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“Spiel mit mir!” – Was tun, wenn Eltern nicht mitspielen wollen?

“Spiel mit mir!” ruft das Kind und wünscht sich, in der Puppenküche einen dankbaren Abnehmer zu haben oder beim Bauen von einer Architektin für ausgefallene Plastikhäuser begleitet zu werden. Und manchmal haben Eltern auch wirklich Freude daran, ihre Kinder beim Spiel zu begleiten, sich dazu zu setzen und mit zu spielen. Aber manchmal auch nicht.

Gemeinsam spielen

Wir sind soziale Wesen, unsere Kinder sind soziale Wesen. Wir haben oft die Vorstellung von Kinderzimmern, in denen unsere Kinder sitzen und sich ganz allein über Stunden mit Spielsachen beschäftigen. Tatsächlich tun die das auch irgendwann, aber das Spiel entwickelt und verändert sich im Laufe der Entwicklung des Kindes. Viele Jahre spielen Kinder vor allem im Zusammensein mit Menschen: Im ersten Jahr sind die nächsten Bezugspersonen ihr liebstes “Spielzeug”. Dann beginnen sie, im Spiel nachzuahmen was sie sehen und auch hierfür braucht es vor allem das soziale Miteinander, das sie dann nachspielen: das Rühren im Topf, das Werken mit dem Hammer, das Tragen und Umsorgen der Puppen und Teddys. Sie spielen nach und dann mehr und mehr auch im gemeinsamen Spiel mit anderen wechselseitig, erfinden gemeinsame Spielideen. Spiel hat viel mit der Imitation oder dem Leben von Gemeinschaft zu tun.

Der Gedanke ist verführerisch: Ein Zimmer für alle Kinderdinge, die dort bleiben, und die Wohnung drumherum bleibt so, wie sie schon vor den Kindern war. Zahlreiche Familien werden aber bestätigen: Auch wenn man mit dieser Hoffnung in das Familienleben gestartet ist, erfüllt sie sich nur in den seltensten Fällen. Denn Kinder sind soziale Wesen. Sie wollen meist nicht über längere Zeit allein in einem Zimmer sitzen. je kleiner sie sind, desto häufiger suchen sie unsere Nähe und möchten sich mit den anderen Familienmitgliedern austauschen.

aus: “Einfach Familie leben” S.52

Kinder spielen gerne mit anderen Kindern. Anfangs noch nicht im wechselseitigen Austausch, aber dennoch gemeinsam. Sie sehen anderen beim Spiel zu, sehen, was andere mit Dingen machen, wollen auch das Objekt haben, das gerade von anderen bespielt wird. Aber Spiel muss nicht oder nicht nur mit anderen Kindern stattfinden. Kinder spielen auch mit anderen Menschen, mit älteren Menschen, wenn sich diese auf das kindliche Spiel einlassen.

Es tut gut, wenn Erwachsene mit dem Kind die Aufmerksamkeit teilen in Bezug auf ein Spiel, eine Spielidee. Es zeigt dem Kind, dass wir Interesse an ihm und den Ideen des Kindes haben. Wir hören zu, tauchen ein, nehmen wahr: Was spielt das Kind? Was sind gerade die Themen des Kindes? Was beschäftigt es? Das bereitet auch den Boden für Vertrauen und Anteilnahme: Sich gesehen fühlen. Zu wissen, dass es einen Menschen gibt, der sich wirklich interessiert. Eine wichtige Basis für viele Jahre.

Wir müssen nicht immer mitspielen oder bespielen

Diese Momente des Teilens von Aufmerksamkeit sind wertvoll und gut. Dennoch müssen wir aber nicht beständig mit unseren Kindern mitspielen. Und vor allem müssen wir sie nicht bespielen. Spielideen dürfen von unseren Kindern ausgehen. Wir müssen nicht beständig neue Ideen vorbringen, damit keine Langeweile aufkommt. Wir müssen nicht hektisch von einem Spiel zum nächsten kommen, das Kind immer in Beschäftigung sehen. Langeweile ist in Ordnung. In Momenten der Langeweile werden bereits gemachte Erfahrungen im Gehirn vertieft. Langeweile tut auch gut.

Statt mitspielen

Manchmal ist es für uns Erwachsene auch zu anstrengend, lange in der Puppenküche zu sitzen. Manchmal macht es uns nicht über längere Zeit hinweg Freude, Autos auf dem Spielteppich hin und her zu schieben. Bevor wir vom Spiel echte Laune bekommen und frustriert sind, sollten wir aussteigen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht mit unseren Kindern zusammen sein können oder Zeit mit ihnen verbringen können oder sollten. Aber wir müssen nicht zwangsweise das Spiel der Kinder nachahmen oder begleiten. Und vor allem müssen wir auch kein schlechtes Gewissen haben, dass wir so fühlen und nicht immer spielen wollen. Es ist einfach normal.

Stattdessen können wir unsere Kinder in unseren Alltag einladen: Lassen wir sie teilhaben an den (für sie) spannenden Dingen, die wir jeden Tag erledigen: Lassen wir sie das Essen mit vorbereiten, das Staubsaugerrohr halten, den Putzlappen nass im Bad schwingen, zusammen Wäsche aufhängen und sortieren. Laden wir Kinder in den echten Alltag ein, lassen wir sie im Kleinkindalter nicht den Alltag nur nachspielen, sondern aktiv uns im realen Alltag imitieren mit den echten Dingen. Auch das ist für sie Spiel und sie können Gemeinschaft mit uns erleben. Und daneben kann es Momente dessen geben, was wir Erwachsene als Spiel verstehen. Und eben auch die Momente der kindlichen Langeweile, in der wir Erwachsene unsere Dinge tun und “nur” anwesend sind, aber keine Spielpartner*innen.

Vor allem sollte es den Raum geben, das Leben und den Alltag als Spiel zu verstehen, in dem die Welt begriffen werden kann. Im eigenen Handeln und in Auseinandersetzung mit anderen Menschen – anderen Kindern unterschiedlichen Alters, aber auch anderen Erwachsenen.

Eure

Von der Unplanbarkeit, mit Kindern zu leben

Bevor ich Mutter wurde, habe ich mir das Leben mit Kindern nicht ausschließlich rosarot vorgestellt, aber zumindest in vielen warmen Farben. Ich dachte, das würde ja schließlich schon gehen mit dem Kind: ein wenig kuscheln, ein wenig Disziplin und Rituale und alles würde schon laufen. Vielleicht würde es hier und da ein wenig anstrengend werden, wenn das Babys nicht schlafen würde. Aber schließlich sei dieses Elternding etwas, das eben Eltern regeln müssen: Mit guten Grundsätzen, ausrechend Wissen und dem Willen, das durchzusetzen, würde das schon funktionieren.

