen?
Eure

Demnächst: Wenn Geschwister streiten Teil 2 – Kampf oder Balgen?

Sommeridee: Kräutersalz mit Kindern machen

An den warmen Sommertagen ist das Herstellen von Kräutersalz mit Kindern eine schöne Idee: Jetzt finden wir gerade alle Zutaten dafür in der Natur, können mit Kindern zusammen im Garten oder auf dem Feld Kräuter suchen und sie zusammen verarbeiten.

Das brauchst Du

Der Klassiker ist mediterranes Kräutersalz mit Oregano, Thymian, Rosmarin und Salbei. Aber auch andere Mischungen mit Dill, Petersilie und Schafgarbe sind lecker oder besondere Zutaten wie ein paar Blüten Johanniskraut oder getrocknete Malvenblüten, die das Salz besonders dekorativ machen. Grobkörniges Meersalz dient dann als Grundlage für das Kräutersalz.

So stellt Ihr das Kräutersalz her

Die frischen Kräuter werden gewaschen und anschließend trocken geschüttelt. Benutzt werden nur Blätter und Blüten für das Salz. Diese werden klein geschnitten und dann zu gleichen Teilen mit dem Salz vermengt. Das Salz konserviert die Kräuter und entzieht ihnen Wasser. Das Kräutersalz kann dann in einem verschlossenen Glas aufbewahrt werden und ist mehrere Monate haltbar.

Kräutersalz lässt sich auch wunderbar verschenken. Eine besondere Abwandlung der Nutzung kann auch ein wohltuendes Kräuter-Salz-Peeling für die Füße sein.

Vorbereitung auf die Geburt durch Yoga

Yoga und Schwangerschaft passen so wunderbar zusammen. Körper und Yoga insgesamt, Geist und Yoga und einfach Mensch und Yoga, aber das würde nun zu weit führen.
Ich habe in meiner zweiten Schwangerschaft meine regelmäßigen Besuche im Yogastudio geliebt. Jedes mal kam ich ein wenig leichtfüßiger, entspannter und vor allem ohne den für Schwangere oft typischen Watschelgang dort raus.
Nun bin ich nicht mehr schwanger und liebe aber das Schwangerenyoga noch immer heiß und innig und zwar dann, wenn ich es unterrichte. Warum ich finde, dass Schwangerschaft und Yoga so gut zusammenpassen und warum ich Schwangerenyoga zusätzlich als gute Vorbereitung für die Geburt sehe, davon berichte ich Euch.

Vorteile von Yoga auf körperlicher Ebene

Erst einmal: im Schwangerenyoga geht es um Lockerung, Dehnung, Entspannung und das Abmildern eventueller Beschwerden. Übungen, mittels derer Lockerung im Beckenbereich erzielt wird, bringen mehr Beweglichkeit zurück in den Körper von Anfang an. Eine Rücken schonende Ausrichtung kann das typische Ziehen im unteren Rücken abmildern oder verhindern. Mit den Beinen an der Wand können Schwellungen durch Wassereinlagerungen zurückgehen, das Herz-Kreislauf-System wird entlastet und überhaupt kann das Ganze sehr entspannend sein.
Mit Übungen zur Öffnung des Brustraums wird das tiefe Atmen unterstützt, das mit Wachsen des Bauches ja gern mal einer eher flachen Atmung weicht. Das ist besonders am Ende der Schwangerschaft oft eine Wohltat.
Auf körperlicher Ebene ist da also schon einmal so Einiges zu holen. Ich glaube aber, eine gute Yogastunde geht tiefer.

Der Fokus auf das Innere

In einer guten Schwangerenyoga-Stunde wirst du dazu angehalten, ganz genau nachzuspüren, deinen Fokus nach innen zu richten und deine Aufmerksamkeit für dich und deinen Körper zu schulen. Unter der Geburt ist es gut, in einen Zustand zu kommen, an dem das Außen nicht mehr wahrgenommen wird: Du fühlst Dich sicher und frei und kannst Dich nun ganz auf Dich konzentrieren, Dich fokussieren. Außerdem erfährst Du, Deinen Impulsen und ebenso den Signalen deines Körpers nachzugehen, die dir sagen „bis hierhin und nicht weiter“. Du wirst vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch mal das Aushalten trainieren.

Wenn du regelmäßig Entspannung erfahren hast, wird es dir leichter fallen, dich zu entspannen, denn auch Entspannung kann man lernen.

