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Hilfe, mein Kind lügt! – Wie Eltern mit Lügen, Flunkereien und Unwahrheiten umgehen können

Wir sitzen im Restaurant beim Essen, als mein kleiner Sohn auf einmal von seinem Stuhl quietschend aufspringt, sich umdreht und wild gestikuliert hinter dem Stuhl. Was denn los sei, frage ich. „Drache mich immer am Rücken kitzelt!“ Ruft er empört. – Natürlich sitzt dort kein Drache, natürlich hat ihn niemand von hinten am Rücken gekitzelt. Aber für ihn sind dieses Kitzeln und dieser Moment real: Dort saß gerade noch ein kleiner Drache und hat ihn gekitzelt. An einem anderen Tag erklärt mein anderer Sohn abends, er könne wirklich nicht durch den dunklen Flur gehen, denn seit kurzer Zeit würde dort ein Gnarfling wohnen. Das sei tagsüber nicht besonders schlimm, abends aber würde das gar nicht gehen. So sehr uns diese Angst als unsinnig erscheint, ist sie jedoch real: Sie ist da und eine bestehende Realität. Und dann gibt es auch noch die Geschichten des großen Kindes: Beispielsweise, dass es in dieser Woche wirklich kein neues Musikstück üben müsse aus der Musikschule, denn es sei noch das alte Musikstück, das gespielt wurde. Letztlich stellt sich heraus: Es gab doch ein neues Stück, das nun aber nicht gelernt wurde. Die Zeit wurde lieber für anderes verwendet.

Was ist eigentlich eine Lüge?

Wenn wir die „Lügengeschichten“ von Kindern im Laufe der Kindheit betrachten, sehen wir, wie sie sich ändern, wie sich ihre Inhalte und Absichten dahinter ändern und auch der Umgang der Kinder damit. Wenn etwas für uns als Lüge erscheint, weil wir wissen, dass es nicht wahr ist, muss es für das Kind dennoch keine absichtlich geplante Lüge sein, sondern kann seiner aktuellen Weltsicht entspringen.

Auch unsere erwachsene Ansicht davon, dass Lügen per se schlecht seien, ist in Bezug auf Kinder oft schwierig, denn selbst dann, wenn das Kind eine Unwahrheit berichtet, bedeutet es nicht, dass es uns damit verärgern wollte oder absichtlich böse wäre. Selbst hinter einer geplanten Lüge liegt eine Absicht, ein Bedürfnis oder ein Wunsch, der erkannt werden will – oder zumindest ein Entwicklungsbedürfnis. Lügen ist keine Sünde, sondern ein Baustein einer normalen Entwicklung.

Lügen im Laufe der Zeit

Das obige Beispiel illustriert bereits: Lügen verändert sich im Laufe der Zeit und eine Unwahrheit, die ein Kind berichtet, muss nicht zwangsweise eine Lüge sein. Imaginäre Freunde sind ebenso für die Kinder real wie die Angst vor Hexen, Monstern oder anderen Wesen, die in der magischen Phase vorkommt. Wenn das Kind von diesen Dingen berichtet, lügt es uns nicht an. Und es ist auch nicht schlimm, dass es an diese magischen Wesen glaubt oder sie es sogar eine Zeit lang begleiten. Oft verbirgt sich dahinter auch eine wichtige Information, beispielsweise die normale Angst in diesem Alter vor der Dunkelheit oder dem Schlafen allein. Auch die Fantasie ist eine Kraft und Entwicklung, mit der das Kind umzugehen lernt im Laufe der Zeit und es ist gut, wenn es die Möglichkeit hat. Wenn unser Kind also von den fantastischen Fantasiewesen berichtet, sollten wir diese Informationen annehmen und respektieren und vielleicht sogar einmal probieren, in diese Welt einzutauchen.

Eine Lüge wird dann erzählt, wenn ein Kind ganz bewusst eine Unwahrheit erzählt und weiß und fühlt, dass das Gesagte nicht richtig ist. Dies entsteht aber erst ab dem 3. Geburtstag nach und nach, wenn das Kind langsam fähig ist, sich in andere Menschen hinein zu versetzen. Und gerade in diesem Zusammenhang können wir das Lügen auch als ein Spiel mit der Perspektivübernahme betrachten: Viele Kinder machen sich auch einen Spaß daraus und experimentieren damit, ob sie eine andere Person täuschen können. Wie so viele andere Entwicklungsmeilensteine ist auch das Lügen etwas, das das Kind spielerisch im Laufe der Zeit lernt. Erst im Vorschulalter wird dann bewusst eine andere Geschichte erzählt, als die erlebte.

Lügen bei (Geschwister)streitigkeiten

Besonders wichtig ist ein sensibler Umgang mit „Unwahrheit“ auch im Kontext von (Geschwister)streitigkeiten. Nicht selten berichtet ein kleineres Geschwisterkind davon, dass das größere Kind es geärgert hätte. Dass diesem Ärger aber vielleicht ein eigenes Ärgern vorausging, auf das das größere Geschwisterkind reagiert hat, wird dabei verschwiegen, weil es vom kleinen Kind schon ausgeblendet wurde. Eltern neigen dann manchmal dazu, die Schuld dem größeren Kind zu geben und es des Lügens zu beschuldigen. Bei Geschwisterstreitigkeiten, zu denen man hinzugezogen wird, ist es deswegen besonders wichtig, neutral zu bleiben und zu erklären, dass man nicht dabei war und eher eine Vermittlungsposition zu übernehmen (wenn nötig) als zu beurteilen.

Muss ein Kind lügen (lernen)?

Wenn Kinder erstmal lügen bzw. Eltern eine Geschichte als wirkliche Lüge wahrnehmen, ist das manchmal ein Schreck: „Ich habe mein Kind doch zur Ehrlichkeit erzogen!“ oder „Es muss doch nicht lügen, ich bin doch nicht streng.“ Können Gedanken sein, die sich in den Vordergrund schieben. Wichtig ist hier jedoch, wieder die Perspektive des Kindes zu übernehmen: Das Lügen ist ein Entwicklungsmeilenstein, der seine Berechtigung hat. Auch in unserer Gesellschaft gibt es Lügen, die akzeptiert oder sogar gewünscht sind, wenn wir beispielsweise besonders schonend mit den Gefühlen anderer umgehen wollen „Nein, das ist nicht schlimm!“ Oder „Danke, darüber freue ich mich!“ Kulturübergreifend lügen Kinder und auch im Tierreich ist das Schwindeln zu finden. Es ist ein wesentlicher Meilenstein der Entwicklung für das Leben in der Gemeinschaft und das Verständnis der Aussagen anderer Menschen: Denn wenn ein Kind selbst bewusst lügen kann, weiß es auch, dass andere das tun und überdenkt Aussagen und Verhalten anderer.

Was steht hinter der Lüge?

Eine Lüge muss nicht problematisch sein, aber wir problematisieren sie oft. Und hier verdeutlicht sich, warum die Begleitung des Kindes dabei so wichtig ist: Wenn wir eine Unwahrheit annehmen ohne Bewertung und die Ursache versuchen zu verstehen, kann es sein, dass das Kind zukünftig weniger darauf angewiesen ist, zu flunkern. Neben dem Entwicklungsspiel „Lügen“ gibt es auch Lügen, hinter denen sich eine Aussage verbirgt, gerade bei den größeren Kindern. Hinter der Lüge, das Kind habe keine Hausaufgaben auf oder kein neues Musikstück zu lernen, kann der Wunsch stehen, mehr Zeit für andere Beschäftigungen zu haben. Diese Ursache herauszufinden ist wichtig, denn wenn wir das Grundproblem beheben oder zumindest dem Kind signalisieren „Ich habe Deinen Wunsch verstanden.“ hat es weniger Grund, uns nicht die Wahrheit zu sagen. Auch wenn sich das Kind heimlich Süßigkeiten einsteckt im Laden oder bei Freunden können wir uns fragen: Was steht dahinter? Sollten wir vielleicht zu Hause unseren Umgang damit überdenken, sind wir zu streng oder einengend, dass das Kind den Wunsch nicht ausspricht, sondern heimlich selbst erfüllt?

Lügt ein Kind aus Angst oder Sorge?

Wenn das Kind in Situationen, in denen ihm oder ihr ein Missgeschick passiert, lügt, können wir überlegen, warum es das tut und seine Schuld zurückweist oder einer anderen (imaginären) Person zuweist: Vielleicht hat es Angst vor einer Bestrafung, vor Ärger. Vielleicht haben wir in einer ähnlichen Situation einmal sehr streng reagiert und es versucht nun, dieser Reaktion mit einer Lüge aus dem Weg zu gehen. Vielleicht schämt es sich mittlerweile auch für das Verhalten, das es gezeigt hat und versucht mit der Lüge gewissermaßen, dieses ungeschehen zu machen.

