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Wenn Geschwister streiten – Teil 4: “Meine Mama, mein Papa!” – mit Rivalität umgehen

Geschwisterbeziehungen sind besonders: Kinder sind sich so nah, verbringen sehr viel Zeit miteinander und oft sind die Beziehungen zwischen Geschwistern die längsten Beziehungen des Lebens. Und dennoch sind sie nicht immer einfach und harmonisch: Geschwister streiten, balgen und nicht selten – gerade bei geringen Altersabständen – kommt es zu einem Streit um Aufmerksamkeit und Zuwendung: “Meine Mama!”, “Mein Papa!” oder “Das ist nur meine Oma!” – Denn neben aller Verbundenheit geht es immer auch darum, die eigene Versorgung sicherzustellen. Und “Versorgung” meint nicht nur die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Spielsachen und Kleidung – wobei auch darum gestritten wird, sondern ganz besonders die Versorgung mit Zuwendung.

Rivalität unter Geschwistern – muss das sein?

Eltern denken nicht selten, wenn ihre Kinder sich streiten: “Meine Güte, muss das sein? Die haben doch alles!” Aber aus der Perspektive von Kindern stimmt das nicht zwangsweise: Es kann durchaus sein, dass wir unterschiedliche Beziehungen zu unseren Kindern eingehen und unterschiedliche Bindungsmuster ausbilden. Der Satz “Ich liebe jedes meiner Kinder gleich” ist schön, muss aber nicht zutreffen. Daher kann es durchaus sein, dass sich ein Kind tatsächlich benachteiligt fühlt, auch wenn den Eltern nicht bewusst ist, dass sie vielleicht ein anderes bevorzugen.

Auch wenn Eltern immer wieder sagen: “Ich liebe jedes Kind gleich stark” ist das nicht unbedingt wahr. Auch hier treffen wir auf eine gesellschaftliche Erwartung, dass Eltern alle Kinder gleich lieben sollten, doch gerade zwischen Geschwistern wird verglichen. Wir können uns einem Kind wegen seines Temperaments, Aussehens, Geschlechts, der Geburts- oder Entstehungsgeschichte oder wegen den unseren ähnelnden Interessen näher fühlen als einem anderen Kind. Manchmal besteht eine Bevorzugung nur über einen bestimmten Zeitraum oder in bestimmten Situationen, manchmal tritt sie konstant auf.

aus: Mierau, S. (2019): Mutter.Sein, S. 69

Aber auch außerhalb dieser Möglichkeit kann ein Kind das Gefühl haben, weniger Zuwendung zu bekommen und mit dem anderen Kind in Konkurrenz zu stehen, beispielsweise kurz nach der Geburt eines Geschwisterkindes, wenn das Baby nun besonders viel Zuwendung, Körperkontakt und Aufmerksamkeit bekommt. Oft wird dann von der so genannten “Entthronung” gesprochen, dabei muss sich das ältere Kind nicht zwangsweise “vom Thron gestoßen” fühlen und bei einem gut begleiteten Übergang muss diese Art der negativen Umstellung nicht auftreten. Je geringer aber der Altersabstand ist zwischen den Geschwistern, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, da jüngere ältere Geschwister noch sehr viel mehr Zuwendung, Coregulation und Pflege benötigen als ältere Kinder, die Geschwister werden und beispielsweise gut selber essen können, windelfrei sind und ihre Gefühle schon besser regulieren können.

Es geht also – wie so oft – um Bindung, Schutz und Zuwendung. Durch das enge Umsorgen des kleineren Kindes können sich die größeren Kinder ausgeschlossen fühlen aus ihrer sozialen Gruppe – dieses Gefühl ist nicht nur emotional schwierig, sondern kann tatsächlich als Schmerz empfunden werden im Gehirn. Das Kind, das so empfindet, reagiert mit Wut und der Suche nach Aufmerksamkeit. Es möchte Zuwendung einfordern und sicherstellen, dass es weiterhin gut und ausreichend umsorgt wird. Dabei reagiert es aus kindlicher Sicht völlig normal, indem es versucht, das rivalisierende Kind außen vor zu lassen. Auch sonst kann sich das Gefühl dieser Rivalität und Vernachlässigung im Verhalten des Kindes abzeichnen durch stärkere Aggressivität, Ängste oder auch dem Umstand, auf einmal für viele Dinge, die eigentlich schon allein bewerkstelligt werden konnten (anziehen, allein auf Toilette gehen) wieder Hilfe zu brauchen.

Was tun, wenn die Kinder sich um Aufmerksamkeit streiten?

Es ist schwer bei mehreren Kindern, gleichmäßig Aufmerksamkeit zu verteilen. Wir müssen das auch nicht in Zeiteinheiten gleichmäßig machen, aber angepasst an das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes. Wie oben schon geschrieben: Je kleiner der Altersabstand, desto mehr direkte Zuwendung ist auch für das “ältere” Geschwisterkind notwendig.

Wichtig ist generell, die Gefühle des Kindes erst einmal ernst zu nehmen und anzunehmen. Ein “Ich behandle Euch doch gleich!” hilft dem Kind in seinem Gefühl nicht. Ebensowenig wie die bloße Aufforderung, das Kind solle es anders machen oder gar Beschimpfung. Liebe für das Geschwisterkind kann nicht eingefordert werden, aber kann begleitet und gestützt werden. Vor allem dadurch, dass sich das andere Kind nicht benachteiligt fühlt. Das Kind benötigt nun das Gefühl, dazu zu gehören, sicher versorgt zu sein und nicht benachteiligt zu werden. Dies bekommt es durch aktive Zuwendung: Extra Zeiten nur für dieses Kind, am besten von beiden Eltern gleichermaßen. Spielzeiten mit dem Kind, in denen es selbst das Spiel bestimmen kann und der mitspielende Elternteil dem Wunsch folgt. Zeigt das Kind eine Rückentwicklung und zieht sich beispielsweise nicht mehr allein an, sollte das angenommen werden und das Kind die Zuwendung bekommen, die es hier gerade so dringend einfordert, damit es sich dadurch wieder umsorgt fühlt. Das Kind ist traurig und braucht Trost, Zuwendung und Liebe – keine Anklage.

Auch später kann im Laufe der Geschwisterbeziehung immer wieder mal Rivalität auftreten, nicht nur am Anfang. Das gerade auch in angespannten Situationen, wenn die Kinder merken, dass vielleicht Ressourcen gerade generell weniger vorhanden sind, es ökonomische Engpässe gibt oder die Eltern besonders angespannt sind und deswegen weniger auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen können und sich alle Kinder deswegen versuchen, in den Vordergrund zu schieben. In Rivalitätszeiten sollten wir deswegen immer wieder daran denken, um was es eigentlich geht und was das Kind mit seinem Verhalten sagt: “Ich will Zuwendung, grenz mich nicht aus, ich gehöre auch dazu, zeig mir das. Ich habe Angst, nicht mehr genug geliebt und versorgt zu werden.” Und mit dieser Sichtweise ist uns oft schon ein Stück weit geholfen, denn die Antwort ist immer Zuwendung.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Weiterführende Literatur:
Mierau, Susanne (2017): Geborgene Kindheit. Kinder vertrauensvoll und entspannt begleiten. München: Kösel.
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. Weinheim: Beltz.

In dieser Artikelserie auch erschienen:
Wenn Geschwister streiten – Teil 1: Streit als Entwicklungsressource betrachten
Wenn Geschwister streiten – Teil 2: Hauen, kämpfen, balgen – Ist das noch normal?
Wenn Geschwister streiten – Teil 3: Wann muss ich eingreifen?