Und ebenso das Entspannen und Loslassen. Dies sind wichtige Aspekte der Geburt: Einer Wehe standhalten, sie veratmen und loslassen. Es ist für eine Geburt essenziell, den Körper gut zu spüren – Grenzen, aber auch Möglichkeiten wahrzunehmen und Entspannung ganz bewusst herstellen zu können.

Gelernte Übungen auf die Geburt übertragen

Eine regelmäßige Praxis – ob angeleitet oder zuhause im Wohnzimmer – kann ungemein unterstützen: Wenn du erfahren hast, dass sich dein Körper in bestimmten Positionen oder Bewegungsabläufen besser anfühlt als in anderen, kannst du das unter der Geburt beachten.
Wenn du regelmäßig Entspannung erfahren hast, wird es dir leichter fallen, dich zu entspannen, denn auch Entspannung kann man lernen. Ein entspannter Körper und ein entspannter Geist helfen ungemein beim Loslassen – und deine Schwangerschaft loszulassen, den Weg zu eröffnen, dass dein Baby nun zu dir kommt, das ist ein wichtiger Punkt unter der Geburt.

Yogaübung: Das Aushalten

Eine einfache Alltagsübung zum Ausprobieren

Vielleicht hast du auch das (Aus)halten in deinen Yogastunden gelernt.
Ich mache sehr oft eine Übung, in der ich gemeinsam mit meinen Schülerinnen die Arme auf eine bestimmte Art weit ausstrecke und wir das halten – für 90 Sekunden erst einmal. Ich weise immer wieder daraufhin, den Rest des Körper zu entspannen, den Atmen bewusst weiter tief zu lenken statt ihn wohlmöglich anzuhalten und vor allem auch den Kiefer zu lockern. Denn ein angespannter Kiefer führt zu einem angespannten Beckenboden – diesen wollen wir aber unbedingt weit und entspannt unter der Geburt.

Nach dieser ersten Runde von 90 Sekunden geht’s in eine zweite, längere Runde. Für diese Runde biete ich das Tönen an. Wenn dir Yoga bekannt ist, dann kennst du das typische „Om“ zu Beginn und Abschluss der Stunde. Das Tönen hat im Wesentlichen zwei Vorteile: Der erste ist, dass das Tönen helfen kann, Anspannung abzuleiten, sie quasi durch diesen Ton aus dem Körper zu leiten. Hört sich komisch an? Probier’s aus! Oder vielleicht kennst du das, wenn du (nicht schwanger!!!) etwas Schweres hochhebst – das ist oft von einem Ächzen, einem Stöhnen begleitet. Oder? Genau das ist es!

Der zweite Vorteil des Tönens ist, dass dabei der Mund leicht geöffnet ist, dadurch der Kiefer entspannt. Du erinnerst dich? WEITE!

SAVASANA – Die Entspannung

Und nun zu dem Teil, der – unabhängig von Schwangerschaft – für viele das Highlight der Yogastunde ist: SAVASANA. Savasana ist die Entspannung am Ende der Stunde. Dafür nimmst du dir alle Hilfsmittel, die dich unterstützen – eine Decke, ein Augenkissen (ein kleines, mit Reis oder ähnlichem und Lavendel befülltes Kissen, dass durch die Schwere auf den Augen hilft, diese ruhig zu halten und zusätzlich durch den Lavendel die Entspannung unterstützt), etwas unter das Knie, den Kopf – all das, was dir hilft, es dir maximal gemütlich zu machen. Dann wirst du je nach Studio oder Lehrer/Lehrerin hineingesprochen, das heißt, mittels Worten in die Entspannung begleitet oder direkt in Stille gelassen, vielleicht folgt eine ruhige Musik oder auch nicht, das ist ganz individuell.

Und mal einen Moment einfach nur liegen, nichts erledigen, nichts halten – das ist doch für uns alle schön. Und wenn du nun gerade schwanger bist, dann erlaube dir solche Pausen doch einfach öfter. Kleine Momente, in denen du innehältst und versuchst, dich zu entspannen.
Denn dein Körper nährt und trägt dein Baby, du leistest Unglaubliches. 

Und weil ich geschrieben habe, dass es wichtig ist, den eigenen Impulsen nachzugehen, ist natürlich nicht nur jene Yogastunde gut, die ähnlich abläuft wie ich es hier geschildert habe. Wenn du dich gern auspowerst und schweißtreibend praktizierst – go for it 😉 Meine Worte über eine „gute Yogastunde“ spiegeln mein persönliches Befinden wider.
Was dir gut tut, weißt du selbst am besten. Und wenn du es noch nicht weißt – teste es doch aus. Es lohnt sich, das zu wissen.