Bestrafungen sind sowohl negativ, da sie das Lernen effektiv behindern, aber die stören auch das Vertrauen des Kindes. Es ist besser, wenn das Kind offen sagen kann: „Mir ist die Tasse kaputt gegangen.“ als dass es dies verleugnen muss aus Angst vor Fernseh- oder Computerverbot oder Beschimpfungen. Wenn Kinder etwas kaputt machen, ungeschickt sind, etwas in unseren Augen „falsch“ machen, ist es deswegen gut, die Situation aus unserer Perspektive zu umschreiben und das Kind nicht zu beschämen, d.h. zu sagen „Ich bin traurig, weil die Tasse kaputt gegangen ist“ statt zu sagen „Du hast sie kaputt gemacht, dafür musst Du sie von Deinem Taschengeld bezahlen.“ Kinder sollten immer das Gefühl haben, uns alle Probleme anvertrauen zu können und über Probleme reden zu können. Und als Eltern können wir diese Ehrlichkeit auch offen wertschätzen und uns dafür bedanken, wenn ein Kind ehrlich ein Missgeschick zugegeben hat. Das öffnet den Raum für Vertrauen und gibt einen wichtigen Impuls dafür, wie auch später mit Missgeschicken oder Misserfolgen offen umgegangen werden kann.

Der Umgang mit Lügen in der Familie

Dass Menschen lügen, ist normal. Dass Kinder lügen, ist ebenso normal. Wie in vielen anderen Bereichen sind sie auch hier auf dem Weg, etwas Wichtiges zu lernen für das Leben in unserer Gesellschaft und der Weg dorthin ist eben so, wie es die Entwicklungswege immer sind: auch etwas holprig und steinig und auf eine gute Begleitung angewiesen. Es ist gut, wenn wir unsere Kinder auch durch die Lügen-Entwicklungsphase gut begleiten und eine Unwahrheit annehmen und versuchen, die Beweggründe dahinter zu verstehen. Ist es eine bewusste Lüge, können wir unser Empfinden dazu verbalisieren oder auch versuchen, für das Kind zu übersetzen, was durch die Lüge bei uns ankommt. Wichtig ist, Kinder zu begleiten und nicht zu bestrafen. Wir können nicht mehr Ehrlichkeit durch Strafandrohung einfordern – zumindest wird ein solches Verhalten nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. Vor allem aber sollten wir auch kurz über uns selber nachdenken und die Situationen, in denen unser Kind uns vielleicht bei einer kleinen Lüge aus Höflichkeit ertappt wie „Ja, das hat mir gut geschmeckt!“ Oder „Ich habe jetzt gerade leider keine Zeit zu telefonieren, weil…“ und wenn wir uns unser eigenes Alltagsverhalten bewusst machen, haben wir vielleicht auch wieder mehr Humor und Verständnis für die Lügenversuche unseres Kindes. 

Eure

DAS Kind gibt es nicht

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich dachte, dass ich das mit dem Kinderhaben wirklich verstanden hätte. Es war kurz vor der Geburt meines zweiten Kindes als ich dachte: „Dann mache ich es wieder so und so – das wird sicher ganz entspannt. Ich hab das ja jetzt alles schon einmal erlebt.“ Und dann kam dieses zweite Kind zur Welt und war einfach ganz anders. Und es wollte ganz andere Dinge als das erste Kind. Es brauchte eine Weile, bis ich mein Kind verstanden hatte. Es brauchte dieses Mal sogar eine viel längere Zeit als zuvor. Vielleicht auch, weil ich so sehr daran festhalten wollte, dass ich doch eigentlich wusste, wie das so läuft – oder es zumindest dachte. Warum wusste es nur dieses Kind nicht? Und dann, als wir endlich eine gemeinsame Sprache gefunden hatten, da kam das nächste Kind zu uns. Und mein Mann sagte: „Und aus Spaß wurden uns einfach drei komplett unterschiedliche Kinder geschickt.“

Manchmal lese oder höre ich Tipps und Hinweise von Eltern, wie „man“ „das“ so mit den Kindern machen solle: Wie es funktionieren würde mit dem Zähneputzen oder mit dem Einkaufen oder dem Trockenwerden. Bei jeder Verallgemeinerung schmunzle ich ein wenig in mich hinein und erkenne mich selber wieder: Damals, als ich noch dachte, dass es Handlungen gäbe, die das Familienleben bestimmen. Als ich noch dachte, dass es konkrete Tipps und allgemeine Abläufpläne geben könnte, die das Elternsein bestimmen und den Alltag regeln. Mit dem heutigen Abstand lese ich in solchen Texten: So hat es bei uns funktioniert. Früher hätte ich vielleicht gelesen: So funktioniert es richtig.

Die Wahrheit ist: Es gibt eben nicht DAS Kind. Und deswegen gibt es auch nicht den einen Ablaufplan, der uns immer hilft. Dein Kind lässt sich nicht gern mit einer Handpuppe die Zähne putzen, obwohl das bei jemand anderem wunderbar klappt? Es ist nicht Deine Schuld als Elternteil. Dein Kind mag nicht im Stehen gewickelt werden, obwohl andere das so toll machen? Es ist nicht Deine Schuld. Dein Kind mag andere Dinge als andere Kinder, weil es ein anderes Kind ist. Weil es ein Kind ist mit einem eigenen Temperament, eigenen Bedürfnissen, eigenen Herangehensweisen. Weil Ihr eine andere Familie seid, weil Ihr anders lebt. Die große Aufgabe im Familienleben besteht nicht darin, alle Tricks und Tipps auswendig zu lernen und anzuwenden, sondern zu verstehen, welchen Menschen man dort vor sich hat und was genau dieser eine Mensch braucht. Und wenn ein weiterer Mensch in die Familie kommt, hat dieser vielleicht wieder ganz andere Wünsche und Bedürfnisse – obwohl Du noch immer Du bist, obwohl Ihr als Eltern Ihr geblieben seid.

Lass Dich nicht verunsichern von den Wegen, die bei anderen gut gehen. Sehe sie als Möglichkeit, als Inspiration und schaue, ob es bei Euch auch so geht. Betrachte andere Wege als Einladung es auszuprobieren, aber nicht als Anleitung zum Glück. Euer ganz persönliches Glück liegt auf Eurem ganz persönlichen Weg.

Eure

Jahreszeitentisch im August mit selbst gemachten Ahorn-Feen

Die Sommersonne wird ein wenig sanfter, der Wind ein wenig stärker und die ersten Blätter fallen bereits von den Bäumen. Der Herbst kommt langsam näher und die Natur ist wie immer im Wandel. Auch die Kinder haben das schon mitbekommen und bringen die neuen Fundstücke aus der Natur mit nach Hause: erste verfärbte Blätter, Holunderbeeren, letzte Waldheidelbeeren werden gesammelt und auch schon nach Pilzen Ausschau gehalten. In der Stadt werden die geflügelten Früchte des Ahorns gesammelt und als „Nasen“ auf die Nase gesetzt, von hohen Stellen segeln gelassen oder verbastelt. Und auch schon die ersten kleinen Kastanien haben zu uns gefunden.

Der Jahreszeitentisch im August

Der Jahreszeitentisch im August greift die Natur auf und das, was die Kinder nun darin finden: Das Gelb der Sonnenblumen und Felder, das sanfte Grün. Das Getreide, das wächst, kann den Jahreszeitentisch nun ebenso bereichern wie Stroh oder die Schmetterlinge. Oder auch schon die ersten Eicheln, Ahorn Samen und andere Fundstücke aus dem Wald. Wer mag, kann nun auch mit den Kindern Blaubeeren oder Hulunderbeeren sammeln und sie zum Färben von Stoffen nutzen. Auch die Goldrute bietet sich jetzt dazu an.

Ei, sieh aber, sieh doch!
Welch seltsam Gesichte!
Dort tanzen im Lichte
Des Mondes die Feien
Den festlichen Reihen
Auf grünlichem Plan!
Welch artiges Wölkchen!

Die lieblichen Kinder!
Schon schweben sie näher
Und näher heran.
Man muss sich verstecken,
Sie nicht zu erschrecken.
Husch, husch!
Hinter den Busch!
– Eduard Mörike –

Selbstgemachte Ahorn-Feen

Aus getrockneten Blättern, Perlen und etwas Wolle lassen sich zauberhafte Engel und Feen machen. Hier hatte ich Euch schon einmal die Weihnachtsengel aus Ginkgo Blättern gezeigt. Aber auch aus den Samen des Ahorn lassen sich ganz einfach kleine Zauberwesen schaffen, die am Fenster hängen, Geschenke verzieren oder später als Schmuck am Weihnachtsbaum dienen können. Die Ahornsamen sind auch etwas robuster als die getrockneten Ginkgo Blätter und lassen sich gut auch von kleinen Kinderhänden mit Wasserfarben anmalen.