Im ersten Jahr: Huch, die Pläne passen nicht

Und dann wurde ich Mutter. Und merkte, dass das Leben mit Kind viel weniger mit Plänen und festen Vorsätzen zu tun hatte, als ich dachte. Dass es eigentlich nicht so sehr darum ging, was genau ich mir vorgestellt und geplant hatte, sondern dass es darum geht, zu verstehen, welchen Menschen wir da auf einmal vor uns haben und wie wir ihn gut begleiten können und dabei uns nicht verlieren. Das ist im Voraus nicht leicht planbar. Und auch nicht im aktuellen Geschehen. Es gab auf einmal viel weniger Planbarkeit als gedacht und die Erkenntnis, dass das Kind von Anfang an vielleicht ganz anders denkt als wir Eltern und Dinge anders mag als erwartet. Dass es morgens beispielsweise gar nicht gerne lange und gemütlich im Bett kuscheln möchte, sondern „ausschlafen“ nur dann möglich sein würde, wenn der andere mit dem Baby in der Trage morgens spazieren ging.

Im zweiten Jahr: Der ungebetene Gast

Und nachdem wir uns mit der Unplanbarkeit arrangiert hatten, kam das zweite Lebensjahr mit einem Kind, das mit dem „nein“ anfing. Und damit wurden wieder einmal die Vorstellungen der Planbarkeit umgeworfen als ich merkte, dass meine guten Vorsätze zum entspannten Umgang mit kindlicher Wut und Autonome gar nicht so leicht umsetzbar waren und sich beständig in schwierigen Situationen ein Teil von mir meldete, den ich in diese Elternschaft gar nicht eingeladen hatte. Also wieder umplanen und erst einmal schauen, woher dieser ungebetene Gast kam und wie ich ihn wieder los werden würde. Und sich nicht ärgern, dass der andere Elternteil viel weniger Probleme mit ungebetenen Gästen hatte.

Abschied von Planbarkeit

Irgendwann verabschiedete ich mich von einer gewissen Planbarkeit und machte Platz für all die Dinge, die ungebeten auftauchen und manchmal schwierig sind und manchmal schön. Die Erkenntnis, dass das zweite Kind eine ebenso große Herausforderung ist wie das erste zum Beispiel: Denn wieder dachte ich, dass ich ja nun wissen würde, wie „der Hase läuft“, aber dann war doch wieder alles anders. Und dabei war auch noch das große Geschwisterkind da, das ja auch noch Kind ist.

Oder die schöne Erkenntnis, dass Kinder nach ihrem Tempo die Dinge machen, wenn wir nicht panisch drängen: Dass das Kind von allein aus dem Familienbett auszieht und wir uns die Gedanken darum hätten sparen können. Dass das Kind allein irgendwann zur Schule geht, wenn es bereit ist und ich mich nicht vor anderen Eltern schämen musste, es so lange zu bringen wie es das wollte bis es selbst ging. Die Erkenntnis, dass die Kinder ihre Wahl in Bezug auf Ernährung allein treffen und wir uns weder vor uns selbst noch vor anderen dafür rechtfertigen müssten, ob oder ob nicht die Kinder wie lange Fleisch essen oder nie.

Und auch wenn ich nicht sagen kann, dass das Leben deswegen grundlegend entspannter wurde, denn die Unplanbarkeiten kommen dennoch immer wieder, hat das Annehmen der Unplanbarkeit zu einer gewissen Entspannung geführt in mir. Und dem Wissen, dass ich mir für viele Dinge nicht im Voraus Sorgen machen muss und dass nicht alles so planbar ist, wie ich es gerne hätte, sondern Planung eher ein Richtwert als ein Ziel ist, läuft es viel besser. Mein Mann hat dafür den Begriff “Gesignation” gefunden: eine Mischung aus Gelassenheit und Resignation. Und irgendwie trifft es das ganz gut.

Und worüber habt Ihr Euch unnötigerweise Gedanken gemacht?
Eure

Janine berichtet: Eingewöhnung im bindungsorientierten Kindergarten

Janine Ringel hat zusammen mit ihrem Mann Stephan Ringel einen kleinen Kindergarten in Lübeck gegründet auf Basis einer Kindertagespflegestelle. Sie haben sich ein eigenes Konzept ausgedacht für den Kindergarten, aber auch für das Ankommen und den Aufbau der Beziehung zu den Kindern, die sie dort zusammen begleiten. Über das Ankommenskonzept, das sie erfolgreich praktizieren, berichtet sie heute.

Bindungsorientierte Erziehung- hört sie beim Kindergarten auf?

Wenn ich mich entscheide, den bindungsorientierten Weg weiter zu gehen, wie kann dann eine bindungsorientierte Eingewöhnung im Kindergarten aussehen? Und was sind die Grundpfeiler, die diese Eingewöhnung stützen und möglich machen? Über genau diese Fragen haben wir uns Gedanken gemacht, bevor wir unseren kleinen, bindungsorientierten achtsamen Kindergarten für sieben Kinder von 2- 6 Jahren gegründet haben.

Wir benutzen generell den Begriff Begleiter*in anstelle von Erzieher*in, da wir diesen als deutlich liebevoller und präziser empfinde für das, was wir bei uns im Kindergarten tun: wir begleiten Kinder ein Stück ihres Lebens, sind an ihrer Seite und für sie da, aber wir „erziehen“ sie nicht. Außerdem nutzen wir den Begriff Ankommensphase statt Eingewöhnung; wir haben uns bewusst für eine Neubenennung entschieden, um zu verdeutlichen, dass das Kind sich nicht daran gewöhnen sollte, bei uns zu bleiben, sondern dass es in Sicherheit, Ruhe und liebevoll begleitet in der Gruppe ankommen darf.

Körperliche und emotionale Unversehrtheit

Dieser Punkt ist mir im Rahmen der bindungsorientieren Ankommensphase ein Herzensanliegen: Der Grundsatz, kein Kind weinend zu übernehmen. Wir achten das psychische, emotionale Wohlbefinden genauso wie das körperliche. Das bedeutet nicht, dass Kinder kein Anrecht auf Trauer in der Ankommensphase haben. Auch dieses Gefühl kann bei einer Ankommensphase auftreten und darf da sein und wird gesehen. Ein Kind in Liebe und Respekt zu begleiten heißt auch, es in Momenten der seelischen Trauer ernst- und wahrzunehmen und nicht zu übergehen indem man das Kind “sanft” entgegennimmt und die Eltern gegen den Willen des Kindes verabschiedet. Manchmal genügt schon ein Moment mehr Zeit, ein gemeinsames Frühstück mit Mama/Papa im Kindergarten-je nachdem wo die Ursache des Weinens zu finden ist (vielleicht heißt es:”Mama/Papa ich brauche noch etwas”, “Mama/Papa ich fühle mich heute gesundheitlich nicht so wohl”).

