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Das Zeugnis für die Eltern

Liebe*r_________,

dein erstes Schuljahr mit Homelearning ist nun vorüber. Es war eine aufregende Zeit, in der du dich stets für neue Themen begeistern musstest. Über diese Monate hinweg hast du eine hohe Lernbereitschaft gezeigt. Es fiel dir zunächst etwas schwer, dich in die neuen Themen einzuarbeiten und einen Platz in der Gruppe der Zuhauselernenden zu finden. Der Kontakt zu den Lehrer*innen war vielleicht nicht immer einfach für dich, aber du hast verantwortungsbewusst eine Position in diesem Gefüge eingenommen. Vielen Dank dafür!

Im Lernverband Zuhause hast du eine führende Position übernommen und im Laufe der Zeit deutlich an Sicherheit gewonnen. Es war nicht immer einfach, eigenständig, motiviert und sorgfältig die geforderten Aufgaben zu bewältigen und weiterzugeben. Dabei hast du großes Geschick bewiesen und nicht nur die zu erledigenden Aufgaben im Blick behalten, sondern auch große emotionale Kompetenz bewiesen in der Begleitung deines Kindes. Nicht immer ist alles reibungslos verlaufen. Flexibel hast du abgewägt zwischen Erfordernissen und Möglichkeiten. Das war sicherlich nicht immer eine leichte Entscheidung, aber du hast in der Mehrheit der Fälle sehr sicher reagieren können.

In den vergangenen Wochen hast du Kreativität bewiesen, Organisationsfähigkeit, emotionale Stärke, Flexibilität, Ausdauer und Empathie. Deine Leistungen lagen über dem Erwarteten und an manchen Stellen auch über dem Möglichen. Wir sind uns alle dessen bewusst, welche enormen Anstrengungen du erbracht hast, um dein Kind durch diese Zeit zu führen. Gewaltfrei und verständnisvoll zu handeln unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist für die Atmosphäre im Familienalltag besonders wichtig – dies hast du gut gemeistert, auch wenn es an einigen Stellen manchmal zu Streitigkeiten gekommen ist. Du hast Konfliktfähigkeit und Kompromissbereitschaft bewiesen.

Liebe*r______________, wir danken dir für dein Engagement. Leider wurde deine Tätigkeit im Gesamtsystem noch zu wenig und zu selten bemerkt, berücksichtigt und honoriert. An dieser Stelle können wir aktuell nichts daran ändern außer zu sagen: Du hast Großes geleistet und es tut uns leid, dass es der Politik noch schwer fällt, das zu sehen. Wir hoffen, es ist nicht nötig, dich in ein weiteres Schuljahr zu versetzen. Aber wir danken dir – wenn es schon sonst niemand anderes tut – aus ganzem Herzen.

Der Verbund der Homelearning-Eltern

Hier kannst Du Dir Dein Zeugnis herunterladen und ausdrucken

Hier gibt es bei grossekoepfe auch ein Elternzeugnis oder hier bei Nils Pickert

Das Grundgefühl, geliebt und respektiert zu werden

Wir alle wissen: Unsere Kinder bringen jeden Tag sehr viele verschiedene Gefühle zum Ausdruck. Sie können sich unglaublich stark freuen, sie können so richtig wütend sein, sie können tief traurig sein oder zappelig aufgeregt – und noch vieles mehr. Die ganze Bandbreite an Gefühlen dürfen sie nicht nur spüren, sondern sie lernen auch anhand all dieser Gefühle. Sie lernen, wie sich unterschiedliche Situationen und Empfindungen anfühlen, wie man darauf reagieren kann, welche Lösungen in welchen Situationen passend sind und dass es Gefühle gibt, bei denen es gut tut, sie mit anderen zu teilen. Durch andere können Kinder lernen, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können. Und trotz all dieser Unterschiedlichkeit an verschiedensten Gefühlen jeden Tag brauchen Kinder ein Gefühl, das sie durch den Tag trägt, durch die Wochen, die Jahre: das Grundgefühl, geliebt und respektiert zu werden.

Die Grundmelodie des Kindes

Dieses Gefühl ist die Grundmelodie, die wir unseren Kindern mitgeben. Sie trägt sie durch den Tag: Wann immer sie aufgeregt sind, können sie dorthin zurückkehren. Wenn sie traurig sind, kommen sie nach dem Trösten dorthin zurück. Wenn sie wütend sind, kehren sie nach der Begleitung durch die Wut in diesen Grundzustand zurück. Und dieser Grundzustand selbst kann ebenfalls angespannter oder lockerer sein – je nachdem, welche Grundmelodie sie verinnerlicht haben.

Es gibt einige Faktoren, die darauf einwirken wie beispielsweise das individuelle Temperament des Kindes, das wir schon ins Leben mitbringen und das sich durch die Interaktion mit der Umwelt in den ersten Jahren zu Persönlichkeitsmerkmalen ausbildet. Die Interaktion mit der Umwelt ist aber besonders wichtig für die Ausbildung des Gefühls, wie wir uns selber sehen und auch, wie unsere Grundmelodie gestaltet ist. Als Eltern nehmen wir darauf viel Einfluss durch unsere Begleitung von Kindern und ihren Gefühlen und den Lernerfahrungen, die sie damit machen. Aber auch generell durch unsere Art der Zuwendung: Wenn wir ihnen – unabhängig von ihrer jeweiligen Art, von ihrem jeweiligen Gefühl und unabhängig von den einzelnen Situationen das Gefühl vermitteln, dass sie bei uns sicher und geborgen sind, dass wir ihnen zuhören, sie respektieren und ihre Bedürfnisse sehen, geben wir ihnen ein sicheres Grundgefühl mit, das auch für eine Art Grundentspannung sorgt – im Rahmen ihres jeweiligen Temperaments.

Nähe und Freiheit, Sicherheit und Schutz

Fühlen sich Kinder in ihrem Bedürfnis nach Nähe und Freiheit sicher, sind diese beiden Aspekte passend ausbalanciert, sind sie im Bindungsaspekt ausreichend sicher. Wenn wir ihnen hingegen zu wenig Nähe und/oder zu wenig Freiheit geben, legt dies die Grundlage für eine Unsicherheit, die sich auch auf das allgemeine Wohlbefinden und Verhalten legt.