  1. Ahorn Samen ein paar Tage trocknen
  2. Mit Wasserfarben bemalen, wer mag, noch etwas Goldfarbe zugeben für den „magischen Glanz“
  3. Eine Holzperle mit Kleber am Stiel befestigen.
  4. Optional: Gesicht aufmalen.
  5. Haare aus Märchenwolle aufkleben und frisieren.

Viel Spaß beim Basteln und Gestalten wünscht Euch

Unser Weg mit einem Schreibaby – Sarah berichtet über ihren Weg nach einer traumatischen Geburt

Schreibabys, Babys mit starken Bedürfnissen, High Need Babys – noch immer sind diese Themen oft mit Scham besetzt, es gibt viele Vorurteile und falsche Informationen. In der Reihe „Unser Weg mit einem Schreibaby“ wollen wir dieses Thema aus der Nische holen, Menschen sensibilisieren und betroffene Eltern unterstützen.
Hier berichtet Sarah über ihren Weg mit einem „Schreibaby“, der am Anfang wirklich sehr schwierig und traumatisch war. Wenn Du über Deine Erfahrung berichten möchtest, schreib an [email protected]

1. Sarah, Euer Start war nicht ideal: Nach einer schönen Schwangerschaft hattet ihr eine traumatische Geburt.
Ja, ich hatte eine sehr schöne, angenehme Schwangerschaft, hab mich die ganze Zeit über wohl gefühlt und acht Wochen vor der Geburt meine Doktorarbeit fertig gestellt. Dann begann der Mutterschutz und das war die beste Zeit der Schwangerschaft überhaupt: ich bin total zur Ruhe gekommen, habe nur gemacht, wozu ich Lust hatte, hab viel zu Geburten und Wochenbett gelesen, war beim Schwangerenyoga und hab viel geschlafen. Vier Tage vor dem errechneten Termin habe ich mich leider erkältet, was mich umso mehr geärgert hat, als ich die ganze Schwangerschaft hindurch nicht krank gewesen war. Als zwei Tage vor dem Termin die Fruchtblase gesprungen ist (wobei ich das nicht mitgekriegt habe, es lief nur die ganze Zeit Fruchtwasser), fühlte ich mich ganz elendig und schwach, hatte zwei Nächte lang nicht geschlafen und hab mich gefragt, wie ich eine Geburt schaffen sollte. Weil ich nach 24 Stunden immernoch keine Wehen hatte, riet meine Beleghebamme dann dazu, ins Krankenhaus zur Einleitung zu fahren, was wir auch taten. Ab der Einleitung bis zur Geburt vergingen dann nochmal 21 Stunden und am Ende musste Paul mit der Saugglocke geholt werden, weil ich total entkräftet war und seine Herztöne immer schlechter wurden. Ich hab sowohl den Wehentropf als auch die Saugglocke und den Dammschnitt das als extrem gewaltvoll und brutal empfunden. Als Paul geboren war und ich ihn zum ersten Mal auf dem Bauch hatte, wurde ich ohne Betäubung genäht (weil ich scheinbar viel Blut verlor), so dass meine Erinnerung an diesen Moment nur qualvolle Schmerzen sind.

2. Wie ging es dann nach der Geburt weiter?
Nach einer Nacht im Krankenhaus sind wir auf eigene Verantwortung nach Hause gefahren, weil wir in der Klinik nicht zur Ruhe kamen. Die erste Nacht zu Hause hat Paul von 20:00 bis 8:00 durch geschrien – das war die schlimmste Nacht in meinem Leben. Und auch danach hat er die ersten drei Monate jeden Abend von ca. 20:00/21:00 bis 03:00 geschrien und ließ sich durch nichts trösten. Die Hebamme meinte, er habe Koliken, aber ich bin mir sicher, dass er, wie ich auch, die Geburt als traumatisch empfunden hat und seinen Kummer darüber herausschrie. Auch ich habe in dieser ersten Zeit fast nur geweint, konnte nicht über die Geburt sprechen, kam nicht zur Ruhe, konnte nicht schlafen und wenn ich doch mal einschlief, hatte ich oft Alpträume. Ich hatte das Gefühl, die Geburt nicht selbst geschafft zu haben, versagt zu haben und meinem Kind dadurch einen furchtbaren Start ins Leben gegeben zu haben. Dadurch, dass ich durch die krassen Schmerzen nicht gemerkt habe, wie er aus mir herauskam, habe ich ihn lange nicht als meinen sehen können. Es klingt komisch, aber mir hat das Baby aus meinem Bauch gefehlt – das immer schreiende Bündel neben mir hat mich einfach nur überfordert. Gleichzeitig hatte ich natürlich enorme Schuldgefühle, weil ich so wenig Kraft für ihn hatte und ihn zuerst nicht richtig annehmen konnte.

3. Das klingt nach einer sehr schweren Zeit für Euch. Wie seid Ihr da durch gekommen?Zum Glück hatte Thomas für ein Jahr Elternzeit und war immer da. Er hat den Großteil der Nächte übernommen, zwischen dem Stillen hatte meist er Paul auf dem Arm, hat ihn getragen und geföhnt (das war oft das Einzige, was kurz half). Ich hätte wirklich nicht gewusst, wie ich das hätte schaffen sollen, wenn er hätte arbeiten müssen.

Wir haben den Fehler lange bei uns gesucht und besonders ich habe mir viele Vorwürfe gemacht, keine gute Mutter für mein kleines Kind sein zu können, das es so schwer hat.

Wir dachten beide, unser Leben sei vorbei. Erst nach ungefähr 2 oder 3 Monaten hatten wir das Gefühl, es wird etwas leichter: Paul schien es nicht immer nur schrecklich zu finden auf der Welt, er schlief auch mal leichter ein am Abend, wir sammelten etwas Kraft. Ich kann mich erinnern, dass er genau an dem Tag, als er acht Wochen alt war, zum allerersten Mal abends beim Stillen eingeschlafen war und ich ihn ablegen konnte. Auf einmal hatte ich einen ruhigen Abend für mich – dieses Gefühl des Trosts und der Erleichterung werde ich nie vergessen.

Aber der Schrecken blieb: immer wenn er weinte, zuckten wir zusammen und hatten Angst, wir kriegten ihn nicht wieder beruhigt. Auch wenn es sehr still war, hörten wir beide ein Phantomschreien und oft ein Piepsen im Ohr.

4. Was hat Euch, was hat Dir gefehlt in dieser Zeit? Wer außer Deinem Freund hat Euch geholfen oder was?
Eine sehr große Stütze in dieser Zeit war außerdem meine Mutter, die – obwohl sie noch voll arbeitet und damals 200 km entfernt wohnte – am Anfang fast jedes Wochenende zu uns kam. Sie brachte vorgekochtes Essen mit, nahm Paul und ging stundenlang mit ihm spazieren, so dass wir schlafen oder auch einfach nur mal in Ruhe duschen konnten, machte die Wohnung sauber, ging einkaufen und tröstete mich. Auch meine Schwester, damals selbst hochschwanger, kam zu uns und nahm uns Paul mal ab. Außerdem haben meine Freundinnen geholfen, indem sie eine whatsapp-Gruppe organisiert haben, in der wir uns melden konnten, wenn wir etwas brauchten (Klopapier, Windeln, Essen oder so). Das wurde dann umgehend geliefert. Eine andere Freundin, die selbst schon Kinder hat, fragte täglich per Facebook nach, wie es mir geht und wiederholte immer wieder: es wird leichter.

Gefehlt hat uns sicher die Erfahrung und das Wissen, dass wir nichts falsch machen, dass unser Kind nicht unseretwegen so viel schreit, und dass es vorbeigehen wir. Wir haben den Fehler lange bei uns gesucht und besonders ich habe mir viele Vorwürfe gemacht, keine gute Mutter für mein kleines Kind sein zu können, das es so schwer hat. Ein Bewusstsein dafür, dass es einfach Kinder gibt, die viel schreien, dass niemand etwas dafür kann, und der Austausch mit anderen Eltern hätte uns sicher geholfen.

