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Mein Kind ist ganz anders als andere! – Kinder individuell begleiten

Viele Eltern starten mit einem Bild von „dem Kind“ in die Elternschaft: alle Babys sind süß und schlafen viel, alle Kleinkinder sind „trotzig“, alle Schulkinder machen nicht gern Hausaufgaben… So sind vielleicht die Vorstellungen davon, wie Kinder sich grob entwickeln. Schon im ersten Babyjahr merken aber viele Eltern dann: Irgendwie ist es so doch nicht, mein Kind beginnt früher/später zu krabbeln als andere oder früher/später zu sprechen und während einige Kinder richtige Abenteurer:innen sind, sind andere von Anfang an eher abwartend und beobachtend. Diese Feststellung und Abweichung von der eigentlichen Erwartungshaltung kann verunsichern: „Ist es eigentlich normal, dass…?“

Von Anfang an verschieden

Tatsächlich sind Kinder von Anfang an sehr unterschiedlich und kommen mit unterschiedlichen Temperamenten zu uns, die sich im Laufe der ersten Jahre zu Persönlichkeitseigenschaften ausbauen – auch in Abhängigkeit davon, wie die Umwelt (und ganz besonders die nahen Bezugspersonen) mit dem Kind und seiner jeweiligen Art umgehen. Kinder unterscheiden sich in ihrer Erregbarkeit, Tröstbarkeit, in ihrer Ablenkbarkeit und in ihrem Gefühlsausdruck. Sie unterscheiden sich in dem Ausmaß ihrer Aktivität und anderem Verhalten. All das wird zum Teil schon vor der Geburt wesentlich in unseren Kindern geprägt. Kommen sie auf die Welt, sind sie Menschen mit persönlichen Eigenschaften: beispielsweise manche ruhiger, manche aggressiver.

Probleme durch Pauschalisierungen bei Eltern und Kindern

Wenn wir ein pauschales „Bild vom Kind“ auf das eigene Kind projizieren, führt das nicht selten zu Problemen auf verschiedenen Ebenen: Als Eltern nehmen wir die Abweichung von der scheinbaren Norm kritisch wahr und fragen uns oft, was wir als Eltern falsch gemacht hätten: „Warum nur ist das Kind nicht…?“, „Warum nur macht es…?“, „Aber ich habe doch immer…“ Viele Eltern beziehen die kindliche Abweichung von der Norm zunächst auf ihr eigenes Verhalten, suchen bei sich selbst nach Fehlern. Gerade bei besonders zurückhaltenden oder besonders aggressiven Kindern wird oft „das Problem“ im elterlichen Verhalten gesucht und schnell steht die These im Raum, die Bindungsbeziehung wäre schlecht.

Bei der Fokussierung auf das vermeintliche elterliche Fehlverhalten geraten nicht selten die Kinder mit ihren Eigenschaften aus dem Blick: Der Gedanke kreist darum, was mit den Kindern falsch gemacht wird, anstatt darauf zu blicken, wie das Kind ist und was es braucht, so wie es ist. Natürlich kann es Unstimmigkeiten in der Begleitung des Kindes mit seinem jeweiligen Temperament geben, die sich dann weiter nachteilig auf das Kind und die Interaktion auswirken: Beispielsweise brauchen gerade aggressive Kinder eine liebevolle und zugewandte Begleitung, um zu lernen, mit ihrem Temperament gut umzugehen. Da in unserer Gesellschaft aber weiterhin der Gedanke vorherrscht, dass dieses Verhalten immer durch ein falsches Elternverhalten hervorgebracht wird und mit Strenge behandelt werden muss, kann sich hier ein negativer Kreislauf entwickeln.

Die eigenen Prägungen und gesellschaftlichen Erwartungen an „das Verhalten von Kindern“ trüben den Blick auf die Vielfalt kindlichen Verhaltens und dem Bedarf an individueller Begleitung. Menschen sind nicht alle gleich, auch nicht am Anfang. Natürlich kann ein ungünstiges Erziehungsverhalten, gerade Erziehung mit Druck und Zwang und Gewalt, sich negativ auf das kindliche Verhalten auswirken und bestimmte Verhaltensweisen befördern. Aber es können ebenso bestimmte Aspekte im Kind angelegt sein. Oft ist es das Verbiegen des Kindes in die ein oder andere Richtung, die es uns schwer machen: Weil Kinder sich nicht verbiegen wollen und dieser Gegenwille zu Stress und Streit führt, sie auch gar nicht verbogen werden sollen, damit sie ein gutes Bild von sich ausbauen können mit psychischer Widerstandskraft – und wir für unsere Gesellschaft Menschen in ihrer Vielfalt brauchen.

Erst das Kind wirklich wahrnehmen

Wenn wir uns fragen, was mit unserem Kind „los ist“, sollte der Blick nicht sofort auf uns gerichtet sein, sondern zunächst einmal auf das Kind: Wir können uns fragen: Wer ist dieses Kind eigentlich? Was sind die Eigenschaften dieses Kindes? Wie war es früher, wie ist es jetzt – und gibt es Veränderungen oder war es schon immer eher so wie heute? Und dann, wenn wir dieses Kind in seinem eigenen Wesen erfasst haben, können wir auf uns, auf die Familie und den Umgang mit diesem Kind blicken.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

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„Frei und unverbogen:
Kinder ohne Druck begleiten und bedingungslos annehmen“
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Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

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Zahnfee, Weihnachtsmann, Nikolaus – Gib die Elternverantwortung nicht an Fantasiefiguren ab!

„Wenn du nicht die Zähne putzt, dann kommt nicht die Zahnfee!“, „Wenn du nicht lieb bist, dann notiert der Weihnachtsmann das in seinem Buch und du bekommst kein Geschenk!“, „Wenn du deinen Bruder immer ärgerst, bringt der Nikolaus eine Rute statt Süßigkeiten!“ – Neben dem Umstand, dass all diese Drohungen generell ungünstige Erziehungsmittel sind, weil sie auf Strafen beruhen und diese nicht, wie Eltern oft hoffen, zu einer nachhaltig guten Verhaltensänderung führen, sondern eher Aggressivität und Lügen befördern, sind sie auch auf einer weiteren Ebene des Beziehungsaspekts ungünstig: Die Erziehungsverantwortung wird abgegeben an eine Fantasiefigur.

In der magischen Phase sind Fantasiewesen besonders beeindruckend

Manchmal ist der Alltag mit Kindern ganz schön anstrengend. Besonders die vielen Diskussionen und Verhandlungen mit Kindern können Kraft rauben: Da wird zum fünften Mal darum gebeten, dass das Kind nun den Schlafanzug anziehen soll oder zum dritten Mal, dass das Kind doch bitte mal vom Gemüse probieren soll. Und gerade wenn die Kraft gerade gering ist, der Alltagsstress hoch, wünschen sich Eltern eine Lösung und sind versucht, in die Trickkiste zu greifen. Gerade in der Zeit des magischen Denkens sind Kinder besonders beeindruckbar mit den Fantasiefiguren, die wahlweise etwas herbeizaubern oder auch ängstigen können. Es ist verlockend, da mit einem dieser Magiewesen zu drohen oder zu locken.

Sollten Fantasiewesen eine bedeutsamere Autorität sein als Eltern?