3 Ideen, um emotional aufzutanken im Alltag

Gerade dann, wenn unser Alltag angefüllt ist mit vielen Dingen und vielleicht etwas weniger Zeit und Energie für die Kinder vorhanden ist, ist es gut, ganz bewusste Pausen für und mit Kindern einzubauen. Nicht erst, wenn sie durch ihr Verhalten oder Bitten darauf hinweisen, dass sie jetzt unbedingt Nähe und Zuwendung brauchen, sondern bereits früher, um zu signalisieren: “Ich bin da. Ich sehe Dich und Dein Bedürfnis nach Zuwendung. Du kannst Dir sicher sein, dass ich mich auch in stressigen Zeiten um Dich kümmere.” Jede Familie findet – je nach Temperament und Bedürfnissen – ihren eigenen Weg für passende Rituale. Hier gibt es einige Anregungen für mögliche “Auftank-Momente”:

Vorlesen

Klassiker der gemeinsam verbrachten Zeit ist das Vorlesen einer Geschichte, die das Kind ausgewählt hat. Manchmal ist es gar nicht so einfach, bei einem Buch, das vielleicht schon viele Male vorgelesen wurde, gedanklich nicht abzuschweifen, sondern wirklich im Hier und Jetzt beim Kind zu bleiben. Kinder aber lieben Wiederholungen und die Vorhersagbarkeit von Geschichten, weshalb sie Lieblingsbücher immer und immer wieder vorgelesen haben wollen und das gerade auch in emotional schwierigen Zeiten für sie eine gute Ressource sein kann. Es ist also völlig in Ordnung und sogar gut, wenn die gleiche Geschichte immer und immer wieder gewünscht wird. Wenn das Kind doch kleine Planänderungen zulässt, können die Bilderbuchbetrachtungen auch mal variiert werden, beispielsweise indem die Tiere, die im Buch abgebildet sind, in der Spielzeugkiste gesucht werden oder Fragen das Geschehen im Buch erweitern.

Bindungsspiele

Gemeinsames Spielen kann jetzt eine gute Ressource für Kinder sein. Für Kinder ist es gut, wenn sie das Spiel wirklich selbst bestimmen können. Gerade jetzt sind sie in ihrer Selbstbestimmung an so vielem Stellen eingeschränkt, dass es gut ist, ihnen an den Stellen, an denen es möglich ist, das Gefühl zu geben, selbst wirksam zu sein: Was in einem gemeinsamen Auftank-Moment gespielt wird, bestimmt also das Kind. Die Entwicklungspsychologin Aletha J. Solter empfiehlt in ihrem Buch “Spielen schafft Nähe – Nähe löst Konflikte” das Huckepackspielen für Eltern und Kinder, wobei die Kinder die Richtung angeben, in die sich die Eltern bewegen sollen. Bei solchen “Kontingenzspielen” bei Traumata und Naturkatastrophen befolgen die Eltern die Regeln des Kindes, so dass das Kind nach und nach das Gefühl der Kontrolle über seine eigene kleine Welt zurückerlangt. Auch das Nachspielen mit Puppen oder Spielfiguren kann für Kinder hilfreich sein.

Massage/Streichelspiele

Liebevoller, respektvoller Körperkontakt ist eine Wohltat für Körper und Seele. Gerade dann, wenn Körperkontakt insgesamt weniger erfolgen kann, wie gerade jetzt, sind alle Momente für positiven Körperkontakt willkommen und das Kuscheln, Streicheln und Massieren kann Kinder beruhigen und entspannen, u.a. durch das dadurch ausgeschüttete Oxytozin. Oxytozin, das Kuschel- oder Bindungshormon, führt zu Entspannung, einem Gefühl der sozialen Verbundenheit, mildert Ängste, senkt den Blutdruck, verringert den Kortisolspiegel, verbessert die Wundheilung, regt (Nerven-)Wachstum an – genau das, was wir jetzt gerade brauchen.

Babys profitieren von einer regelmäßigen Massage am Morgen oder Abend, aber auch größere Kinder können die Streicheleinheiten genießen. Kindergartenkinder finden es oft toll, wenn eine Massage in eine kleine Geschichte verpackt wird, beispielsweise wenn auf dem Rücken ein neues Beet angelegt wird und erst einmal die Erde aufgelockert werden muss, dann werden die Samenkörner darauf mit zappelnden Fingern verteilt, dann wird alles mit beiden Händen zugedeckt und durch die Wärme gehen dann die einzelnen Blüten auf. Ein schöner Duft im Massageöl kann zusätzlich entspannen oder auch die Stimmung heben.

Und was sind Eure Strategien zum Auftanken?
Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Weiterführende Literatur:
Solter, Aletha J. (2015): Spielen schafft Nähe – Nähe löst Konflikte. Spielideen für eine gute Bindung. – München: Kösel.
Mierau, Susanne (2017): Geborgene Kindheit. Kinder vertrauensvoll und entspannt begleiten. – München: Kösel.

Woran du dich erinnern wirst und woran du dich erinnern sollst

Du wirst dich erinnern an diese Zeit. An die Zeit, in der die Menschen Abstand gehalten haben. Daran, dass Du über einen – für dich in deinem Alter – langen Zeitraum deine Freunde und Freundinnen nicht gesehen hast. Du wirst dich daran erinnern, dass du auf einmal nicht mehr einkaufen gehen durftest, wie du es früher getan hast – allein. Dass du nicht einmal mehr mit den Einkaufsladen kommen durftest. Du wirst dich daran erinnern, dass Menschen auf der Straße Masken getragen haben und irgendwann der Zeitpunkt kam, an dem auch du eine bekommen hast. Zum Schutz der anderen, wie wir dir gesagt haben. Du wirst dich daran erinnern, dass du deine Großeltern nur noch auf Bildschirmen gesehen hast eine Weile. An Pakete, die wir an Freunde und Familie geschickt haben, weil wir sie nicht besuchen durften. Du wirst dich daran erinnern, dass wir keine Spielplätze mehr besucht haben, sondern allein als Familie durch die Natur gestreift sind. An Abenteuer, aber auch an eine kleine Einsamkeit abseits des sonst immer da gewesenen Stadttrubels. Du wirst dich daran erinnern, dass wir Eltern etwas angespannter waren, weniger und bewusster gekauft wurde. An “Nein, jetzt gerade nicht, bestimmt später wieder.” Du wirst dich erinnern an die kleine, leise Angst, die immer dann spürbar war, wenn du oder eines deiner Geschwisterkinder von Halsschmerzen berichtet hast. Du wirst dich erinnern, an all das. All das ist nun Teil von deinem Leben.

Hoffentlich wirst du dich daran erinnern, dass wir versucht haben, diese Zeit so gut es eben ging zu gestalten. Daran, dass wir dich jeden Abend extra lange ins Bett gebracht haben und über den Tag gesprochen haben. Dich zugedeckt haben mit Decke und lieben Worten. Dass es viel mehr Lieblingsessen gab als sonst – und zu den unterschiedlichsten Uhrzeiten. Daran, dass wir uns Zeit genommen haben für deine Fragen und gemeinsam Antworten gesucht haben. Daran, dass wir versucht haben, neue Wege zu gehen, um dich in Verbindung zu bringen mit denen, mit denen du eigentlich verbunden bist. Hoffentlich wirst du dich daran erinnern, dass wir in angespannten Momenten versucht haben, uns zu erklären. Dass wir immer und immer wieder Lösungen gesucht haben. Dass wir zwar viele Dinge hinter uns gelassen haben, aber eines nicht: uns. Dass wir da waren. Zusammen. Und zusammen durch diese Zeit gegangen sind mit Liebe, mit Vertrauen. Dass wir jeden Tag versucht haben, zu verstehen: dich und uns und die Welt. Hoffentlich wirst du nach all dem, trotz all dem, das Gefühl im Herzen tragen, dass wir immer da sind für dich. Dass wir in schweren Zeiten beieinander stehen und auch im kleinsten Raum, in Schwierigkeiten und Angst, die Liebe, Sicherheit und Bindung zu uns Eltern nicht verloren geht. Wir sind da. Jetzt und immer. In guten und schlechten Zeiten. Als Eltern.