Kinder brauchen Nähe und Freiheit, Sicherheit und Schutz und das Gefühl, mit allen Fragen, Sorgen, Ängsten und Gedanken zu uns kommen zu können, ohne für die Empfindung verlacht, verspottet oder nicht ernst genommen zu werden. Sie brauchen das Gefühl, sichere Ansprechpartner*innen zu haben für alle Belange. Und dieses sichere Gefühl bildet die Basis für die Grundstimmung.

Gilt auch für Eltern

Und wenn wir ehrlich sind: Auch für uns Erwachsene ist es von Bedeutung, eine entspannte Grundstimmung zu haben, die wir dadurch erlangen, dass wir uns sicher und geschützt fühlen, Pausen einbauen, andere Erwachsene haben, mit denen wir uns austauschen können und die uns zuhören. Sind wir in einer solchen Grundstimmung, fällt es auch uns viel leichter, mit den Unwägbarkeiten des Alltag und den Bedürfnissen der Kinder umzugehen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Wie wir Zeit oder zumindest Streit einsparen, wenn wir uns in unsere Kinder hineinversetzen

„Jetzt stell dich doch nicht so an!“, „Komm, mach mal schnell!“, „Ist doch jetzt wirklich nicht so schlimm…“ – In unserem Alltag haben wir immer wieder Situationen, die wir als Erwachsene ganz anders einschätzen als unsere Kinder es offenbar tun. Situationen, in denen unsere Kinder aus unserer Sicht „falsch“ oder „überreagieren“. Situationen, von denen wir denken: Das ist doch eigentlich kein Problem. Wir müssen doch nur mal kurz… Aber aus diesem „kurz“ wird dann ein „lang“, weil wir damit umgehen müssen, dass das Kind die Situation nicht annimmt, sich nicht einfügt, vielleicht in einen Gegenwillen geht. Dabei hätte es doch so schnell gehen können, denken wir.

Kinder sind nicht wie Erwachsene. Sie denken nicht wie Erwachsene. Gerade bei Kleinkindern dominiert die Gefühlswelt noch im Handeln und in den Reaktionen und die Kinder können sich nicht in unsere erwachsenen Gedanken, Absichten und Handlungsabfolgen hineinversetzen. Während wir denken „Wir gehen mal ganz schnell kurzfristig los, um noch eben Äpfel zu kaufen, weil der Laden gleich zu macht.“ denkt das Kind nicht daran, dass es morgen keinen Apfel zum Frühstück haben wird, sondern fühlt sich vielleicht übergangen in der Selbständigkeit, wenn es nun schnell Schuhe und Jacke angezogen bekommt. Oder es wollte doch eigentlich gerade noch weiter spielen. Die Wut kommt auf, das Kind macht nicht mit und die Situation wird zu einem Problem.

Im Alltag mit Kleinkindern gibt es meistens kein „Ich mach mal schnell und das Kind macht mit“. Es hilft uns, wenn wir diesen Gedanken als Option einfach streichen. Wir gewinnen in den meisten dieser Fälle keine Zeit, können nicht das Gewünschte durchführen, dafür kommen wir oft in Stress und Streit. Das ändert sich wieder, wenn unsere Kinder sich mehr in uns hinein versetzen können und einen besseren Überblick über Abläufe und Pläne haben.

Alternativ aber können wir doch zu unserem Ziel kommen, wenn wir nämlich nicht planen, dass das Kind unsere Pläne kurzfristig und selbstverständlich mitmacht, sondern wenn wir aus der Kinderperspektive von Anfang an denken. Das bedeutet, dass wir vorher abwägen:

  • Ist das eine Tätigkeit, die überhaupt in der aktuellen Verfassung meines Kindes jetzt problemlos umgesetzt werden kann?
  • Wie wird sich mein Kind dabei fühlen?
  • Welche Herausforderungen gibt es hierbei (anziehen, fehlende Selbstbestimmung, Reize wie Wärme oder Kälte, Spiel unterbrechen,…) und wie kann ich diese Probleme umwandeln, so dass sie nicht zu einem Streit führen?
  • Gibt es kleine Punkte, an denen ich durch geringe Änderungen das Interesse meines Kindes gewinnen kann („Du schiebst dann den Einkaufswagen.“ „Du kannst aussuchen, was wir zum Frühstück kaufen.“ „Komm, wir probieren heute einfach aus, barfuß zu gehen.“…)?

Oft lässt sich durch das Mitdenken und Vordenken ein Streit umschiffen. Wenn wir Glück haben, können wir mit diesem Vorgehen Zeit einsparen. Zumindest aber können wir damit oft eine kräftezehrende und anstrengende Auseinandersetzung vermeiden. Und ja: Manchmal ist es nicht möglich, manchmal müssen wir wirklich kurzfristig eine Entscheidung treffen und die Kinder müssen mitmachen. Aber ganz oft geht es eben auch anders. Und dadurch konfliktärmer – und das ist für einen stressigen Alltag doch auch ganz schön.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Auch Eltern haben Grenzen

Natürlich gibt es Grenzen im Leben mit Kindern. Grenzen in Bezug auf andere Personen, auf gesellschaftliches Zusammenleben. Grenzen von uns Erwachsenen und Grenzen von Kindern. All diese Grenzen sind wichtig. Wo sie verlaufen, können Menschen nur individuell bestimmen: Einige sind geräuschempfindlicher als andere, einige mögen bestimmte Berührungen nicht. Einige Mütter haben Schwierigkeiten damit, wenn ihre Kinder beim Stillen die Brust kneten, anderen macht das nichts aus. Grenzen sind also individuell. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir einen offenen, fließenden Begriff von Grenzen im Zusammenleben mit unseren Kindern haben und ihnen selbst genau auch dies entgegenbringen: eine Offenheit in Bezug auf ihre Signale und Grenzen. Wer ist mein Kind und wie genau kann ich mit diesem individuellen Kind umgehen? Diese jeweiligen Grenzen beachten wir. Auf der anderen Seite stehen wir Erwachsene mit unseren Grenzen und auch hier ist es wichtig, diese Grenzen zu kennen und zu benennen.

