Monat: September 2019

Einschlafbegleitung mit großen Kindern

„Aber in dem Alter muss das Kind noch nun wirklich alleine schlafen können!“ habe ich kürzlich bei einem Gespräch von Schuleltern gehört. Sehr wahrscheinlich kann das Kind auch im Schulalter allein einschlafen, wenn es das Gefühl erworben hat, sicher zu sein an diesem Schlafort und bei Bedarf bei den Eltern das Bedürfnis nach Schutz und Nähe einfordern kann. Und dennoch gibt es auch darüber hinaus Gründe, warum das Kind in den Schlaf begleitet werden kann. Denn nur weil es etwas kann, bedeutet es nicht, dass es das muss.

Vielleicht war der Tag voll und anstrengend. Vielleicht gab es nach der Schule noch eine Verabredung oder einen Termin oder Hausaufgaben oder es musste unbedingt in Ruhe gespielt werden… Und dann ist auch schon der Abend da und es war viel zu wenig Zeit, um vom Tag zu berichten, um die Ereignisse des Tages los zu lassen. Und genau jetzt, am Abend, tut das noch einmal so gut: Sich den Tag von der Seele zu reden. Sagen, was heute besonders schön war und was blöd erlebt wurde. Einen Blick zurück werfen auf den Tag. Nicht allein, sondern gemeinsam. Das Gefühl, dazu zu gehören, mit allen Gedanken aufgehoben zu sein.

Viele Kinder können und wollen mit 6,7,8… Jahren allein in einem Bett einschlafen und dort die Nacht verbringen. Manche Kinder brauchen aber auch noch Nähe oder nachts eine andere Person an der Seite, wenn sie aus dem Schlaf hochschrecken. Und viele Kinder brauchen einfach noch lange eine Begleitung am Abend, gerade dann, wenn die Zeiten unruhig sind. Ob uns das besorgen sollte? Denken wir einen Moment an uns selbst und unsere eigenen Bedürfnisse. Denken wir daran, dass gerade abends Menschen dazu neigen, zu grübeln und Gedanken hin und her zu wälzen und dann gerne einmal mit einer anderen Person darüber sprechen. Vielleicht sogar aus dem Halbschlaf hochschrecken und sagen: „Weißt du was, ich muss dir dringend noch erzählen, dass…“ Wahrscheinlich kennen wir alle diese Momente. Und auch Kinder haben sie. Auch sie müssen abends manchmal noch ihre Gedanken aussprechen, um dann beruhigt in die Nacht zu finden. Und auch bei Kindern ist das in Ordnung – warum auch nicht?

Manchmal sind es auch keine Worte, die wir am Abend nach einem anstrengenden Tag brauchen – und anstrengende Tage gibt es gerade zum Schulbeginn oft -, sondern das Gefühl, gehalten zu werden. Einfach im Arm eines anderen Menschen liegen, die Nähe genießen, das wohlige Gefühl des Vertrauens und die Beruhigung, die durch das Oxytocin in unseren Körper strömt. Manchmal braucht es das an Tagen, an denen so viel neu ist, an denen sich ein Kind vielleicht in der neuen Schule ausgegrenzt gefühlt hat oder das schmerzende Gefühl hat, nicht dazu zu gehören.

Wenn unsere großen Kinder in den Schlaf begleitet werden wollen, ist das meist kein Zeichen eines Mangels an Regulationsfähigkeit, sondern ein Zeichen für einen Bedarf. Bedarf nach Nähe, Vertrautheit, Zuwendung. Und mit der kleinen Geste der Zuwendung am Abend, mit dem Zuhören im Bett, mit einem um die Schultern gelegten Arm können wir ihnen am Ende des Tages das wohlige Gefühl geben, in dieser aufregenden Welt einen sicheren Ort zu haben, an dem sie den Tag loslassen können. Was für ein wunderbares Gefühl muss das sein.

Eure

Entwicklungsgespräche führen im Kindergarten

Wenn euer Kind einen regulären Kindergarten besucht, habt ihr wahrscheinlich schon häufiger Entwicklungsgespräche geführt oder sie stehen bald an. Häufig sind diese Gespräche einfach noch mal eine Bestätigung: meinem Kind geht es hier gut, es entwickelt sich „normal“. 

Manchmal gibt es jedoch Gespräche, die sich einfach nicht gut anfühlen. Das kann ganz verschiedene Ursachen haben, z.B. das Gefühl der einseitigen Betrachtung oder Stigmatisierung des eigenen Kindes. Wie könnt ihr damit umgehen?

Spürt in euch hinein: Ihr seid die Experten für euer Kind und kennt es am besten. Das heißt nun nicht, dass ihr die Einschätzungen von Erzieher*innen einfach in den Wind schlagen sollt (denn diese haben wiederum einen pädagogischen Background und äußern im besten Falle Befürchtungen etc. nicht leichtfertig, sondern nach sorgfältiger Überprüfung ihrerseits). Dennoch solltet Ihr für euch überprüfen, ob ihr den Dingen, die genannt wurden, so zustimmen könnt und euer Kind wiedererkennt.

Gesprächsbereitschaft: Steht nicht allem ablehnend gegenüber, aber macht deutlich: mein Kind ist wunderbar, so wie es ist. Es sind höchstens und lediglich die Handlungen, die hier im Fokus stehen sollten. 

Sucht gemeinsam nach Lösungen: Was erschwert dem Kind die Situation? Geht keiner Schuldfrage nach, sondern schafft ein gegenseitiges Hilfesystem fürs Kind, dass sich der Frage widmet: Was braucht dieses Kind, um sich hier im Kindergarten wohl zu fühlen und gut anzukommen? Und wie können wir gemeinsam ihm dabei helfen?

Geduld: Wenn es um reine charakterliche Dinge geht oder Entwicklungsunterschiede, die ihre Zeit brauchen: habt Geduld. Und  bittet die Erzieher*innen, diese ebenfalls zu haben.