“Ich hab Dich lieb” zeigen statt sagen

Bekundungen von Zuneigung sehen bei Erwachsenen und Kindern unterschiedlich aus. Natürlich wollen auch wir Erwachsene spüren, dass wir geliebt und respektiert werden, aber es reichen im Alltag oft auch kleine Gesten und Worte aus, uns daran zu erinnern, dass wir geschätzt und im Herzen getragen werden. Wir verstehen die Menschen in unserer Umgebung, können sie einschätzen, haben Erfahrungen mit ihrem jeweiligen Ausdruck. Während wir einem Erwachsenen sagen können “Ich liebe Dich” und ihn das durch den Tag trägt und ein Gefühl von Sicherheit gibt, reichen solche Worte für Kinder nicht aus. Sie müssen spüren, dass sie geliebt werden und brauchen Liebe als plastische Umsetzung von Fürsorge und Bedürfniserfüllung.

Bedürfnisse erkennen

Gerade jetzt, wenn wir zwar viel Zeit zusammen verbringen, aber als Eltern dennoch auch durch andere Tätigkeiten abgelenkt sind, sind wir manchmal geneigt, unser erwachsenes Denken auf die Kinder zu übertragen: “Das Kind klebt so an mir. Warum reicht es denn nicht, dass ich ihm sage, dass ich es lieb habe? Es hat doch alles: Spielsachen, Essen, Trinken,…” Je jünger das Kind ist, desto mehr ist es jedoch darauf angewiesen, Bindung in seiner reinen Ursprungsform zu spüren – und das bedeutet, das Schutzsystem und Bedürfnisbefriedigungssystem Bindung zu erfahren. In diesem Sinne ist konkrete Zuwendung ein wichtiges Merkmal.

Konkrete Zuwendung meint nicht, ihm in regelmäßigen Abständen ein Spielzeug anzubieten oder eine neue Beschäftigung vorzuschlagen. Zuwendung kann sich nicht messen in Dingen und kann nicht erfüllt werden durch bloßes Bedienen und beständiges Aufgabenerfüllen. Denn das wahre Bedürfnis danach, gesehen zu und wahrgenommen zu werden, erfüllt sich nicht dadurch, dass wir Dinge für das Kind tun. Springen wir also nur jedes Mal auf und bieten das nächste Spielzeug an, holen das nächste Essen, bringen etwas zu trinken, sind wir beständig in Aktion, ohne aber wirklich dem Bedürfnis des Kindes nachzukommen. Sein “Akku” an Zuwendung und Liebe füllt sich nicht, auch wenn wir ständig etwas tun.

Konkrete Zuwendung meint, hinzusehen und hinzuhören: Was sagst Du gerade? Was willst Du gerade? Was ist gerade wirklich Dein Bedürfnis und steht das xte “Ich habe Hunger!” vielleicht nicht für die nächste Maisscheibe sondern für das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Beschäftigung?

Zuwendung auftanken

Wenn unsere Kinder besonders stark Aufmerksamkeit auf sich ziehen durch ihr Verhalten (entweder durch direktes häufiges Auffordern von Zuwendung wie “Mama/Papa, schau mal…” oder durch ein Verhalten, das unsere Aufmerksamkeit provoziert), ist das oft ein Anzeichen dafür, dass sie gerade Zuwendung benötigen im Sinne des Bindungsbedürfnisses. Gerade ein Verhalten, das uns Erwachsene aufregt, das uns herausfordert, ist oft eine Einladung des Kindes, einmal genauer hinzusehen: Hallo, ich brauche deine Aufmerksamkeit jetzt! Unsere Kinder können ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuwendung oft noch nicht so gut in Worte fassen und zeigen es eher durch ihr Verhalten. Anstatt also “nur” Dinge ausführen, lohnt es sich, eine Pause einzulegen, sich wirklich dem Kind zuzuwenden und gemeinsame Zeit zu verbringen. Das Kind fragen, wie es ihm oder ihr geht. Sich hinsetzen und wirklich aufmerksam mit dem Kind das zu spielen, was das Kind gerade vorschlägt.

Auf diese Weise können wir das Gefühl des Kindes, sicher versorgt zu sein, geliebt und geachtet zu sein, wieder auffüllen und anschließend wieder unserer Tätigkeit nachkommen. Einfacher ist es, wenn wir nicht erst dann reagieren, wenn das Kind schon ein starkes Verhalten zeigt, wenn seine “Akkus” ganz leer sind, sondern wenn wir regelmäßige Pause einbauen, in denen wir von uns aus bewusst signalisieren: Ich bin hier, ich sehe Dich und komme Deinen Bedürfnissen nach. Dadurch bekommt das Kind die Sicherheit, wirklich gesehen zu werden und versorgt zu sein.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Gebären in einer Ausnahmesituation – Interview mit Hebamme Anja Gaca

Die Rahmenbedingungen der Geburtshilfe haben sich in den letzten Jahren erheblich verschlechtert durch die schwierigen Versicherungsverhältnisse für Hebammen, aber auch durch den Personalmangel in Krankenhäusern. Durch die aktuellen Rahmenbedingungen zur Verhütung von Ansteckung mit dem Corona-Virus haben sich die Bedingungen, unter denen Geburt durchgeführt wird, noch einmal sehr verändert. Viele Schwangere sind aktuell verunsichert, welche Maßnahmen in den Kliniken vorgenommen werden, wie sie gebären können und welche Personen sie dabei begleiten können. Auch die Angst davor, dass die Bindung zum Kind unter den erschwerten Bedingungen leiden könnte, ist groß. Hebamme, Autorin und Bloggerin unter vonguteneltern Anja Constance Gaca, 2. Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes e.V. erzählt im Interview, worauf sich Frauen nun einstellen müssen und wie die Bindung unterstützt werden kann.

Anja, die Rahmenbedingungen für Geburten haben sich gerade sehr geändert bzw. ändern sich aktuell. Was erwartet aktuell Frauen, wenn sie zur Geburt ins Krankenhaus gehen?

Aktuell ist es nicht nur in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich, auch wenn wir in die Nachbarländer sehen mit ihren Regelungen, sondern es gibt auch Unterschiede zwischen den Bundesländern und selbst innerhalb einer Stadt. Es ist deswegen schwer, eine allgemein gültige Aussage zu machen. An einigen Standorten dürfen Väter noch die Geburten begleiten, an anderen nicht. Maximal darf eine andere Person die Geburt begleiten: Das kann dann der andere Elternteil sein oder eine Doula. Im OP ist aktuell meist keine weitere Person gestattet, wenn die Frau das Kind mit einem Kaiserschnitt gebärt. Es soll insgesamt vermieden werden, dass die begleitenden Personen im Kreißsaal ein- und ausgehen, denn mit jedem Verlassen und Wiederkommen steigt die Gefahr, dass eine Infektion erfolgen kann. Frauen sollten nicht zu früh in den Kreißsaal kommen, um zu vermeiden, dass wir die Frauen erst einmal wieder nach Hause zu schicken und auch um das Kommen und Gehen der Begleitperson zu reduzieren.  Hebammen müssen mittlerweile meist Schutzkleidung, wenn sie Geburten begleiten.

Soweit ich von Kolleginnen gehört habe, wird in den Krankenhäusern versucht, sehr gut zusammen zu arbeiten, um Frauen unter den aktuellen Rahmenbedingungen gute Geburtssituationen zu ermöglichen. Dennoch ist es aber auch so, dass wir natürlich weiterhin auch unter Personalmangel leiden und es keine garantierte 1:1 Betreuung in den Kreißsäalen gibt, wenn Frauen nicht gerade eine Begleit-Beleghebamme haben.

Die Stimmen für Hausgeburten werden lauter, manche Frauen berichten auch, dass sie über Alleingeburten nachdenken.

