Ich erinnere mich noch gut daran, wie kompliziert der Gedanke an die Beikost bei meinem ersten Kind war. Damals gab es noch feste Richtlinien, was wann als Beikost eingeführt werden sollte. Zusammen sahen wir als Paar dem aufregenden Termin des 6. Monats entgegen, kauften ein kleines Holzschüsselchen, einen kleinen Holzlöffel, ein Lätzchen und letztlich die so angepriesenen Pastinaken. Wir kochten zusammen, setzten uns mit unserem Kind an den Tisch und führten den Löffel zum Mund. Unser Kind sah uns mit weiten Augen an, schob die Unterlippe ein wenig vor gegen den Löffel, leckte sich die Lippen ab und verzog das Gesicht, um den Mund nicht mehr zu öffnen. Aber es war doch nun sechs Monate alt. Und es müsste doch jetzt essen. Und es war doch Bio-Pastinake! Aber der Mund blieb zu.
Die wichtigste Regel in der Beikostzeit: Entspannt bleiben
Glücklicherweise hatte ich damals eine Stillgruppenleiterin, die mich entgegen aller anderen Kommentare beruhigte und erklärte, dass das Kind schon essen würde irgendwann und bis dahin nicht verhungern würde. Irgendwann im zehnten Monat begann es dann doch zu essen. Nicht die Pastinake und auch sonst keinen Brei, sondern das, was es mit der Hand selbst vom Tisch nehmen und zum Mund führen konnte. Und so trat die wichtigste Erkenntnis über Kinder und Nahrung in mein Leben: einfach entspannt bleiben und Vertrauen haben.
Vertrauen und kindliche Entwicklung gehen Hand in Hand
Die andere wichtige Erkenntnis zur Beikost ist, dass unser elterliches Vertrauen mit der kindlichen Entwicklung Hand in Hand geht: Wenn wir unser Kind beobachten, die Signale des Kindes verstehen und einen Blick für die Kompetenzen des Kindes haben, können wir Vertrauen fassen. Deswegen ist es vor allem auch hier wieder wichtig zum Beikostbeginn: Beobachte Dein Kind!
Glücklicherweise geben uns unsere Kinder Signale dazu, ob sie bereit sind für die Beikost oder nicht. Mein Kind in der Geschichte oben hat ein sehr deutliches Signal gegeben: Es hat den Mund einfach geschlossen. Ein geschlossener Mund ist immer ein Zeichen dafür, dass das Kind nicht möchte. Nicht nur am Anfang, sondern auch später. Wir müssen unsere Kinder dann nicht überreden, ihnen keinen Hunger einreden. Und sie auch nicht austricksen mit dem kleinen Flugzeug, das da angeflogen kommt. Mund zu bedeutet: Nun geht es nicht weiter.
Wenn der Mund dann geöffnet wird, muss die Nahrung nicht nur hinein kommen, sondern darin auch zerkleinert und bewegt werden. Wir können vertrauen, dass das Kind Nahrung zu sich nehmen kann, wenn es sie selbst zum Mund führen kann mit der Hand und wenn es die Nahrung mit der Zunge nicht wieder hinaus schiebt aus dem Mund. Wenn der ganze Mundbereich verschmiert ist und das Baby immer wieder Brei nach vorne schiebt, sollten wir ihn nicht mit einem Löffel abkratzen von der Mundpartie und wieder hinein schieben, sondern darauf vertrauen, dass das Kind zeigt, dass es die Nahrung noch nicht richtig verarbeiten kann. Der Versuch, dennoch Brei in das Kind zu bekommen, ist für beide Seiten frustrierend.
Kann das Baby mit etwas Unterstützung aufrecht sitzen, ist der Weg durch den Körper für die Speisen auch gut passierbar. Kann das Baby das noch nicht oder liegt es in einer Babyschale beim Füttern, ist die Mahlzeit oft unbequem. Wir alle kennen es aus eigener Erfahrung, dass das Essen im Liegen wenig angenehm ist. Das ist auch für unsere Babys so.
Wir sehen also: Ein Baby bringt viele Kompetenzen mit, um Nahrung zu sich zu nehmen und wir müssen „einfach“ darauf vertrauen, dass das Kind so kompetent ist, dass es selbst isst. Unser Kind zeigt, was es isst und was es essen kann. Die körperlichen Fähigkeiten werden ausgebildet und so verändert sich auch die Nahrung, die es selbständig zu sich nehmen kann: Kann es zunächst nur in der geballten Faust ein großes Stück weiche Kartoffel halten, kann es sich später mit der flachen Hand Nahrung in den Mund schieben und schließlich im Griff von Zeigefinger und Daumen auch kleine Beeren aufsammeln und zum Mund führen. Schauen wir genau hin, was es gerade kann und bieten wir dem Kind dazu passende Nahrung. So kann es sich selbst versorgen und bekommt ein gutes Gefühl dafür, was es selber kann und auch, wann es satt ist und die Mahlzeit beenden möchte.
Vertrauen in die richtige Auswahl
„Aber das Kind isst immer nur Nudeln/Kartoffeln/Joghurt!“ Fast alle Kinder haben Phasen, in denen sie bestimmte Nahrungsmittel bevorzugen. „Phasen“ bedeutet: Unterschiedlich lange Zeiten. Hier sind zwei Sachen wichtig: Vertrauen in die Auswahl und passende Ergänzungen ermöglichen.