Akzeptanz für die Einzigartigkeit von Kindern: Kein Kind muss in ein Raster passen. Dein Kind spielt zufrieden mit sich und mag keine Großgruppensituationen, scheut diese sogar? Vielleicht bist du ja selbst ebenfalls ein Mensch, der wenige, ausgewählte Freunde hat und damit vollkommen zufrieden ist. Nicht jedes Kind muss ein „Gruppenleader“ sein, sofern es sich mit seiner Situation wohl fühlt.

Chance: Seht Konflikte auch immer als Gelegenheiten, um gemeinsam zu wachsen. 

Entwicklungsgespräche als Anregung

Meistens erfüllen Entwicklungsgespräche einen ganz zentralen Zweck: Sie stellen den Kontakt und die Verbindung zwischen Pädagog*innen und Eltern sicher. Deswegen: habt Mut, freut euch auf die Möglichkeit, euch auszutauschen und in Verbindung mit den Menschen zu treten, die euer Kind Tag für Tag begleiten. Und scheut euch dennoch nicht, ihre Ansichten zu hinterfragen. Bei den Farbtupfern vermeiden wir daher das Wort „Entwicklungsgespräch“ und sprechen lieber von „Begleitungsgesprächen“, denn Worte schaffen Realität.

Janine Ringel ist Sozialpädagogin (BA) und Mutter von zwei Kindern (2014 und 2017 geboren). 2017 hat sie zusammen mit ihrem Mann den kleinen, bindungsorientierten, auf Achtsamkeit und GFK basierenden Kindergarten „Farbtupfer“ in Lübeck für Kinder von 2-6 Jahren gegründet und arbeitet darüber hinaus in der Elternberatung. Sie ist ausgebildet in gewaltfreier Kommunikation nach M.B.Rosenberg. Mehr von Janine findet Ihr auf auf  farbtupfer.org oder hier   auf Instagram.

Ich hab mich lieb! – Das Selbstwertgefühl von Kindern fördern

„Ich hab Dich lieb, Kind!“ sage ich meinem Kind am Abend. Mit strahlenden Augen blickt es mich an und erklärt „Ich hab mich auch lieb!“ – Einen Moment stocke ich. Ob ich nachfrage, ob das Kind mich auch lieb hat? Aber eigentlich brauche ich das gar nicht, denn wenn es erklärt, dass es sich selbst lieb hat, ist das eigentlich ausreichend und sagt viel mehr als „nur“ etwas über das Empfinden aus.

Selbstwert als wichtige Eigenschaft der Zukunft

Kinder im Wachsen zu begleiten, bedeutet, sie auf das zukünftige Leben vorzubereiten. Was sie brauchen werden, wissen wir heute nicht genau. Was wir ihnen aber auf jeden Fall für eine ungewisse Zukunft mitgeben können, ist ein Vertrauen in sich selbst, ein gutes Bild von sich selbst. Denn durch ein positives Bild von sich selbst, gehen sie an schwierige Aufgaben leichter heran. Sie denken nicht: „Oje, das sieht aber schwer aus!“ sondern „Puh, das sieht schwer aus, ich probier das aber mal aus!“ Sie begegnen Herausforderungen, anstatt sich vor ihnen zu verstecken. Dabei können sie ihr eigenes Können und ihre Grenzen gut einschätzen. Sie wissen, dass es immer auch Hindernisse und Schwierigkeiten gibt, können damit aber umgehen, beispielsweise indem sie sich Hilfen organisieren, recherchieren, nach Lösungen aktiv suchen.

Selbstwert entsteht nicht durch Lob

An der Entstehung dieses Selbstwertes können wir Eltern aktiv beteiligt sein, und zwar auf eine entspannte Weise. Wir müssen nicht beständig unsere Kinder loben, um ihnen ein gutes Gefühl für sich selbst zu vermitteln. Im Gegenteil: Lob bewertet bestimmte Handlungen oder Eigenschaften, beim Selbstwertgefühl geht es aber um die gesamte Persönlichkeit, die als wertvoll betrachtet wird. Lob vermittelt dem Kind, dass es nicht um seiner Persönlichkeit, seiner Ganzheit wegen geliebt wird, sondern für bestimmte Handlungen und Eigenschaften. Natürlich wünscht es, dass es für diese bestimmten Aspekte seines Selbst immer weiter gelobt wird, weil das Kind aus Bindungssicht darum bemüht ist, von den Bezugspersonen angenommen und geliebt zu werden: Es fordert also beständig mehr Lob ein. Gleichzeitig kann es aber auch passieren, dass die schon bei sich selbst als hervorragend wahrgenommenen Aspekte in den Gedanken des Kindes ja nicht weiter ausgebaut werden müssen – Loben würde dann das Handeln einschränken. Lob ist also kein Mittel, um Kindern ein gutes Selbstwertgefühl zu vermitteln (ausführlicher über Lob hier bei Gewünschtestes Wunschkind).

Wir müssen unseren Kindern auch nicht beständig übertrieben vermitteln: „Du bist stark“, „Du bist unabhängig“, „Du bist toll“. Denn auch hier heben wir nur die Besonderheiten hervor, aber nicht ein grundlegendes Gefühl der Akzeptanz.