Du bist der Expert*in für dein Kind

Die spannende Herausforderung, der sich Eltern in einer bindungsorientierten Ankommensphase gegenüber sehen, liegt ganz klar in der Selbstkompetenz: Ihr als Eltern seid diejenigen, die am meisten spüren, was sich für euch und euer Kind gut anfühlt- mit der fachlichen Unterstützung und liebevollen Begleitung der Begleiter*innen an euer Seite. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass ihr am besten erkennt, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Bindung zu lockern und eine neue, zusätzliche Bindung einzugehen sowie die erste räumliche, zeitliche Trennung zu vollziehen. Nicht ich als Begleiter*in entscheide, wann der beste Zeitpunkt für das Kind gekommen ist, sondern die Person, die das Kind Tag und Nacht begleitet und in Liebe und Vertrauen mit diesem verbunden ist.

Im besten Falle entsteht bei einer bindungsorientierten Ankommensphase eine feste, vertrauensvolle Bindung zwischen Kind und Begleiter*in, die von Respekt und Wertschätzung geprägt ist- und von der aus das Kind mit gutem Gefühl in die neue Situation, in seine zweite „Bindungs-Base“, wechseln kann.

Auch wenn die Begleiter*innen vielleicht die fachlichen Experten sind und ihr nur zusammen eine sichere Basis in der Einrichtung fürs Kind schaffen könnt, bist du der Experte/ die Expertin für dein Kind. Spür in dich hinein, was euch beiden gerade helfen könnte, die Situation möglichst angenehm zu gestalten, sodass ihr euch beide wohl fühlt und den Schritt gemeinsam gehen könnt. Findet gemeinsame Rituale und Möglichkeiten, den Kita-Einstieg so wundervoll wie nur möglich zu machen: Du spürst, dass dein Kind morgens noch Zeit braucht zum Kuscheln und den Trubel auf sich wirken zu lassen? Nimm dir die Zeit, beim Morgenkreis/Frühstück noch mit dabei zu sein. Du weißt, dass dein Kind den Moment des Abschieds sehr schwer findet, aber ansonsten schon sicher angekommen ist? Findet gemeinsam ein Übergangsritual- winkt noch mal am Fenster, lasst den Kuschelhasen noch mal Tschüss rufen…

Nehmt euch Zeit

Eine Voraussetzung für die Ankommensphase ist für mich, dass es keinen festgelegten Zeitrahmen gibt – das versperrt die Sicht für die eigene Emotion und Intuition und setzt unter Druck- wenn du das Gefühl hast, dein Kind braucht noch eine Woche länger (oder du brauchst noch eine Woche länger) dann ist das vollkommen in Ordnung. Du musst keinem Modell entsprechen. Eine zu schnelle Eingewöhnung birgt die Gefahr, dass Kinder noch keine stabile, sichere Bindung aufgebaut haben und demnach sich nicht ihrem eigentlichen Potential gemäß entfalten können. Wenn du die Zeit hast, beginn die Ankommensphase möglichst früh und in Gelassenheit – unter Druck ist es schwieriger, geduldig zu bleiben, wenn du oder dein Kind nicht einem festgesetzten Zeitplan entsprechen.

Rückschritte sind völlig in Ordnung

Veränderung heißt manchmal auch, einen Schritt „zurück“ zu gehen. Manchmal wirst du dein Kind auch wieder mit nach Hause nehmen – auch nach der erfolgreichen Ankommensphase, manchmal nach einigen Tagen, manchmal nach Wochen. Viele Kinder fühlen dann noch einmal bewusst, dass dies jetzt wirklich der neue Alltag sein wird, dass es sich jetzt langfristig verändert hat. Das kann verunsichern und das Bedürfnis hervorrufen, nochmal ganz viel Elternliebe und -energie zu tanken. Und das ist vollkommen in Ordnung und kein „Rückschritt“. Und es gilt auch nicht die Theorie des „wenn du ihm jetzt den kleinen Finger gibst…“ Unserer Erfahrung nach lernen die Kinder hierdurch vor allem eines: Verlässlichkeit und Vertrauen.

Was, wenn der Kindergarten nicht bindungsorientiert arbeitet?

Mir ist bewusst, dass das, was ich hier beschreibe, längst nicht in allen Kindergärten so einfach möglich ist. Was also tun, wenn ihr trotzdem eine bindungsorientierte Begleitung wünscht und möchtet, dass euer Vorgehen akzeptiert wird?

Nun, zunächst einmal: reden. Am besten schon, bevor ihr den Platz habt, abklären, wie die Eingewöhnung normalerweise gehandhabt wird. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, beide Wege (die des Kindergartens und den euren) zu verbinden und das, was euch am wichtigsten ist, umzusetzen. Sinnvoll ist es vielleicht, euch vorab zu überlegen, was für euch Kernpunkte in der Eingewöhnung sind- was wünscht ihr euch am meisten, worauf könnt ihr eher verzichten, was wäre für euch furchtbar? So kann man gemeinsam versuchen, einen Konsens zu finden, ohne dass eine Seite stur auf seinem Standpunkt beharrt. Und dann überlegt euch, wie wichtig euch die bindungsorientierte Begleitung eures Kindes im Kindergarten ist. Wie viele Einschnitte seid ihr bereit, hinzunehmen? Wichtig ist: Was passt für euer Familiengefüge, für die Bedürfnisse aller Personen in eurer Familie am besten und lässt sich am ehesten mit eurem Alltag vereinbaren?

Ich wünsche euch, dass ihr die für euch wunderbarste Lösung findet .

Janine Ringel ist Sozialpädagogin (BA) und Mutter von zwei Kindern (2014 und 2017 geboren). 2017 hat sie zusammen mit ihrem Mann den kleinen, bindungsorientierten, auf Achtsamkeit und GFK basierenden Kindergarten “Farbtupfer” in Lübeck für Kinder von 2-6 Jahren gegründet und arbeitet darüber hinaus in der Elternberatung. Sie ist ausgebildet in gewaltfreier Kommunikation nach M.B.Rosenberg. Mehr von Janine findet Ihr auf auf  farbtupfer.org oder hier   auf Instagram.


Mein Kind “klebt” an mir

Eigentlich ist doch alles wunderbar: Ein Familienfest mit ausgelassener Stimmung und freundlichen Menschen, aber das Baby möchte einfach nur die ganze Zeit im Körperkontakt bleiben. Oder die tolle Krabbelgruppe, in der endliche ein Platz frei wurde, wird nun besucht, aber das Kind sitzt nur auf dem Schoß. Auf dem ersten Blick haben diese Situationen vielleicht nicht viel gemeinsam? Auf den zweiten Blick aber schon: Das Kind möchte in der Nähe der vertrauten Bezugsperson bleiben.