Warum es Eltern manchmal schwer fällt, selbst Grenzen zu setzen

Manchmal fällt es Eltern schwer, eine Grenze zu setzen: Sie haben Angst, dass das Kind sie weniger lieben könnte, wenn sie etwas ablehnen. Oder dass es dem Kind schaden könnte, wenn sie bestimmte Interaktionen vermeiden, weil sie einem selbst misshagen. Vielleicht ist das Kind auch besonders gewünscht und lange ersehnt und soll nun besonders mit Liebe überschüttet werden. Manchmal liegen die Ursachen auch in der eigenen Vergangenheit und man möchte es als Elternteil heute unbedingt ganz anders machen als die eigenen Kinder früher und wechselt in das gegenteilige Extrem: nicht zu viele Grenzen setzen, sondern lieber keine und die eigenen Grenzen übertreten lassen, damit das Kind sich wohl fühlt.

Elterngrenzen sind sehr wichtig – für Eltern

Aber auch unsere eigenen Grenzen sind wichtig. Sie zu kennen, ist für die Interaktion mit Kindern von großer Bedeutung. Denn wenn wir uns unserer Grenzen nicht gewahr sind oder versuchen, sie übergehen zu lassen, ohne dass wir es eigentlich wollen, gelangen wir irgendwann in ein unangenehmes Gefühl, sich nun schützen zu müssen. Auf einmal ist es dann wirklich zu viel, wir machen dicht, werden laut, weisen das Kind ab. Das Kind ist verunsichert: Bis eben war doch alles in Ordnung, warum jetzt auf einmal nicht? Besser ist es deswegen, wenn wir uns unserer eigenen Grenzen wirklich bewusst sind: Was sind meine körperlichen Grenzen, was sind meine emotionalen Grenzen und was kann ich an Handlungen und Tätigkeiten im Alltag zulassen, ohne heimlich mit den Zähnen zu knirschen? Wir sollten auch in unseren persönlichen Grenzen authentisch sein.

Natürlich ist es wichtig, diese Grenzen zu hinterfragen. Zu überlegen: Sehe ich das zu eng mit…? Und dann können wir ganz persönlich mit dieser Frage umgehen und daran arbeiten, um diese Grenze vielleicht zu verschieben. Aber im Bewusstsein dessen, dass sie ein Problem für uns darstellt und wir ganz bewusst damit umgehen wollen.

Elterngrenzen sind wichtig – für Kinder

Auch für unsere Kinder ist es wichtig, dass wir sichere, verlässliche Grenzen haben. So sind unsere Reaktionen in Teilen voraussagbar. So können Kinder sicher damit umgehen. Natürlich stoßen sie dennoch daran – es sind Kinder, die noch den sozialen Umgang erlernen. Aber es ist hilfreich für sie, dass immer wieder an dieselben Grenzen stoßen und so ein Gefühl für den elterlichen Raum bekommen. Und nicht zuletzt lernen sie auch hier durch unser Vorbild: Es gibt Grenzen bei Menschen und Menschen haben das Recht, diese Grenzen zu bewahren, zu schützen. Wo diese Grenze verläuft, ist von Mensch zu Mensch und von Grenzart zu Grenzart unterschiedlich, aber es gibt sie und ebenso wie Erwachsene haben Kinder das Recht, dass ihre Grenzen respektiert und gewahrt werden.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Erziehung ist doch ganz einfach!?!

Patsch, patsch, patsch – eine kleine Hand wischt am Morgen durch das Gesicht. Es ist noch dunkel, während die Stimme piepst „Ich mag spielen.“ Der Tag beginnt zu früh nach einer zu kurzen Nacht, denn abends musste noch gearbeitet und das Nötigste aufgeräumt werden. Nur das Nötigste, denn #gutgenug reicht. Und muss es auch, denn für mehr fehlt gerade die Zeit. „Hunger!“ tönt es kurz darauf, also wirklich aufstehen und nicht eben noch ein wenig im Bett spielen lassen. Frühstück machen. Gesund soll es sein, wo früher einfach auf den Tisch kam, was gerade noch da war. Anscheinend gesund, aber nicht lecker: Ein Teil des müde geschmierten Brotes landet auf dem Boden. Kind lacht und schiebt den Teller weg. Oder ist es einfach nur satt? Was heißt eigentlich dieses Runterwerfen von Essen? Vielleicht sollte ich es mal nachlesen oder jemanden fragen? Satt, eklig, Spaß, Machtkampf? Nicht ärgern, ist ja nur ein Kind. Aber als ich Kind war – lieber nicht drüber nachdenken. „Spielen!“ Schnell etwas wegräumen, dann Zähne putzen. Oje, will wieder nicht. Aber Karies! Soll ich das Kind festhalten? Nein, das fühlt sich nicht gut an, das zu denken. Aber Karies! Die Angst, dass das Kind krank werden würde. Manchmal ist sie so groß, dass darüber lange gegrübelt wird. Oder diskutiert. Ein weiterer Grund, um abends schlecht zu schlafen. Das Kind windet sich, mit einem lustigen Lied und Handpuppe geht es aber doch. Einfach allein auf die Toilette gehen wäre auch schön. Aber meistens sitzt da ein Kind daneben, mehr oder weniger interessiert. Und beim Duschen. Das Kind spielt mit dem kuscheligen Drachen-Waschlappen.

„Selber anziehen!“ Dann eben doch wieder nicht zusammenpassende Sachen – ist ja auch egal. Nur Oma würde es furchtbar finden. Geduld. So viel Geduld wie in kaum einem Job gebraucht wird. Oje, warum ist das Kind jetzt wütend? So früh am Morgen und trotzdem schon so viel Energie verbraucht für Gespräche, für Beruhigung – und eben Geduld. Es wäre toll, jetzt einfach mal auszuruhen, kurz durchatmen. Vielleicht mache ich mir doch einen Tee. In der Zwischenzeit räumt das Kind die unterste Küchenschublade aus. Sind extra nur Dosen, damit das kein Problem ist. Irgendwie muss ja auch mal gekocht werden und das Kind will in der Nähe sein. Kurz durchatmen bevor das Spiel doch langweilig wird. Kurz auf das Handy sehen. Gerade mal 10 Uhr. Fühlt sich an wie nachmittags.