Was aber passiert, wenn wir Zahnfee, das Monster unter dem Bett, die Fee, den Weihnachtsmann, Krampus oder Nikolaus vorschieben, ist, dass wir unsere elterliche Verantwortung und unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse abgeben und hinter einer anderen Person verstecken. Wir erklären nicht mehr, dass wir als Eltern dieses oder jenes wünschen oder dieses oder jenes notwendig ist für die gesunde Entwicklung, sondern verbergen dies, weil es zunächst auf dem fantasievollen Weg einfacher erscheint oder uns die Fantasiefigur als größere Autorität erscheint als wir selber.

Damit sind wir bei einem wesentlichen Punkt der Eltern-Kind-Beziehung: der Autorität. Viele Eltern haben heute Schwierigkeiten mit dem Begriff der Autorität, da das Vorangehen und Begleiten von Kindern durch die Kindheit in den vergangenen Jahrzehnten oft mit Druck, Zwang und Strafen erfolgte. Heute wollen es Eltern anders machen, als sie es selbst erfahren fahren haben – aber passende Vorbilder fehlen. Es mag auch den Anschein erwecken, dass man selbst ja gar nicht straft, denn schließlich ist dann der Nikolaus schuld oder die Zahnfee bringt nichts für kaputte Zähne. Letztlich aber ist dieser Weg dennoch ein Weg der Strafe und zugleich der fehlenden elterlichen Begleitung.

Kinder brauchen Stabilität und einfühlsame, liebevolle Autorität

Kinder brauchen uns Eltern als Begleitpersonen auf ihrem Weg. Sie brauchen Bezugspersonen, die größer, weiser und gütig sind und ihnen vorleben, sich im Leben und in der Gesellschaft zu bewegen. Sie brauchen Bezugspersonen, die sie auf dem Weg, dies selbständig leben zu können, unterstützen. Und auch wenn es anstrengend ist, einem Kind zu sagen „Ich will das nicht!“ oder „Das geht so nicht!“ oder sich immer wieder (wie beim Zähneputzen) neue Wege und Alternativen auszudenken, ist das die Aufgabe von uns Eltern. Wir müssen präsent sein, ansprechbar, verlässlich. Wir zeigen den Weg, wir begleiten auf dem Weg. Und dies gibt Kindern Sicherheit.

In der konkreten Konfliktsituation bedeutet das: Schieben wir nicht irgendein Fantasiewesen vor, um das Kind zu etwas zu bewegen. Seien wir ehrlich und erklären, warum etwas geht oder nicht geht. Und erklären wir ehrlich, wie wir uns fühlen. Und ja: Manchmal müssen wir dann die Gefühlsstürme der Kinder aushalten, auch das gehört dazu. Und manchmal können wir auch einfach ein Auge zudrücken, statt auf etwas zu beharren und von uns aus als Eltern erklären: Ach komm, wir machen es heute einfach so wie du es willst. Das geht vielleicht nicht immer und bei allen Dingen, aber sicherlich ab und zu im Alltag. Und ist eine bessere Methode für die Beziehung, als mit Druck und Fantasiefiguren* zu arbeiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

* Das bedeutet nicht, dass es Weihnachtsmann, Nikolaus, Christkind und Zahnfee nicht geben darf – aber sie sollten eben kein Druckmittel sein bzw. keine Stellvertreter:innen für unsere eigenen Wünsche.

10 einfache Bewegungsspiele für Kinder Zuhause

Bewegung ist eines unserer Grundbedürfnisse. An Kindern sehen wir oft sehr gut, wie wichtig Bewegung eigentlich wirklich ist – während es uns mit der Zeit (unter anderem durch unsere Lebensbedingungen) aberzogen wird und wir Erwachsene oft mehr und mehr Zeit sitzend an einem Schreibtisch verbringen. Aber bei unseren Kindern ist es noch viele Jahre anders. Manchmal wundern wir uns darüber, wie groß ihr Bewegungsdrang ist, weil sie beständig hüpfen, statt zu gehen rennen, weil sie auch zu Hause wie ein kleiner Gummiball Bewegung einfordern. Und wir, die schon daran gewöhnt sind, uns zu wenig zu bewegen, reagieren verwundert bis hin verärgert und versuchen nicht selten, die Bewegung der Kinder einzuschränken mit einem „Jetzt hör aber mal auf hier umherzurennen!“ oder „Aber die Nachbarn!“ oder „Jetzt bleib doch endlich mal still sitzen!“.

Wir versuchen zu oft, Kinder von Bewegung abzuhalten

Anstatt das Bedürfnis des Kindes nach Bewegung zu sehen und passend darauf zu reagieren, versuchen viele Eltern genau das Gegenteil: Das Kind zu mehr Ruhe und Stillsitzen aufzufordern oder mit entsprechenden Tätigkeiten daran zu binden: fernsehen, Spiele am Tisch sitzend, Computerspiele oder Spiele an einer Konsole oder einem Pad. Während diese Tätigkeiten durchaus ihren Raum haben können im Kinderalltag, sollten sie aber dem Bewegungsdrang des Kindes nicht entgegenwirken und an dessen Stelle gesetzt werden. Durch die Bewegung baut das Kind die eigenen Fertigkeiten aus, erprobt sich und lernt neue Zusammenhänge. Auch für das spätere Lernen ist es wichtig, dass das Kind nicht nur in den frühen Jahren ausreichend Bewegung erfahren durfte und Bewegungsfertigkeiten richtig ausbilden konnte, sondern auch später eine ausgewogene Balance zwischen ruhiger Anregung zum Lernen und Bewegung/Aktivität auf der anderen Seite erfährt.

10 Anregungen für einfache Bewegungsspiele

Auch wenn unsere Wohnumgebungen scheinbar wenig Bewegung zulassen, können wir dennoch Ausschau halten nach Möglichkeiten, um den Bedürfnissen von Kindern nachzukommen. Wir müssen ein wenig umdenken und unsere Wohnung aus der Perspektive des Kindes sehen und denken: als Entdeckungsraum, Spielraum, Abenteuer.

Einen Hindernisparcour aufbauen
Für einen Hindernisparcours braucht es nicht viel und wir finden alles, was wir brauchen, in der Wohnung. Legen wir einen Startpunkt und ein Ziel fest, vielleicht quer durch die Wohnung, von einem Zimmer ins andere oder durch ein Zimmer. Entweder darf der Boden dabei berührt werden und es geht darum, Hindernisse zu überwinden, oder der Boden darf nicht berührt werden und die Route läuft über Stühle und Tische bis hin zum Sofa oder Bett.

Topfschlagen
Wir alle kennen Topfschlagen von Kindergeburstagen, dabei ist es auch eine tolle Anregung für den Alltag, wenn auf allen Vieren durch die Wohnung gekrabbelt werden muss, um unter einem Topf etwas zu finden.

Laserlabyrinth aus Schnüren
Beim Laserlabyrinth aus Schnüren geht es um Beweglichkeit: Die Wolle eines Wollknäuels läuft Kreuz und Quer durch das Zimmer und wird an Schubladen, Stühlen, Tischbeinen befestigt. Ziel ist es, den Raum zu durchqueren, ohne an den Schnüren hängen zu bleiben. Mit einer Aufgabe verbunden (einsammeln von Gegenständen) kann es so auch eine ganze Weile hin und her gehen.

Kissenrennstrecke
Gibt es eine längere freie Stecke in der Wohnung? Dann kann sie zur Rennstrecke mit Kissen werden. Wer mag, kann mit Washi-Tape die Strecke markieren. Jede teilnehmende Person bekommt ein kleines Kissen, auf die sie sich setzen kann und dann mit den Händen vorwärts rutscht bis zum Ziel.