5. Wie geht es Euch heute nach über einem Jahr?
Mittlerweile ist Paul ein sehr ausgeglichenes Kind, das sich viel freut und gern bei uns ist. Wir sind als Familie gut zusammen gewachsen und freuen uns jeden Tag über dieses kleine Wesen, das so viel Freude mit sich bringt. Wenn Paul heute weint oder schreit, gibt es meist einen konkreten Grund, den wir beheben können – das ist eine sehr entlastende Erfahrung. Mittlerweile denke ich auch, dass es gut war, dass er seine ganze Traurigkeit und seinen Frust am Anfang ordentlich herausgeschrien hat – so staut sich wenigstens nichts an. Als Paar haben wir uns allerdings noch nicht richtig wieder erholt, dafür war einfach im letzten Jahr zu wenig Zeit und Energie da. Daran arbeiten wir aber jetzt und es ist Besserung in Sicht.

6. Was würdest Du anderen Eltern als Tipp mit auf den Weg geben, wenn Ihr Baby viel weint?
Es liegt nicht an euch. Es geht vorbei. Es wird leichter. Versucht es so anzunehmen, wie es ist, und euch nicht schuldig zu fühlen, wenn das nicht klappt. Sucht euch Unterstützung, bindet Familie und Freund_innen ein, organisiert Babyfreie Zeiten und macht dann was für euch, und wenn das den Facebookfeed durchscrollen ist, weil für mehr die Energie nicht reicht. Teilt euch die Nächte auf – wir haben im 2-3Stunden-Rhythmus getauscht: einer hat das schreiende Kind getragen oder geföhnt, die andere ist mit Oropax in ein anderes Zimmer und hat geschlafen. Stillen ist nicht das einzige, was dabei hilft das Kind zu beruhigen, und es ist genauso wichtig, dass die Mutter nicht kaputt geht. Deshalb, Väter: nehmt Elternzeit! Und zwar mehr als die obligatorischen zwei Monate. Dann könnt ihr nämlich eine wirkliche Stütze sein und eine tiefe Beziehung zu eurem Kind aufbauen, von der ihr beide immer zehren werdet.

Weitere Erfahrungsberichte gibt es hier:
Unser Weg mit einem Schreibaby – Julia von familiengarten berichtet
Unser Weg mit einem Schreibaby – Nina, ihr Baby und Reflux

Kontrollverlust in der Elternschaft: akzeptieren und neu ausrichten

Die wahrscheinlich einschneidendste Erfahrung, die das Elternsein für mich mitbrachte, ist der Verlust der Kontrolle, wie ich sie gewohnt war vom Leben vor den Kindern: Ich machte konkrete Pläne, ich befolgte sie und kam selten von einem vorgegebenen Weg ab. Studium, Arbeit, Haushalt – alles funktionierte und war abhängig von den Planungen Erwachsener. Und dann wurden wir eine Familie und mein Begriff von Planung änderte sich.

Schwangerschaft und Geburt – ein neues Verständnis beginnt

Schon der Kinderwunsch brachte eine neue Erkenntnis mit, die sich von nun an durch das Leben ziehen sollte: Nicht alles ist so planbar und funktioniert wie ein Stundenplan. Es dauerte eine Weile, bis sich die gewünschte erste Schwangerschaft ankündigte – und spätere kamen dann überraschender. Auch in der Schwangerschaft zeigte sich die Abkehr vom Gewohnten: Hier entwickelte sich auf einmal ein Mensch, der schon von Anfang an einen eigenen Zeitplan mitbrachte. Der Bauch wurde größer und schwerer und ich wünschte mir besonders beim zweiten Kind nach Überschreiten des Geburtstermins die Geburt sehnlich herbei – aber das Kind kam, als es bereit dazu war nach dem eigenen Zeitplan. Tag für Tag schleppte ich mich mit über einem Meter Bauchumfang durch den Tag, bemalte jeden Tag den Bauch, massierte und redete gut zu: Das Kind kam dann plötzlich eines Sonntagmorgens auf seine ganz eigene Weise. Und auch die Geschwister hatten eigene Wege: Ein Kind vor dem Termin, ein Kind nach dem Termin, ein Kind am Termin – jedes ging seinen persönlichen Weg und war nicht zu beeinflussen von meinen Gedanken und Planungen. Der Gynäkologe Prof. Dr. Hildebrandt (2013) spricht sich daher auch dafür aus, dass die Bezeichnung “Geburtstermin” generell nicht mehr verwendet wird, sondern lieber von einem “Geburtszeitraum” gesprochen werden sollte, um weder Schwangere noch deren Familienmitglieder oder Hebammen und Ärztinnen zu beunruhigen und mehr zur Gelassenheit beizutragen. Auch Hebamme Anja schreibt hier dazu: „Wir können vieles, von dem was geschieht, nicht kontrollieren. Aber wir können gestalten, wie wir damit umgehen.“ Es ist der Beginn eines neuen Umgangs, ein neues sozialen Leben, das mit Kinderwunsch und Geburt beginnt.

Das Baby bestimmt mit seinen Bedürfnissen den Alltag

Und dann liegt dieser kleine Mensch in den eigenen Armen und alles daran signalisiert, was es will: Der kleine Mund, der saugen möchte, um Nahrung zu erhalten. Der Körper, der sich anschmiegt und nicht abgelegt werden möchte. Der französische Geburtshelfer und Gynäkologe Michel Odent spricht davon, dass das Milchbildungshormon Prolaktin neben dem Nestbautrieb und Nervosität auch zu “Geisteszuständen von Untergebenheit und Unterwerfung” führt: Wir stellen uns auf das Baby ein und seine Bedürfnisse – und zunächst rücken unsere Pläne in den Hintergrund. – Dieses Hormon wirkt übrigens nicht nur bei Frauen, sondern bereitet auch die werdenden Väter auf das Umsorgen des Nachwuchses vor und stimmt sie darauf ein.

Mit kleinem Baby funktioniert der Alltag besser, wenn wir uns zu großen Teilen auf dieses Kind ausrichten und nicht versuchen, unsere früheren (Zeit)pläne durchzusetzen. Das Baby versteht unsere Welt noch nicht, es spürt nur die Bedürfnisse in sich nach Hunger, Zuwendung, Ruhe, Miteinander… Bedürfnisse aufzuschieben ist nun noch nicht möglich. Das entwickelt sich erst mit der Zeit. Versuchen wir aber, sie vehement zu verschieben, führt dies zu Unruhe und größeren Komplikationen und Planänderungen, weil das Baby sich schließlich immer stärker in seinem Bedürfnis mitteilen wird – bis es eventuell aufgrund von Aufgabe verstummt. Das aber kann andere Probleme mit sich bringen. Besonders in der ersten Zeit gibt das Baby den Rhythmus vor – und langsam pendelt sich dann ein gemeinsamer Rhythmus ein in einem Entgegenkommen von beiden Seiten. Daher ist es – nicht nur am Anfang – auch so wichtig, dass Eltern sich gegenseitig unterstützen und noch weitere Hilfe haben, damit sie diesen Babybedürfnissen nach einem entspannten Ankommen entgegen kommen können.

Und dann kommt die „Trotz“phase

Und gerade dann, wenn sich alles ein wenig mehr eingependelt hat, und der Alltag natürlich dennoch nicht wie zuvor, aber auch nicht mehr nur noch in kurzen Intervallen am kleinen Kind orientiert ist, sagt das Kind auf einmal „NEIN!“, und auch hier sehen wir wieder, dass es nicht hilft, die eigenen Wünsche und Pläne durchzudrücken, sondern auch hier beginnen wir wieder mit einem Aushandeln, mit einem Pendeln zwischen dir und mir und müssen noch einmal neu Verständnis für neue Bedürfnisse aufbringen: Das Bedürfnis nach Autonomie, das Bedürfnis nach Ressourcensicherung, das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit und gleichzeitig verstehen, dass noch immer Bedürfnisse nicht wie bei uns Erwachsenen behandelt werden können, dass sie oft nicht aufschiebbar sind und dass die Kindergedanken noch anders laufen und sich einem Gefühl noch wild, laut und überschwänglich Platz gemacht wird, wenn es besonders groß wird.

Und so geht es weiter…

Ist diese Zeit vorbei, kommt der nächste Bereich der Vorschuljahre, in denen das Kind nun schon so viel größer ist und sich mit der Welt vertraut macht und den persönlichen Platz darin sucht und sich die Persönlichkeit weiter entwickelt. Es möchte nicht dieses oder jenes Hobby haben, sondern ein ganz bestimmtes und heute unbedingt verabredet sein oder dorthin zur Übernachtungsparty. Es entscheidet auf einmal im Schulalter, sich anders zu ernähren, oder probiert andere Dinge aus. Es beginnt, den eigenen Weg zu gehen, und wir müssen weiterhin aushandeln zwischen dir und mir und uns.