„Spielen!“ Machen wir. „Nein nicht so, so ist doof. Du musst…“ Immer soll ich spielen, wie es das Kind mag. Versuche, Kompromisse auszuhandeln. Nebenher die Einkaufsliste im Kopf durchgehen, lieber doch auf Papier bringen. Das Kind findet das weniger schön und greift über den Tisch nach dem Stift. Leider fällt der Tee um. Zum Glück nicht mehr heiß. Trotzdem. „Verdammt nochmal!“ Oh nein. Geflucht. Und laut gewesen. Ich will das doch nicht. Es ist manchmal so schwer.

Zusammen einkaufen und darauf achten, dass wirklich nur im Wagen landet, was soll. Nicht die Nörgel-Dinge. Erklären, erklären, erklären. „Ja, würde ich kaufen, aber leider zu teuer.“/“Wir haben schon das andere im Wagen.“/“Okay, dieses, aber mehr auch nicht.“ Maske drauf lassen. Meine auch. Wieviele Worte habe ich heute schon gesprochen? Das Kind weint. Was ist passiert? In den Arm nehmen, trösten. Aber warum eigentlich? Kind sagt nichts und weint. Weiter trösten, auch wenn unklar ist, warum. Schließlich beruhigt doch weiter gehen. „Kannst du etwas schneller laufen, der Einkauf ist so schwer!“ Okay, dann eben eine Pause, um der Ameisenstraße zuzusehen. Immerhin: Heute keine Termine, also kein Zeitdruck. An anderen Tagen schon. Zu Hause stehen die Dosen noch in der Küche auf dem Boden, kann gleich weiter bespielt werden, während der Einkauf weggeräumt wird. Mittagessen kochen zusammen: Das Kind darf mitrühren, mitmachen. Geduld haben, Geduld. Es übt sich in der Motorik, nichts funktioniert von Anfang an. Zum Ende des Essens landen wieder Nudeln auf dem Boden.

Danach: Mittagsschlaf. Buch vorlesen – wieder das gleiche Buch wie seit einer Woche. An der selben Stelle wird gelacht, die selben Fragen gestellt. Und schließlich schläft das Kind ein. Kurz der Stille zuhören. So gerne einfach mitschlafen wollen. Aber eigentlich muss unter dem Esstisch gewischt werden. Und Mails beantworten. Fenster putzen? Nur kurz unter dem Esstisch wischen und sich dann doch neben das Kind legen. Eingeschlafen. Oje, so spät! Das wird ein langer Abend.

Ein wenig draußen spielen auf dem Spielplatz mit langem Spaziergang. Das macht vielleicht auch müde? Lachen über ein Bild an der Wand, verkleckertes Eis auf dem Shirt und glückliches Kindergesicht. Auf dem Spielplatz auf Abstand achten und trotzdem dem Kind ein gutes Gefühl geben. Hochgezogene Augenbrauen, weil ich zu lange auf das Smartphone starre und google „Kind wirft immer essen runter“. „Komm wir gehen nach Hause!“ „Ich kann nicht mehr laufen!“ Okay, es ist ja noch klein. Aber doch ganz schön schwer, so ohne Trage. Abendessen: „Wenn du satt bist, sag einfach Stopp.“ Hat heute noch nicht geklappt, vielleicht morgen. Zähne putzen mit Zahnputzlied. Vielleicht leihe ich ein neues Zahnputzbuch in der Bibliothek aus. Nachher mal online sehen, ob ich es reservieren kann.

Das Kind ist nicht müde. Im Bett spielen und kuscheln und lesen. Ein wenig in einer Zeitschrift blättern, während das Kind spielt. Und schließlich kuschelt es sich ein. Es ist spät. Das Kind ist warm und weich und duftet nach meinem Kind. Wie sehr ich es liebe. Und wie anstrengend manche Tage sind. Noch schnell das Buch reservieren, ein paar Mails checken und neue T-Shirts fürs Kind bestellen, damit man nicht in den Laden muss. Jetzt. Wer weiß wie lange. Den Kalender durchgehen, Sachen für morgen bereit legen. Kurz mit der Freundin chatten. Tee trinken. Und einschlafen, neben dem kleinen Kind. Und morgen? Da probieren wir es mal weiter mit dem „Nicht auf den Boden werfen.“. Und lachen und trösten und lieben und weinen und hüpfen und tragen. Und sind Familie.

Eltern sein kann wunderschön sein. Und manchmal auch so schwer. Eltern sein besteht aus vielen Handgriffen jeden Tag. Es besteht aus Körperlichkeit und Nähe: einen anderen Menschen ganz nah an sich heranlassen – innerlich und äußerlich. Und ihn – selbst wenn er schon scheinbar groß ist – auf den Arm nehmen, einzukuscheln und körperlich zu zeigen: Ich bin da. Es besteht darin, die Signale eines kleinen Menschen zu lesen, zu interpretieren, zu verstehen und richtig umzusetzen. Manchmal schleichen sich Fehler ein. Das ist normal, macht es aber nicht einfach. Und die eigenen Bedürfnisse damit auch zu vereinbaren, ist manchmal eine Herausforderung. Nicht in Schieflage zu geraten auf der einen oder anderen Seite. Denn wenn die Eltern erschöpft sind, können auch Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden. Und dann mit den Stimmen der eigenen Kindheit umgehen, die es manchmal ganz anders anraten: „Nein, du verwöhnst das Kind!“ flüstern sie zu. „Das Kind wird ein Tyrann!“ oder „Dir hat ja auch nicht geschadet…“ Es ist Arbeit, mit diesen Stimmen umzugehen. Es ganz bewusst anders zu machen. Manchmal braucht es eine fachliche Begleitung und Zeit. Und auch das Begleiten der kindlichen Gefühle ist nicht immer einfach: ein wütendes Kind begleiten, ein trauriges Kind lange trösten. Ein müdes Kind, das nicht einschlafen kann, begleiten.