Die Nachfrage nach Hausgeburten steigt tatsächlich, obwohl diese nicht entsprechend durch Hausgeburtshebammen beantwortet werden können – es gibt zu wenige. In den Niederlanden werden Geburtstatione aktuell in Hotels ausgelagert.  Vielleicht ist das auch etwas, worüber in Deutschland nachgedacht werden wird. Von der Idee, die Kinder allein zu Hause ohne Hebammenhilfe zu bekommen, können wir allerdings nur abraten. Hebammen begleiten die Geburt, können den Geburtsverlauf einschätzen und ggf. eingreifen bzw. einschätzen, wann weitere Hilfe benötigt wird.

Wie können sich Schwangere aktuell gut auf die Geburt unter diesen Bedingungen vorbereiten?

Aktuell ist es wichtiger denn je, einen Geburtsvorbereitungskurs bei einer Hebamme zu besuchen, um einerseits über die aktuellen Rahmenbedingungen in den Kliniken aufgeklärt zu werden und auf der anderen Seite auch all die wichtigen Informationen zum Geburtsablauf zu bekommen, um in der Situation gut informiert zu sein und Vertrauen in die Geburt zu haben. Die Geburtsvorbereitungskurse können nicht mehr in Preäsenzkursen mit mehreren Teilnehmern in einem Raum stattfinden, sondern erfolgen nun über Onlinekurse. Diese können aber ganz normal über die Krankenkasse abgerechnet werden.

Es ist auch für die Hebammen wichtig, dass diese hebammengeführten Onlinekurse gebucht werden und nicht ausschließlich Kurse von anderen Anbietern (wie Yoga-Geburtsvorbereitung etc.) gebucht werden, denn die Hebammen haben die laufenden Kosten für ihre Räumlichkeiten weiterhin zu tragen und es kann die ohnehin schwierige Situation der freien Hebammen weiter verschlechtern, wenn ihre Kurse nicht besucht werden.

Wie ist es dann nach der Geburt? Wie können sich Frauen darauf vorbereiten bzw. diese Zeit dann gestalten?

Aktuell ist es so, dass wir versuchen sollen, so viele Beratungen wie möglich digital anzubieten, d.h. über Videotelefonate. Das erschwert natürlich die Begleitung der Wöchnerin. In konkreten Problemfällen, die über Videoberatung nicht behoben werden können, wie beispielsweise bestimmte Probleme beim Stillen, machen Hebammen dennoch Hausbesuche. Die Familien bekommen vorab Informationen, wie sie sich auf den Hausbesuch vorbereiten können, beispielsweise indem sie vorher lüften, Hygienehinweise beachten.  Problematisch ist, dass uns Hebammen aktuell Schutzkleidung oder auch Desinfektionsmittel u.a. für die Hausbesuche fehlt, denn wir müssen natürlich auch hier die entsprechende Schutzkleidung tragen und die Hygienekriterien einhalten.

Da die Familie im Wochenbett natürlich wie auch andere Familien keinen Besuch bekommen sollte, ist die Unterstützung im Wochenbett eingeschränkt. Gerade für Familien mit mehreren Kindern ist das schwierig, weil die Erwachsenen allein alles stemmen müssen. Hier ist Vorbereitung gut, d.h. Lebensmittel vorgekocht zu haben. Auch ist es nun noch wichtiger als sonst, die Erwartungen und Perfektionismus zurück zu schreiben: Die Wohnung darf unordentlich sein, Wäsche kann später gewaschen werden und es darf auch “ungesundes” Essen geben. Schön ist, wenn die Familie aber zumindest aus der Ferne unterstützt werden kann: Mit Essen, das vor die Haustür gestellt wird oder ein Esspaket, das geschickt wird.

Wer nach der Geburt über die Hebammenhilfe hinaus Bedarf an Unterstützung hat, kann viele Angebote auch Online wahrnehmen. Wie auch die Geburtsvorbereitungskurse werden auch die Rückbildungskurse von Hebammen nun Online angeboten. Wer Stillberatung benötigt, findet auch viele Online-Angebote von qualifiziertem Personal. Wer traumatische Erfahrungen verarbeiten muss, sollte sich auch jetzt dringend an psychotherapeutische Angebote wenden – auch diese finden nun teilweise Online statt.

Die wichtige Frage: Was ist mit der Bindung, wenn Geburt nun so anders verläuft?

Bindung ist ja ein Prozess, der sich über eine lange Zeit erstreckt. Natürlich ist es vorteilhaft, wenn das so genannte Bonding direkt nach der Geburt stattfinden kann und Mutter und Kind in engem Körperkontakt in Ruhe sich kennenlernen und auch der andere Elternteil gleich das Baby sieht und (Körper-)kontakt aufnimmt. Aber wir wissen aus der Forschung und auch aus Adoptions- und Pflegefamilien, dass Bindung natürlich auch später stattfinden kann und sich ein sicheres Bindungsmuster aufbauen kann. Wichtig ist deswegen nun den Bindungsdruck herauszunehmen: Eltern und besonders Mütter sollten nicht zusätzlich gestresst sein, weil sie Angst haben, ein Zeitfenster zu verpassen. Soweit es irgendwie geht, ist es wichtig, Stress aus der Situation zu nehmen.

Auf ihrem Instagramprofil informiert Anja fortlaufend über die Neuerungen/Änderungen in Bezug auf die Geburtssituation. Wer die Arbeit von Hebammen unterstützen möchte, kann dies über Spenden beim Verein Motherhood e.V. tun.

Unterstützende Literatur für diese Zeit:
Gaca, Anja C. (2016): Das Wochenbett. Alles über diesen wunderbaren Ausnahmezustand. München: Kösel.
Gaca, Christian (2019): Papipedia. Alles, was Väter und ihre Kinder brauchen. München: GU.
Mierau, Susanne/Gaca, Anja C. (2018): Mein Schreibaby verstehen und begleiten. München: GU.
Afram, Juliana (2019): Vom Wochenbett zum Workout: Fit nach der Geburt mit Juliana Afram. München: GU.
Gaca, Anja C. (2019): Babyernährung. Vom Stillen bis zur Beikostphase – gesund und glücklich durch das erste Jahr. München: GU.

Back to basics: Mit Holzbausteinen und Co. kreativ zu Hause spielen – Eine kleine Übersicht an Materialien [Werbung*]

Es gibt Spielmaterialien, die nicht aus der Mode kommen. Das sind häufig solche, die zeitlos gestaltet sind und den Kindern Raum geben für ihr Spiel und einen kreativen Umgang ermöglichen. Materialien, mit denen Kinder über einen längeren Altersabstand hinaus spielen können, weil sie zu unterschiedlichen Spiel- und Lernerfahrungen einladen je nach aktuellem Entwicklungsstand. Viele Spielsachen, gerade für das Rollenspiel, finden sich in unserem Alltag und sind in Wirklichkeit kein Spielzeug, aber für unsere Kinder “Zeug zum Spielen”: Schüsseln und Dosen, Kochlöffel und Töpfe, Handfeger und Kehrbleche, Tücher und Decken für Höhlen, als Tragetücher oder Verkleidung. Unser Alltag ist voll an Dingen, die Kinder gerne zum Spielen nutzen. Daneben gibt es spezielle Spielmaterialien für Kinder, aber auch hier ist es von Vorteil, wenn dieses die Fantasie der Kinder beflügelt.

Fantasie im Spiel

Spielmaterialien können das Spiel einschränken, wenn sie sehr detailliert gestaltet sind und versuchen, Dinge unseres Alltags besonders genau abzubilden. Wenn wir einen Kaufmannsladen für Kinder beispielsweise gestalten, können wir als Spielmaterial darin Zutaten erwerben, die kleine Abbildungen dessen sind, was in unseren eigenen Regalen steht. Alternativ können wir ihn aber auch mit Dingen ausstatten, die die Kreativität herausfordern: Während ein kleines Plastikbrötchen eben ein Plastikbrötchen ist und bleibt, kann eine Kastanie ein Brötchen sein, eine Kartoffel, ein Apfel, ein Zahlungsmittel usw. Die Vorstellungskraft der Kinder wird angeregt durch den Freiraum, den weniger detaillierte Spielsachen bieten. Zudem ermöglicht die Vielfalt der Verwendung gleichzeitig auch eine Reduzierung an Materialien: Kinder brauchen nicht extrem viele unterschiedliche Spielzeuge, sondern es reicht aus, wenn sie mit einigen Spielsachen all ihren Entwicklungsbedürfnissen nachkommen können.