Das Sicherheits-Gummiband

Bei Bindung denken wir zunächst immer an das Kuschelige, an die Nähe, an liebevolle Momente. Tatsächlich verläuft Bindung aber auf der einen Seite vom Erwachsenen zum Kind und auf der anderen Seite vom Kind zum Erwachsenen. Es ist wie ein Gummitwistband, was zwischen uns gespannt ist mit zwei Spuren: dehnbar und stark. Die Spur vom Kind zum Erwachsenen ist ganz besonders ein Schutzsystem, gerade in der ersten Zeit: Das Kind bindet sich an Personen, die die Grundbedürfnisse des Babys erfüllen und sicherstellen, dass das Baby Schutz findet vor all den Dingen, die gefährlich sein könnten. Es bildet ein Vertrauen darin aus, dass die nahen Bezugspersonen die Gefühle zunächst regulieren und dadurch helfen, zunehmend eigenständiger mit Gefühlen umgehen zu können.

Der Erkundungsdrang aus der Sicherheit heraus

Fühlt sich das Kind sicher, erkundet es die Welt: das Gummiband wird gedehnt. Besonders fällt uns das ins Auge, wenn unsere Kinder sich schon fortbewegen können und vom sicheren Hafen der vertrauten Bindungsperson aus die Umgebung erkunden. Manchmal krabbeln sie ein Stück, schauen zurück, um sicher zu sein, dass dieser Mensch noch da ist, und krabbeln dann weiter. Vielleicht kehrt es von der Erkundung auch zurück, weil es jetzt Nähe braucht oder signalisiert auf andere Weise, dass es in die Nähe geholt werden will, beispielsweise durch rufen oder weinen. Dann war das Gummiband in dieser Situation maximal gedehnt und zieht nun wieder zurück.

Erstmal schauen, wie sicher das ist!

Und dann gibt es jene Situationen, in denen so viel Neues, so viel Unbekanntes herrscht: Das Familienfest mit all den Menschen, die vielleicht gar nicht bekannt sind. Das Baby weiß nicht, dass sie wohlgesonnene, liebevolle Verwandte sind. Gerade Kinder, die im Alltag nur von wenigen Personen umsorgt werden, sind häufiger etwas skeptisch in solchen Situationen, während das Fremdeln in Kulturen, in denen Kinder viel durch mehrere Personen versorgt werden, wesentlich geringer stattfindet. Das Kind beobachtet die neue Situation: Wie gehen mein(e) Elter(n) mit ihnen um? Sind sie nett zueinander? Es lernt aus unserer Interaktion.

Auch in der Krabbelgruppe ist zunächst alles fremd: Menschen, Raum und Spielzeug. Auch hier wird vielleicht zunächst beobachtet: Was machen die anderen hier? Was machen die Kinder mit den Dingen? Dann werden die bespielten Dinge der anderen vielleicht ausprobiert. Und auch auf dem Spielplatz ist vieles anders. Im Sommer ist es vielleicht zudem noch besonders heiß: Schutz vor Unterkühlung und Überhitzung suchen Kinder auch bei uns, in unserer Nähe. An heißen Tagen schmiegen sie sich deswegen besonders an uns, da wir Nahrung/Flüssigkeit, Schatten und Schutz spenden.

Auch das Temperament spielt eine Rolle

Neben dem Kreislauf aus Nähe und Exploration spielt aber auch das persönliche Temperament des Kindes eine wichtige Rolle dabei, wie das Kind auf neue Situationen zugeht: Einige Kinder reagieren eher abwartend bis vermeidend auf Neues, andere nähern sich freudig an. Aus dem Verhalten des Kindes allein lässt sich keine Aussage über das Bindungsmuster des Kindes ableiten – obwohl gerade Laien schnell munkeln, dass sowohl bei besonders aufgeschlossenen als auch besonders zurückhaltenden Kindern bestimmt “etwas mit der Bindung nicht stimmen” würde.

Wichtig ist hier, das Verhaltensmuster des Kindes zu erkennen und es zu unterstützen: Besonders zurückhaltende Kinder können ermutigt werden, etwas aufgeschlossener die Umgebung kennenzulernen, während besonders neugierige Kinder behutsam darin unterstützt werden können, auch auf die Signale anderer und mögliche Gefahren zu achten.

Einfach da sein

Es dauert einige Jahre, bis das Kind von uns gelernt hat, wie die Welt funktioniert, wie es sich darin bewegen kann und was gefährlich ist und was nicht. All das lernt es erst mit und durch uns und dann immer mehr durch Eigenversuche. Es ist gut, wenn wir da sind, wenn es zurückkommt und wenn es zeigt, dass es Nähe und Schutz braucht. Gleichzeitig braucht es die Möglichkeit, sich auszuprobieren und die Welt von sich aus kennenzulernen.

Manchmal braucht man auch Nähe, um große Gefühle loszulassen, möchte Erfahrungen teilen oder einfach fest in den Arm genommen werden in Angesicht all dieser Erlebnisse – und wenn wir ehrlich sind, geht es uns Erwachsenen auch oft so. Manchmal tut es einfach gut, sich an jemanden “kleben” zu können und sicher zu sein, dass jemand da ist, der einen hält.

Eure

Ideen fürs Wochenende Mai #04

An diesem Wochenende geht es um das Formen und Bauen. Gerade jetzt macht das im Sandkasten und Garten besonders Spaß. Deswegen gibt es ein tolles Rezept für kleine Baumeister*innen für eine einfache Fugenmasse. Und wenn das Wetter doch etwas schlechter ist, ist Knete immer eine gute Idee.

Fugenmasse für Steinhäuser

Draußen im Garten Steine verbauen oder die gesammelten Steine endlich einmal verarbeiten? Dafür ist selbstgemachte Fugenmasse ganz wunderbar. So können Steintürme entstehen oder kleine Steinhäuser im Sandkasten oder für den Jahreszeitentisch. Die Fugenmasse ich ganz einfach selbst zu machen. Ein wenig klebrig, aber gut formbar bleibt der verarbeitete Sand dann recht stabil. Für die Fugenmasse gibst Du 200g Mehl und 1,5 kg Sand in einen Topf, dazu 600g Wasser. Wer mag, kann auch Lebensmittelfarbe zugeben. Alles wird zusammen unter Rühren aufgekocht bis es eindickt. An der Luft trocknet es und wird etwas hart.