Selbstwert wird im Alltag gestärkt

Anstatt durch gezieltes Lob können wir das Selbstwertgefühl des Kindes im Alltag stärken durch unsere Begleitung. Wir müssen dafür gar nicht viel tun, sondern eher beobachten und begleiten: Finden wir heraus, was unsere Kinder wirklich gerne machen und ermöglichen wir ihnen, genau das zu tun. Nehmen wir wahr, wie das Kind ist und akzeptieren wir das: auch dann, wenn das Kind ein ganz anderes Temperament hat als wir selbst, anderen Hobby nachgehen möchte als wir es uns gewünscht haben. Vermitteln wir dem Kind, dass es so, wie es ist, in Ordnung ist und versuchen wir nicht beständig, es „besser“ zu machen, indem wir erklären, wie es schöner/netter/adretter aussehen würde, wie es liebenswerter/cooler/beliebter wäre. Ein Kind ist, wie es ist. Es kommt mit einem bestimmten Temperament zu uns, mit bestimmten Stärken und Schwächen. Akzeptieren wir die Schwächen und erlauben wir dem Kind, die eigenen Stärken und Interessensgebiete auszubauen.

Erlauben wir dem Kind, Erfolge selbst zu haben und zu fühlen. Das beginnt schon bei Kleinigkeiten im Alltag wenn unsere Kinder noch klein sind: Lassen wir sie ihre Worte aussprechen, die sie sich so mühselig zurechtgelegt haben, lassen wir sie die Erfahrung machen, selbst sitzen, krabbeln, laufen zu lernen, anstatt sie hinzustellen und an den Armen zu halten, damit sie erste Schritte tun. Warten wir ab, statt schnell einzugreifen und lassen wir Kinder eigene Lösungen finden.

Wenn das Kind seine Schwächen als solche wahrnimmt und Hilfe braucht, begleiten wir es einfühlsam und vermitteln nicht, dass es in diesem Bereich „dumm“ oder „faul“ ist, sondern erklären wir, dass Menschen unterschiedlich sind und unterschiedliche Kompetenzen haben. Für die Schule mag es an einigen Stellen wichtig sein, dass auch die Bereiche, in denen Kinder nicht gut sind, aufgebaut werden, aber auch dabei können wir darauf achten, den Kindern ein positives Grundgefühl zu lassen dafür, dass die eigenen Schwerpunkte eben in anderen Bereichen liegen und das auch okay ist.

Selbstsicher sein, ohne Selbstsicherheit einzufordern

Unsere Kinder können ein gutes Gefühl für sich entwickeln, ohne dass wir sie darin speziell unterrichten müssten oder das von ihnen einfordern. Im Gegenteil: Der Weg dorthin führt über Eigenständigkeit und Akzeptanz – und neben Wurzeln auch besonders Flügeln. So entwickeln sie ein Gefühl für „Ich hab mich lieb!“ Und wenn sie das von sich denken, bedeutet es, dass wir ihnen sehr viel auf den Weg mitgegeben haben und unseren Kindern jene Liebe mitgegeben haben, die sie brauchen, um sich selbst zu lieben.

Eure

Die Erziehung für morgen

Manchmal ist es nicht so einfach sich über Nachhaltigkeit mit anderen zu unterhalten, denn es gibt viele unterschiedliche Meinungen dazu, was wie getan werden kann und Sinn macht und ob es überhaupt einen Sinn machen würde, wenn wir als einzelne Familien nachhaltig leben: schließlich braucht es politische Lösungen für nachhaltige Regelungen. Und natürlich stimmt es, dass dringend politische Lösungen gefunden werden müssen – bessere und innovativere als die kürzlich verabschiedeten. Dass sich das Klima wandelt, ist nicht bestreitbar. Dass dies bereits jetzt auf einen Großteil der Bevölkerung gravierende Auswirkungen hat, ebenso nicht. Noch sitzen wir hierzulande in einem ziemlich komfortablen Boot, das auf privilegiertem Wasser treibt – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber darauf sollten wir uns nicht ausruhen: Weder in Anbetracht der Menschen, die unter unserem Luxus bereits heute leiden, noch in Anbetracht der Menschen hierzulande und unserer Kinder. Denn Nachhaltigkeit und Klimaschutz bedeutet nicht nur, dass wir heute versuchen, das Ausmaß der Schäden in einem Rahmen zu halten, sondern es bedeutet auch, dass wir unsere Kinder schon heute auf das Morgen vorbereiten.

Die Welt ändert sich – Erziehung muss mitgehen

Die Welt ändert sich. Das hat sie schon immer getan, aber heute ist die Art des Wandels größer, gefährlicher. Die Welt ändert sich in einem Ausmaß, das nicht nur rasant ist, sondern auch die Lebensbedingungen so gravierend ändert, dass wir es uns nur schwer vorstellen können: die Temperaturen ändern sich, die Vegetation, die Lebewesen. Wie wir (über)leben können, ändert sich. Erziehung ist seit jeher der Weg, Kinder in das Leben zu begleiten und sie auf das eigenständige Leben vorzubereiten. Wir leben vor, wie sie sich in der Gesellschaft bewegen können, worauf sie Rücksicht nehmen müssen, welche Werte richtig und wichtig sind. Wir bringen ihnen im Dialog Sprache bei, zeigen ihnen das Lesen und Schreiben. Wir bereiten sie auf das vor, was sie später erwartet.

Was unsere Kinder erwartet, ist eine Zeit, in der sie mit Ressourcen noch achtsamer umgehen müssen als wir es aktuell oder in naher Zukunft tun. Sie erwartet eine Zeit, in der Ressourcen begrenzt sind und werden. In der sie global denken müssen statt regional. Sie erwartet eine Zeit, in der sie innovativ und kreativ sein müssen, in der soziale Aspekte des Miteinander von großer Bedeutung sind, Empathie und gegenseitige Unterstützung.