Auch im Spiel mit Bausteinen können wir der Kreativität begegnen: Kinder können je nach Alter und motorischer Entwicklung mit ein und dem selben Spielmaterial ganz unterschiedlich umgehen: Werden Bausteine anfangs nur aufeinander gestapelt und erfreut sich das Kind daran, sie dann umzustoßen, werden die Bauwerke mit zunehmenden Alter kreativer gestaltet und es wird oft darauf geachtet, sie möglichst nicht zu zerstören. Das Alter und der Entwicklungsstand beeinflussen den Umgang mit dem Material.

Unterschiedliche Bausteinarten, die gut miteinander kombiniert werden können
(1) KAPLA Bausteine
(2) Just Blocks
(3) Holzbausteine mit Rinde
(4) Way to Play Straßen

KAPLA Bausteine

Ein Klassiker der Holzbausteine sind die schmalen, länglichen KAPLA Bausteine: Das Konstruktionsspielzeug besteht aus Quadern aus Pinienholz, die als fortlaufende Proportionen gestaltet sind. Obwohl es Ideenhefte zur Anregung gibt, gibt es keine direkten Anleitungen zum Aufbau und der Fantasie der Kinder sind keine Grenzen gesetzt: Sie werden im Kaufmannsladen ebenso verwendet wie zum Bauen von hohen Türmen oder Häusern.

Just Blocks*

Ohne Chemie werden aus Buchenholz die Bauelemente von Just Blocks hergestellt. Vier verschiedene Arten von Holzbauelementen sieht das Prinzip von Just Blocks vor: Die Hauptbauteile, große Plättchen, kleinere Plättchen und Phäle. Daraus lassen sich sehr kreative und stabile Wohnlandschaften bauen. Besonders die Holzplatten können gut genutzt werden, um Etagen zu bauen oder Balkone an Häusern zu bauen. Durch die stabilen Hauptbauteile haben die Bauwerke auch eine gewisse Stabilität und Beständigkeit, die bei kleineren Bausteinen manchmal fehlt. Größere Kinder können mit den Platten auch ein Labyrinth aufbauen oder eine Murmelbahn, wodurch die Bausteine ein breites Altersspektrum bedienen können.

Holzbauklötze mit Rinde

Holzbauklötze mit Rinde können aus Holzresten selbst hergestellt werden, alternativ gibt es sie beispielsweise auch von Grimms. Anders als bei den herkömmlichen Bausteinen sind diese Steine unterschiedlich in Form und Größe und durch die Rinde und unterschiedliche Form schwerer zu stapeln, lassen dafür aber der Fantasie viel Raum und können beispielsweise auch im Kaufmannsladen einen guten Einsatz finden.

Way to Play*

Keine Holzbausteine, aber ein schöner Zusatz für das Spiel mit Bausteinen sind die Straßen aus PVC von Way to Play. Sie sind als Stecksystem im Kinderzimmer, Garten und auf dem Spielplatz verlegbar und bilden so zwischen den Bauwerken befahrbare Straßen. Werden sie im Sand draußen eingesetzt, können sie danach einfach mit Wasser wieder abgespült werden und sind so besonders vielfältig einsetzbar und halten auch starke Beanspruchung lange aus. Die Ergänzungssets ermöglichen es, lange Straßen damit zu bilden oder auch Parkplätze und Rennstrecken aufzubauen.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Kinder kreativ bauen und spielen können, diese sind nur eine kleine Auswahl davon. Natürlich gibt es auch diverse tolle Spielzeuge aus Plastik und gerade LEGO ermöglicht auch eine Vielfalt an Spielwelten und -Möglichkeiten bis hin zum Einsatz als Lernmittel. Mit Fantasie, Zeit und Kreativität können Kinder in ihre eigenen Spielwelten abtauchen und im Flow spielen. Geben wir ihnen hierfür den Raum auf die ein oder andere Weise.

* Die Bausteine von Just Blocks und die Straßen von Way to Play wurden als Sample der Redaktion zur Verfügung gestellt.

Wie kleine Kinder zu Hause Medien nutzen können – Ein Gespräch mit Diplom-Psychologin und Medienexpertin Patricia Cammarata

Patricia Cammarata ist Diplom-Psychologin, Autorin und Medien-Expertin: Sie arbeitet mit dem Elternratgeber “Schau hin!” zusammen und erstellt Beiträge für die Initiative und hat im letzten Jahr deutschlandweit Vorträge im Rahmen der Blogfamiliär gehalten rund um das Thema “Kinder/Jugendliche und Medien”. Zudem spricht sie im erfolgreichen Podcast #nur30minuten mit dem Moderator, Podcaster und Medienexperten Marcus Richter über Kinder und digitale Medien. In ihrem neuen Buch “Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!” klärt Patricia Cammarata auf, warum Medien unsere Kinder nicht “dement” machen, sondern in ihnen viel Potential liegt – und wie wir Eltern unsere Kinder auf dem Abenteuer Medien richtig begleiten, denn “Das Smartphone in der Hand des Kindes ist das Abenteuer, und zwar ein großes, nicht endendes, geselliges und facettenreiches Abenteuer”. Im Gespräch mit Susanne Mierau beleuchtet sie die aktuelle Situation im Homeschooling/Kitafrei und gibt Eltern Tipps (und Entlastung) für diese Zeit.

Liebe Patricia, wir sprechen so oft davon, ob Medien nun gut oder schlecht sind für Kinder und wie wir mit ihnen umgehen sollen. Aber eine wichtige Frage stellt sich vorab: Was sind eigentlich Medien?

In der Diskussion, die um Medien stattfindet, werden eigentlich die Medien gemeint, die mit Strom laufen: Hörspiele, Fernsehen gehören dazu, aber diese werden oft weniger thematisiert in der Diskussion. Bei den Medien, vor denen Eltern die meiste Angst haben, geht es aber besonders um all die Medien, die mit dem Internet in Verbindung stehen.

Häufig fragen Eltern nach konkreten Empfehlungen zur Mediennutzung. In Deinem Buch gibst Du unter anderem konkrete Empfehlungen nach Altersangaben wie zum Beispiel (ab S.67) “Kleinkinder sind oft auch mit anderen Dingen als (YouTube)-Videos zufriedenzustellen. Das gilt insbesondere für Kinder, die keine älteren Geschwister haben, und für Kinder, deren Eltern in ihrer Gegenwart kaum Videos schauen. […] Wenn es aber nicht anders geht – und Situationen gibt es genug, ich denke da zum Beispiel an den Fall, dass ein alleinerziehender Elternteil krank ist oder man ein kränkelndes Kind hat und unbedingt geschäftlich telefonieren muss -, solltet ihr den Kindern Inhalte vorsetzen, die ihr kennt und gut kontrollieren könnt (Film auf DVD z.B.). Ansonsten gilt: Kleinkinder beim Videoschauen begleiten.” – Diese Situation trifft nun auf viele Familien im Homeoffice zu. Was bedeutet es, Kleinkinder zu begleiten?

Begleiten ist das Ideal: Kleinkinder sollten die digitalen Inhalte nicht allein konsumieren, sondern dabei begleitet werden. Zumindest sollten wir daneben sitzen, um eingreifen zu können, zu stoppen, etwas auf das Kind zu achten, denn das Kleinkind nimmt Inhalte noch anders wahr als wir Erwachsenen. Was für uns harmlos ist, kann ein 3jähriges Kind verschrecken. Deswegen ist es gut, nah zu sein und die Reaktionen wahrnehmen zu können. In der Praxis ist das natürlich nicht immer möglich, daher empfehle ich einen kontrollierbaren Rahmen für den Medieninhalt wie DVDs oder Streamingdienste. Zudem sollte der Rahmen mit dem Kind vorher besprochen werden, damit es einen Erwartungshorizont hat.