Schnitzeljagd durch die Wohnung
Achtung: Geheimauftrag! Es muss der geheime Gegenstand (vielleicht ein Buch, zum entspannten Vorlesen nach der Bewegung) gefunden werden. Überall in der Wohnung gibt es kleine Hinweise, und es wird von Hinweis-Versteck zu Hinweis-Versteck geführt entweder mit Rätselfragen oder mit Bildern bis der geheime Gegenstand schließlich gefunden wird.

Feuer, Wasser, Erde, Sturm
Wer kennt es nicht aus der eigenen Kindheit? Wird von der anleitenden Person „Feuer“ gerufen, müssen sich alle an die Wand stellen, bei „Wasser“ auf etwas hinaufstellen, bei „Erde“ flach auf den Boden liegen und bei „Sturm“ an etwas festhalten.

Luftballon-Volleyball
Mit richtigen Bällen ist es in der Wohnung oft gar nicht so einfach. Mit Luftballons hingegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas zu Bruch geht, geringer. Beim Luftballon-Volleyball geht es darum, dass der Luftballon nicht die Erde berühren darf und immer weiter in der Luft bewegt werden soll.

Stopp-Tanz
Musik an und tanzen. Wenn die Musik stoppt, müssen alle einfrieren in der Bewegung oder wahlweise das tun, das die anleitende Person ihnen zuruft: „Kriech wie ein Krokodil!“, „Lauf wie eine Giraffe!“

Betten-Trampolin
Betten sind zum Ausruhen da, das stimmt. Aber wenn sonst gerade Bewegung fehlt und Eltern merken, dass das Kind ganz dringend wildes Hopsen braucht, ist das Betten-Trampolin eine gute Alternative, vielleicht sogar verbunden mit einer gemeinsamen Kissenschlacht.

Yoga mit Kindern
Ein wenig ruhiger, aber dennoch in Bewegung ist das Kind beim angeleiteten Yoga. Für Kinder sollte Yoga anders als für Erwachsene sein und als Spiel dienen. Wer Tierfiguren in den einzelnen Yogaübungen nachstellt, kann Kindern auf einfache Weise Yoga näher bringen. Wie das geht, steht u.a. in einem der Bücher hier.

Noch mehr Ideen für Spiele und Tätigkeiten Zuhause findet Ihr hier.

Welche Grenzen gibt es in unserer Familie?

Um das Thema der Grenzen in Familien gibt es immer wieder Diskussionen: Wieviele und welche Grenzen sind notwendig? Sind sie es überhaupt? Oder brauchen Kinder dringend Grenzen? Müssen Eltern sogar ganz bewusst Grenzen setzen, um dem Kind zu zeigen, dass sie sich unterzuordnen haben und nicht zu sehr verwöhnt werden?

Feststehende Grenzen

Grenzen ergeben sich in vielen Themenbereichen ganz natürlich im Alltag aus bestimmten Gegebenheiten: Das Kind darf nicht auf die Straße rennen oder mit Stricknadeln in die Steckdose pieken oder andere Dinge tun, die andere oder es selbst gefährden. Ebenso erstrecken sich solche natürlichen Grenzen auch auf bestimmte soziale Aspekte des Miteinanders: Wie beispielsweise miteinander oder mit anderen gesprochen werden kann, ohne dass diese sich respektlos behandelt fühlen. Diese Art von wichtigen Grenzen, die das Kind für das eigene Wohlergehen erlernen muss, auch in Hinblick auf seine Position im sozialen Miteinander, stehen fest.

Das Kind rührt durch sein normales, kindgerechtes Verhalten an diesen Grenzen: Es eckt hier und da an und bekommt erklärt, dass es sich hier um eine unverschiebbare Grenze handelt. Dass es nicht beim ersten Mal sofort diese Grenze verinnerlicht, ist normal. Als Elternteil müssen solche Grenzen deswegen immer wieder aufgezeigt und erklärt werden, bis das Kind diese Grenze verinnerlicht hat. Die Verantwortung liegt dabei lange bei den Eltern: Nicht das Kleinkind ist schuld, weil man doch schon x-mal gesagt hat, es soll nicht zu nah an die Straße gehen, sondern die Eltern müssen vorausschauend planen und entsprechend eingreifen. Dies beispielsweise auch, wenn sie wissen, dass das Kind eine Phase hat, in der es besonders viel beißt oder schlägt und deswegen eine nahe Begleitung braucht, um andere Kinder nicht zu verletzen.

Individuelle Grenzen

Neben diesen Grenzen gibt es individuelle Grenzen von Menschen, die das individuelle Zusammenleben festschreiben. Das sind Dinge, die für eine Person „nicht gehen“ und können von Person zu Person unterschiedliche sein. Sie sind eine Form feststehender individueller Grenzen, beispielsweise wenn ein Elternteil es absolut nicht ertragen kann, wenn das Kind beim Einschlafen an der Haut des Erwachsenen gnibbelt. Vielleicht mag das für einige Eltern in Ordnung sein, für dieses Elternteil aber geht es nicht. Auch ganz bestimmte Umgangsformen können darunter fallen. Ebenso wie bei den feststehenden Grenzen oben lernt das Kind hier durch Zusammenleben und Wiederholung, dass dies eine nicht überschreitbare Grenze dieser Person ist. Eltern sind dabei in der Verantwortung, zu überprüfen, wie viele solcher persönlichen Grenzen sie haben und ggf. auch zu sehen, woher sie kommen und ob und wie sie mit dem Alltag vereinbar sind. Bestehen sehr viele individuelle Grenzen, kann das die Interaktion erschweren.

Variable Grenzen

Es gibt Grenzen, die im Familienalltag auch variabel auftreten können: Was heute so gemacht werden musste wegen der Rahmenbedingungen, ist am anderen Tag mit anderen Rahmenbedingungen anders: Heute gab es ein Eis auf dem Weg nach Hause, weil die Stimmung schlecht war und alle Lust auf Eis hatten, deswegen gibt es nicht jeden Tag ein Eis. Variable Grenzen setzen sich aus den Möglichkeiten und Ressourcen der Familienmitglieder zusammen. Nicht nur die Eltern haben dabei das Recht, Grenzen zu verschieben, sondern auch Kinder können sich mit ihren Wünschen und Argumenten einbringen. Es entsteht ein demokratischer Aushandlungsprozess, der das Familienleben gestaltet. Auch in einer Familienkonferenz kann über bestimmte Regelungen in der Familie diskutiert werden. Eltern verlieren dadurch keinen Respekt ihrer Kinder: Im Gegenteil zeigt es Respekt auf beiden Seiten, sich bei verschiedenen Themen näher zu kommen und Möglichkeiten auszuhandeln.

Grenzen setzen, um nicht zu verziehen?