Knete selber machen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Knete selber zu machen. Meistens finden sich Rezepte mit oder ohne Alaun. Praktisch ist es, immer die Zutaten für Bastelideen einfach zu Hause zu haben. Daher nutze ich ein Knetrezept ohne Alaun. Zudem kann Alaun auch zu Schleimhautreizungen führen. Wir machen Knete daher auf diese Art: Hierzu werden 200gMehl, 300g Salz, 400g Wasser, 20ml Öl (Speiseöl oder Pflegeöl), 20g Zitronensäure in einem Topf verrührt. Diese Mischung wird unter Rühren auf dem Herd erhitzt bis die Masse eingedickt ist und sich vom Topfrand löst (nicht anbrennen lassen). Kurz abkühlen lassen, dann kann die Masse aufgeteilt werden und mit Speisefarben gefärbt werden (gibt es im Supermarkt, aber es können auch natürliche Färbemittel genutzt werden wir Rote Beete Pulver oder Matcha Tee). Die Knete ist dann 3-4 Wochen haltbar, sollte aber in einer Dose aufbewahrt werden, damit sie nicht hart wird. Weder Knete mit Alaun noch Salz sollte gegessen werden.

Eva berichtet hier, dass sie in ihre gelbe Knete Calendula gemischt hat. Auch Calendulaöl kann natürlich zugeben werden. Und bei Breifreibaby wird noch Glitzer dazu gegeben.

Und für die größeren Kinder ist vielleicht der Flaschenteufel von Sabrina eine tolle Idee, die ihn hier vorstellt.

Viel Spaß wünscht Euch

Lernen mit Lego – Der cartesische Taucher

Mit Lego haben viele von uns als Kinder selbst schon gespielt. Lego ist ein sehr vielfältiges Spielzeug. Es können unendlich viele Welten erschaffen werden. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Aus einem einfachen kleinen Plastiksteinchen ergeben sich immens viele Möglichkeiten. Lego wird daher auch schon sehr lange genutzt, um Kindern in Kindergärten und Schulen verschiedene Sachverhalte, anschaulich und erklärbar zu machen. Wieso nicht also auch Zuhause?

Als gelernte Chemietechnikerin sind es für mich gerade die Naturwissenschaften die mich selbst so sehr faszinieren und daran möchte ich auch meine Kinder teilhaben lassen. In der Physik z.B. werden Gesetzmäßigkeiten von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen erklärt, der Auftrieb oder auch der Druck und die Komprimierbarkeit dieser Stoffe. In einem kleinen Versuchsaufbau können wir unsere Kinder mit einfachen Worten an diese Naturgesetze heranführen.

Der cartesische Taucher ist vielen vielleicht noch als Flaschenteufel ein Begriff. In meiner Kindheit gab es diese mundgeblasenen kleinen Glasteufelchen häufig. Wir gaben sie in eine mit Wasser gefüllte Flasche, verschlossen sie mit einem Gummistopfen und wenn wir diesen in die Flasche drückten, tauchte das Teufelchen ab. Ließ der Druck nach, kam es wieder nach oben.

Und so geht es

Mit Lego ist dies sehr leicht nachzubauen. Dazu wird relativ wenig Material benötigt:

  • Eine Legofigur
  • Kleine Gewichte (Knete, Musterbeutelklammern o.ä.)
  • Eine Plastikflasche oder Glasflasche mit Gummistopfen
  • Wasser

Zunächst ist etwas Ausprobieren nötig! Damit der Versuch gut funktioniert, muss der Legotaucher gerade so mit dem Kopf die Wasseroberfläche berühren. (Dies habe ich zunächst in einem Wasserglas getestet) Dadurch ist gewährleistet, dass nicht zu viel Auftrieb durch eingeschlossene Luft (im Legokörper bzw. den offenen Legobeinen) vorhanden ist. Zu viel eingeschlossene Luft und ein zu hoher Auftrieb lässt den Legotaucher nicht abtauchen. Ich habe in die Füße des Legotauchers einfach zwei Musterbeutelklammer gesteckt und umgeklappt. Ihr könnt es auch mit Knete versuchen, dabei dürft ihr aber die Öffnungen der Beine nicht völlig verschließen, da dadurch später Wasser eindringen können muss. Sinkt euch der Taucher einfach nach unten, sind eure Gewichte entweder zu schwer oder ihr habt eventuell jegliche Luft aus den Beinchen geschüttelt und der Auftrieb ist weg. (Luft steigt immer nach oben)

Habt ihr den Lego-Taucher im „perfekten“ Auftrieb, füllt ihr die Flasche nun fast vollständig mit Wasser, gebt den Taucher hinein und verschließt diese fest. Nun, wenn alles richtig gemacht wurde, sinkt der Taucher beim Zusammendrücken der Plastikflasche. Lassen wir los, steigt er wieder nach oben.

Was passiert da?

Stoffe können theoretisch zusammengedrückt werden. Bei Flüssigkeiten und festen Stoffen ist dies allerdings nur in einem sehr, sehr geringen Maß möglich.  Gasförmige Stoffe, wie Luft, lassen sich sehr gut komprimieren, also beim Zusammendrücken wird das Volumen kleiner. Die Gasteilchen rücken näher zusammen.

Drücken wir nun die Flasche zusammen, bauen wir Druck auf. Der Druck überträgt sich auf das Wasser und damit auf die Luft im Lego-Taucher. Die Luftblasen im Lego-Taucher werden dadurch zusammengedrückt, es wird Platz frei für eindringendes Wasser. Wasser ist schwerer als Luft und der Taucher sinkt. Lassen wir los, kann sich die Luft wieder ausdehnen.  Das Wasser wird zurückgedrängt und der Taucher hat wieder genügend Auftrieb, um nach oben zu steigen. Wenn ihr mit euren Kindern genau auf die Rückseite der Beine des Tauchers schaut, seht ihr sogar die Luftblasen und wie sich diese beim Zusammendrücken verkleinern und beim Loslassen wieder ausdehnen. Wirklich spannend zu beobachten!

Ihr seht, mit Lego lässt sich viel mehr schaffen als die Erfinder sich ursprünglich mal gedacht haben. Auf meinem Blog unter der Rubrik „Lernen mit Lego“  habe ich schon einige weiterer Ideen gesammelt und es werden noch viele Weitere folgen, denn der Lego-Spaß ist hier ungebrochen, bei Kindern und uns Eltern.

Sabrina ist Chemietechnikerin und beschäftigt sich auf ihrem Blog Wunschkind-Herzkind-Nervkind mit Spielanregungen nach Montessori, Kinderbüchern und gibt Einblick in ihr bedürfnisorientiertes Familienleben. Mehr von Sabrina könnt Ihr lesen auf auf ihrem Blog,  oder auf Instagram.