Wichtig ist auch, das Ende mit dem Kind vorab schon zu besprechen: “Willst du das abschalten danach oder soll ich das machen?” Das Kind soll langfristig Selbstkontrolle entwickeln und das wird im Kleinkindalter eingeübt. Das funktioniert natürlich dann noch nicht immer, aber es ist ein Lernprozess wie viele andere und braucht Zeit. Nicht-funktionieren ist kein Scheitern, sondern ein Schritt auf dem Weg.

Das Entwickeln von Kompetenz durch Erfahrung ist ein ganz wichtiger Aspekt in Deinem gesamten Buch, Du beschreibst zum Beispiel (S.55) : “Oberstes Ziel muss sein, dass ein Kind nach und nach lernt, was gut für es ist und was nicht. Welche Inhalte okay sind und welche nicht. Es muss lernen, sich selbst zu schützen, indem es bestimmte Inhalte nicht anschaut, ein Video stoppt, wenn es gruselig wird oder eine unangenehme Wendung nimmt, und dass es bestimmte Inhalte auch nicht mit anderen teilt.” Wie kann man das Kindern beibringen?

Bei Fernsehgeräten kann der Aus-Knopf gedrückt werden. Nun haben wir viele verschiedene Endgeräte und manchmal wissen die Kinder nicht sofort, wie sie es ausschalten. Es ist wichtig, Kindern Kompetenz dafür an die Hand zu geben. Zunächst muss gesagt werden: “Es kann sein, dass etwas gruselig ist, das musst Du nicht ansehen.” Kinder brauchen Aufklärung. Und dann ganz konkret: Wenn es nicht richtig ist, dann halte die Hand drauf oder drehe das Pad/Tablet um. Kinder sollten nicht in Schockstarre Inhalte konsumieren. Diese Kompetenz brauchen Kinder auch später, wenn sie allein mit Medien umgehen. Und deswegen ist es auch gut, mit Kindern früh anzufangen bei kleinen Themen und Kinder dann zu begleiten, bevor es im Jugendalter um Uploadfilter etc. geht.

Und was, wenn mein Kind immer nur dasselbe wie “Paw Patrol” oder “Peppa Pig” sehen will?

Das Bedürfnis nach Abwechslung, das wir als Erwachsene haben, lässt sich nicht einfach auf Kinder übertragen. Nur weil wir Erwachsene nicht zum x-ten Mal eine Serie sehen wollen, bedeutet das nicht für Kinder, dass das auch so ist. Im Gegenteil: Für viele Kinder reicht immer dieselbe Serie, weil sie die Handlung kennen, den Spannungsbogen, können deswegen eintreffende Vorhersagen machen und das wirkt sich positiv auf die Selbstwahrnehmung des Kindes aus. Wenn das Kind mit einer Serie oder sogar einer Folge immer wieder zufrieden ist, muss daran nicht geändert werden. Und Eltern wissen dann auch genau: Mein Kind kann diese Folge sehen während ich arbeite.

Neben dem Konsumieren gibt es auch das Produzieren mit digitalen Medien, das gerade für größere Kinder interessant wird – gerade auch in der aktuellen Situation.

Viele Eltern haben weniger Ängste, wenn die Kinder kreativ mit digitalen Inhalten umgehen als wenn sie rein konsumieren. Produzieren kann sehr vielfältig sein in unterschiedlichen Altersgruppen wie zum Beispiel Stop-Motion-Filme, programmieren lernen, Videoschnitt, Bildbearbeitung, Mal-Apps… – Hier muss gesehen werden, was dem Kind gefällt. Manchmal braucht es auch hier Zeit, um das zu finden, was den Interessen und Fähigkeiten meines Kindes entspricht.

Viel diskutiert wird die Nutzungsdauer von digitalen Medien – das greift ja auch Dein Titel auf – was kannst Du Eltern dazu mit auf den Weg geben?

Wichtig ist hier zunächst einmal die Frage an die Eltern: Vor was habe ich eigentlich Angst? Ab Minuten 31 oder Minute 60 passiert ja nichts anderes mit dem Kind als vorher. Natürlich sollte darauf geachtet werden, dass Kinder je nach Alter ein “verdaubares Häppchen” haben. Natürlich gibt es bei viel Medienkonsum Auswirkungen: Oft diskutiert wird über Kurzsichtigkeit, die aber auch durch Bücherlesen und das Bearbeiten von Arbeitsblättern hervorgerufen werden kann, weil die Spannung des Sehmuskels beeinträchtigt wird. Deswegen ist es natürlich generell wichtig, dem Auge nicht nur Dinge im Nahbereich anzubieten. Es braucht ein gesundes Maß. Wichtiger ist es, auf die Inhalte zu achten anstatt auf genaue Zeiteinheiten.

Wenn wir nun mehr Medien ermöglichen als sonst, werden wir das nie wieder los?

Schon kleine Kinder können gut Situationen unterscheiden und wissen, dass es beispielsweise bei Oma und Opa andere Regeln gibt als zu Hause. Ähnlich ist es auch hier jetzt: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Die Umstellung später kann natürlich erst einmal anstrengend sein, aber natürlich gewöhnen sich die Kinder wieder um. Das müssen wir in der Übergangsphase begleiten, aber natürlich ist eine Umgewöhnung absolut möglich. Jetzt gerade ist es wichtig, Stress aus der Situation zu nehmen und Eltern zu entlasten.

Mehr Informationen zum Thema “Kinder und digitale Medien” findet Ihr auch auf dem Blog von Patricia Cammarata. Ihr Buch ist erhältlich im Buchhandel, bei Buch7 und Amazon und direkt bei ihr selbst – aufgrund aktueller Lieferbeschränkungen ist der Bezug bei ihr oder im lokalen Buchhandel besonders sinnvoll.

“Ich brauche eine Pause” – Selbstfürsorge für Eltern

Der Alltag mit Kindern ist oft herausfordernd, denn er bringt auf einmal einen Menschen in unser Leben mit eigenen Bedürfnissen und es gilt fortan, nicht nur auf uns und unser eigenes Wohlergehen zu achten, sondern dieses in Balance zu bringen mit einem anderen, nicht erwachsenem Menschen. Während wir Erwachsenen nämlich unsere Bedürfnisse oft recht gut wahrnehmen, formulieren und für die Erfüllung selbst sorgen können, sind Kinder auf uns in vielfacher Hinsicht angewiesen: Wir nehmen die Signale der Kleinsten wahr und übersetzen sie, um sie zu verstehen und gleichzeitig auch den Kindern gegenüber zu erklären und zu formulieren, was sie gerade wahrnehmen. Wir beantworten Bedürfnisse und lehren dabei, wie das Kind sie selbst irgendwann beantworten kann. Und während wir all das tun, müssen wir darauf achten, dass in dieser Arbeit um Emotionen und Bedürfnisse des Kindes nicht unsere eigenen Bedürfnisse aus dem Blick geraten.

Eltern müssen auf ihre Bedürfnisse achten

“Die Bedürfnisse des Kindes haben immer Vorrang!” so denken viele Eltern. Und natürlich sind kleine Kinder darauf angewiesen, dass wir ihre Bedürfnisse prompt erfüllen: Dadurch bildet sich ein Gefühl der Sicherheit aus. Das Kind weiß, dass wir da sind, für es sorgen und es verstehen. So kann eine sichere Beziehung aufgebaut werden.