Die Kinder erleben also natürlicherweise Grenzen in ihrem Alltag. Viele stehen fest und ergeben sich aus unserem sozialen Miteinander und der Fürsorge füreinander. Andere können verhandelt werden. Zusätzliche Grenzen im Sinne von „Jetzt zeig ich dir, wer hier das Sagen hat und du darfst das aus Prinzip nicht“ ergeben für Kinder keinen Sinn: Die Zusammenhänge sind oft nicht erkennbar, zumal das Kind nicht weiß, dass der Erwachsene im Verhalten des Kindes ein Machtspiel sieht, da das nicht die Intention des Kindes ist. Willkürlich gesetzte Grenzen behindern die Verbindung, das Sicherheitsgefühl des Kindes und wirken sich langfristig nachteilig auf die Beziehung aus. Die Grenzen, die das Kind aus oben genannten Gründer erfährt, reichen völlig aus, damit es sich in der Welt gut orientieren kann. Dabei wird es verständnisvoll von den Bezugspersonen begleitet, erinnert und motiviert, so dass diese Grenzen als Regeln nach und nach verinnerlicht werden.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Lass uns über Gefühle reden…

Wann hast du heute mit deinem Kind über Gefühle gesprochen? Wann hast du konkret nachgefragt, wie es sich fühlt? Über welche Art von Gefühlen habt ihr gesprochen und welche Worte habt ihr dafür genutzt? Unser Alltag besteht jeden Tag aus vielen Gefühlen – die Palette reicht von traurig über wütend bis zu fröhlich, aber auch dazwischen gibt es viele Abstufungen: Wir können traurig sein, weil wir enttäuscht sind von jemandem, verletzt, allein, bekümmert von etwas oder auch mutlos. Und ebenso sind wir nicht „einfach“ fröhlich, sondern können euphorisch sein oder beglückt, vielleicht auch erleichtert.

Ich erkläre dir, wie ich mich fühle – und mir selbst

Worte können ein Werkzeug sein, um Gefühle anderen gegenüber auszudrücken, sich zu erklären, aber gleichzeitig auch, um sie für sich selbst zu sortieren und zu reflektieren. Wenn wir einem Gefühl genauer nachgehen, setzen wir es in Verbindung zu unseren Erlebnissen und Beziehungen. So können Worte helfen, ein besseres Verständnis für sich und die Umwelt zu entwickeln. Je detaillierter wir selbst daher mit Worten umgehen, desto mehr lenken wir den Fokus auf den Facettenreichtum der Gefühlswelt.

Über ALLE Gefühle reden mit allen Kindern

Oft lenken wir unseren Fokus allerdings erst dann auf die Gefühle, wenn das Kind wütend oder traurig ist: Wir spiegeln das Kind, erklären „Du bist gerade ganz schön wütend!“ oder fragen nach „Warum bist du so traurig?“. Das ist wichtig, aber gleichzeitig können wir auch detaillierter ins Gespräch kommen mit unserem Kind und offen fragen „Wie fühlst du dich gerade?“ Oder, wenn das Kind erklärt, dass es wütend über das Verhalten eines Freundes ist, dem weiter nachgehen und gemeinsam ergründen, ob das Kind enttäuscht ist oder verärgert. Vor allem aber können wir im Alltag nicht nur dann den Fokus auf Gefühle legen, wenn das Kind wütend oder traurig ist, sondern auch bei Freude und Glück über das Gefühl sprechen und auch hier ein wenig detaillierter einzelne Aspekte der Gefühlswelt erfragen.

Und dies gilt für alle Kinder: Denn Jungen wie Mädchen können wütend, traurig, fröhlich, ängstlich sein. Während früher besonders von Jungen erwartet wurde, dass sie Angst und Trauer nicht zeigen oder schnell überwinden müssen, wissen wir heute, dass es für die psychische Gesundheit und weitere Entwicklung nicht günstig ist, bestimmte Gefühle ausklammern zu müssen. Im Gegenteil: Es ist für alle Kinder gut und wichtig, dass sie alle Arten von Gefühlen haben dürfen und darin begleitet werden. Wie schnell und auf welche Art ein Kind beispielsweise tröstbar ist, unterscheidet sich oft schon von Anfang an und ist eine Frage des Temperaments. Wenn wir von einem schwer tröstbaren Kind erwarten, dass es seine Gefühle allein überwinden soll, „weil es ein Junge ist“, helfen wir dem Kind nicht weiter. Wenn wir dem Kind aber durch aktive Unterstützung zeigen, wie es sich beruhigen kann und dass ein Elternteil als Unterstützung immer zur Verfügung steht, kann es daraus auch Handlungsmöglichkeiten für zukünftige Situationen erwerben. Ebenso gilt beispielsweise auch für Mädchen, dass sie mutig sein dürfen und dieses Gefühl nicht mit einem „Aber du bist doch ein Mädchen und Mädchen machen nicht xy…“ unterbunden werden sollte.

Ein Kind ist ein Kind und lernt in den Jahren der Kindheit die Welt kennen, lernt Beziehungen und soziale Interaktion. Es lernt die eigenen Gefühle kennen und die der anderen Menschen. Je offener und detaillierter wir mit unseren Kindern über Gefühle sprechen, desto mehr lernen sie, die Welt und sich selbst zu verstehen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Wenn Geschwister streiten – Teil 5: Falsche Erwartungen gegenüber älteren Geschwisterkindern

„Was hast Du wieder angestellt?“, „Du musst aber nachsichtig mit Deinem kleinen Bruder sein!“, „Jetzt gib doch einfach mal nach!“ – Wenn Geschwister streiten, tappen Eltern nicht selten in die Falle, an das größere Geschwisterkind hohe Erwartungen zu haben: Es soll nicht zu hart mit dem kleineren Kind umgehen, soll Verständnis haben, nachsichtig sein, vielleicht sogar den Konflikt aktiv lösen können. Ein wenig geht nämlich aus dem Blick verloren, dass das ältere Geschwisterkind ja dennoch weiterhin ein Kind ist, vielleicht nur einige Jahre älter. Und dass ein Kind natürlich noch nicht so verständlich mit einem jüngeren Kind umgehen kann, das vielleicht gerade das sorgsam aufgebaute Spielzeug umgeworfen, freudig in den Arm des Geschwisterkindes gebissen oder scheinbar heute mehr Zuwendung bekommen hat.

Kinder haben unterschiedliche Temperamente

Unsere Kinder kommen unterschiedlich zu uns, mit verschiedenen Temperamenten, unterschiedlicher Reizbarkeit, unterschiedlichem Umgang mit Stress und Gefühlen. – Und das nicht nur in verschiedenen Familien, sondern auch innerhalb ein und derselben Familie: Geschwister können sehr unterschiedlich sein, auch wenn sie in einem scheinbar so gleichen Feld aufwachsen mit gleichen Eltern, in gleichen Räumlichkeiten. Von Anfang an aber bringen sie ihre eigene Art in das Leben mit – und Eltern reagieren darauf. Was als Temperament ins Leben mitgebracht wird, entwickelt sich über die Interaktion mit der Umwelt zu einer Persönlichkeitseigenschaft in den ersten Jahren. Eltern gehen also durchaus unterschiedlich mit ihren Kindern um, gehen unterschiedlich auf sie ein und innerhalb einer Familie können durchaus sehr verschiedene Menschen zusammenkommen, die einen Weg des gemeinsamen Lebens miteinander finden müssen.

Manchmal passt das besser, manchmal schlechter. Manchmal gibt es auch Phasen, in denen es besser oder schlechter läuft. Und manchmal gibt es Zeiten, in denen zeigt sich ein Ringen um Zuwendung, Aufmerksamkeit, Ressourcen in physischer oder psychischer Form. Dass auch das zum Geschwistersein dazu gehört, ist normal.

Das größere Kind muss nicht immer verständnisvoll sein

Auch das größere Kind hat sein persönliches Temperament, aber auch bestimmte Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Zuwendung und den Wunsch nach Lernen und Exploration, dem es nachgehen möchte. Kleine Geschwister kommen diesen Bedürfnissen und Wünschen manchmal in den Weg und je nach Temperament gehen Kinder mit solchen Störungen auch unterschiedlich um. Der Anspruch, das größere Kind müsse per se folgsamer und nachsichtiger sein können, ist falsch: Weder kann es das, nur weil es etwas älter ist, noch muss es ertragen können, dass die eigenen Bedürfnisse beständig übergangen werden. Die Reihenfolge der Geschwister sagt nicht per se etwas aus über die Eigenschaften, Fähigkeiten und Möglichkeiten. Es liegt vielmehr an den Eltern, wie sie mit den Kindern umgehen und Streitigkeiten in Bahnen lenken, so dass eine Kompetenz nach und nach ausgebaut wird.