Kinder sind wunderbar, mit all ihren Facetten. Aber es ist dennoch nicht einfach, all das zu begleiten. Es braucht Kraft, Mut, Vertrauen, Verständnis, Unterstützung, Selbstfürsorge, Selbstvertrauen, Reflexionsfähigkeit, Zeit, Nähe, Kommunikationsfähigkeiten – und noch viel mehr. Je nach Familie, je nach Kind. Es ist jeden Tag eine ganz besondere Tätigkeit, Kinder zu begleiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Das Frühlings- und Sommerblumenleuchten einfangen – Blütenkerzen mit Kindern herstellen

Vielleicht kennt Ihr die Geschichte der kleinen Maus Frederick, die für den Winter nicht wie die anderen Mäuse Vorräte sammelt, sondern Sonnenstrahlen, Farben und Wörter. Ganz ähnlich können auch wir den Frühling und Sommer in seiner leuchtenden Blütenpracht aufbewahren mit Blütenkerzen.

Blütenkerzen lassen sich in wenigen Schritten mit Kindern selber herstellen. Auf einem Spaziergang pflückt ihr hierzu zunächst einige Blüten. Es müssen keine besonderen sein, auch Gänseblümchen oder Scharfgabe sehen getrocknet schön aus. Diese Blüten werden in einem dicken Buch einige Tage getrocknet und dann weiterverarbeitet

Blütenkerzen aus Wachs

Aus Wachs lassen sich warm leuchtende Blütenkerzen auf einfache Weise herstellen. Ihr braucht hierfür:

  • eine Avocado (die nachhaltige Idee, eine Avocado zu nutzen, stammt von @growingawildchild) oder einen Luftballon
  • (Bienen)wachs
  • getrocknete Blüten
  • Teelichtdocht

Das Wachs wird in einer kleinen Schüssel im Wasserbad geschmolzen und aus dem Topf genommen. Die ausgehöhlte Avocado oder der leicht aufgeblasene Ballon wird als Form genutzt und in das Wachs getaucht. Indem die Form immer wieder kurz eingetaucht und wieder herausgeholt wird, bildet sich eine dicker werdende Schicht Wachs um die Form.

Ist sie etwa 0,5cm dick, können die getrockneten Blüten auf das weiche Wachs aufgelegt und angedrückt werden. So wird die Form nochmal ein oder zweimal eingetaucht, so dass die Blüten gut umhüllt sind.

Ist das Wachs abgekühlt und getrocknet, wird die Avocado bzw. der Ballon entfernt. Eine frische Avocado lässt sich mehrmals verwenden, wenn sie vorsichtig entfernt wird.

Anschließend wird der Teelichtdocht in die Schale gegeben und etwas heißes Wachs wird in die Form gegossen.

Blüten-Windlichter

Noch einfacher als die Blütenkerzen lassen sich Windlichter basteln. Hierzu benötigt Ihr:

  • Transparentpapier
  • getrocknete Blüten
  • Klebestift
  • Joghurtdeckel
  • ggf. Washi-Tape

Zunächst wird ein passendes Stück Transparentpapier zurechtgeschnitten: Es sollte um den Joghurtdeckel passen plus ein Zentimeter Zugabe für die Klebefläche. Zudem sollte es am unteren Ende ebenfalls einen Zentimeter Klebefläche haben. Diese wird zu kleinen Zacken geschnitten, damit sie um den Joghurtdeckel geklebt werden kann.

Die Blüten werden mit dem Klebestift auf das Papier geklebt, dann wird die das Transparentpapier am Joghurtdeckel befestigt. Bei Bedarf kann der untere Rand noch mit Washi-Tape gestaltet und verschönert werden.

Und nun: viel Freude beim Einsammeln von Frühlings- und Sommererinnerungen.
Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Berührungsqualität

Wir wissen: Berührung ist wichtig – nicht nur für unsere Kinder, aber gerade für sie und ihre Entwicklung. Über Berührung erfahren Neugeborene Schutz und Nähe – dies ist insbesondere auch deswegen wichtig, weil ihre Fernsinne wie das Sehen und Hören noch nicht voll ausgebildet sind. Berührung, In-den-Arm-Nehmen, gibt Sicherheit und erinnert an die geborgene Umhüllung im Uterus. Doch nicht nur das: Auch Atmung, Körpertemperatur und Blutzuckerspiegel stabilisieren sich nach der Geburt durch Berührung. Auf der anderen Seite hat auch die Körperkontakt gebende Bindungsperson einen Vorteil von dieser körperlichen Nähe: Das ausgeschüttete Hormon Oxytocin unterstützt den Aufbau der Bindung. So hat der frühe Körperkontakt nachhaltige Auswirkungen. Und noch mehr: Berührung bleibt Zeit unseres Lebens wichtig, unterstützt uns, lindert und fördert. Doch es kommt nicht nur auf die Häufigkeit an, sondern auch die Berührungsqualität ist wichtig.

Streicheleinheiten

Bei „Berührungsqualität“ fällt uns sicherlich zunächst das Streicheln ein: Wenn wir uns ganz bewusst einer anderen Person zuwenden und liebevoll die Haut dieser Person berühren. In unserer Haut gibt es für die Wahrnehmung des Streichelns ganz besondere Rezeptoren: die C-taktikeln Fasern*. Sie reagieren ganz besonders auf Berührungen mit der Temperatur von Fingerspitzen (ca. 32°C) mit einer Geschwindigkeit von ein bis zehn Zentimetern pro Sekunde. – Wahrscheinlich nutzen Eltern intuitiv in der Mehrheit genau diese Geschwindigkeit für den liebevollen Körperkontakt. Und das Baby empfindet genau diese Art der Berührung als besonders angenehm, da ein besonderes Aktivierungsmuster im Gehirn ausgelöst wird. Auf der anderen Seite sind die Fingerspitzen der streichelnden Person besonders empfindlich durch dort gebündelte sensible Nervenenden, Blutgefäße und Drüsen – mit „Fingerspitengefühl“ üben wir Berührung aus**.