Dennoch haben die Bedürfnisse von Kindern nicht per se Vorrang, wenn das bedeutet, dass wir die Erwachsenenbedürfnisse aus dem Blick verlieren und immer wieder hinter den Kinderbedürfnissen anstellen und so selber in einen Mangel kommen. Denn: Ohne die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, können wir die Bedürfnisse der Kinder nur bedingt erfüllen. Wir können nicht feinfühlig mit ihnen umgehen, wenn wir selbst gestresst, erschöpft, schlecht versorgt sind. Wenn wir hungrig sind, müde oder gestresst, fällt es uns schwerer, ruhig, empathisch und entspannt auf kindliche Bedürfnisse zu reagieren. Wir sind angespannter, lauter, ungeduldiger gegenüber den für Kindern ganz normalen kindlichen Verhaltensweisen.

Schlafen wir zu wenig, wird der Hirnbereich inaktiver, der uns Intentionen und Handlungen anderer verstehen lässt. Wir können uns weniger gut in andere hineinversetzen. Gerade diese Feinfühligkeit ist aber im Familienleben und auch generell im sozialen Kontext von großer Bedeutung.

S. Mierau (2019): Mutter.Sein, S. 130

Im Alltag auf sich achten – wie soll das gehen?

Es ist nicht so einfach, im vollen Familienalltag mit Kindern zu Hause, die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und besonders in emotional aufwühlenden Zeiten besonders zuwendungsbedürftig sind, auf sich zu achten. Manchmal fällt es uns ohnehin schwer, die eigenen Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen und richtig zu beantworten. Was helfen kann, um in Balance mit eigenen Bedürfnissen zu bleiben:

  • Bedürfnisse verschriftlichen: Trage in deinen Kalender einen Tracker ein für die unterschiedlichen Bedürfnisse und bewerte am Ende des Tages, wie gut du auf sie geachtet hast: Genug getrunken? Gut gegessen? Ausreichend Schlaf? Sozialkontakte? Gefühl von Wertschätzung heute? Selbstverwirklichung? Pausen zum Durchatmen gehabt? Was an einem Tag fehlt, am nächsten besonders in den Blick nehmen und Zeitfenster dafür einbauen.
  • Mantra verinnerlichen: Die Bedürfnisse meines Kindes sind wichtig, aber meine auch! Oft leiten uns Glaubenssätze, die uns den Alltag schwer machen. Es ist okay, die eigenen Bedürfnisse in den Blick zu haben. Wir sind nicht schlechte Eltern oder selbstsüchtig, weil wir auf unsere ganz normalen Bedürfnisse achten.
  • Multitasking vermeiden: Verinnerliche und sage dir selber und deinem Kind “Eins nach dem anderen!” – Mach eine Aufgabe in Ruhe zu Ende, bevor du die nächste beginnst, damit du das Gefühl hast, eine Sache wirklich abgeschlossen zu haben und dich darauf auch konzentrieren kannst. Das gilt auch für die Kinder: Sei in der Zeit, in der du etwas mit ihnen machst, wirklich geistig und körperlich anwesend, damit du dich danach wieder einer anderen Sache zuwenden kannst.
  • Feste Pausenzeiten in den Tagesablauf einbauen: Gerade wenn wir beständig mit Kindern zusammen sind, sind Pausen wichtig. Um kurz abzuschalten, um sich auszuruhen, um sich einen Moment mit etwas anderem zu beschäftigen als Kinderthemen. Das ist in Ordnung. Plane solche Pausen in Deinen Alltag ein mit festen Zeiten, an die du dich hältst. Vielleicht ist es anfangs für dein Kind ungewohnt, aber es wird diese Pausen akzeptieren. Du kannst beständig, liebevoll und klar formulieren, dass du gerade eine Pause machst und danach wieder zur Verfügung stehst.
  • Es ist praktisch und sinnvoll, sich die Care-Arbeit mit anderen Personen teilen zu können, um ausreichend Zeiten für eigene Pausen und Bedürfnisbefriedigung zu haben. Ist das nicht möglich, sind feste Pausen besonders wichtig.
  • Du merkst, dass du erschöpft bist und deine Nerven dünn werden: Nun musst du in den Ruhemodus kommen und nicht noch mehr aufdrehen. Gönn dir eine kurze Auszeit in einem anderen Zimmer, wenn die Kinder gefahrlos in einem anderen Raum sein können. Atme mehrmals tief durch, ruf ggf. eine befreundete Person an oder ein Familienmitglied, mach dir einen Tee und/oder versuche dich auf die Wahrnehmung deines Körpers zu fokussieren, um dich darüber zu beruhigen. Es ist in Ordnung, jetzt eine Pause zu machen!

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

“Meine Freund*innen fehlen mir!”

Längere Zeit von Freund*innen getrennt zu sein, ist schwierig. Auch für uns Erwachsene ist es belastend, wenn wir von unseren sozialen Gruppen getrennt werden, wenn wir uns ausgeschlossen fühlen. Der Ausschluss aus einer sozialen Gruppe schmerzt. Werden wir aus einer Gruppe ausgeschlossen, fühlen wir uns laut Need-Threat-Theory in Bezug auf Kontrolle, Selbstwert, Zugehörigkeit und dem Bedürfnis nach einem sinnvollen Dasein bedroht. Als Menschen wollen wir dazu gehören, wollen Ausgrenzung aus der Sicherheit gebenden Gruppe vermeiden. Werden wir hingegen ausgeschlossen aus einer Gruppe, der wir angehören, werden Ängste aktiviert. Wie wir letztlich auf Ausschluss reagieren – ob feindseelig-gewaltvoll oder mit dem Versuch, besonders Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, ist unterschiedlich. Ablehnung, Zurückweisung und Vernachlässigung aktivieren jedoch dasselbe neuronale Netzwerk und werden wie körperliche Schmerzen wahrgenommen und auch die generelle Schmerzschwelle sinkt und wir werden empfindsamer für Schmerzen. Zugehörigkeit zu verlieren, schmerzt tatsächlich.

“Hab ich keine Freunde mehr?”

Je nach Alter verstehen Kinder aktuell nur bedingt, warum sie nicht mehr Teil ihrer normalen Gruppen sind: Krippe, Kindergarten, Schule, Musikschule, Sportvereine etc. sind Gruppen, zu denen sie sich zugehörig fühlen und zu denen aktuell die Verbindung fehlt. Ältere Schulkinder verstehen teilweise, warum sie aktuell zu Hause bleiben müssen, dennoch leiden auch sie unter dem Ausschluss aus der Gruppe. Jüngere Kinder hingegen können die Situation oft noch gar nicht einordnen und verstehen nicht, warum sie nicht wie gewohnt mit Freund*innen spielen. Vielleicht fragen sie auch bewusst “Warum wollen die anderen nicht mit mir spielen?” oder scheinen festzustellen “Ich habe keine Freunde mehr!”.

Zugehörigkeit zur Familie

Umso wichtiger ist es, dass die Kinder sich aktuell in der noch verbliebenen sozialen Gruppe, der Familie, sicher und zugehörig fühlen und darin einen wichtigen Platz einnehmen. In dieser Gruppe können wir ihnen das Gefühl von Kontrolle, Selbstwert, Zugehörigkeit und dem Bedürfnis nach einem sinnvollen Dasein ermöglichen.

Das ist möglich, indem wir das Kind aktiv an unserem Alltag teilhaben lassen, es innerhalb der begrenzten Möglichkeiten Entscheidungen treffen und selbst wirksam sein kann, es positive Lernerfahrungen machen kann und von seinen Bezugspersonen liebevoll begleitet wird. Wir können es in den Alltag integrieren und beispielsweise mit kochen oder aufräumen lassen. Es kann beispielsweise – dem Alter entsprechend – mitbestimmen über Aktivitäten und Essensauswahl.