Unsere „Erziehung“ heute sollte sie auf diese Erfordernisse vorbereiten: Indem wir darum bemüht sind, ihnen sichere Bindungsbeziehungen zu ermöglichen, geben wir ihnen bereits viel mit auf den Weg, was sie später an sozialen Komponenten benötigen. Darüber hinaus können und sollten wir ihnen jedoch schon heute vorleben, ressourcenschonend mit der Welt umzugehen. Wir sollten durch ein gutes Beispiel voran gehen und unseren Kindern vorleben, wie wir selbst nachhaltig mit Ressourcen umgehen, können uns je nach Alter des Kindes über die Umwelt austauschen, können ins Gespräch gehen, warum wir bestimmte Dinge nicht (mehr) tun und wie es anders geht. Wir können Augen und Herzen öffnen für die Menschen, denen es weniger gut geht. Wir können gemeinsam abenteuerlich neue Wege gehen: gemeinsam nachhaltige Wege recherchieren, berechnen und überprüfen, wie wir zusammen ohne Flugzeug an das Reiseziel kommen, können gemeinsam Putzmittel oder Kosmetik herstellen. Im Supermarkt können wir zusammen die Schilder von Obst und Gemüse lesen und die Äpfel aus der Region kaufen statt aus Übersee. Und später können wir auf der Landkarte ansehen, woher so manches Obst überhaupt anreist. Wir können zusammen einen Kalender anlegen über saisonales Obst und Gemüse und dabei lernen, welche Nahrungsmittel wann wachsen. Wir können überlegen, wie wir die (noch) reiche Ernte für den Winter haltbar machen und ein paar Sachen zusammen ausprobieren. Wir können – ohne Dogma, aber bestimmt – mit einer nachhaltigen Lebensweise beginnen, die ein natürlicher Teil des Aufwachsens ist und Kinder vorbereitet auf die Zukunft und gleichsam vielleicht heute bereits einen kleinen Teil dazu beiträgt, die Auswirkungen der Vergangenheit zu begrenzen.

Eure

Mit Kindern über Gefühle sprechen – Grundstein für die Ausbildung emotionaler Intelligenz

Das Spielzeug, das Buch, den Lappen kann das Kind in die Hand nehmen. Mama/Papa sind Menschen im direkten Umfeld. Die Worte dafür werden recht schnell gelernt, denn sie sind unmittelbar verständlich: Ein Stuhl ist ein Stuhl, den man anfassen kann, den man sieht, auf dem man sitzen kann. Aber unsere Welt umfasst viel mehr Dinge als „nur“ die sichtbaren. Ganz wesentlich für das Miteinander sind auch die Gefühle, auch sie brauchen Worte und vor allem auch eine Einordnung: Fühle ich Wut oder Freude? Und wann steigt das eine, wann das andere in mir auf und was kann ich dann tun?

Den Gefühlen einen Namen geben

Wir Eltern benennen beständig die Dinge und Handlungen des Alltags: „Ich nehme dich jetzt hoch und dann wickeln wir dich.“, „Schau mal da oben der blaue Ballon!“ Den Wortschatz der großen Palette der Gefühle auszubauen, ist mindestens ebenso wichtig, wie den Wortschatz der Dinge um uns. Nur vergessen wir es manchmal im Alltag oder es fällt uns gar nicht so einfach. Über Gefühle sprechen wir oft viel zu selten – dabei ist gerade dies so wichtig und macht unser Miteinander aus. Wenn Kinder lernen, für Gefühle Worte zu finden, entwickeln sie nach und nach auch ein besseres Verständnis über die Gefühle. Auch können sie zunehmend besser einschätzen, wie sich eine Situation entwickelt aufgrund der eigenen Gefühle. Etwa um den zweiten Geburtstag fangen Kinder an, diese abstrakten Worte in ihre Sprache aufzunehmen. Wie vielfältig und differenziert dabei ihr Ausdruck wird, hängt auch davon ab, wie wir mit ihnen sprechen und welche Worte sie durch und kennen lernen und der eigenen Gefühlswelt zuordnen.

Gefühle beschreiben

„Du bist gerade ganz schön wütend!“
„Du lachst! Freust du dich?“
„Oh, du legst deine Stirn in Falten. Bist du gerade ärgerlich?“
„Das Kind hat dir die Schippe weggenommen, du bist jetzt ganz schön wütend und traurig.“
„Du hast richtig gute Laune heute.“
„Es ist traurig, dass dein Freund wegzieht.“
„Du siehst gerade sehr glücklich aus!“

Die Gefühle der anderen

Wenn wir über Gefühle sprechen, bildet sich nicht nur der Wortschatz aus und die Eigenwahrnehmung wird gestärkt, sondern auch das Verständnis der anderen wird verbessert: die Empathie. Kinder lernen, nicht nur sich selbst besser zu verstehen und die Emotionen einzuordnen, sondern können auch besser die Gefühle der anderen Personen um sie herum „lesen“ und damit umgehen: „Du bist traurig und weinst, ich hole ein Taschentuch für dich!“ Die Kenntnis der Vielfalt der Gefühle ermöglicht letztlich ein entspannteres Miteinander und ein besseres Sozialverhalten.

Gefühle verstehen lernen

  • mit Hilfe von Büchern über Gefühle
  • im Spiel mit Puppen und Kuscheltieren
  • wichtig: im Spiel auch den Umgang mit „schwierigen“ Themen wie Streit und Tod zulassen
  • Betrachtung von Gesichtern, beispielsweise auf Fotos: Was fühlt der Mensch dort wahrscheinlich?
  • kreatives Gestalten rund um Gefühle: mit Knete „Wut“ formen oder „Freude“ etc.
  • Musik nutzen und Gefühlen zuordnen: auf der Trommel „Wut“, „Freude“, „Einsamkeit“ spielen: Was unterscheidet sich, warum?

Es ist wichtig, dass unsere Kinder ihre Gefühle ausleben und erfahren dürfen und wir Erwachsenen sie darin begleiten. Nicht weniger wichtig ist es, ihnen ein guten Wortschatz für ihre Gefühle mit auf den Weg zu geben, damit sie darüber ein gutes Gefühl für sich, die eigenen Empfindungen und andere Menschen aufbauen können.