Statt Erwartungen: Offenheit, Verständnis, Einfühlungsvermögen

Natürlich wäre es der einfachere Weg, wenn das größere Kind einfach immer nachgeben würde. Es würde uns Eltern vielleicht entlasten, denn die Aufgabe, Konflikte zwischen Geschwistern zu moderieren, ist anstrengend. Dies umso mehr, je kleiner die Kinder sind und wenn gar das kleinere Geschwisterkind noch nicht sprachlich die Situation ausdrücken kann, ist es umso schwerer, objektiv zu bleiben und beiden Kindern das Gefühl zu geben, gesehen und nicht bewertet zu werden. Dennoch ist es langfristig der bessere Weg, genau dies zu tun: die Kinder nicht in „schuldig“ und „unschuldig“ einzuteilen und nicht das größere Kind zu beschimpfen oder zu bestrafen. Denn Strafen sind weder hier noch sonst ein gutes Mittel, damit Kinder langfristig etwas lernen könnten und bei Geschwisterstreitigkeiten verteilte Strafen vertiefen nur den Graben, lassen das Gefühl der Ungerechtigkeit wachsen und verstärken Auseinandersetzungen.

Es mag sein, dass Kinder in einigen Situationen gemeinsam eine Lösung finden und manchmal finden sie sogar beeindruckend kreative, sanfte, kooperative Lösungen. Aber dann, wenn sie das nicht schaffen, brauchen sie unsere Hilfe. Dass sie es nicht (immer) schaffen, ist auch normal und kein Zeichen unseres elterlichen Versagens. Sie sich dann aber sich selbst zu überlassen, ist nicht sinnvoll. Hilfe meint nicht, dass Eltern die Lösung finden müssten. Hilfe meint, einen Lösungsweg anzuschieben und sie darin zu unterstützen, gut miteinander umzugehen. Damit sie das tun – gerade auch im Konfliktfall – ist unser positives Vorbild wichtig und ein offenes Begleiten von Konfliktsituationen (wie das geht, steht hier).

Beim nächsten Geschwisterstreit heißt es deswegen: Erst einmal tief durchatmen, bevor ein „Was hast du jetzt wieder gemacht?“ oder „Kannst du nicht einfach nachgeben?“ über die Lippen kommt und sich dann mit allen beteiligten Kindern gemeinsam hinsetzen, jedes trösten und dann gemeinsam die Situation besprechen. Und auch dann, wenn ein noch nicht sprechendes Kind beteiligt ist, können wir trösten und erklären: „Ich war nicht dabei, ich kann das nicht mitfühlen, aber ich kann versuchen, mit euch zusammen jetzt eine Lösung zu suchen für das Problem.“

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Mehr zum Thema Geschwisterstreit findest Du hier:
Wenn Geschwister streiten – Teil 1: Streit als Entwicklungsressource betrachten
Wenn Geschwister streiten – Teil 2: Hauen, kämpfen, balgen – Ist das noch normal?
Wenn Geschwister streiten – Teil 3: Wann muss ich eingreifen?
Wenn Geschwister streiten – Teil 4: „Meine Mama, mein Papa!“ – mit Rivalität umgehen

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Manchmal ist es ganz schön viel – Auch größere Kinder brauchen emotionale Unterstützung jeden Tag

Oft denken Eltern, dass ihre Kleinkinder nun doch schon ganz schön groß sind – schließlich können sie schon laufen, klettern und sprechen. Sie haben in ihrem kurzen Leben schon ziemlich viel erlebt und kennen viele Routinen und Abläufe des Alltags. Und dennoch: Jeden Tag lernen Kinder etwas Neues, sehen etwas bislang Unbekanntes und/oder machen neue soziale Erfahrungen. Und mit diesen neuen Erfahrungen ändert sich nicht nur ihr Wissen allgemein, sondern sie gehen damit auch um, setzen sich selbst in Bezug zu diesen neuen Erfahrungen, ändern vielleicht ihr Bild über sich oder über Beziehungen. Und dieses Lernen und Erfahren hält sogar noch nach der Kleinkindzeit an.

So wunderbar diese Erweiterung von Erfahrungen auch ist, ist sie dennoch auch anstrengend durch all die Prozesse, die dahinter stehen. Es kostet Energie, all dieses Lernen zu bewältigen und nicht nur das: Es braucht auch oft eine Ordnung für das Verständnis, eine Begleitung und Unterstützung. Denn auch wenn es uns Erwachsenen nach Außen so erscheint, als würden die Kinder doch nun „fertig“ sein, sind sie es innerlich noch nicht: Ihre Gehirne arbeiten noch anders, sie fühlen noch anders und können sich auch weniger leicht bei starken Emotionen selbst regulieren.

Das bedeutet: Auch Kleinkinder und Kinder im Vorschul- und selbst Grundschulalter stehen manchmal noch vor innerlich großen Herausforderungen, mit all den vielen Erlebnissen und Informationen des Tages umzugehen. Dies umso mehr, je außergewöhnlicher, beängstigender, neuer und/oder anstrengender diese Erfahrungen sind. Gerade wenn sich etwas einschneidend an ihrem Alltag verändert, sie sich in bestimmten Situationen auf einmal anders verhalten müssen oder sich Rahmenbedingungen ändern, kann das emotional sehr anstrengend sein. Dabei sind diese Änderungen für uns nicht immer leicht zu entdecken – besonders nicht, wenn wir mit unserem „Erwachsenengehirn“ darüber nachdenken und nicht erkennen, dass die Abwesenheit des Kindergartenfreundes gerade anstrengend ist oder die Erkältung eines Elternteils oder vielleicht auch „nur“ das Fehlen eines von drei Lieblingskuscheltieren.

Gerade bei größeren Kindern haben wir oft Angst, dass wir sie durch Nähe, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu sehr verwöhnen könnten. Und tatsächlich sind die Räume für Eigentätigkeit und Selbständigkeit mit zunehmendem Alter wichtig, aber ebenso sind auch größere Kinder weiterhin auf den wichtigen Teil des Bindungssystems angewiesen, der Schutz und Unterstützung verspricht. Sie brauchen die Gewissheit, dass sie mit den herausfordernden Momenten des Lebens zu ihren Eltern kommen können, damit diese ihnen helfen, diese Erfahrungen richtig zu sortieren, einzuordnen und Strategien zum Umgang damit zu lernen. Es ist wichtig, dass wir ihnen als dieser Schutz und diese Hilfe zur Verfügung stehen – unabhängig von ihrem Alter.