Alltägliche Berührungen

Doch nicht nur für Babys ist Berührung wichtig und nicht nur in besonderen Situationen findet Körperkontakt mit Kindern satt: Auch größere Kinder brauchen regelmäßig positiven Körperkontakt und die Stimulation des Tastsinns für eine gesunde Entwicklung. Kinder, die positiven Körperkontakt erfahren, weinen weniger* – viele Eltern verhalten sich auch hier wieder intuitiv und nehmen weinende Kinder oder verängstigte Kinder in den Arm , beispielsweise bei Untersuchungen. Auch wenn wir Hilfe oder Unterstützung benötigen, verwenden wir oft Körperkontakt, denn die freundliche Berührung ermöglicht eine emotionale Verbindung durch das Ausschütten von Belohnungsreizen im Gehirn. Positive Berührung ist gut für das Kind und unterstützt das friedvolle, entspannte Miteinander. Bei Menschen, die sich emotional nahe stehen, hat das über Berührung ausgeschüttete Oxytocin eine verbindungsfördernde Funktion.

Für unserem Alltag mit Kindern bedeutet dies: die Berührungsqualität ist besonders wichtig. Ein hartes An-der-Hand-Ziehen oder ruppiges Anfassen löst etwas anderes in einem Menschen aus, als eine sanfte Berührung. Und nicht nur das: wir können sogar über die Art unserer Berührung ganz gegenteilige Reaktionen hervorrufen. Berühren wir ein Kind liebevoll und zugewandt beispielsweise bei einer Untersuchung bei der Kinderärztin, ist das Kind beruhigter und wahrscheinlich kompromissfähiger als wenn wir es ruppig festhalten und erklären, es solle sich nicht so anstellen.

Aber auch darüber hinaus gibt es viele Situationen in unserem Alltag, in dem wir auf die Berührungsqualität achten können: Beim Wickeln ist eine achtsame Berührung nicht nur angenehmer, sondern unterstützend. Wir sprechen mit dem Kind, erklären unsere nächste Handlung, warten ab und berühren liebevoll und langsam. Nicht immer einfach beim Wickeln? Das stimmt. Aber wenn wir das Wickeln langfristig so gestalten und dem Kind immer wieder Eigenaktivität ermöglichen – gerade bei einem Kleinkind – und Geduld haben, können wir ein ruhiges Ritual etablieren.

Wir alle genießen als Erwachsene Momente der achtsamen Körperpflege: wenn wir beispielsweise aus dem Bad steigen und Zeit haben, uns einzucremen und unserem Körper etwas Gutes zu tun. Genauso können es auch Babys und Kinder genießen. Für die Pflegemomente sollte daher immer Zeit eingeplant werden.

S. Mierau (2016): Geborgen wachsen: Wie Kinder glücklich groß werden

Beim Einschlafen hilft es, ruhig und entspannt mit Worten und Berührungen zu unterstützen, statt mit unruhiger Atmung und angespanntem Körper auf das Einschlafen des Kindes zu warten. Wenn wir die Aufmerksamkeit des Kindes auf etwas richten oder dem Kleinkind zeigen wollen, dass wir es gehört und verstanden haben, hilft uns liebevolle Berührung: wir können es kurz anfassen und uns zuwenden und so signalisieren: „Ich habe dich gehört, gleich kümmere ich mich um dein Bedürfnis!“

Wie genau wir die Berührung auf unser Kind abstimmen, ist individuell: Manche Kinder genießen einen stärkeren Druck, andere weniger starken. Aber genau das ist wichtig: Die individuelle Wohlfühlart des eigenen Kindes herauszufinden. Und diese dann ganz selbstverständlich in den Alltag einzubauen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zum Nachlesen:
*Böhme, Rebecca (2019): Human Touch. Warum körperliche Nähe so wichtig ist. Erkenntnisse aus Medizin und Hirnforschung. – München: C.H. Beck.
** von Thadden, Elisabeth (2018): Die berührungslose Gesellschaft. – München: C.H. Beck.

Wenn Kinder Aufmerksamkeit brauchen

Sich unserer Aufmerksamkeit sicher zu sein, ist wichtig für Kinder: Nur wenn sie sicher sein können, dass wir als Bezugspersonen ihre Bedürfnisse wahrnehmen, sie im Blick haben und im Bedarfsfall auf Signale reagieren, fühlen sie sich geschützt und umsorgt. Dann haben sie das sichere Vertrauen, dass wir sie umsorgen und diese Sicherheit der Bedürfniserfüllung lässt eine sichere Beziehung aufbauen. Auf Seiten des Kindes ist Bindung ein Schutzsystem, das dafür sorgt, dass das Kind sicher umsorgt ist.

Warum „verwöhnen“ so wichtig ist

Bestenfalls weiß das Kind und hat verinnerlicht, dass seine Bedürfnisse sicher versorgt werden. Es weiß: Was auch immer passiert, welches Bedürfnis auch immer ich habe – ob Hunger, Durst, das Bedürfnis nach Sicherheit oder Schlaf – meine Bindungsperson kann es erfüllen. Dieses verinnerlicht das Kind, weil wir die Bedürfnisse bedingungslos von klein auf erfüllen: Bedürfniserfüllung ist kein Verwöhnen. Wenn ein Kind mit kleinen Signalen anzeigt, dass es etwas braucht und wir darauf reagieren, ist das normal und angemessen – schließlich haben Kinder, je jünger sie sind, kein Zeitempfinden wie wir. Wenn sie Hunger haben, haben sie Hunger. Wenn sie sich gerade jetzt allein fühlen, brauchen sie gerade jetzt schützende Nähe. Wird das Kind von Anfang an angemessen versorgt, baut es ein Vertrauen in die Bedürfnisbefriedigung auf. Es weiß dann mit zunehmenden Alter, zunehmender Frustrationstoleranz und einem zunehmenden Gefühl für Zeit, dass ein Bedürfnis auch aufschiebbar ist und dennoch sicher erfüllt wird: Wenn meine Bezugsperson sagt, sie ist gleich für mich da, dann kommt sie auch gleich – und vergisst es nicht. Reagieren wir also von Anfang an prompt und sicher, geben wir dem Kind ein Vertrauen mit auf den Weg, von dem es auch später zehren kann. „Es zahlt sich aus“ Kinder am Anfang prompt und sicher zu versorgen, damit sie sich der versorgenden Rolle von ihren Bezugspersonen so sicher sind, dass sie sie auch später nicht in Zweifel ziehen. Sie wissen: Meine Bindungspersonen sind bedingungslos da und sehen mich.