Eure

Spülmittel einfach selber machen

Aus den wenigen Zutaten Kernseife, Natron, Waschsoda und Zitronensäure lassen sich mit Wasser und ggf. ätherischen Ölen zahlreiche Reinigungsmittel ganz einfach selber machen, so auch Spülmittel für den Abwasch. Der Vorteil der Kernseife-Natron-Mischung: Sie ist einige Monate haltbar, besteht aus wenigen, verträglichen Grundzutaten und verfügt dennoch über eine gute Reinigungs- und Fettlösekraft. Ätherisches Öl muss nicht zugegeben werden, aber ätherisches Öl Zitrone lässt das Spülmittel frisch und „sauber“ riechen.

Das brauchst Du:

  • leere Flasche zur Aufbewahrung, idealerweise mit Seifenspenderpumpe
  • 8 TL geraspelte Kernseife (ohne Überfettung, ohne Palmöl)
  • 2 TL Natron
  • 1 Tasse Wasser
  • 10 Tropfen ätherisches Öl Zitrone

Und so einfach geht es: Das Wasser in einem kleinen Topf erhitzen alternativ: im Wasserkocher erhitzen), Kernseife raspeln. Das kochende Wasser vom Herd nehmen und die Kernseife darin mit einem Schneebesen auflösen und abkühlen lassen. Dann Natron und ätherisches Öl zugeben, gut verrühren und in die Flasche füllen. Setzt sich das Spülmittel im Laufe der Zeit ab, einfach vor dem Pumpen kurz schütteln.

Warum kann mein Kind nicht (zu)hören!?

An manchen Tagen geht mir dieser Satz durch den Kopf: „Warum kannst du nicht hören!?“ Dann, wenn das Kind einfach nicht das tut, wozu man es doch gerade aufgefordert hatte. Dann, wenn es das Gegenteil macht von dem, was man gerade gesagt hatte. Dann, wenn man doch gerade eben erklärt hat, was passieren würde, wenn…

Aber „Kannst du nicht hören?“ meint eigentlich weder das, was wir selbst damit eigentlich umschreiben wollen noch das, was gerade beim Kind dazu führt, dass es etwas ganz anders macht als geplant. Mit „Kannst du nicht hören?“ meinen wir eigentlich: „Kannst du nicht funktionieren wie ich will?“ oder noch genauer „Kannst du nicht gehorchen?“ Hinter diesem Satz steht die alte Annahme, Kinder müssten den Vorschriften der Eltern bedingungslos folgen und Eltern könnten einen Weg vorgeben.

Kinder funktionieren nicht

Aber Kinder funktionieren nicht. Kinder gehorchen nicht, auch wenn wir uns das manchmal wünschen. Und egal wie sehr wir auch versuchen, unseren Einfluss durchzusetzen, bleiben sie immer wieder darin bestrebt, es anders zu machen. Eltern, die Strafen verhängen oder schimpfen, stellen immer wieder fest, dass sich ihre Kinder dennoch auflehnen. Denn: Kinder folgen ihren Entwicklungsplänen. Und diese Pläne bedeuten vor allem: Sie wollen das Leben und die Welt kennenlernen. Das tun sie nicht, wenn sie unseren Anweisungen blindlings folgen. Sie be-greifen die Welt durch eigenes Handeln, durch eigene Fehler, durch eigenes Lernen. Lernen meint, sich aktiv mit einem Sachverhalt auseinander zu setzen. Unsere Aufgabe als Eltern ist es nicht, ihnen einen Buch mit Handlungsanweisungen für das Leben zu überreichen, sondern ihnen eine Umgebung zu ermöglichen, in der sie Lernerfahrungen machen können. Und diese Lernerfahrungen meinen auch: Sie tun es anders, sie probieren sich aus.

Natürlich gibt es immer auch Situationen, in denen wir nicht die Wahl haben: gefährliche Situationen, in denen wir wirklich einen Weg vorgeben müssen, in dem es keine Alternativen gibt. Aber in unserem Alltag gibt es daneben eben auch viele Situationen, in denen es anders geht, wenn keine Gefahr in Sicht ist.

Der richtige Weg: Akzeptanz

Anstatt sich immer wieder darüber aufzuregen, dass das Kind nun einmal nicht das tut, was doch in dieser Situation richtig/sinnvoll/angeraten war, sollten wir vielmehr annehmen, dass das Kind genau das eben nicht tut. Weil es erst lernen muss, dass unsere Idee richtig war. Oder – und auch das ist möglich – dass es einfach eine ganz andere Problemlösungsstrategie entwickelt. Eine, die uns vielleicht selber nicht eingefallen wäre.

Anstatt drauf zu achten, was das Kind gerade NICHT tut (auf uns hören), sollten wir unseren Blick auf das richten, WAS das Kind gerade tut: Eine Idee zur Lösung eines Problems entwickeln, eine Handlungsstrategie verfolgen, eine besondere Interaktion eingehen. Wir können unseren Blick auf die Ressourcen lenken und auf das, was das Kind gerade jetzt durch gerade dieses Vorgehen lernt.

Die Stellen beachten, wo das Kind „hört“

Es ist nicht einfach anzunehmen, dass unsere Kinder eigenen Wege gehen und eigene Wege gehen müssen. Sie lieben uns deswegen nicht weniger. Und von uns Eltern ist es kein Zeichen fehlender Liebe oder fehlenden Engagements, sie ihren Weg gehen zu lassen. Es ist vielmehr eine bewusste Anstrengung, ihnen diese Freiheit zu geben, gegen die sich so viel in uns auflehnt, weil wir noch immer denken, Kinder müssten doch unbedingt folgsam sein.