Linda ist Yogalehrerin, Coach und Hypnobirthing-Lehrerin und Mutter von drei Kindern. Mehr über Yoga und Hypnobirthing könnt Ihr auf ihrem Blog theurbannature.de lesen. Einen weiteren Einblick bekommt ihr auch hier auf Instagram.

Manchmal läuft es nicht rund – Ist das schlimm?

„Ich kann nicht immer…“, „Heute habe ich es nicht geschafft…“, „Gerade geht es mir nicht so gut, dass ich immer…“ Diese Sätze höre ich immer wieder und sage sie auch selbst. Manchmal schaffe ich es nicht, die Bedürfnisse meiner Kinder ausgewogen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Manchmal übersehe ich Bedürfnisse, manchmal beantworte ich Bedürfnisse nicht richtig. Und manchmal mache ich es auch falsch, obwohl ich es eigentlich besser weiß, weil ich gerade nicht anders kann, weil meine Energiereserven nicht mehr ausreichen und Handlungsmuster in Stresssituationen frei werden, die ich aus meiner eigenen Kindheit verinnerlicht habe.

„Manchmal“, „gerade“ und „heute“ sind nicht immer

In der Erkenntnis des „Falschmachens“ schwingt oft ein Bedauern mit. Und das ist auch gut, denn wenn wir wahrnehmen, dass gerade etwas schief läuft in der Beziehung zum Kind, dann bedeutet es auch, dass wir es eigentlich richtig wissen – oder wissen, dass es so jedenfalls nicht richtig ist. Wenn wir sagen „gerade“, „heute“, „momentan“, dann bedeutet das: Jetzt gerade, aber es gibt auch andere Tage. Das ist es, an dem wir uns festhalten können und sollten: Es gibt andere Tage. Wir wissen ja, dass es gerade schlecht läuft und sonst anders. Und oft formulieren wir auch die Gründe, warum es gerade nicht rund läuft: „Ich kann gerade nicht so sensibel sein, weil ich so gestresst bin“. Oft können wir direkt formulieren, woran es gerade hapert, warum es gerade schwer ist. 

Stress führt oft zu negativem Verhalten – in der Beziehung zu unseren Kindern, wie auch in anderen sozialen Interaktionen.

Dies eröffnet uns den Blick darauf, was wir ändern können, damit es wieder besser geht. Wir wissen: Stress führt oft zu negativem Verhalten – in der Beziehung zu unseren Kindern, wie auch in anderen sozialen Interaktionen. Es gilt, genau diesen Stress zu vermeiden langfristig. Wir hören unsere Worte, wir fühlen das Bedauern. Manchmal ist es aber schwer, die Situation zu ändern – zumindest kurzfristig, um wieder auf den ursprünglichen Weg zu kommen. Dann müssen wir uns nach Hilfen und Unterstützung umsehen, um Situationen langfristig ändern zu können. Wir brauchen Entlastung – denn ja: Familien sind einfach oft überlastet mit zu vielen Aufgaben und zu vielen Bedürfnissen, um die sich nur ein oder zwei Erwachsene kümmern.

Die Reaktion unserer Kinder als Zeichen

„… und dann ist auch noch mein Kind…“ Wenn es uns nicht gut geht und wir wenig Einfühlungsvermögen haben und wenig auf die Bedürfnisse unserer Kinder eingehen können, zeigen sie uns das oft direkt in ihrem Verhalten: es entstehen negative Kreisläufe. Das Kind zeigt uns, dass es mit der Art, wie wir mit ihm umgehen, nicht zufrieden ist und reagiert auf seine Weise empört. Vielleicht, indem es besonders anhänglich ist und besonders Kuscheleinheiten einfordert, um sich unserer wieder sicher zu sein. Vielleicht auch mit Wut, weil es verärgert ist über unser Eingreifen, über unsere ruppige Art. Wenn wir gestresst sind, schnell machen wollen und unserem Kleinkind nicht die Möglichkeit geben, selbst aktiv zu sein, wird es verärgert und wütend reagieren, weil sein Bedürfnis nach Selbständigkeit übergangen wird. Vielleicht reagiert unser größeres Kind auch mit Rückzug und Abwehr, wenn es ausdrücken möchte, dass diese Situation nicht in Ordnung ist. Wie es reagiert, ist abhängig vom Alter und auch Temperament des Kindes und der jeweiligen Situation. Und auch wenn es uns zunächst noch mehr stresst, ist es gut, denn das Verhalten unseres Kindes kann ein Zeichen sein und wenn wir unsere Kinder als „anstrengend“ wahrnehmen, können wir uns fragen, ob es vielleicht auch etwas mit uns zu tun hat.