Aufmerksamkeit einfordern

Manchmal gibt es Phasen, in denen wir weniger aufmerksam sein können oder sind – vielleicht durch äußere Stressoren, die uns ablenken. Zeiten, in denen wir die Bedürfnisse des Kindes weniger gut wahrnehmen und/oder nicht richtig interpretieren. Es kommt zu einer Dysbalance: Das Kind signalisiert, wartet, da es eigentlich gewohnt ist, dass wir reagieren. Bleibt die passende Reaktion weiterhin aus, ist das Kind zunächst verunsichert und muss schließlich mehr und mehr Signale senden, damit es die gewünschte Aufmerksamkeit zur Bedürfnisbefriedigung bekommt. Über einen längeren Zeitraum kann es so dazu kommen, dass das Kind versucht, lauter und vehementer Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Reagieren wir nur darauf und weiterhin nicht auf die kleinen Signale, kann es sich einspielen, dass das Kind immer mehr Aufmerksamkeit einfordert auf eine Art, die wir als negativ empfinden: Dass das Kind Aufmerksamkeit und Bedürfniserfüllung braucht, ist normal. Da die normalen Wege aber nicht funktionieren, spielt es sich ein, dass das Kind über frech sein, laut sein etc. Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit die Sicherheit herstellen kann, überhaupt weiterhin gesehen zu werden. Ein negativer Kreislauf kann entstehen – gerade dann, wenn Eltern nun denken: Dieses Verhalten toleriere ich nicht und reagiere bewusst nicht auf das freche, laute Verhalten. Es entsteht eine Art Kampf um Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Heraus aus der Negativspirale

Der Weg aus dieser Spirale heraus kann nur über uns Erwachsene führen. Wir müssen erkannen, was in der Beziehung gerade passiert und dass das Verhalten des Kindes ein Anzeichen dafür ist, dass etwas am Miteinander nicht stimmig ist. Wir müssen hinter das Verhalten des Kindes den wirklichen Grund sehen: das Kind ist unsicher und braucht mehr Zuwendung und Sicherheit.

Im Alltag bedeutet dies, dass wir wieder versuchen, auf die kleinen Signale zu achten und zu reagieren, bevor das Kind mit starken Signalen etwas einfordert, damit es wieder das Gefühl aufbaut, sicher umsorgt zu werden. Manchmal ist das in der aktuellen Situation nicht möglich, weil sich die neuen Verhaltensweisen schon so eingeschliffen haben oder es schwer fällt, sie im stressigen Alltag zu sehen. In diesem Fall hilft es, gemeinsam auf „Reset“ zu gehen mit einem (oder mehreren) gemeinsamen Nesttag(en): Der Alltag mit seinen Ablenkungen und Erfordernissen muss ausgeschaltet werden, Elternteil und Kind verbringen intensive, ungestörte gemeinsame Zeit, wie eine Art Urlaub und in dieser Zeit wird intensiv auf das Kind eingegangen: Es darf bestimmen. Es darf bestimmen, was gespielt wird, was gegessen wird, was gemacht wird. Es ist Zeit da, um sich dem Kind zuzuwenden, zuzuhören und wirklich zu reagieren. Die Speicher an Aufmerksamkeit und Sicherheit werden wieder aufgefüllt und die Dysbalance im gegenseitigen Verhalten ausgeglichen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Kinder stärken – Resilienz im Alltag fördern

Resilienz – wer hat nicht schon davon gehört? Resilienz ist die Fähigkeit „erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen umgehen zu können“*. Sie zeigt sich dann, wenn das Kind erfolgreich eine schwierige, entwicklungsbeeinflussende Risikosituation bewältigt hat. Für unser Leben ist sie deswegen von großer Bedeutung, denn immer wieder stehen wir auch vor schwierigen, herausfordernden Situationen. Aber entgegen früheren Annahmen werden wir nicht mit einer bestimmten Art von Resilienz geboren, sondern sie entwickelt sich in Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das bedeutet: Wir können durch unser Verhalten und unseren Umgang mit unseren Kindern – im Alltag wie auch in schwierigen Situationen – diese besondere Fähigkeit stärken.

Als Eltern können wie die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern beeinflussen

Wie stark unsere psychische Widerstandsfähigkeit ausgeprägt ist, ist also von Mensch zu Mensch verschieden und verändert sich auch im Laufe des Lebens. Es gibt allerdings hemmende und stärkende Faktoren, die sich auf die Entwicklung von Resilienz auswirken können. Als Bindungspersonen können wir diese Faktoren in der Kindheit ganz besonders beeinflussen und so dazu beitragen, dass unsere Kinder mit Krisen mehr oder weniger gut umgehen können.

Wie wir die Ausbildung von Resilienz unterstützen können

Unter den Schutzfaktoren wird zwischen personalen Ressourcen und sozialen Ressourcen unterschieden. Hier spielen u.a. Temperament und die Stellung in der Geschwisterfolge eine Rolle, aber auch die Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit des Kindes sind wichtig: Kinder brauchen die Möglichkeit, sich aktiv in den Alltag einzubringen und sich als wertvoller Teil der Gemeinschaft zu empfinden. In jedem Alter können sie entsprechend beteiligt werden am Haushalt, darin kleinere oder größere Aufgaben übernehmen und sich auch in den restlichen Alltag aktiv einbringen. Als soziale Wesen kooperieren sie von Anfang an (auch wenn wir das nicht immer wahrnehmen bzw. ihre Kooperationsbereitschaft irgendwann auch aufgebraucht ist) und wünschen sich, durch eine Einbindung in das Familienleben wertgeschätzt zu werden.

Die Möglichkeit, in dieser Weise in den Alltag eingebunden zu werden, spiegelt sich im Erziehungstil wieder: Als Schutzfaktor gilt ein demokratischer Erziehungsstil mit Bindungspersonen, auf die sich das Kind verlassen kann und die gleichzeitig das Kind eigene Erfahrungen machen lassen: Wurzeln und Flügel. Auch die Einbindung in andere gute Beziehungen und ein unterstützendes familiäres Netzwerk sind wichtige Punkte für die psychische Widerstandsfähigkeit.

Was bedeutet das nun für unseren Alltag?