Kontrolle im Familienalltag – aber anders

Bedeutet das nun also, dass wir unsere Kontrolle über das Leben und den Alltag verlieren? Nein. Es bedeutet aber, dass wir im Laufe der Zeit lernen, in einem System zu leben und zu denken – und von Anfang an den kleinen Menschen, der zu unserem Leben dazu kommt, als solchen betrachten sollten: als Mensch mit eigenen Bedürfnissen, Empfindungen und Wünschen. Mit eigenen Vorstellungen. Als Eltern geben wir Werte mit auf den Weg, die uns wichtig sind, die sich vielleicht beim Kind im Laufe der Jahre auch wandeln. Und dennoch ist es wichtig, Werte und Leitsterne zu verfolgen. Denn sie sind es, an denen wir uns selbst immer wieder ausrichten können im Durcheinander des Alltags. Wir verlieren als Eltern nur eine bestimmte Art von Kontrolle, die sich ergibt aufgrund eines eigenständigen Lebens, ohne auf andere immerzu achten zu müssen. Wir gewinnen aber eine neue Art von Alltagsroutine und Kontrolle hinzu: Eine sehr menschliche, bedürfnisorientierte und emphatische Sicht auf das Leben, wenn wir uns darauf einlassen. „Kontrolle“ im Elternleben bedeutet, einen groben Plan zu haben, wohin es geht. Es bedeutet, voraus zu schauen und am besten gleich möglich auftretende Probleme einzuplanen – und sich freudig überraschen zu lassen, wenn sie nicht kommen. Es bedeutet auch, voran zu gehen und Sicherheit zu vermitteln und diese besonders auch dann auszustrahlen, wenn das Kind mal strauchelt.

Als Eltern lernen wir, mit vielen Bällen zu jonglieren und darauf gefasst zu sein, wenn noch ein weiterer spontan hinein geworfen wird – und irgendwie ist das doch ein ganz schönes Bild statt nur einem Stundenplan zu folgen.

Eure

Saisonal essen als Familie – so geht es {enthält unbezahlte Werbung}

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Familienmahlzeiten sind besondere Zeiten im Familienalltag, denn hier kommen alle zusammen, reden, nehmen Nahrung mit allen Sinnen wahr und genießen. Mahlzeiten in der Familie sind mehr als nur Nahrungsaufnahme. Und auch Nahrung kann mehr sein als nur Lebensmittel aufzunehmen: Die Auswahl der Lebensmittel ist wichtig und wirkt sich nicht nur auf unsere Umwelt aus, sondern auch auf den Nährwert, den die Nahrungsmittel haben. Durch die Auswahl der Lebensmittel, die wir auf dem Familientisch anbieten, können wir auf eine recht einfache Weise etwas für die Umwelt und gleichzeitig eine gesunde Ernährung tun: Saisonale Lebensmittel zu verwenden ist in der Regel gesünder (natürlich nimmt auch die Anbauweise Einfluss und die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln).

Warum bedeutet saisonal weniger Umweltbelastung?

Saisonal und regional sind miteinander verbunden: Was bei uns Saison hat, wächst hier in der Nähe. Oft finden wir auch Obst und Gemüse, das gerade bei uns Saison hat, aber dennoch von weit her kommt – hier kann „saisonal“ durchaus irreführend sein und es ist gut, nicht nur auf das zu achten, was eben gerade natürlicherweise bei uns wächst, sondern auch, woher es wirklich kommt. Viel Obst und Gemüse wird über weite Strecken transportiert, wodurch verschiedene Schadstoffe entstehen durch die Transportmittel. Aber nicht nur das: Auch der Anbau in Treibhäusern verursacht beispielsweise im Vergleich zum Freilandanbau wesentlich mehr CO2. Das in Deutschland beliebteste Gemüse beispielsweise, die Tomate, verursacht nach Angaben hier im Anbau hierzulande außerhalb der Saison im Treibhaus 9,3 kg CO2 je kg Tomaten, die Flugwaren aus den Kanaren immer noch 7,2 kg CO2 je kg Tomaten und im Vergleich dazu der ökologische Anbau in der Region während der Saison nur 0,035 kg CO2 je kg Tomaten. – Es lohnt sich also im Alltag, auf die kleinen Schilder beim Einkaufen zu achten, woher eigentlich das Gemüse, das man für saisonal hält, kommt. Durch eine bedachte Auswahl können Energie und Treibhausgase eingespart werden und oft auch Verpackungsmaterialien reduziert werden.

„Die Erdbeere ist eine sehr zarte Frucht
Die vor ihrer Ernte viel Sonne haben muss
Im Winter holen wir sie in Plastik aus weit, weit her
Wasser auf die Wüste, trotz Wasserknappheit, Yeah!
Die Beere schmeckt lasch, dem Gaumen fehlt Spaß
Die Beere ist rot, doch ihre Seele ist tot“
– „Erdbeeren ohne Grenzen“ von Mine & Fatoni

Schwierig ist der Einkauf von Obst und Gemüse aus anderen Ländern auch da, wo die Natur vor Ort unter dem Anbau leidet, weil beispielsweise das Trinkwasser für die Bevölkerung und das Wasser für die Natur aufgrund der Landwirtschaft knapp wird oder weil Wälder für die Bewirtschaftung abgeholzt werden

Warum ist saisonal gesünder?

Regional und saisonal zu essen, war früher vollkommen normal: Obst und Gemüse wurde geerntet und gegessen oder auf verschiedene Weise eingeweckt und haltbar gemacht für den späteren Bedarf. Das hatte durchaus auch gesundheitliche Vorteile, wenn beispielsweise im Herbst und Winter dann Vitamin C reiches Sauerkraut gegessen wurde und auch andere Obst- und Gemüsesorten können gut lang aufbewahrt werden.

Sich von heute auf morgen nur noch auf regionales und saisonales Obst und Gemüse einzustellen, ist gar nicht so einfach, aber wir können immerhin kleine Schritte gehen, um ein wenig die Umwelt zu entlasten.

Wird aber Obst und Gemüse außerhalb der Saison im Gewächshaus gezüchtet, müssen dort oft Pestizide eingesetzt werden, denn im feucht-warmen Klima vermehren sich Pilze und andere Schädlinge. Es muss zudem mehr gedüngt werden, um gut zu wachsen, was sich auf den Nitratgehalt des Lebensmittels auswirkt. Auch um einen langen Transport zu überstehen, wird das Obst und Gemüse behandelt, damit es noch gut aussehend bei uns ankommt. Zudem muss es, um nicht zu verderben, unreif geerntet werden, wodurch dazu noch der Nährstoffgehalt verringert ist. Und letztlich wirkt sich diese Art des Obst- und Gemüseanbaus auch auf den Geschmack aus: Das zu früh gepflückte und über lange Strecken her gebrachte Obst und Gemüse schmeckt nicht so, wie die reife Variante der passenden Jahreszeit.

Obst und Gemüse saisonal und regional beziehen – so geht es!

Wir sind daran gewöhnt, jedes Obst und Gemüse zu jeder Zeit zu bekommen. Natürlich hat das auch mit Bequemlichkeit zu tun und mit mangelndem Wissen. Sich von heute auf morgen nur noch auf regionales und saisonales Obst und Gemüse einzustellen, ist gar nicht so einfach, aber wir können immerhin kleine Schritte gehen, um ein wenig die Umwelt zu entlasten. Kein Umbruch von heute auf morgen, aber sich gemeinsam mit den Kindern dem Thema nähern, denn es kann ein spannendes Projekt sein, gemeinsam die Natur auf diese Weise zu erkunden.

Einen ersten Überblick darüber, welches Obst und Gemüse zu welcher Saison reif ist, kann ein Saisonkalender geben wie der „Obst und Gemüse der Saison“-Kalender mit einer Jahresübersicht über saisonales Gemüse und weiteren Informationen, der zudem noch auf Papier gedruckt wird, bei dem bis zu 15% Zellstoff durch Lebensmittelreste ersetzt werden.

Schön ist es natürlich, gemeinsam mit Kindern Obst und Gemüse anzubauen. Wer keinen eigenen Garten hat, kann sich mittlerweile verschiedene Gärten zum Obst- und Gemüseanbau mieten – auch virtuell. Während unsere Freunde von Von guten Eltern ein gemietetes Landstück am Stadtrand zum Selbstbewirtschaften haben, lässt sich ein anderer Freund aus einem IP Garten das virtuell gezüchtete Gemüse zuschicken. Wer sich nicht langfristig festlegen will, kann auch eine Selbstpflücke mit Kindern besuchen und dort Obst und/oder Gemüse ernten und anschließend weiter verarbeiten.

Inspirationen für alle, die ein klein wenig Platz auf dem Balkon oder im Hinterhof oder der Fensterbank haben, geben auch Bücher wie Lia Leendertz „Urban Gardening: Gemüse anbauen auf kleinsten Raum„*. Auf der Fensterbank wachsen nämlich nicht nur gut Küchenkräuter, sondern auch Sprossen lassen sich in einem Keimglas* (das man auch selber machen kann) gut ziehen und sogar Gemüse wie Tomaten kann hier gedeihen.