Für wilde und für vorsichtige Kinder: Natur ist für jeden da

„Im Wald hinter unserem Haus gab es einen kleinen Bach. Dort, wo das Wasser eine Biegung machte, war das Ufer mit weichem Moos gepolster. Das war meine Lieblingsstelle. Ich legte mich auf das Moos, legte den Kopf auf das Polster und spürte eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Während ich da lag, beobachtete ich die kleinen Moostierchen, die in meinem Mooskopfkissen wohnten. Es ekelte mich nicht und es machte mir keine Angst. Ich fühlte mich als Teil von ihnen. Ich war ein Teil ihres Mooses und das Moos war ein Teil von mir. Hier konnte ich liegen und beobachten und wurde in Ruhe gelassen. Niemand ermahnte mich, niemand erwartete, dass ich wild sei. Ich durfte so sein, wie ich war.“

„Schneller, immer schneller rannte ich den Hügel hinab. Das Gras war lang, es ging mir bis zur Hüfte. Ich jauchzte und lachte und schrie. Das Gras verfing sich in meinen Beinen, brachten mich zum Fallen. Doch die Landung war weich. Mit einem langen Stock ausgestattet, kämpfte ich mich weiter den Hügel hinab. Von links nach rechts schlug ich mir den Weg frei, viel fester, als es eigentlich nötig gewesen wäre, um durchzukommen. Meine ganze Konzentration galt den Schlägen des Stockes gegen das Gras. Meine ganze Kraft entlud sich. Links. Wwwwusch. Ich hörte den Wind, den der Stock erzeugte. Rechts. Wwwwusch. Dabei feuerte ich mich selbst an. Ich durfte laut sein und wild. Niemand ermahnte mich, niemand erwartete, dass ich vorsichtig sei. Ich konnte so sein, wie ich war.“

Die Natur fragt nicht. Die Natur nimmt jeden so, wie er ist. Laut und leise. Jeder findet seinen Platz und niemand muss sich verstellen. Die lauten Kinder dürfen laut sein und sie werden sich in ihrem Lautsein mit der Natur verbunden fühlen. Die leisen Kinder dürfen leise sein und sie werden sich mit ihrer Ruhe mit der Natur verbunden fühlen.

Ein Heidenspaß – oder ein maßgeschneiderter Entwicklungsraum

„Was ist dein einprägsamsten Erlebnis, dass du als Kind in der Natur hattest?“, war die Frage, die zu den obigen beiden Antworten führte. Die erste Geschichte erzählte mein Mann, die zweite ist meine Geschichte. Der ruhige Junge und das wilde Mädchen. In der Natur hatten wir beide einen Platz. Dort konnten wir so sein, wie wir eben waren. Unterschiedlich. Immer willkommen. Wenn wir uns damals schon gekannt hätten, hätten wir trotzdem viele Spiele gefunden, die uns beiden Spaß machten: Hütten bauen und Unterschlupf suchen. In Parallelwelten abtauchen, in denen Beeren gesammelt wurden, Grassuppe gekocht wurde und sich mit Stöcken bewaffnet gegen feindliche Lager verteidigt wurde. Wir spielten quasi Jagen und Sammeln. Ganz intuitiv waren es uralte Motive, um die sich unser Spiel drehte. Wir übten, lernten und trainierten mit den Elementen, die wir vorfanden. Es war das Spielfeld für unsere, wie ich heute weiß, körperliche, emotionale und soziale Entwicklung. Die Natur stellte einen maßgeschneiderten Entwicklungsraum dar. Damals machte es einfach einen Heidenspaß. Diese Welt im Wald oder auf der Wiese war eine Erfahrungswelt, die genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war. Auf völlig verschiedene Bedürfnisse! Dennoch war für uns beide das vorhanden, was wir brauchten, um an unserem Fundament zu bauen.

Die Natur ist voller Reichtum

„Zeit in der Natur ist Entwicklungszeit“, schreibt Herbert Renz-Polster in „Wie Kinder heute wachsen“. Kinder scheinen das intuitiv zu wissen. Sie werden magisch von den wilden Teilen auf Kindergärten- und Schulgeländern angezogen. Dorthin, wo es kleine Lichtungen, Gebüsche, Erdhügel oder umgekippte Baumstämme gibt. Diese Lieblingsorte bieten Kindern Schutz und Unterschlupf. Sie sind für die einen die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und zu verstecken, für andere eine Gelegenheit für Entdeckungen und Streifzüge. Das Besondere bei diesen Plätzen ist der Reichtum, den die Natur innehält. Herbert Renz-Polster schreibt: „Die Natur steckt voller Anreize. Und diese passen zu den Herausforderungen des Großwerdens wie der Schlüssel zum Schloss.“ Egal, ob für laute oder für leise Kinder. Egal, ob für große oder kleine. Egal, ob für wilde oder für brave Kinder. Draußen, unter freiem Himmel, werden die Unterschiede ganz klein.

Die Natur bewertet nicht, die Natur erwartet nichts. Hier kann jedes Kind so sein, wie es generell eigentlich immer sein dürfen sollte. Doch während das oftmals in Kindergärten und Schulen und leider auch in Elternhäusern noch immer nicht die Regel ist, werden Kinder draußen, seit Anbeginn der Menschheit, von der Natur einfach angenommen. So, wie sie sind.

Veronika hat Biologie, Naturschutz und Landschaftsplanung studiert und ist Mutter einer Tochter. In ihrer Kolumne „Naturorientiertes Aufwachsen“ berichtet sie von Wegen, auf denen Kindern die Liebe und der Respekt zur Natur als Samenkorn mitgegeben werden können.  Mehr über Veronikas Arbeit und ihre aktuellen Texte zu grünen Themen findet ihr auf ihrer Homepage, Instagram oder Twitter.

Wie Dein Kind sich selber sieht

Immer wieder reden wir davon, wie wichtig es ist, dass unsere Kinder selbstbewusst sind und für sich und ihre Bedürfnisse einstehen. Immer wieder sprechen wir über Würde und Anerkennung und dass wir Kinder brauchen, die für Werte einstehen und sie als Erwachsene leben. Wie wichtig Akzeptanz, Kreativität, Liebe, Verständnis und Achtung anderem Leben gegenüber ist. Aber nicht selten denken wir, dass das eben aus den Kindern kommen müsste. Die Jugend muss das so umsetzen, diese Werte. Aber unsere Kinder und “die Jugend” kann nur das umsetzen, was sie selbst verinnerlicht hat. Und dafür ist es wichtig, was wir unseren Kindern über sich selbst vermitteln.