Wir können die Fähigkeit von Kindern, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen, auf recht einfache Weise fördern: Indem wir sie so annehmen, wie sie sind und sie in unseren Alltag einbinden in Vertrauen und Wertschätzung. Das bedeutet, dass wir ihnen die Chance geben, sich im Spiel und in Alltagsaufgaben auszuprobieren und Lernerfahrungen zu machen: Vielleicht geht es am Anfang daneben, wenn sich das Kind mit einem kleinen Krug selbst einschänken will, aber mit der Zeit und durch wiederholtes Lernen wird es besser. Wir können unsere Kinder „helfen“ lassen – in einem ehrlichen Sinn. Nicht mit babyeinfachen Aufgaben, sondern wirklich ihrem Alter entsprechend und uns über diese Entlastung durch die Kinder freuen: Natürlich können Kinder Müll wegbringen, einkaufen gehen und/oder einfache Gerichte kochen oder backen. Wir können uns über diese Hilfe aufrichtig, nicht aufgesetzt, freuen und Dankbarkeit zeigen. Sie können auch in Entscheidungen demokratisch eingebunden werden, beispielsweise in Form eines Familienrats, in dem wöchentlich wichtige Punkte besprochen werden und alle in der Familie sich einbringen können, ihre Meinung sagen und erklären, was sie gerade brauchen, was gut läuft, was fehlt. Hier kann auch diskutiert werden und es werden gemeinsam Alternativen gefunden, wenn nicht alle übereinstimmen.

Die Resilienz unserer Kinder können wir also durch einfache Beteiligung und Wertschätzung stärken. Wir müssen dazu nichts extra kaufen, müssen nichts beibringen, sondern unterstützen und respektieren unsere Kinder und nehmen sie als wichtigen Bestandteil unseres Lebens ernst.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

*Wustmann 2004

Wer ist hier verantwortlich?

Streit und Auseinandersetzungen gehören zu unserem Leben dazu. Im Zusammenleben mit anderen geraten Meinungen aneinander, wir nehmen unterschiedliche Positionen ein. Das kommt bei erwachsenen Menschen ebenso vor wie bei Erwachsenen und Kind: zwei Meinungen und ein Kind, das noch nicht die Position und Gedankenwelt des Gegenüber einnehmen kann. Manchmal fällt es auch uns Erwachsenen schwer, nun die durchdachte, überlegte Position einzunehmen und auch wir werden wütend in einer Konfliktsituation. Wir streiten, schimpfen und erklären dem Kind dann „Das habe ich getan, weil du mich so wütend gemacht hast!“ Aber stimmt das wirklich?

Das Kind ist Schuld!?

„Weil du immer die Tasse beim Essen umwirfst, bekommst du das Getränk erst nach dem Essen!“, „Weil du immer so trödelst, kommen wir immer zu spät!“, „Weil du dein Brot nicht aufisst, verschwenden wir so viele Lebensmittel!“, „Weil du so frech bist, bin ich immer so fertig.“, „Weil du…“ Die Liste an Beschuldigungen, woran Kinder in den Augen Erwachsener schuldig sein könnten, ist lang. Und es mag sich zunächst auch erst einmal logisch anfühlen: Ursache: eigenwilliges Kind, Wirkung: Problem. Und daraus folgend Streit.

Doch diese Sichtweise entlässt uns Erwachsene aus der Pflicht. Als Erwachsene tragen wir die Verantwortung. Wir gehen den Weg voran, wir zeigen, wie der Alltag funktioniert und was Kinder wie lernen können. Wir sind Vorbild und Impulsgeber*innen. Kindern die Schuld zu geben daran, wenn immer wieder Situationen anders laufen als geplant, oder ihnen gar die Schuld an unseren Emotionen zu geben, vertauscht die Rollen.

Verantwortung übernehmen

Wenn Situationen in unserem Alltag schief laufen, ist es unsere Aufgabe als erwachsene Person zu hinterfragen: Wie kann ICH diese Situation anders gestalten, damit mein Kind damit anders umgeht? Wie kann ich die Rahmenbedingungen am Tisch ändern, damit es das Wasser nicht umwirft (stehen die Dinge an einem falschen Platz? Braucht es ein kleineres Glas? Möchte das Kind mit umgeworfenen/heruntergeworfenen Dingen zeigen, dass das Essen beendet ist?…) – und zwar ohne die Bestrafung, das Wasser wegzustellen? Wie kann ich als erwachsene Person morgens die Rahmenbedingungen ändern, damit wir pünktlich los kommen? Es ist zu viel von einem Kleinkind und selbst Grundschulkind verlangt, dass es selbst an Pünktlichkeit denkt und ein konkretes Zeitgefühl hat. Wie kann ich die Mahlzeiten entweder so anbieten, dass das Kind sie verzehrt (kleinere Portionen, mehr Orientierung an den Nährstoffen und Suche nach Alternativen Lebensmitteln, die diese enthalten)?

Ganz besonders wichtig ist, dass wir die Verantwortung übernehmen für unsere Gefühle: Unsere Kinder können in uns Gefühle auslösen, aber sie sind nicht Schuld daran. Sie sind Kinder. Als Erwachsene müssen wir verantwortungsvoll mit unseren Gefühlen umgehen. Das bedeutet: Natürlich dürfen wir enttäuscht, wütend, erschöpft etc. sein. Aber: Wir sollten dies nicht dem Kind anlasten, dass sich eben wie ein Kind verhält, sondern die Rahmenbedingungen betrachten, die uns dazu führen, dass wir das Kind vielleicht als zusätzlich belastend empfinden. Und ganz besonders sollten wir unseren Gefühle hinterher spüren und ihre Umsetzung betrachten: Wenn ich wütend bin, wie gehe ich mit meiner Wut um? Es liegt in unserer Verantwortung, gerade starke Gefühle kindgerecht ausdrücken und unsere Kinder nicht zu verängstigen, zu beschämen oder unter Druck zu setzen, weil wir selbst so fühlen, weil wir selbst keinen Weg finden, mit unseren Gefühlen umzugehen und sie ungefiltert an das Kind übergeben.

Als Eltern tragen wir Verantwortung. Und wir gehen als Beispiel für einen verantwortlichen Umgang mit den eigenen Gefühlen voran. Als Vorbild für eine – noch ferne – Zukunft.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de