Aber auch hier können wir unseren Blick ändern und nicht nur auf das sehen, was sie gerade eben anders tun und an welchen Stellen sie nicht hören, sondern unser Augenmerk auf das lenken, wo sie uns entgegen kommen, wo sie unsere Ideen aufgreifen oder auch ganz bewusst etwas für uns tun. Denn neben dem Umstand, dass unsere Kinder Selbständigkeit lernen und Kompetenzen erwerben, lernen sie auch das Leben in einer sozialen Gruppe und sind bemüht, auch darin richtig zu handeln – und dies ganz besonders mit ihren primären Bezugspersonen. Manchmal überwiegt dabei die Neugierde und der Wunsch nach neuen Erfahrungen, aber ganz oft können wir mit einem wohlwollenden Blick auch wahrnehmen, an wie vielen Stellen sie uns entgegen kommen, wie oft sie hören oder zumindest versuchen, in unserem Sinne zu handeln.

Anstatt uns also auf das Hören zu konzentrieren, sollten wir vielleicht lieber unseren Fokus auf das eigene Zusehen lenken und beobachten, warum und wie unsere Kinder handeln.
Eure


Hanni Honigbiene – Kooperatives Brettspiel für Kinder ab 2 Jahren

Rezensionsexemplar*

„Meine ersten Spiele: Hanni Honigbiene“ (Amazon** | Buch 7** | Hersteller) beinhaltet zwei kooperative Würfelspiele für Kinder ab 2 Jahren. Im Sinne der Kooperation geht es in diesem Spiel darum, gemeinsam auf ein Ziel hin zu arbeiten. Es wird nicht gegeneinander, sondern miteinander gespielt.

Variante 1

In der ersten Spielvariante fliegt Hanni Honigbiene über die bunte Blumenwiese von einer bunten Blüte zur nächsten, bringt den Nektar zum Bienenstock, wo er zum Honig wird und schließlich ein Honigglas befüllt. Ziel ist es, gemeinsam das Honigglas zu füllen und hoffentlich so viele nicht verwelkte Blumen anzufliegen, dass das Glas voll werden kann.

Reihum wird gewürfelt: Die gewürfelte Farbe wird benannt und dann die dazu passende Blüte ausgesucht. Hanni Honigbiene fliegt zur Blüte, die dann in den aufgestellten Bienenstock geworfen wird und durch den unteren Schlitz mit der Rückseite, die einen Honigtropfen zeiht, heraus fällt. Dieser Honigtropfen wird dann in das Glas gegeben. Wird allerdings die verwelkte Blüte gewürfelt, muss eine Blütenkarte aus dem Spiel genommen werden. Passiert das zu oft, kann nicht genug Honig gesammelt werden.

Hanni Honigbiene

Variante 2

Die zweite Spielvariante ist eine Art Memoryspiel: Hier werden die runden Plättchen mit dem Honigtropfen nach oben ausgelegt. Ziel ist es, die gewürfelte Farbe aufzudecken und die entsprechende Blüte dann in den Honigstock zu stecken, um dann mit dem Honigtropfen wieder das Glas zu befüllen. Auch hier kann wieder die verwelkte Blüte gewürfelt werden, was zum Ausscheiden eines Plättchens aus dem Spiel führt. Ziel ist es wieder, das Honigglas zu füllen.

Fazit

Beide Spielvarianten sind schön gestaltet und der aufgestellte Bienenkorb im Spielkarton lädt zum Spielen ein. Die Spieldauer ist ausreichend kurz, so dass ein zweijähriges Kind sich daran erfreuen kann und auch wenig komplex. Etwa 10 Minuten pro Spiel kommen zusammen. Die zweite Variante ist etwas anspruchsvoller, aber durch die geringe Anzahl an Blüten-/Tropfenplättchen (10 Stück) altersangemessen. Alle Spielmaterialien sind für Kleinkindhände ausreichend groß und auch stabil. Insgesamt ein niedliches erstes Brettspiel für kleine Kinder.

In der Spielanleitung findet sich noch eine Kurzinformation über Bienen für ältere Kinder. Prinzipiell lädt das Spiel dazu ein, sich mit dem Thema „Bienen“ zu beschäftigen oder das Spiel zu nutzen, wenn das Thema gerade aktuell ist, beispielsweise im Frühjahr. Passend dazu können Bücher über Bienen gelesen werden und im Frühjahr Blumensamen gesäht werden.

* Das Spiel „Meine ersten Spiele: Hanni Honigbiene“ wurde nach Anfrage als Rezensionsexemplar von der Firma Haba zur Verfügung gestellt. Die hier abgebildete Rezension spiegelt unsere persönliche Meinung wieder.
**Dieser Artikel enthält Affiliate-Links zu Amazon und Buch7, durch die ich im Falle einer Bestellung eine Provision erhalte ohne dass für Euch Mehrkosten anfallen.

Kooperatives Brettspiel: Die Legende der Irrlichter

Rezensionsexemplar*

„Die Legende der Irrlichter“ (Amazon** | Buch 7** | Hersteller) ist ein kooperatives Brettspiel aus dem Hause Haba für 4 Teilnehmer*innen ab 6 Jahren. Gespielt wird auf einem interaktiven Spielplan mit LED-Labyrinth, betrieben durch Batterien.

Geschichte

Als Team geht es zusammen darum, das Schloss Luxantis von König Nachtula vor den Schattenwesen zu bewahren. Um die Schattenwesen zu besiegen, müssen im Lichterwald-Labyrinth verzauberte Gegenstände eingesammelt werden. Aber das ist gar nicht so einfach, denn die roten Irrlichter bringen die Gefährt*innen gerne vom Weg ab. Nur gemeinsam können alle Gegenstände eingesammelt und die Schattenwesen besiegt werden.