Im nächsten Schritt kann dann gemeinsam überlegt werden, wie das Obst über Herbst und Winter konserviert wird, damit eben nicht die frischen Erdbeeren im Winter gekauft werden müssen, sondern auf das selbstgemachte Sommeressen zurück gegriffen werden kann: Von Konfitüren und Marmelade über fermentiertes Essen bis hin zu Pesto, eingemachten Gurken oder getrocknetem Obst: Es gibt viele Möglichkeiten, die auch zu Hause gut machbar sind. Wer mag, kann beispielsweise mit getrockneten Apfelscheiben beginnen, die auf einer Schnur aufgefädelt in einem trockenen Raum getrocknet werden und später geknabbert werden können. Auch hierzu gibt es viele Anregungen auf Blogs, Videos oder Bücher wie Caswell/Siskin „Der kleine Selbstversorger„.

Auch wenn es nicht von heute auf morgen geht und wir vielleicht auch nicht in allen Bereichen und immer saisonal und regional einkaufen, lohnt es sich, einmal genauer hin zu sehen und vielleicht hier und da eine kleine Änderung in den Einkaufsgewohnheiten vorzunehmen oder zusammen mit Kindern dieses spannende Thema aufzugreifen und zu sehen, wo es hin führt.

Habt Ihr noch weitere Tipps?
Viel Spaß beim Ausprobieren,
Eure

 

* Dieser Artikel enthält Links zu Amazon, durch die ich im Falle einer Bestellung eine Provision erhalte ohne dass für Euch Mehrkosten anfallen.
Welt retten und bei Amazon bestellen, passt das? Ehrlich gesagt: Nicht so richtig. Im Moment habe ich aber noch keine gute Lösung für alternative Einkaufsmöglichkeiten, die auch wirklich von Euch genutzt werden. Seien wir ehrlich: Oft geht man dann doch zu Amazon, um zu bestellen. Ich glaube, dass der Effekt, einige der Produkte hier zu verwenden, sich langfristig positiv auswirkt. Wer auch wirklich woanders bestellen würde, kann die Bücher auch bei buch7.de oder ecobookstore bestellen oder am besten direkt beim Buchhandel um die Ecke kaufen oder bestellen.
Für die Platzierung der Links werde ich nicht von den Herstellern, Verlagen, Blogs oder Anbietern bezahlt. Das Poster „Obst und Gemüse der Saison“ habe ich als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen.

Dos und Don’ts im Wochenbett: So sind Wochenbettbesuche schön. 7 Tipps für Besucher*innen

Wenn das lang ersehnte Baby im Familien- oder Freundeskreis geboren ist, wollen es viele Menschen begrüßen und die Familie beglückwünschen, beschenken und ihre Freude zum Ausdruck bringen. Gerade die ersten Tage und Wochen aber sind eine sensible Phase, in der sich die kleine neue Familie erst einmal kennen lernen möchte und Zeit und Ruhe benötigt – und liebevolle, fürsorgliche und passende Unterstützung, wenn sie diese wirklich wünscht. Mit diesen Tipps fürs Wochenbett kannst Du eine Familie auf ihrem Weg wirklich unterstützen:

1. Den richtigen Zeitpunkt für den ersten Besuch bestimmen die Eltern

Frisch geborene Babys sind zauberhaft: Es ist toll, einen Menschen ganz am Anfang begrüßen zu können und zu bewundern, wie er die ersten Male die Welt erblickt. Aber: Dieses Wunder ist nun vor allem den Eltern vorbehalten. Sie sind es, die nun eine Beziehung zu ihrem Baby aufbauen. Gerade die Mutter hat vielleicht eine mehr oder weniger anstrengende Geburt zu verarbeiten, das Baby ebenso. Vielleicht fühlt sich die Mutter nicht wohl, hat Schmerzen oder das Stillen bereitet ihr noch Probleme und sie braucht Ruhe, um sich einzufinden. Kleine Babys sind auch noch mit einer Woche zauberhaft und auch noch später. Nicht sofort ins Frühwochenbett eingeladen zu werden, ist keine Abweisung und muss nicht negativ interpretiert werden. Im Gegenteil: Mit dem Besuch zu warten bis zum richtigen Zeitpunkt ist ein zusätzliches Geschenk. Deswegen gilt: Warte auf eine Einladung für den ersten Besuch und gehe nicht spontan vorbei mit der Erwartung, in die Wohnung gelassen zu werden.

2. Sei ein Geschenk!

Beim Begrüßen eines kleinen Menschen sind wir schnell verleitet, unsere eigene Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen: Einmal das kleine Baby halten, es streicheln und tragen. Tipps weiter geben, die für uns wichtig waren, weil wir es schon wissen… Beim Wochenbettbesuch ist es jedoch wichtig, selbst das Geschenk zu sein und sich an die Bedürfnisse vor Ort anzupassen: Das beginnt bei den Rahmenbedingungen: Plane nur einen kurzen Besuch ein, parfümiere Dich nicht, denn sowohl die Mutter als auch das Baby sind gerade sehr empfindsam. Vielleicht möchten die Eltern das Baby noch nicht in fremde Hände legen: Schenke Verständnis dafür und fordere nichts ein und stelle keine Erwartungen auf. Erwarte keine saubere Wohnung und keinen gedeckten Tisch, sondern bringe selber etwas mit für den Tisch.

3. Geschenke sind gut, wenn sie für alle sind

Es gibt so zauberhafte Babysachen, die verschenkt werden können. Oft ist die Familie aber schon gut ausgestattet für die ersten Wochen. Babykleidung sollte daher lieber nach Absprache vorher geschenkt werden und oft ist es sinnvoll, lieber Sachen für die späteren Monate auszuwählen, wenn das Baby der Erstausstattung entwachsen ist. Ins Wochenbett kann mitgebracht werden, was der ganzen Familie gut tut: Vielleicht ein kleines Körbchen mit gekochtem Essen oder anderen Leckereien für die Eltern, einer schönen Wasserflasche für die Mutter, damit sie beim Stillen daraus trinken kann (sofern sie stillt), (Trocken)früchte, einem schönen Buch für das Wochenbett und natürlich ein Geschenk für Geschwisterkinder, wenn es diese gibt.

4. Aufmerksamkeit für alle

Bei einem Besuch im Wochenbett ist natürlich der neue kleine Mensch ein wesentlicher Besuchsgrund, aber eine ganze Familie möchte nun Aufmerksamkeit und Zuwendung haben. In den Gesprächen sollte es sich nicht nur um das Baby drehen, sondern um die Gefühle und das Empfinden aller. Ganz besonders wichtig: andere Kinder der Familie. Sie sollten nach Möglichkeit zuerst begrüßt werden, bekommen ein eigenes kleines Geschenk oder Mitbringsel und werden nach ihrem Empfinden gefragt.

5. Zuhören ist wichtig

Aber nicht nur die Aufmerksamkeit für alle ist wichtig und das Fragesteller. Besonders wichtig ist es nun, zuzuhören: Was wollen die Familienmitglieder erzählen, was loswerden? Wo wollen sie Freude teilen und wo vielleicht auch Kummer und Sorgen? Hier setzt eine liebevolle Unterstützung an: Ich verhelfe nicht meine eigene Geschichte über, sondern nehme die Geschichte dieser Familie auf und schaue, wo ich sie unterstützen kann. Wenn sie wirklich Hilfe brauchen und dies sagen, biete ich individuelle Hilfe an oder schaue mich nach Unterstützung um.

6. Wirklich helfen

Viele Familien brauchen eher Zeit statt Zeug im Wochenbett: Sie brauchen Zeit, um die Geburt zu verarbeiten und im Bett zu liegen und sich kennen zu lernen. Hilfe ist, anzubieten, mit den größeren Geschwistern zu spielen oder spazieren zu gehen. Hilfe ist, essen zu kochen oder vorbei zu bringen. Hilfe ist, einmal durch die Wohnung zu saugen oder einen Gutschein für eine Putzhilfe für die erste Zeit zu schenken. Hilfe ist es, beim Verlassen der Wohnung den Müll mit hinunter zu nehmen. Es können so kleine Dinge sein. Hilfe ist all das, was die Familie wirklich entlastet und einander näher bringt.