Wenn unsere Kinder mit einem scheinbar „schwierigem“ Verhalten zu uns kommen, können wir dies als Einladung betrachten, genauer hinzusehen und zu erkunden, was gerade schwierig in ihrem Alltag ist, das dieses Verhalten hervorrufen könnte. Und dann erst auf die Lösungssuche gehen – so löst sich ein scheinbar schwieriges oder trotzigen Verhalten viel besser und nachhaltiger auf, als wenn Eltern sich nur wünschen, dass es abgestellt wird.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

14 Tage zu Hause mit Kind – Ideen für die Quarantäne

Viele Eltern sorgen sich davor, 14 Tage zu Hause mit Kind zu verbringen. Was können wir tun? Wie können wir den Alltag gestalten? Prinzipiell ist es zunächst sinnvoll, auf die natürlichen Bedürfnisse von Kindern zu sehen und zu beachten, dass Kinder im Tagesverlauf (wie auch Erwachsene) ein ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung brauchen. Neben Nähe und Sicherheit (gerade dann, wenn sie auch krank sind), sind dennoch auch Neugierde und Abenteuer wichtig: Sie wollen ihre Fähigkeiten ausbauen und erproben und brauchen hierfür Freiheiten. Zudem wollen sie in dem begrenzten Rahmen, den sie haben, selbst wirksam sein. Fehlt ihnen Selbstwirksamkeit und Eigenständigkeit sowie ein wenig Abenteuer und Exploration, kann das zu Frustration führen.

Im Alltag bedeutet dies zunächst generell: Hinsehen, wo sich das Kind aktiv einbringen oder Dinge allein tun kann, beispielsweise bei der Zubereitung von Essen, beim Tischdecken und -abräumen, beim Putzen: Hier können auch schon kleine Kinder aktiv eingebunden werden und sie können Aufgaben übertragen bekommen, die ihnen Freude machen und sie auch ein wenig herausfordern, denn gerade um den Raum dieser Herausforderungen geht es jetzt: In den eingeschränkten Möglichkeiten, die sie jetzt haben im häuslichen Umfeld brauchen sie kleine Herausforderungen, die wir ihnen stellen – oder die sie sich selber suchen und die wir ihnen gewähren.

Das bedeutet aber nicht, dass die Kinder gänzlich allein den Alltag bestimmen sollten an allen Tagen: Es ist wichtig, dass wir als Eltern auch weiterhin eine Struktur vorgeben für den Tag, die klar erkennbar ist vom Frühstück über die Vormittagszeit, Mittagessen, vielleicht Mittagsruhe (je nach Alter), Spielzeit am Nachmittag, Obstmahlzeit, weiteres Spiel, das dann sanft in das Abendessen und die Abendruhe überführt.

Für manche Eltern mag es verlockend klingen, die Zeit, die nun zu Hause verbracht werden muss, endlich mal für etwas Nützliches zu verwenden und die Wohnung zu streichen, aufzuräumen und auszumisten oder andere grundlegende Arbeiten zu erledigen. Mit einem (vielleicht sogar kränklichem) Kind ist es aber meist keine gute Idee, eine längere Umräum- oder Renovierungsaktion zu planen, denn hier hat das Kind zu wenig Mitwirkungsmöglichkeiten und oft auch zu wenig Zuwendung, was wieder zu Streit führt. Kleinere Aktionen wie beispielsweise das Durchsehen des Kinderbücherregals und Aussortieren von Büchern können natürlich durchgeführt werden.

Zu den Impulsen zur Eigenständigkeit neben Ruhe und Entspannungsmomenten können wir auch kleine Besonderheiten einplanen für diese Tage, wenn uns vielleicht der Alltag sonst ein wenig auf den Kopf fällt. Hier findet Ihr 14 Ideen für solche Tage. Natürlich muss es nicht jeden Tag eine Besonderheit sein, aber manchmal sorgen besondere Ideen für ein wenig Erheiterung und Leichtigkeit.

  1. Eine Puppen-/ Kuscheltierteeparty veranstalten
    Eine Teeparty für die geladenen Gäste des Hauses braucht einiges an gemeinsamen Vorbereitungen: Es müssen Einladungen gebastelt werden, Kekse gebacken, der Tisch oder die Picknickdecke hergerichtet werden und vielleicht wird sogar eine Kerze angezündet und das Kind darf das Streichholz halten.
  2. Einen Spielkasten/-tablett gestalten
    Spielkästen und Spieltabletts sind wunderbare Ideen für den Alltag generell, denn sie laden Kinder zum Spielen mit einfachen Materialien des Alltags ein, mit denen sie sich dann im Spiel vertiefen: Auf ein kleines Tablett, in eine leere Kiste oder ausgeleerte Schublade kann ein Spielmaterial gegeben werden wie Hirse, Reis oder auch Nudeln. Dazu kommen unterschiedlich große Löffel, Tassen, Töpfe, so dass nach Belieben umgefüllt und gespielt werden kann.
  3. Eine Schaumparty machen
    Wie wäre es mal mit einer Schaumparty im Bad? Warmes Wasser, viel Schaum und vielleicht noch (selbstgemachte) Seifenblasen? Danach wird dann zusammen aufgewischt.
  4. Einen Hindernisparcours aufbauen
    Bewegung ist wichtig für Kinder und auch in Quarantäne zu Hause brauchen sie genügend Bewegung, vielleicht täglich angeleitet mit Hilfe eines Buches oder eines Videos, das gemeinsam angesehen wird. Aber auch darüber hinaus bietet sich Bewegung als Programmpunkt an für einen Tag: Wie wäre es mit einem Hindernisparcours aus den Dingen, die gerade zu Hause verfügbar sind? Über die Stühle auf den Tisch auf das Sofa und wieder zurück zum Beispiel. Und unter dem Tisch lässt sich mit einer Decke auch eine schöne Höhle bauen, in der danach ausgeruht werden kann mit Taschenlampe und einem Buch.
  5. Der Heute-Bestimmst-Du-Alles-Tag
    Selbstwirksamkeit ist wichtig für Kinder. Aber jetzt gerade ist sie eingeschränkt. Wie schon erwähnt, ist es gut, wenn wir Kinder jeden Tag mitentscheiden lassen bei einigen Punkten und ihnen Freiraum geben. Wenn aber dennoch die Decke mal richtig auf den Kopf fällt, ist ein Heute-Bestimmst-Du-Alles-Tag eine gute Idee. Natürlich bilden sich keine schlechten Angewohnheiten aus, weil es an diesem Tag Pudding zum Frühstück gibt, mittags Pommes und abends Pizza mit Schokocreme oder anderes. Es tut Kindern auch gut, wenn sie an diesem Tag das Spiel mal ganz allein bestimmen können: Heute spielen wir xy und Du (Mama/Papa) spielst mit.
  6. Kinderbuch-Lieblingsheld*innen-Tag
    Wie wäre es mal, einen Tag wie beim Sams zu gestalten? Oder wie in Bullerbü und die passenden Rezepte herauszusuchen (zum Beispiel für Zimtschnecken) oder wie bei Pippi Langstrumpf alles zu machen? Sucht Euch die Lieblingsgeschichte heraus und das, was sie so besonders macht und baut es in den Tag ein.
  7. Erinnerungstag mit Fotos, Filmen und Anrufen
    Alte Bilder ansehen, macht Spaß. Gemeinsam kann durch (digitale) Fotoalben gesehen werden, die passenden Geschichten dazu erzählt werden. Und vielleicht können wir auch hier und da bei den Menschen anrufen, die wir auf den Bildern sehen.
  8. Fernsehtag mit Popcorn und Eis
    Wir können und sollten unsere Kinder während der Quarantäne nicht vor Medien abschieben, aber natürlich können sie in den Alltag integriert werden. Vielleicht bietet es sich auch an, mal einen ganz besonderen Fernsehtag zu machen mit selbst gemachtem Popcorn, Eis oder selbstgemachter Pizza. Kann natürlich alles auch fertig gekauft werden, aber beim Selbermachen ist das Kind wieder aktiv beteiltigt.
  9. Verkleidungstag
    Lass uns doch mal die Sachen durchprobieren… Der Kleiderschrank der Eltern bietet doch oft einige spannende Verkleidungsimpulse, aber auch die eigenen Kindersachen können mit Tüchern und Bändern auf einmal ganz anders erscheinen.
  10. Besuch in einem virtuellen Museum
    Zwar geht es gerade nicht, richtig vor die Tür zu gehen, aber an vielen Orten können wir virtuell gehen. Einige Museen bieten virtuelle Besichtigungen an und vielleicht haben wir ja sogar noch ein passendes Kinderbuch zur Hand, um das Gesehene zu vertiefen.
  11. Eine Schnitzeljagd in der Wohnung
    Bewegung und Neugier können auch mit einer Schnitzeljagd in der Wohnung befriedigt werden. Ein Hinweis hier führt zum nächsten Hinweis dort – entweder gemalt oder geschrieben. Und am Ende wartet eine kleine Überraschung – das kann auch „nur“ eine selbstgebastelte Krone sein oder ein kleiner Kuchen.
  12. Gestaltet eine Fotogeschichte zusammen
    Wie wäre es mit einer Geschichte aus Eurem Alltag? Wie habt Ihr diese Tage zu Hause erlebt, was habt Ihr gemacht? Oder alternativ: eine kleine Geschichte ausdenken und in Fotos nachstellen. Das kann dann sogar als Fotobuch gestaltet werden und als kleines Geschenk dienen.
  13. Ein Fenster bunt gestalten
    Mit großen Bewegungen malen – das mögen viele Kinder. An den Wänden ist es oft nicht so beliebt, aber Fenster können mit Fingermalfarben schön gestaltet und später wieder abgewischt werden. Oder es können mit Mehlkleber aus Transparentpapier ausgeschnittene Dinge aufgeklebt werden.
  14. Heute-ist-Musik-Tag
    Musik macht es uns oft leichter. Singen hilft, um Ängste zu besiegen und Musik bereitet vielen Kindern Freude. Wenn die Nerven es aushalten, kann ein Konzert mit Töpfen und Sieben gemacht werden. Ansonsten kann auch einfach schöne Musik ausgewählt werden, zu der zusammen getanzt wird. Dazu gibt es ein Getränk mit Sprudel und ein paar Obststückchen in einem hübschen Glas und schon findet eine kleine Party statt.