Spiel

Maximal 4 Spieler*innen können sich auf dieses Abenteuer begeben. Gemeinsam wird in der Spielfeldmitte gestartet von wo aus sich das Team aufteilen muss: Wer sammelt welche Gegenstände ein, damit die insgesamt 8 Schattenwesen, die sich auf Schloss Luxantis zubewegen, aufgehalten werden können? Jedes Schattenwesen zeigt auf der Schattenwesen-Karte, welche Objekte es aufhalten können. Gemeinsam muss sich also die Gruppe verständigen, wer welches Objekt einsammelt und in welcher Reihenfolge das sinnvoll ist. Die Spieler*innen spielen im Uhrzeigersinn: Jede*r kann die eigene Spielfigur in einer Runde maximal 5 Felder weit bewegen und würfelt abschließend. Der Würfel zeigt an, ob anschließend die rote Taste gedrückt werden muss (die gefährlichen roten Irrlichter leuchten auf und senden, wenn sich jemand auf ihnen befindet, denjenigen zum Start zurück), die blaue Taste mit den blauen Glühwürmchen den sicheren Weg anzeigt, der schwarze Wirbel die blauen und roten Glühwürmchen den Weg verändern lässt oder sogar ein Schattenwesen ein Feld vorrücken kann zum Schloss.

Das Spiel ist sowohl in der Komplexität als auch Geschichte herausfordernd und für Kinder, die es gerade gerne magisch mögen, passend. Der Schwierigkeitsgrad kann (und muss je nach Spieler*innenanzahl) angepasst werden: Sind es nur zwei Spieler*innen, ist es schwer, das gesamte Spielfeld auf der Suche nach den passenden magischen Objekten zu überqueren, um die Schattenwesen zu bekämpfen. Hier können daher dann einfacher zu besiegende Schattenwesen ausgewählt werden (die nur 1 oder 2 magische Objekte benötigen, um bekämpft zu werden). Wer es komplizierter mag, kann die schwereren Schattenwesenkarten einsetzen.

In einer großen Gruppe von vier Personen hat es hier besonders große Freude bereitet. Bei jeder Teamgröße ist es jedoch wichtig, gemeinsame Absprachen zu treffen, gemeinsam zu planen und wirklich miteinander zu spielen. Durch die Änderungen des schwarzen Wirbels wird das Spiel immer wieder spannend – solange auch ausreichend oft die Schattenwesenseite des Würfels gewürfelt wird und die Spielteilnehmer*innen auch gegen die Zeit spielen. Die roten Irrlichter sind nicht zwangsweise ärgerlich, wenn die Teammitglieder erkennen, dass ein rotes Irrlicht auch nutzbringend eingesetzt werden kann, weil so der Weg zur Spielfeldmitte verkürzt wird.

Fazit

Ein schönes Spiel für eine Gruppe, bei dem wirklich gut zusammengearbeitet werden muss und das auch für ältere Kinder spannend bleiben kann, wenn passend gewürfelt wird. Die LED-Lichter sind dabei natürlich ein Highlight und geben dem Spiel einen besonderen Zauber.

Schade ist, dass die magischen Objekte auf den Schattenwesenkarten sehr klein abgebildet sind und bei voller Besetzung des Spiels nicht von jeder Position gleich gut erkannt werden kann, welche magischen Objekte für welches Schattenwesen eingesammelt werden müssen. Da sie sich auch ähneln, kann es zu Verwechslungen kommen.

Insgesamt aber ein schönes Spiel, das durch die Veränderungen immer wieder neu gespielt werden kann.

* Das Spiel „Die Legende der Irrlichter“ wurde nach Anfrage als Rezensionsexemplar von der Firma Haba zur Verfügung gestellt. Die hier abgebildete Rezension spiegelt unsere persönliche Meinung wieder.
**Dieser Artikel enthält Affiliate-Links zu Amazon und Buch7, durch die ich im Falle einer Bestellung eine Provision erhalte ohne dass für Euch Mehrkosten anfallen.

Vor dem Kind mit der eigenen Wut umgehen

Und auf einmal ist sie da, die Wut. Über den ausgeschütteten Tee, über die zerbrochene Tasse. Darüber, dass sich das Kind mal wieder nicht anziehen lassen will oder dass es ein bestimmtes Schimpfwort gesagt hat, von dem man doch schon x Mal gesagt hat, dass es nicht gesagt werden soll. Da ist sie also, diese Wut und bahnt sich den Weg durch den Körper in jede einzelne Zelle, möchte über die Lippen kommen, möchte vielleicht etwas anfassen, möchte etwas werfen oder aufstampfen oder… Aber halt! Wir sind keine Kinder, wir sind die Erwachsenen. Wir sind Vorbilder und können überlegt handeln – oder doch nicht?

Wut darf sein

Wut zu spüren, ist normal. Sie gehört zur breiten Palette unserer Gefühle. In unserem Alltag können wir all das spüren: Liebe und Mitgefühl und Freude, aber auch Wut, Enttäuschung, Ekel. Was oft als „negative“ Gefühle bezeichnet wird, ist einfach ein Teil unseres Gefühlslebens. Es ist richtig, zu fühlen. Und auch diese Gefühle haben ihre Berechtigung, deuten sie uns doch auf etwas hin: auf einen Widerwillen, auf Gefahr, auf Überforderung, auf Ungerechtigkeit. Hinter dem Gefühl, das wir spüren, steht ein Anlass dafür, genau das zu spüren. Und dieser Anlass für dieses Gefühl verdient Beachtung. Es ist nicht richtig, von uns zu erwarten, dass wir bestimmte Gefühle aus dem Leben ausklammern, weil wir Eltern geworden sind.