7. Anerkennung der persönlichen Familienentscheidungen

Jede Familie geht ihren Weg. Und immer sieht er ein wenig anders aus. Wir haben in unserer Familie, in unserer persönlichen Situation mit einigen Dingen gute Erfahrungen gemacht, mit anderen schlechte – jede Familie geht ihren ganz eigenen Weg. Wir können liebevoll unsere Empfehlungen mit auf den Weg geben, aber wir sollten immer die Entscheidungen einer anderen Familie anerkennen. Das fängt beim Namen des Kindes an, geht über die Ernährungsweise und Kleidung bis hin zu Tragen, Stoffwindeln oder Abhalten. Und auch wenn wir selbst auf Erfahrungen zurück blicken können, darf diese Familie nun ihre ganz eigenen Erfahrungen sammeln.

Und was sind Eure ganz persönlichen Tipps?
Eure

 

Wenn Geschwister streiten – Teil 1: Streit als Entwicklungsressource betrachten

Konflikte gibt es in allen sozialen Gruppen und auch in Familien. Und gerade dann, wenn verschiedene Bedürfnisse aufeinander treffen und wenn Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten, sich in andere Personen hinein zu versetzen, zusammen sind und vielleicht auch noch jedes für sich versuchen, die vorhandenen Ressourcen an Materialien und auch an emotionalen Ressourcen größtmöglich zu beanspruchen, kann es zu Streit kommen. Manchmal sind es auch äußere Ursachen, die in Geschwisterstreit entladen werden. Konflikte sind normal, auch wenn wir in einem romantisierten Bild von Kindheit und Familie immer davon ausgehen, Geschwister sollten sich nicht streiten und Familie sollte rein harmonisch sein. Die Wahrheit aber ist: Geschwister streiten sich. Und sie dürfen sich auch streiten. Die Frage lautet daher nicht: Geschwisterstreit ja oder nein. Sondern: Geschwisterstreit ja, aber wie?

Die falsche Grundannahme der Eltern: Streit ist schlecht

Die meisten Eltern kennen den Impuls, sofort einzugreifen, wenn sich Geschwister streiten: Eine Alternative wird vorgeschlagen, eine Ablenkung geboten, das Streitobjekt einfach kurzerhand entfernt, das ältere/stärkere Kind zur Rücksicht ermahnt… Wenn sich Kinder streiten, ist das anstrengend für uns: Es ist laut, es zehrt an uns. Dies umso mehr, wenn wir selber keine Streitkultur hatten und als Kinder zur Stille und Anpassung ermahnt wurden. Das ist die eine Seite des Streits. Betrachten wir den Streit aber aus der anderen Perspektive, aus dem Blickwinkel der Entwicklungsmöglichkeiten, die dahinter stehen, sehen wir mehrere Möglichkeiten:

  • Ein Streit gibt die Möglichkeit, Emotionen zu offenbaren und auszuleben, Wut auszudrücken. Kinder dürfen wütend sein, Kinder müssen wütend sein dürfen.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, sich mit den Wünschen anderer auseinander zu setzen: Zwei Meinungen, zwei Bedürfnisse prallen aufeinander. Kinder erfahren: Mein Gegenüber denkt nicht wie ich.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, Verhandlungen zu üben: Erst ich, dann Du – oder umgekehrt. Natürlich geht das erst, wenn die Beteiligten in einem Alter sind, in dem einige Bedürfnisse aufgeschoben werden können.
  • Ein Streit gibt Kindern die Chance, Kompromisse zu finden: Auf Deine Weise nicht, auf meine Weise nicht, also brauchen wir eine andere Lösung. Auch hier gilt: Das ist erst dann möglich, wenn beide Teilnehmer*innen dazu kognitiv fähig sind.
  • Ein Streit gibt kleinen Kindern die Chance, durch die Begleitung der Eltern dazu befähigt zu werden, die oben angeführten Kompetenzen für spätere Streitsituationen zu erwerben – wenn sie von Anfang an gut begleitet werden.
  • Ein Streit gibt den Eltern die Chance, aktuelle Bedürfnisse der Kinder zu sehen: Gibt es immer wieder Streit um das Spielzeug des großen Geschwisterkindes und zeigt das vielleicht, dass das kleine Geschwisterkind den aktuellen Spielangeboten entwachsen ist und neue Angebote braucht? Gibt es immer wieder Streit um die Aufmerksamkeit und Zuwendung von Eltern und ein Kind fühlt sich zu wenig gesehen?

Streit zulassen und richtig interagieren

Geschwisterstreit ist daher nicht per se schlecht. Problematisch wird er dann, wenn eine Auseinandersetzung immer sofort unterbunden wird und Gefühle und Probleme nicht wirklich verbalisiert werden dürfen: „Du sollst Dich nicht immer mit Deinem Bruder streiten!“ „Jetzt vertragt Euch sofort wieder!“

Konflikte sind deswegen normal, auch wenn wir in einem romantisierten Bild von Kindheit und Familie immer davon ausgehen, Geschwister sollten sich nicht streiten und Familie sollte rein harmonisch sein

Und auch dann, wenn wir als Eltern ungünstig in den Streit eingreifen und auf eine falsche Weise vermitteln wollen: In einer Konfliktsituation sehen wir schnell, dass das größere Kind dominiert – geistig oder körperlich und sind schnell dazu verleitet, einzugreifen zugunsten des kleineren Kindes: „Nun gib ihm doch schon kurz Dein Spielzeug, das kannst Du ja wohl mal kurz teilen!“ Schnell entwickeln sich Muster, dass das größere Kind immer zurückstecken muss. Oder es dominiert der Gedanke: „Das müssen die unter sich klären, damit sie was lernen!“ Wenn jedoch ein schwächeres Kind auf ein überlegenes Kind trifft, befördert dieses Verhalten nur das Gewinnen des Stärkeren und ein vermittelnder Lerneffekt und Empathie bleiben zugunsten des „Recht des Stärkeren“ auf der Strecke.

Wenn Kinder streiten und in solch unterschiedlichen Entwicklungsphasen sind, dass ein Kind immer unterlegen ist, oder die kognitive Entwicklung beider Kinder noch sehr unterschiedlich ist, benötigen sie deswegen eine Begleitung im Streit, die nicht verurteilt, nicht wertet, sondern in der Vermittlung unterstützt:

  1. Situation nicht bewerten: Als Erwachsener waren wir vielleicht nicht bei der Entwicklung des Streits dabei, wir kennen die Vorgeschichte nicht. Es ist wichtig, nicht Partei für eines der beiden Kinder zu ergreifen. Besser: „Ich war nicht dabei, erzählt mir jeder, was passiert ist.“
  2. Keine Vorverurteilung: „Hast Du wieder Streit angefangen mit Deiner großen Schwester?“
  3. Wiederholen dessen, was die Kinder sagen: „Du sagst, er hat dein Heft mit Absicht heimlich angemalt. Er sagt, er hat es angemalt, weil er es so schöner findet.“
  4. Anregen zur Perspektivübernahme: „Was glaubst Du, warum hat er/sie das gemacht?“ „Was glaubst Du, wie geht es ihm/ihr jetzt?“ Bei Kindern, die das noch nicht können, die Reaktionen des anderen Kindes oder dessen Gefühle übersetzen: „Ich sehe, dass er jetzt ganz traurig ist und weint, weil er das nicht wollte.“
  5. Lösungsideen finden lassen, Kompromisse vorschlagen, die die Rechte beider Kinder respektiert, nicht urteilen, weil ein Kind älter/größer/stärker ist, sondern objektiv bleiben. Nicht einfordern, dass ein Kind unbedingt nachgeben muss, weil es ja größer ist/schon verstehen muss, dass…
  6. Nicht vom Konflikt ablenken oder versuchen, ihn lustig zu machen. Manchmal können Situationen spielerisch umschifft werden, aber nicht immer. Und es sollte auch nicht immer sein. Die Kinder haben ein für sie ernstes Thema zu besprechen.
  7. Manchmal finden sich keine für alle zufrieden stellenden Lösungen. Und zu einem Streit gehört es auch dazu, mit Frustration umzugehen. „Dein Bruder möchte Dir das Buch nicht geben, es ist seins. Komm doch her, ich nehm Dich in den Arm, wenn Du magst.“ Die Wut und Trauer begleiten, so lange sie anhält und dann zusammen Alternativen finden. „Jetzt geht es Dir besser? Wir können jetzt Dein Bagger-Buch ansehen.“

Und wie macht Ihr das in Konfliktsituationen?
Eure

Demnächst: Wenn Geschwister streiten Teil 2 – Kampf oder Balgen?

Sommeridee: Kräutersalz mit Kindern machen

An den warmen Sommertagen ist das Herstellen von Kräutersalz mit Kindern eine schöne Idee: Jetzt finden wir gerade alle Zutaten dafür in der Natur, können mit Kindern zusammen im Garten oder auf dem Feld Kräuter suchen und sie zusammen verarbeiten.