Betrachten wir einmal die Auswahl des Kindes genau: Isst es vielleicht gerade besonders viele Nahrungsmittel mit einer bestimmten Nährstoffverteilung? Stehen gerade Eiweiße im Vordergrund? Oder Kohlehydrate? Oder eisenreiche Nahrungsmittel? Finden wir heraus, was die Bevorzugung des Kindes bedeutet, können wir uns auch auf die Suche nach Alternativen machen, die diesem Bedürfnis entsprechen: Eiweiß findet sich beispielsweise nicht nur in Milchprodukten, sondern u.a.auch Hülsenfrüchten und Nüssen. Ein leckeres Nussmus kann oft eine schöne Abwechslung sein. Auch bei den Kohlehydraten können wir schauen, wie Abwechslung hinein gebracht werden kann und beispielsweise welche Art von Nudeln wir anbieten und welche Art von Brot.
Süßigkeiten!?
Süßigkeiten sind in unserer Gesellschaft kaum weg zu denken, ebenso wenig Chips und anderer „ungesunder Kram“. Unsere Kinder müssen auch damit einen Umgang lernen. Im ersten Lebensjahr sind solche Nahrungsmittel nicht geeignet. Je nachdem, ob ein älteres Geschwisterkind da ist oder nicht, kommen Kinder aber irgendwann auch mit Süßigkeiten und anderem in Kontakt. So viel Zucker! So viel Fett! Natürlich hat unser Körper oft eine Neigung dazu, das gerne zu essen und als Vorrat anzulegen. Besonders, wenn es auch noch besonders intensiv schmeckt. Deswegen ist es so wichtig, das Kind im Alltag aus einer gesunden Auswahl Nahrungsmittel wählen zu lassen, mit denen es die Grundbedürfnisse des Körpers befriedigen kann. Ein gesundes Nahrungsmittelangebot ist die Basis. Und dazu kann es auch Süßigkeiten geben. Ein entspannter Umgang damit ermöglicht es dem Kind, zu verstehen, dass es auch solche Nahrungsangebote gibt und sie einfach ein Anteil des Essens sein können, aber keine besondere Attraktion oder Belohnung sind. Was unsere Kinder essen und einfordern ist oft auch damit verbunden, welchen Wert wir diesem Nahrungsmittel selber zuweisen.
Vertrauen, dass Kinder Neues essen
Wir alle schrecken vor neuen Speisen manchmal zurück. Im Restaurant bestellen wir oft die gewohnten Lebensmittel, auf Reisen schauen wir oft nach vertrauten Speisen im Menü. Sich auf Neues einzulassen, fällt auch Kindern oft schwer. Und auch hier ist es wieder wichtig: Vertrauen. Wir sollten unsere Kinder nicht zwingen, eine bestimmte Nahrung zu essen. Wir können aber Nahrungsmittel immer wieder anbieten. Wir können Vorbild sein und wir können neue Angebote ganz bewusst spielerisch einführen: In Mitten der Tomatensoße sitzt eine kleine Insel Stangensellerie. In das Schüsselchen mit Blaubeeren ist eine Stachelbeere gelegt. Kinder sind neugierig, damit können wir spielen.
Wie oft es braucht, damit ein Kind etwas Neues probiert, ist ganz unterschiedlich. Es ist auch eine Frage des Temperaments, ob ein Kind prinzipiell Dingen offen gegenüber steht oder weniger offen. Manche Kinder brauchen einfach viele Versuche, um neue Speisen auszuprobieren. Auch hier müssen wir wieder vertrauen: Wir können immer wieder anbieten, immer wieder Vorbild sein, immer wieder nachfragen. Und irgendwann wird das Kind vielleicht probieren – ohne Druck.
Entspannt essen
Gemeinsames essen ist schön. Es ist ein sozialer Moment, eine Zeit des Austausches und Zusammenseins, wenn alle am Tisch zusammen kommen. Für Kinder ist es lange Zeit auch eine Zeit der Abenteuer, des Kennenlernens von Neuem und des Spiels. Deswegen passen unsere erwachsenen Vorstellungen von einer entspannten Mahlzeit nicht immer mit dem zusammen, was unsere Kinder als entspannte Mahlzeit empfinden. Aber auch hier brauchen wir Vertrauen: Unsere Kinder entwickeln Tischmanieren, weil wir sie vorleben: Sie essen mit Besteck, wenn wir es ihnen ermöglichen und gleichzeitig auch erlauben, dass sie die Hände nutzen können, wenn es nicht klappt. Sie sagen „Bitte“ und „Danke“ wenn wir das am Tisch vorleben und übernehmen es einfach irgendwann. Sie hören auf, das Essen mit den Händen zu zermanschen und das Manschgefühl zu lieben, wenn sie es durchgespielt haben. Sie hören auf, Nahrungsmittel auf den Boden zu werfen, wenn sie das Schwerkraftthema abgeschlossen haben.
Wichtig ist immer wieder über die Jahre hinweg, dass wir entspannt gesunde Nahrung anbieten und unseren Kindern vertrauen schenken. Damit sind wir auf einem guten Weg.
Eure