Quarantäne mit Kindern ist nicht einfach. Es ist herausfordernd für Kinder und Eltern. Und wichtig ist auch, die eigenen erwachsenen Bedürfnisse zu berücksichtigen und sich irgendwie Pausen zwischendurch zu gönnen. Auch das darf ausgesprochen und eingefordert werden.

Kommt gut durch diese Zeit.
Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

„Kack-Mama! Kack-Papa“ – Wie Eltern mit Beschimpfung umgehen können

Welches Elternteil hat den Satz „Du bist eine Kack-Mama!“ oder „Du bist ein Kack-Papa!“ noch nie gehört? Und obwohl nahezu alle Eltern im Laufe der Kindheit diesen oder ähnliche Sätze hören, sind die meisten Eltern von einem solchen Ausspruch ihres Kindes beschämt: Habe ich alles falsch gemacht? Warum spricht mein Kind so mit mir? Das ist doch wohl die Höhe! Also das kann ich nun wirklich nicht durchgehen lassen. – Es sind viele Gedanken, die Eltern in solchen Situationen durch den Kopf gehen können. Die meisten der Gedanken sind darauf fokussiert, was die anderen Menschen denken könnten oder ob man selbst etwas falsch gemacht hat. Aber bevor die eigenen Gefühle und Versagensängste in den Blick geraten, lohnt sich ein Blick auf das Kind und die Situation.

Warum macht das Kind das eigentlich?

Vor der eigenen Scham und Schuldgefühlen verlieren wir oft aus dem Blick, worum es hier wirklich geht: Da steht ein kleines Kind, das vielleicht irgendwo ein Schimpfwort aufgefangen hat und nun damit experimentiert: Wie spricht man es aus? Wie reagieren die anderen darauf? Wie fühlt es sich an, das zu sagen?

Und selbst wenn es kein fremdes, neues Wort ist, sondern ein wohl bekanntes wie „Kack…“, ist der Blick auf das Kind gerade jetzt wichtig. Da steht es, vielleicht 1/3 so groß wie wir selbst und schreit und schimpft und fühlt sich ungerecht behandelt, eingeschränkt, unverstanden und sucht nach einem Kanal, nach einem Wort, um dieses riesige Gefühl der Wut und Frustration loszulassen. Ein Wort, mit dem es all das ausdrücken kann. Und das ist es dann: Kack-Mama, Kack-Papa.

Mit Schimpfwörtern umgehen

Was also können wir tun? Wir kennen all die Sätze, die Eltern eben zu ihren Kindern sagen: „Das sagt man aber nicht!“, „Solche Worte gehören nicht in unsere Familie!“, „Sowas kannst Du vielleicht zu deinen Freunden sagen, aber nicht zu mir!“, „Also ich als Kind hätte…, wenn…“, „Das will ich aber nie wieder hören!“ Helfen diese Sätze? Nein. Weil sie nicht mit dem Problem des Kindes umgehen. Weil sie weiterhin beschneiden und belehren wollen, oft noch in einer Situation, in der das Kind so in Wut ist, dass es gerade eben nicht belehrbar ist.

Auch ein Ignorieren hilft nicht, denn das Kind möchte mit seinem Wort ja etwas an uns transportieren, sagt etwas über die Wut und Verzweiflung. Wenn wir dies ignorieren, ignorieren wir auch die eigentliche Botschaft, die hinter dem steht.

Es geht also um ein Verständnis des Kindes und der Gefühle des Kindes. Wir sollten transportieren: Ich höre, dass du sauer bist, du darfst sauer sein, aber bitte verletze mich nicht. Und hier können wir überlegen, welche Alternativen es gibt: Wie kann dieses Kind die Wut hinauslassen, die es gerade spürt? Was kann es rufen, wo kann es rauftrampeln? Und gibt es überhaupt einen anderen Kanal als die Worte (und muss es ihn geben?). Manchmal mag es einem Kind helfen, ihm zu sagen: Wenn du unbedingt ein Schimpfwort nutzen möchtest, dann schrei es in deinem Zimmer hinaus. Oft aber funktioniert diese Technik nur begrenzt – und beispielsweise unterwegs nicht.

Natürlich sind wir Eltern Vorbilder, eben so wie Geschwister, Freunde, Bekannte, Verwandte. Worte wer den an vielen Stellen auf gegriffen, insbesondere so emotionsgeladene. Es ist nicht schlimm, dass unsere Kinder auch die Wörter benutzen, die in ihrer Umgebung benutzt werden. Mit einem Schimpfwort, so lernt das Kind, kann ein negativer Superlativ ausgedrückt werden.

S. Mierau (2020): Geborgene Kindheit

Das eigentliche Problem

Womit wir uns aber eigentlich befassen müssen, ist die Frage danach, warum genau wir Schimpfworte so schlimm finden. Denn wenn wir ehrlich sind, benutzen wir sie fast alle. Natürlich gibt es gefühlte Unterschiede zwischen „Mist“ und „Scheiße“ oder „Scheibenkleister“. Aber letztlich nutzen wir welches Wort auch immer, um ein ganz starkes Gefühl zu beschreiben und herauszulassen in einem Moment.