Das brauchst Du

Der Klassiker ist mediterranes Kräutersalz mit Oregano, Thymian, Rosmarin und Salbei. Aber auch andere Mischungen mit Dill, Petersilie und Schafgarbe sind lecker oder besondere Zutaten wie ein paar Blüten Johanniskraut oder getrocknete Malvenblüten, die das Salz besonders dekorativ machen. Grobkörniges Meersalz dient dann als Grundlage für das Kräutersalz.

So stellt Ihr das Kräutersalz her

Die frischen Kräuter werden gewaschen und anschließend trocken geschüttelt. Benutzt werden nur Blätter und Blüten für das Salz. Diese werden klein geschnitten und dann zu gleichen Teilen mit dem Salz vermengt. Das Salz konserviert die Kräuter und entzieht ihnen Wasser. Das Kräutersalz kann dann in einem verschlossenen Glas aufbewahrt werden und ist mehrere Monate haltbar.

Kräutersalz lässt sich auch wunderbar verschenken. Eine besondere Abwandlung der Nutzung kann auch ein wohltuendes Kräuter-Salz-Peeling für die Füße sein.

Vorbereitung auf die Geburt durch Yoga

Yoga und Schwangerschaft passen so wunderbar zusammen. Körper und Yoga insgesamt, Geist und Yoga und einfach Mensch und Yoga, aber das würde nun zu weit führen.
Ich habe in meiner zweiten Schwangerschaft meine regelmäßigen Besuche im Yogastudio geliebt. Jedes mal kam ich ein wenig leichtfüßiger, entspannter und vor allem ohne den für Schwangere oft typischen Watschelgang dort raus.
Nun bin ich nicht mehr schwanger und liebe aber das Schwangerenyoga noch immer heiß und innig und zwar dann, wenn ich es unterrichte. Warum ich finde, dass Schwangerschaft und Yoga so gut zusammenpassen und warum ich Schwangerenyoga zusätzlich als gute Vorbereitung für die Geburt sehe, davon berichte ich Euch.

Vorteile von Yoga auf körperlicher Ebene

Erst einmal: im Schwangerenyoga geht es um Lockerung, Dehnung, Entspannung und das Abmildern eventueller Beschwerden. Übungen, mittels derer Lockerung im Beckenbereich erzielt wird, bringen mehr Beweglichkeit zurück in den Körper von Anfang an. Eine Rücken schonende Ausrichtung kann das typische Ziehen im unteren Rücken abmildern oder verhindern. Mit den Beinen an der Wand können Schwellungen durch Wassereinlagerungen zurückgehen, das Herz-Kreislauf-System wird entlastet und überhaupt kann das Ganze sehr entspannend sein.
Mit Übungen zur Öffnung des Brustraums wird das tiefe Atmen unterstützt, das mit Wachsen des Bauches ja gern mal einer eher flachen Atmung weicht. Das ist besonders am Ende der Schwangerschaft oft eine Wohltat.
Auf körperlicher Ebene ist da also schon einmal so Einiges zu holen. Ich glaube aber, eine gute Yogastunde geht tiefer.

Der Fokus auf das Innere

In einer guten Schwangerenyoga-Stunde wirst du dazu angehalten, ganz genau nachzuspüren, deinen Fokus nach innen zu richten und deine Aufmerksamkeit für dich und deinen Körper zu schulen. Unter der Geburt ist es gut, in einen Zustand zu kommen, an dem das Außen nicht mehr wahrgenommen wird: Du fühlst Dich sicher und frei und kannst Dich nun ganz auf Dich konzentrieren, Dich fokussieren. Außerdem erfährst Du, Deinen Impulsen und ebenso den Signalen deines Körpers nachzugehen, die dir sagen „bis hierhin und nicht weiter“. Du wirst vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch mal das Aushalten trainieren.

Wenn du regelmäßig Entspannung erfahren hast, wird es dir leichter fallen, dich zu entspannen, denn auch Entspannung kann man lernen.

Und ebenso das Entspannen und Loslassen. Dies sind wichtige Aspekte der Geburt: Einer Wehe standhalten, sie veratmen und loslassen. Es ist für eine Geburt essenziell, den Körper gut zu spüren – Grenzen, aber auch Möglichkeiten wahrzunehmen und Entspannung ganz bewusst herstellen zu können.

Gelernte Übungen auf die Geburt übertragen

Eine regelmäßige Praxis – ob angeleitet oder zuhause im Wohnzimmer – kann ungemein unterstützen: Wenn du erfahren hast, dass sich dein Körper in bestimmten Positionen oder Bewegungsabläufen besser anfühlt als in anderen, kannst du das unter der Geburt beachten.
Wenn du regelmäßig Entspannung erfahren hast, wird es dir leichter fallen, dich zu entspannen, denn auch Entspannung kann man lernen. Ein entspannter Körper und ein entspannter Geist helfen ungemein beim Loslassen – und deine Schwangerschaft loszulassen, den Weg zu eröffnen, dass dein Baby nun zu dir kommt, das ist ein wichtiger Punkt unter der Geburt.

Yogaübung: Das Aushalten

Eine einfache Alltagsübung zum Ausprobieren

Vielleicht hast du auch das (Aus)halten in deinen Yogastunden gelernt.
Ich mache sehr oft eine Übung, in der ich gemeinsam mit meinen Schülerinnen die Arme auf eine bestimmte Art weit ausstrecke und wir das halten – für 90 Sekunden erst einmal. Ich weise immer wieder daraufhin, den Rest des Körper zu entspannen, den Atmen bewusst weiter tief zu lenken statt ihn wohlmöglich anzuhalten und vor allem auch den Kiefer zu lockern. Denn ein angespannter Kiefer führt zu einem angespannten Beckenboden – diesen wollen wir aber unbedingt weit und entspannt unter der Geburt.

Nach dieser ersten Runde von 90 Sekunden geht’s in eine zweite, längere Runde. Für diese Runde biete ich das Tönen an. Wenn dir Yoga bekannt ist, dann kennst du das typische „Om“ zu Beginn und Abschluss der Stunde. Das Tönen hat im Wesentlichen zwei Vorteile: Der erste ist, dass das Tönen helfen kann, Anspannung abzuleiten, sie quasi durch diesen Ton aus dem Körper zu leiten. Hört sich komisch an? Probier’s aus! Oder vielleicht kennst du das, wenn du (nicht schwanger!!!) etwas Schweres hochhebst – das ist oft von einem Ächzen, einem Stöhnen begleitet. Oder? Genau das ist es!

Der zweite Vorteil des Tönens ist, dass dabei der Mund leicht geöffnet ist, dadurch der Kiefer entspannt. Du erinnerst dich? WEITE!

SAVASANA – Die Entspannung

Und nun zu dem Teil, der – unabhängig von Schwangerschaft – für viele das Highlight der Yogastunde ist: SAVASANA. Savasana ist die Entspannung am Ende der Stunde. Dafür nimmst du dir alle Hilfsmittel, die dich unterstützen – eine Decke, ein Augenkissen (ein kleines, mit Reis oder ähnlichem und Lavendel befülltes Kissen, dass durch die Schwere auf den Augen hilft, diese ruhig zu halten und zusätzlich durch den Lavendel die Entspannung unterstützt), etwas unter das Knie, den Kopf – all das, was dir hilft, es dir maximal gemütlich zu machen. Dann wirst du je nach Studio oder Lehrer/Lehrerin hineingesprochen, das heißt, mittels Worten in die Entspannung begleitet oder direkt in Stille gelassen, vielleicht folgt eine ruhige Musik oder auch nicht, das ist ganz individuell.

Und mal einen Moment einfach nur liegen, nichts erledigen, nichts halten – das ist doch für uns alle schön. Und wenn du nun gerade schwanger bist, dann erlaube dir solche Pausen doch einfach öfter. Kleine Momente, in denen du innehältst und versuchst, dich zu entspannen.
Denn dein Körper nährt und trägt dein Baby, du leistest Unglaubliches. 

Und weil ich geschrieben habe, dass es wichtig ist, den eigenen Impulsen nachzugehen, ist natürlich nicht nur jene Yogastunde gut, die ähnlich abläuft wie ich es hier geschildert habe. Wenn du dich gern auspowerst und schweißtreibend praktizierst – go for it 😉 Meine Worte über eine „gute Yogastunde“ spiegeln mein persönliches Befinden wider.
Was dir gut tut, weißt du selbst am besten. Und wenn du es noch nicht weißt – teste es doch aus. Es lohnt sich, das zu wissen.


Linda ist Yogalehrerin, Coach und Hypnobirthing-Lehrerin und Mutter von drei Kindern. Mehr über Yoga und Hypnobirthing könnt Ihr auf ihrem Blog theurbannature.de lesen. Einen weiteren Einblick bekommt ihr auch hier auf Instagram.