Kontakt zu Freund*innen nicht abbrechen lassen

Darüber hinaus ist es jedoch auch gut, den Kontakt zu den Freund*innen nicht abbrechen zu lassen. Möglichkeiten dafür, die Zugehörigkeit zur Gruppe immer wieder fühlen zu lassen, sind:

  • Videotelefonate für Gespräche und gemeinsame Spiele
  • Kaffee/Kakao und Kuchen Verabredungen mit Freunden über Videotelefonate
  • Telefonate
  • Walki Talkis nutzen
  • Briefe/Postkarten schreiben und Bilder versenden
  • nach Möglichkeit: von Haus zu Haus ein Dosentelefon bauen
  • vor der Haus-/Wohnungstür von Freund*innen mit Kreide etwas auf den Boden malen
  • eine Schnitzeljagd für Freund*innen aufmalen, die sie dann später ablaufen können
  • Video an die Kindergartengruppe schicken mit Grüßen

Unseren Kindern fehlen ihre sozialen Gruppen mindestens so wie uns Erwachsenen, nur können sie es schwerer ausdrücken. Vielleicht sind sie gerade empfindsamer, weinen mehr, haben mehr das Bedürfnis nach Sicherheit und Zuwendung – all das ist normal. Wir sollten gemeinsam nach kreativen Möglichkeiten suchen, wie die Kinder in Kontakt bleiben können mit ihren Gruppen – bis sie wieder in ihre normalen Abläufe eintauchen können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Passendes Video zum Thema:

Aber was sollen wir nur zu Hause tun? Das Zuhause als freier Spiel- und Lernraum

Viele Eltern sorgen sich darum, dass den Kindern zu Hause ein anregungsreicher Alltag fehlen könnte und sie Erfahrungen und Spielangebote vermissen könnten aufgrund der Einschränkungen und vielleicht auch geringeren Vielzahl an Spielmaterialien, die im Vergleich zum Kindergarten zu Hause vorherrscht. Tatsächlich aber bietet sich zu Hause eine Vielzahl an Spielmöglichkeiten, mit denen Kinder kreativ umgehen können. Betrachten wir daher einmal die einzelnen Räume jenseits des Kinderzimmers aus Kinderaugen:

Küche

Für viele Kinder ist die Küche ein magischer Ort, der zum Spielen einlädt: Die Kleinsten räumen gerne Dosen ein und aus, Kleinkinder üben sich mit Kochlöffel und Kochtopf im Rollenspiel oder finden es toll, mit getrockneten Nudeln, Linsen oder Bohnen zu spielen.

Größere Kinder erfreuen sich daran, wenn sie aktiv etwas in der Küche machen können: Die Obstmahlzeit vorbereiten, Gemüse für einen Salat kleinschneiden, einen Teig kneten. Schulkinder können sich auch darin ausprobieren, eine Mahlzeit zu kochen und die Eltern damit zu überraschen. Für den Anfang kann es ein einfaches Gericht sein, im Laufe der Zeit lässt sich das dann steigern. Besonders schön: So können Schulkinder gleichzeitig auch das Lesen und Rechnen auf natürliche Weise in den Alltag einbinden, wenn nach Kinderrezepten gekocht wird.

Badezimmer

Wasser ist für viele Kinder ein wunderbares Spielzeug, das lange zum Spiel einlädt. Wasser kann hin und her geschüttet werden in verschiedenen Behältnissen und Kinder erfahren so etwas über Mengenverhältnisse. Mit ein wenig Farbe im Wasser kann auch ausprobiert werden, wie sich die Grundfarben zu anderen Farben mischen. Auch in der Badewanne kann (in Anwesenheit eines Erwachsenen) gespielt werden, wenn etwas Wasser darin die Spielfiguren oder Puppen aus dem Kinderzimmer zu einer Wasserparty einlädt.

Und nach dem Badespaß? Viele Kinder finden es toll, sich selbst eincremen zu können und können sich mit Creme “anmalen”, bevor sie auf dem Körper verteilt wird.

Schlafzimmer

Hier können Höhlen gebaut werden, in denen gespielt oder geruht wird. Das Elternbett kann zu einer Hüpfburg werden, damit sich Kinder in Ruhe austoben können – es ist in Ordnung, hier die Regeln etwas zu lockern, wenn früher nicht auf dem Bett gehüpft werden durfte, denn so haben Kinder nun die Möglichkeit, den fehlenden Toberaum oder ausgedehnte Spielplatzbesuche auszugleichen.

Der Kleiderschrank der Eltern bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten zum Verkleiden, damit Kinder einmal in “andere Schuhe schlüpfen” können. Oder es wird im Schlafzimmer mit Schnüren ein “Laserlabyrinth” aufgebaut, durch das man sich durchbewegen muss.

“Laserlabyrinth”

Wohnzimmer

Der Esstisch kann mit einer Decke verhangen werden und wird so zu einer großen Höhle. Mit Taschenlampe ausgestattet, lässt es sich darin sehr schön spielen. Vielleicht aber wird das Wohnzimmer auch zu einem Hindernis-Parcours und das Kind kann auf einer langen Reihe von Stuhlen entlangklettern bis hin zum Tisch und wieder zurück. Hauptsache: Hier wird nicht der Boden berührt.

Arbeitszimmer

Im Arbeitszimmer oder am Schreibtisch der Eltern finden sich oft viele Bastelmaterialien: Hier kann gemalt, ausgeschnitten und geklebt werden. Zusammen mit dem Altpapier oder dem Papiermülleimer findet sich sogar für Kinder, die gerade den Umgang mit der Schere erlernen, eine große Herausforderung, wenn sie unterschiedliches Papier, Kartons etc. zerschneiden können. Größere Kinder können aus dem Altpapier/Pappkartonmüll neue Dinge gestalten: ein Puppenhaus, eine Garage, sogar ein Auto oder andere Dinge.

Ein Puppenhaus aus alten Kartons

Und noch etwas ermöglicht der Arbeitsbereich der Eltern: Ein Videotelefon mit Freund*innen, um sich zu erzählen, was heute schon gespielt wurde, um miteinander zu reden, zu spielen und im Austausch zu bleiben.

Flur

Ein langer Flur kann aus Kinderaugen die ideale Rennstrecke für Autos werden: Mit Klebeband oder Washitape können Straßen auf den Boden geklebt werden, die immer wieder neu gestaltet werden können.

Je nach Nachbarschaftsverhältnissen kann der Flur vielleicht auch als eigene Rennstrecke benutzt werden. Wer aber Nachbarn unter sich hat, sollte mit diesen vorab sprechen oder ggf. Zeiten festlegen, in denen es in Ordnung ist, wenn das Kind etwas lauter in den grobmotorischen Spielen ist. Denn klar ist: Wir können Kinder nicht beständig zum Leise-Sein ermahnen und ihnen auf lange Zeit verbieten, zu toben, zu hüpfen und sich wild zu bewegen. Aber wir können mit Rücksicht auf andere Vereinbarungen treffen und die Nachbarn ebenfalls um Verständnis darum bitten, dass unsere Kinder eben Kinder sind.

Balkon

Wenn schon keine Spielplatzbesuche möglich sind an der frischen Luft, dann kann ein Balkon eine tolle Alternative sein. Eine große Plastikwanne oder -kiste mit Blumenerde oder sogar Spielsand gibt Kindern die Möglichkeit, hier zu matschen und zu spielen. Dazu eine Kanne mit Wasser und ein paar Utensilien aus der Küche: schon ist die Matschküche vorbereitet und lädt zum kreativen Spiel ein. Wer keinen Balkon hat, kann eine Miniversion der Matschküche vielleicht auch in einem gefliesten Raum anbieten wie der Küche oder dem Bad.

Das Zuhause ist keine Kita, das stimmt. Das muss es auch nicht sein. Auch ohne viele zusätzliche Materialien bietet sich auch zu Hause eine Vielfalt an Möglichkeiten zum Spielen für Kinder, wenn wir unseren Blick ein wenig weiten und den Wohnraum nicht nur als Erwachsenensicht betrachten, sondern aus Kinderaugen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de