Es sind die kleinen Dinge im Alltag, die sich in uns festsetzen, die ein Bild davon prägen, wie wir sind, wie unser Verhältnis zur Umwelt ist. Unsere und die Entwicklung unserer Kinder findet im Alltag statt: Mit welchen Herausforderungen schaffen wir es, wie um zugehen. Was ist uns erlaubt, was ist verboten – und warum?

Schauen wir auf ein paar Alltagssituationen

Es gibt viele Beispiele, wie sich das Selbstbild des Kindes ausbildet: Stolpert ein Kind häufig, können wir es fragen, ob die Schuhe zu klein sind oder zu groß. Oder wir erklären: Du bist gerade gewachsen und du musst dich erst wieder an deine neuen Körpermaße gewöhnen. Das Kind erfährt: Es gibt Gründe, warum mir das passiert und wir können sie beheben oder damit umgehen. Oder aber wir heben hervor, dass das Kind immer tollpatschig ist und richten unser Augenmerk auch zukünftig darauf, verdrehen beim Stolpern und Fallenlassen die Augen. Das Kind wird verinnerlichen, dass es tollpatschig ist und das auch zukünftig so annehmen. Es wird zum Teil des Selbstbildes.

Das Mädchen, das gerne mit dem Schnitzmesser umgehen möchte, kann einfach am Schnitzen teilnehmen. Vielleicht verletzt es sich einmal wie alle anderen Kinder auch. Wir erklären, dass das völlig normal ist und allen so geht. Mit etwas Übung wird das aber bei allen besser. Oder wir erklären, dass das nichts für Mädchen sei und sie deswegen eben nicht schnitzen könnte. Sie wird ein Bild von sich ausbilden (in Verbindung mit anderen ähnlichen Erfahrungen), dass sie aufgrund ihres Geschlechts für bestimmte Tätigkeiten nicht geeignet sei.

Der Junge, der malt und malt und malt. Immer wieder das gleiche Bild, wie viele Kinder in dem Alter es tun. Wir können das Bild ansehen und fragen, was er malt. Sagen, dass das anscheinend ein wirklich wichtiges Thema für ihn ist und danach fragen, warum. Er merkt, dass wir unsere Aufmerksamkeit teilen und Interesse haben an seinem kreativen Werk. Oder wir sagen, dass das nicht besonders einfallsreich ist, immer das gleiche Motiv zu malen. Und man könne kaum etwas erkennen. Macht er die Erfahrung öfter, verinnerlicht er, dass er nicht kreativ ist. Wahrscheinlich wird er weniger malen.

Unsere Zuschreibungen bestimmen ihr Selbstbild

Tollpatsch, Logiker, Emotionale, “typisch” Mädchen, “typisch” Junge – wir prägen die Bilder, die unsere Kinder sich von sich machen mit unserem Verhalten im Alltag. Ob unsere Kinder ein gutes Bild von sich selbst verinnerlichen, hängt im Wesentlichen auch davon ab, welche Erfahrungen sie mit uns machen.

Wenn wir unseren Kindern Verletzlichkeit und Ängste nicht zugestehen, müssen sie stark sein und verinnerlichen, dass sie Schwäche nicht zeigen dürfen – und später auch bei anderen nicht anerkennen. Wenn wir unseren Kindern heute kein Gefühl für ihren eigenen Körper erlauben und ihnen immerzu erklären, wann sie Hunger oder Durst haben und wann sie auf Toilette müssen, können sie kein gutes Körpergefühl entwickeln und es fällt ihnen auch später schwer, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.

Statt Zuschreibungen: Anerkennung und Unterstützung

Was unsere Kinder brauchen ist, dass wir sie beobachten und annehmen, wie sie sind, mit ihren Interessen und Gefühlen. Sie spüren die breite Palette der Emotionen und wir können sie dabei begleiten, anstatt zu erklären, dass manche Gefühl nicht gefühlt werden sollten. Wo sollen sie denn sonst hin? Unsere Kinder sind nicht wir, sie setzen nicht unser Leben fort und müssen nicht unsere Interessen teilen. Wir wählen nicht den Weg für sie aus, sondern begleiten sie auf dem Weg, der zu ihren Möglichkeiten, Bedürfnissen und ihrem Temperament passt. Wir beschämen sie nicht, sondern ermutigen sie. Wir bestrafen nicht, sondern finden gemeinsam Lösungen. Wir leben nicht gegeneinander, sondern miteinander.

Und so wird es dann auch etwas mit den Werten, denn sie sind mit diesen Werten aufgewachsen, haben sie selbst gefühlt und verinnerlicht und können sie dann weiter geben. Es beginnt und endet damit, wie wir miteinander umgehen: im Kleinen und Großen.

Eure

Was trauernde Kinder brauchen …

Yvonne war untröstlich. „Otto“, die Katze war gestorben. Die Eltern sagten, dass Otto schon sehr alt gewesen wäre. „Wir werden aus dem Tierheim eine neue Katze holen.“ Doch all das minderte Yvonnes Schmerz nicht. Zumindest zunächst.

Trauer zulassen

Kinder trauern, egal wie alt sie sind. Heftig und manchmal lange. Und das ist gut so. Trauern ist das Gefühl des Loslassens. Wer nicht trauern kann, hat Schwierigkeiten loszulassen. Deswegen sollten wir Erwachsene Kinder nicht bremsen, wenn sie traurig sind. „Ist doch nicht so schlimm“, das ist ein Satz des Bremsens. Vielleicht gut gemeint, aber falsch. „Du brauchst doch nicht weinen“, ebenso. Mit jeder Träne verlässt ein Stück des Kummers unsere Seele. Auch der Kinderseele.

Kindern trauern über alle möglichen Verluste, nicht nur, wenn jemand gestorben ist. Auch wenn der beste Freund aus der Kita in eine andere Stadt zieht. Auch wenn sie ein Lieblingsspielzeug verloren haben. Auch wenn der Papa aus der Familie wegzieht … Das Trauern sollten wir akzeptieren. Keine Trauer braucht eine Begründung, jedes Trauern darf sein. Kinder brauchen Verständnis für ihre Trauer und Erlaubnis.

Erwachsene sind auch beim Trauern Vorbilder

Wir Erwachsene sollten beim Trauern Vorbilder sein. Oft denken wir, wir sollten die Kinder nicht mit unserem Kummer und Schmerz belasten. Doch dann lernen Kinder von uns, dass sie ihre Trauer (und vielleicht auch andere Gefühle) verbergen sollten. Gefühle sind wahrhaftig, wir sollten sie teilen. Immer mit Trost, immer mit Geborgenheit, immer mit Anteilnahme. Weder die Kinder noch wir Erwachsene sollten mit der Trauer allein sein. Wenn Trauer geteilt wird, verliert sie ihre Kraft und verläuft wie die Tränen auf den Wangen.