Bedauern aber nicht Gram

Es ist gut, wenn wir unser Verhalten bedauern und reflektieren. Es ist gut, sich beim Kind zu entschuldigen und sich zu erklären in dem Maße, in dem es Kinder verstehen können. Aber es ist eben auch normal, dass es manchmal nicht rund läuft, dass wir schlechte Tage oder auch mal eine schlechte Woche haben. Bedauern ist gut und wichtig und das Wahrnehmen dessen. Aber manches Mal sind wir auch zu hart mit uns und messen einer kleinen Situation im Alltag oder einer kleinen Phase der zu geringen Feinfühligkeit eine zu große Bedeutung zu. Wir sind heute schnell darin, uns selbst zu verurteilen als „schlechte Mutter“ oder „schlechter Vater“.

Wenn aus „manchmal“ „immer“ wird

Schwierig wird es da, wenn aus einem „manchmal“ ein „immer“ wird: Wenn wir immer wieder gestresst sind, wenn wir  nur noch in einem Kreis des Schimpfen stecken. Und auch dann, wenn wir merken, dass wir immer wieder in ganz bestimmten Situationen negativ auf unser Kind reagieren: Immer schimpfen, wenn es sich bekleckert hat. Immer schimpfen, wenn es weint. Immer schimpfen, wenn es sich überschwänglich freut. Wenn wir dies wahrnehmen, lohnt es sich, genauer hinzusehen: Warum ist das eigentlich so? Warum berühren mich die immer gleichen Situationen und warum reagiere ich immer genau dann mit Abwehr und negativem Verhalten? Hier lohnt es sich, hinein zu spüren: An was rüttelt das in mir, an meiner eigenen Vergangenheit, an meiner Kindheit und dem, was ich selbst gelernt habe? Manchmal können wir selber diesen Situationen auf den Grund gehen, manchmal brauchen wir dazu aber auch professionelle Hilfe von außen, die uns aufzeigt, warum wir wie handeln und einen Weg hinaus ermöglicht zu einer neuen Wahrnehmung und neuen Handlungsansätzen.

Wichtig ist die Grundstimmung

Für unsere Kinder, unsere Bindung und unser Familienklima ist es wichtig, dass unsere Grundtendenz richtig ist. Dass wir Bedürfnisse wahrnehmen und darauf angemessen nach Alter des Kindes reagieren. Es ist wichtig, dass wir den Alltag angemessen gestalten und unserem Kind Sicherheit geben darin, dass wir für sie da sind und für ihr Wohlergehen sorgen in den vielen kleinen Momenten des Alltags. Es ist wichtig, dass sich unsere Kinder bei uns umsorgt, geliebt und geschützt fühlen und wir ihnen das in einem Grundgefühl vermitteln.

Manchmal gibt es Tage, an denen es nicht gut läuft, an denen wir etwas übersehen, an denen wir nicht feinfühlig sind. Ich glaube, diese Tage gibt es in jeder Familie. Auf jeden Fall gibt es sie auch hier. Es ist gut, sie wahrzunehmen, diese Tage, und den Finger darauf zu legen und es anders machen zu wollen morgen. Aber heute dürfen wir uns auch selbst verzeihen.

Eure

Elternschaft als Beziehung leben – Über den Tanz mit dem Kind

Von allen Dingen meines Lebens war ich wohl am wenigstens auf das Mutterwerden vorbereitet. Darauf, was es bedeutet, welche Aufgaben dazu gehören, welche Gefühle es hervorruft. Ich hatte keine konkreten Erwartungen an das Muttersein und dennoch war ich überrascht von dem, was kam. Denn obwohl konkrete Vorstellungen von der Mutterschaft fehlten, ging ich davon aus, dass ich den Weg eben nur vorgehen müsste und die Kinder würden folgen. Ich, die anführende Mutter. Was kam, war erst ein Mensch, dann der zweite und schließlich der dritte, die ihr eigenes Temperament und ihre Bedürfnisse in diese Familie einbrachten. Was kam, war die Erkenntnis, dass es gut ist, voran zu gehen und einen Plan und Gedanken zu haben. Aber dass das Leben mit Kindern eben kein ausschließliches Vorangehen ermöglicht, sondern eher, einen Rahmen vorzugeben, der gemeinsam gefüllt wird. Was kam, war die Erkenntnis, dass auch das Elternsein eine soziale Beziehung ist.