Wir können lange Zeit beeinflussen, welche Worte unsere Kinder nutzen, aber weniger, dass sie Schimpfworte nutzen. Im Grundschulalter können wir durchaus mit ihnen Worte festlegen, die nicht (oder zu Hause nicht) genutzt werden und erklären, warum wir das nicht tun. Ob sie sich auch außerhalb unserer Ohren daran halten, können wir nicht beeinflussen. Aber wenn wir ihnen den Raum geben, ihren Emotionen auch mit Worten Ausdruck zu verleihen und ihnen Worte an die Hand geben, die sie nutzen können, helfen wir ihnen mehr als durch Verbote.

Denn tatsächlich ist das eigentliche Problem, welchem wir uns bei Schimpfworten oft stellen müssen, das Gefühl, dass wir als Eltern in irgendeiner Weise versagt hätten, dass wir falsch erziehen würden und andere Menschen uns dafür verurteilen. Aber dieses Gefühl werden wir nicht los, indem wir unsere Kinder bestrafen oder ihnen etwas verbieten. Dieses Gefühl können wir nur in uns selbst bearbeiten und mit dem Wissen, dass die Nutzung von Schimpfworten wie Kack-Mama oder Kack-Papa eben nicht in erster Linie unsere elterlichen Qualifikationen in Frage stellt. Und manchmal sogar genau das Gegenteil ist, wenn wir nämlich dieses Gefühl in uns geklärt haben und unserem Kind den Raum geben können, so etwas zu sagen, ohne es sofort auf uns selbst zu beziehen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

„Einfach Halloween“ zu Hause feiern

Halloween steht vor der Tür und auch hierzulande wurde in vielen Städten und Gemeinden die amerikanische Tradition übernommen. Dort gehen Kinder insbesondere von Tür zu Tür, um Süßigkeiten zu sammeln. In diesem Jahr ist jedoch alles etwas anders und die Umzüge sollten ausfallen. Aber auch zu Hause lässt sich mit Kindern ein schönes Fest feiern – und die Dekoration muss auch nicht teuer eingekauft werden oder aus Plastik bestehen, sondern kann mit wenigen Materialien zu Hause selbst hergestellt werden.

Kleine Geister aus Stoffservietten oder Stoffresten

Wer weiße Stofftaschentücher, Servietten oder einfach einen quadratischen Stoffrest zu Hause hat, kann daraus mit wenigen Handgriffen ein kleines Gespenst zaubern. In der Mitte des Tuches wird ein Kopf mit etwas Schnur abgebunden, indem ein kleiner Wattebausch, eine Kugel oder ähnliches liegt. Aus zwei Ästen wird mit Hilfe einer Schnur ein Kreuz gebunden. Die vier Ecken des Tuches werden dann mit einer Schnur an den Enden des Kreuzes befestigt. So kann das kleine Gespenst aus dem Fenster schauen.

Geisterlichter aus Einmachgläsern

Ein altes Schraubglas kann mit etwas Mehlkleber, Transparentpapier und schwarzer Pappe schnell in ein Geisterlicht verwandelt werden. Für den Mehlkleber wird eine Tasse Mehl mit einer 3/4 Tasse Wasser zu einem Brei verrührt. Mit diesem kann das Transparentpapier dann in kleinen Stücken auf das Marmeladenglas geklebt werden. Abschließend werden zwei ovale Augen aus schwarzer Pappe aufgeklebt. Teelicht hinein, fertig!

Spinnenweben aus Zahnstochern und Kastanien

In eine Kastanie werden ringsum gleichmäßig verteilt 5 Zahnstocher gestochen. Zwischen diesen Zahnstochern wird dann von Zahnstocher zu Zahnstocher das Spinnennetz gewebt. Die Kastanie ist die Spinne, die in der Mitte sitzt. Diese Spinnennetze können dann am Fenster aufgehangen werden.

Gerippe aus Stöcken schnell geklebt

Noch schnell einen kleinen Ausflug machen, um im Wald oder Park ein paar unterschiedlich lange Äste zu sammeln. Diese können dann mit Heißkleber oder Nägeln zu einem Skelett verbunden werden mit einem Gesicht aus Pappe oder Baumrinde.

Gruselfühlkisten basteln

Vielleicht habt Ihr ja noch Schuh- oder Pappkartons zu Hause, die schnell mit einem kleinen handgroßen Loch in eine Fühlkiste verwandelt werden können. Ansonsten können auch Schüsseln genommen werden, die einfach mit einem Tuch verhangen werden, unter das die Kinderhand dann schlüpft. Im Karton oder in der Schüssel befinden sich dann unterschiedliche Dinge, die erfühlt werden können: zum Beispiel etwas haarige Wolle, ein Wattebausch, selbstgemachter Schleim, ein nasser Waschlappen, Kiefernadeln, etwas feuchtes Gras oder trockene Blätter.

Eine andere Variante des Spiels: Aus den gefüllten Kisten muss ein Gegenstand herausgesucht werden.

In der Hexenküche

Kleine Kinder matschen, rühren und füllen oft gern um. In der Halloween-Edition dieses Spiels können wir einen ausgehölten Kürbis als Hexenkochtopf nutzen. Hinein kommen kann entweder einfach Matschepampe aus dem Garten oder vom Balkon zum Rühren, Klecksen und Umfüllen. Oder es kommt ein selbstgemachter Schleim hinein oder mit Lebensmittelfarbe gefärbtes Wasser.

Mit größeren Kindern kann auch ein Experiment gemacht werden: Der überlaufende Kürbis. Hier wird Natron mit etwas Farbe vermischt und in den Kürbis gegeben und mit Apfelessig aufgegossen, so dass Schaum entsteht, der aus dem Kürbismund herauslaufen kann.

Geister- und Monsterbücher vorlesen

Eine Vorlesezeit bei Kerzenschein im Dunkeln ist ein weiterer einfacher Programmpunkt für eine Halloweenfeier zu Hause. Dabei kann dann auch als Thema aufgegriffen werden, dass Geister und Monster gar nicht gruselig sind und/oder Kinder keine Angst davor haben müssen – das ist ohnehin ein wichtiger Punkt bei diesem Fest, bei dem sich Kinder damit auseinandersetzen können, was gruselig ist, warum und wie sie mit solchen Ängsten umgehen und wie sie von ihren Eltern begleitet werden können. Eine Sammlung an Büchern zum Thema findet Ihr hier.

Ein kleines Grusel-Buffel anbieten

Es gibt zahlreiche Rezepte für Halloween mit mehr oder weniger großem Aufwand für gruselige Suppen mit Roter Beete, Kürbissuppen, auf die aufgrund ihrer dicken Konsistenz mit Kürbiskernöl und/oder Schmand Gesichter und Geister aufgezeichnet werden können. Tomaten können mit einem scharfen Messer und etwas Gurkenfüllung wie Halloween-Kürbisse aussehen oder Nachos können mit einer gruseligen Guacamole angeboten werden, die aus einem kleinen Kürbis herausläuft. Der Süßigkeiten anbieten möchte, kann kleine weiße Schaumküsse mit Zuckeraugen bekleben – so werden sie blitzschnell zu kleinen Geistern. Und Brezeln werden durch Zuckeraugen zu kleinen Fledermäusen. Zwei Kekse zwischen die ein Halbkreis aus Mini-Marshmallows geklebt wird, sehen aus wie ein Mund mit Zähnen.

Mit diesen Ideen wird Halloween auch zu Hause zu einem schönen Fest im kleinen Kreis.
Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

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