Und wir sollten vermitteln: Mit jedem Verlust verlieren wir etwas, zum Beispiel die Uroma. UND es bleibt etwas: die Erinnerung an viele schöne Begegnungen, der Pullover, den sie gestrickt hat, ihr Lachen … Beides gilt. Das mindert zunächst nicht den Schmerz, doch es lässt ihn zurücktreten. Irgendwann.

Das Baby lässt sich nicht ablegen – Wege zum gefühlt sicheren Schlafort

Endlich, endlich ist das Baby eingeschlafen. Nachdem es so lange getragen und gehalten wurde. Behutsam legen wir es ab, vorsichtig in das gemütliche, sichere Bett. Ganz langsam, damit es nicht aufwachen möge, schleichen uns hinaus und achtend darauf, dass keine Diele knarzt, wir nicht stolpern und das Kind aufwecken. Wir atmen kurz durch – und dann weint das Baby und ist doch wieder wach.

Zunächst ein Gedankenexperiment

Stellen wir uns einen Moment vor, wie wir warm und sicher einschlafen neben Partner oder Partnerin. Alles ist vertraut, gemütlich. Wahrscheinlich ist es auch dir schon passiert, dass du in der Nacht aufgewacht bist, du deine Hand ausgestreckt hast und eine Leere im Bett ertastet hast. Huch, wo ist denn…? Hast du wahrscheinlich kurz gedacht, die Geräusche aus dem Bad gehört und bist dann spätestens beim Zurückkommen wieder eingeschlafen. Nun stell dir vor, du erwachst plötzlich an einem anderen Ort als dem Einschlafort – allein. Deine Verunsicherung wird wahrscheinlich größer sein. Und dies, obwohl du ein erwachsener Mensch bist, der sich um sich selbst kümmern kann und befähigt ist, die Grundbedürfnisse selbst zu befriedigen.

Wenn Babys woanders aufwachen

Stellen wir uns nun das Baby vor, das im Körperkontakt auf dem Arm einschläft. Es fühlt sich sicher und geborgen. Hier wird es gewärmt und ist davor geschützt, allein liegend zu frieren. Hier wird es sanft gewiegt, eine Bewegung, die es kennt und die signalisiert: ein Mensch ist bei dir, der sich um deine Bedürfnisse kümmern kann. Es hört den beruhigenden Herzschlag, wenn es an die Brust eines anderen Menschen angelehnt ist. Vielleicht fühlt es sich auch der Nahrungsquelle nahe, wenn es gestillt wird oder weiß, dass es so im Arm liegend gefüttert wird, wenn es Hunger hat. Eine Umgebung also, die rundum geborgen ist und vielfach Bedürfnisse befriedigen kann.

Erwacht es nun an einem anderen Ort, ist es verunsichert. Und mehr noch: Es kann noch nicht wie wir erwachsenen Menschen nachdenken und logische Schlussfolgerungen ziehen. Es denkt nicht: “Mama/Papa sind ja nebenan, sie brauchen wohl jetzt abends ein wenig Zeit für sich und haben mich hier sicher abgelegt.” Es weiß nur: Es ist allein und als Lebewesen, das sich selbst nicht versorgen kann, das nicht einmal aufstehen und weglaufen kann, ist das Allein- und Wehrlossein gefährlich. Deswegen weint es, macht auf sich aufmerksam und erklärt damit, dass es schutzlos ist und Fürsorge braucht.

Das Baby versucht, die negative Erfahrung zu vermeiden

Das Baby wacht also auf, die Eltern beruhigen es wieder, legen es wieder ab, das Baby wacht wieder auf – ein Kreislauf entsteht. Jedes Mal wieder erklärt das Baby: Aber ich bin doch so sicher eingeschlafen, ich möchte weiterhin sicher sein. Und jedes Mal wieder erklären wir Eltern: Ich begleite dich in den Schlaf und du kannst doch hier sicher schlafen. Wir verstehen uns gegenseitig nicht. Ein Missverständnis, das auf beiden Seiten zu Frustration führt:

Die Eltern, die ihren gewünschten ruhigen Abend nicht finden. Das Kind, das auch vermeiden möchte, dass es wieder die negative Erfahrung macht, gefühlt unsicher aufzuwachen und deswegen zunehmend abends gegen das Einschlafen ankämpft. Für alle Beteiligten eine ungünstige Situation.

Was bedeutet das nun?

Familienleben bedeutet, die Bedürfnisse aller zu berücksichtigen und zu versuchen, sie ausgewogen zu gestalten. Es bedeutet, sich einander anzunähern von beiden Seiten. Die Fähigkeiten des Kindes, uns entgegen zu kommen, sind aber in den ersten Jahren sehr begrenzt. Aber dennoch sind sie da. In Bezug auf das Schlafen kann das nämlich bedeuten: Ich möchte in Deiner Nähe schlafen, aber das muss nicht im Bett sein.

Weichen wir doch einmal von unseren Gedanken ab, dass Menschen unbedingt in einem Bett schlafen müssen: Nehmen wir das schlafende Baby stattdessen einfach mit zu uns und lasses es auf unserem Schoß auf dem Sofa schlafen während wir lesen (und ja, selbst während wir einen Film sehen). Lassen wir es im Körperkontakt neben uns liegen, während wir noch eine Mail am Laptop schreiben auf dem Sofa. Oder verlegen wir unser Abendritual einfach in das Familienbett neben das Kind.

Das Kind darf sich darauf verlassen, dass das Bett der Ort ist, an dem es einfach nur zur Ruhe kommen kann, ein Ort, der immer gleich und sicher ist. Ist es müde, wird es dort behutsam abgelegt, vielleicht mit den immer gleichen Worten wie “Nun ist es Zeit zum Ausruhen, und du darfst in deinem Bett schlafen”. Auch das zum Einschlafen gestillte Kind kann mit diesen immer gleichen Worten abgelegt werden, die es beim Hinlegen noch hört.

S. Mierau “Geborgen wachsen” S. 81f.

Um das Kind nicht zu verwirren durch den veränderten Schlafort können wir es nach und nach daran gewöhnen, dass das Bett ein sicherer Schlafort ist, in dem es einschlafen kann. Begleiten wir es dort in den Schlaf und beruhigen wir es auch dort zunehmend, wenn es erwacht, damit es erfährt: hier ist keine Gefahr, ich kann mich auch hier wieder entspannen. Nach und nach entwickelt sich dann eine Sicherheit und das Verständnis, dass das Bett auch ein sicherer Schlafort ist. – Und ansonsten probieren wir es mit all jenen Alternativen, die unseren Abend entspannen.

Eure