Den Rahmen vorgeben

Der Rahmen einer jeden Familie sieht anders aus: wie wir leben, wieviel Geld wir besitzen, wo wir wohnen, was wir essen, welche Werte wir mitbringen und wie wir selbst aufgewachsen sind – all das gehört zu dem Rahmen, den wir unseren Kindern bereiten. Im Laufe des Lebens ändert er sich beständig, wenn wir umziehen, neue Partnerschaften eingehen, an anderen Orten arbeiten, wenn wir unsere Werte in Frage stellen und neu ausrichten.

Auch wenn der Rahmen immer wieder mal wechselt oder erschüttert wird, zieht sich eine gleichbleibende Melodie durch das Leben.

Der Rahmen der Kindheit ist nur bedingt beständig. Er muss es auch nicht sein, denn das Leben bedeutet immer wieder Veränderung. Beständig sind wir als Menschen, mit unseren Reaktionen, unserer Zuwendung, unserer Liebe. Auch darin sind wir manchmal unterschiedlich, manchmal stressbedingt weniger zugewandt oder abgelenkt. Aber die Grundmelodie ist dieselbe. Sie ist es, die das Kind prägt und ein Leben lang begleitet. Auch wenn der Rahmen immer wieder mal wechselt oder erschüttert wird, zieht sich eine gleichbleibende Melodie durch das Leben. Diese ist das Beständige an uns. Das, was wir mitgeben, womit wir voran gehen. Das ist das Beispiel, das wir leben, darin sind wir Vorbild.

Das Kind sehen, wie es ist

In diesem Rahmen bewegt sich das Kind, das so zu uns kommt, wie es eben ist: Manche sind lauter, manche sind leiser. Manche aufbrausender, andere empfindsamer. Groß und klein, musikalisch oder sportlich oder wieder ganz anders. Jedes Kind wird nicht nur geprägt durch die Umgebung, sondern bringt in dieses Leben schon etwas ein: die eigene Persönlichkeit. Diese gilt es, zu erkennen. Sie nicht anzupassen, sie nicht hinein zu pressen in unsere Vorstellung, sondern dem Kind den Raum geben, zeigen zu können, wer es wirklich ist. Was es mag, was es nicht mag. Worin es uns ähnelt und worin es ganz anders ist. Das Kind lernt unsere Melodie des Lebens kennen und bringt seine eigene Melodie mit.

Der gemeinsame Weg – Beziehung

Das Ziel ist nicht, die Melodie des Kindes unserer Melodie anzupassen. Ziel ist es auch nicht, unsere Melodie dem Kind anzupassen. Ziel ist es, miteinander in Harmonie zu kommen, sich gegenseitig anzuerkennen und wertzuschätzen. Das ist es, was Beziehung ausmacht: Nicht der einzelne bestimmt, sondern beide gehen aufeinander zu, loten aus, erkennen an und richten sich so aus. Beziehung ist ein Tanz, Elternschaft ist ein Tanz: mal geht es voran, mal rückwärts, mal im Kreis. Wir bewegen uns gemeinsam zu unserer Melodie.

Es ist gut und wichtig, dass wir Erwachsenen eine Idee vom Leben haben und von dem, was gut und richtig ist und in welche Richtung wir uns in etwa bewegen. Es ist gut und wichtig, dass wir Ziele haben und definieren. Aber wir müssen auch die Ruhepausen einplanen, die Schlenker – die Bedürfnisse des anderen. So, wie in jeder anderen Beziehung auch. Das ist es, was dieses Elternleben ausmacht. Darauf können wir uns nur bedingt vorbereiten, denn es ist immer wieder anders, wenn wir uns darauf einlassen. Das Ziel ist nicht das Vorbereiten, sondern das Erlernen des Einlassens und das Vertrauen.

Eure

 

Kakaoschnuten: Ich mag dich so, wie Du bist

In unserer Gesellschaft sehen wir schnell „Makel“ an anderen Menschen, weil wir das gelernt haben: zu dumm, zu schlau, zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn – zu irgendwas. Katja von Kakaoschnuten schreibt als Mutter von vier Kindern hier darüber, warum wir immer wieder beachten sollten, dass unsere Kinder nicht zu etwas werden müssen, denn sie sind schon jemand. Und genau diese Person sollten wir wertschätzen.