Meistens ist es nicht das Kind…

In den meisten Fällen ist es nicht das Kind, das die großen Gefühle in uns auslöst. Oft bringen Kinder nur das Fass zum Überlaufen: An einem ohnehin schon anstrengenden Tag, an dem wir nur noch schnell nach Hause wollen, zieht das Kind auf einmal die Bremse und setzt sich auf den Bürgersteig, nicht bereit noch einen Zentimeter voran zu gehen. Wir sind erschöpft von diesem Tag, wollen uns endlich ausruhen und dann das! Wir schimpfen, aber eigentlich meinen wir nicht: „Kind, ich bin so wütend auf dich!“ sondern „Kind, nicht das jetzt auch noch. Der Tag war zu anstrengend!“ An einem stressigen Morgen mit Zeitdruck will sich das Kind nicht anziehen. An einem Samstag ohne Terminen wäre es vielleicht kein Problem, aber heute muss das Kind pünktlich abgeben sein, denn kurz darauf gibt es einen wichtigen Termin. Wir schimpfen und meinen eigentlich nicht „Kind, mach dich endlich fertig, immer bist du zu langsam!“, sondern meinen eher „Kind, heute ist es doof, ich muss so dringend zu diesem Termin!“ Unser Alltag ist voll von all den Dingen, die es uns schwer machen, Familie entspannt zu leben. Voll von Terminen, Druck, Stress – und diese sind gerade in der Kleinkindzeit große Hürden für den Alltag.

Und manchmal weckt das Kind auch Erinnerungen

Manchmal wecken unsere Kinder mit ihrem Verhalten aber auch Erinnerungen, die tief in uns verwurzelt sind: wir werden „getriggert“. Die Erfahrungen unseres Lebens sind in unserem Gehirn gespeichert. Ist das Kind laut, schreit es, schlägt es um sich, beißt oder tritt, kann uns das an die eigene Kindheit erinnern. Wir versuchen, diese Situation zu unterbinden durch Handlungsmuster, die wir erfahren haben. Oft sind das jene, die wir eigentlich nicht einsetzen wollten in der Erziehung der eigenen Kinder.

„Das Kind ist AUSLÖSER für ein Verhalten, das tief in uns eingespeichert ist. Die eigentliche URSACHE unseres Handelns ist nicht das Kind, sondern die Erfahrung, die wir selbst gemacht haben.

S. Mierau „Ich! Will! Aber! Nicht!“ S. 68

Wie nun mit der Wut umgehen?

Wir sehen also: Wut ist ein normales Gefühl. Wir sehen auch: Auf vielfältige Weise kann Wut in unserem Alltag ausgelöst werden – selbst wenn wir uns bemühen, die auslösenden Faktoren zu vermeiden. Wir wissen: Es tut unseren Kindern nicht gut, wenn wir sie beschämen, durch Worte ihren Selbstwert angreifen – und jede Art körperlicher Gewalt ist falsch. Aber wie können wir nun mit der Wut, die es eben gibt, umgehen? Wie sollen wir im Familienalltag einen Weg finden, wütend zu sein und wütend sein zu dürfen? Wie können wir unseren Kindern ein gutes Vorbild darin sein, Wut zu haben und angemessen damit umzugehen?

Zunächst können wir die äußeren Faktoren in den Blick nehmen, die uns in Wutsituationen führen können und sehen, was an diesen geändert werden kann: Wo können wir den Alltag entstressen, wo können wir mehr Unterstützung bekommen und Aufgaben abgeben? Welche Routinen können wir ändern oder neu entwickeln, um weniger Stress zu haben? Den Tisch abends für morgens vordecken? Die Kleidung abends schon bereit legen? Das Kind doch lieber tragen oder mit dem Buggy abholen, auch wenn es schon 4 ist, als darauf zu bestehen, dass es erschöpft vom Kitatag noch läuft, weil es „ja schon groß“ ist?

An welchen Stellen sind es vielleicht auch Fehlannahmen über unser Kind, die uns leiten: Kinder wollen uns nicht verärgern, sie spielen keine „Machtspiele“, sondern haben konkrete Bedürfnisse, die hinter ihrem Verhalten stehen. Diese zu ergründen, kann uns – gerade in der Kleinkindzeit – auch einem entspannteren Alltag näher bringen. Schauen wir, was unser Kind leitet, warum es sich verhält, wie es sich verhält. Und übernehmen wir als neuen Glaubenssatz, den wir uns immer wieder vorsagen: „Mein Kind will mich nicht ärgern. Es handelt, wie es handelt, weil es einfach ein Kind ist.“

Wenn wir damit einige Wutsituationen umschifft haben, können wir uns uns selbst zuwenden: Wie schaffe ich es, in den dennoch anstrengenden Situationen zwar wütend, aber nicht verängstigend oder beschämend zu sein? Die Neurowissenschaftlerin Jill Boyle Taylor erklärt in ihrem Buch „My stroke of Insight. A Brain Scientist’s Personal Journey„, dass die eigentliche Wutreaktion, die neurochemisch im Gehirn ausgelöst wird, nur 90 Sekunden andauert. Diese Sekunden – die sich lang anfühlen können – sind es, in denen wir uns um uns selbst kümmern müssen und für die wir Handlungsalternativen finden und implementieren müssen: Schritt für Schritt sollen wir von dem, was wir eigentlich tun wollen (beispielsweise das Kind anschreien) neue Möglichkeiten einüben (beispielsweise erst einmal die Wand anschreien, schlagen die Autorinnen vor). Unsere Wut ist da, sie ist eines unserer Gefühle. Wir sollten allerdings einen guten Umgang mit ihr finden.

In vielen Situationen tut es gut, bewusst einen Schritt zurück zu treten – das kann auch wortwörtlich sein. Sich distanzieren von der Situation und durchatmen. Sich eine Pause verschaffen, um dem Körper die Chance zu geben, sich zu beruhigen und dann eine überlegte Handlung auszuführen. Wir können über unseren Ärger sprechen, wir können ihn rauslassen und dabei bei uns bleiben. Nicht zum Kind sagen: „Du bist blöd, weil du die Tasse kaputt gemacht hast!“ sondern „Ich bin echt traurig, weil die Tasse kaputt ist!“ oder statt „Jetzt hör endlich auf mit deinem nervigen Geschrei!“ sagen „Für mich ist es gerade wirklich zu laut, ich brauche eine kurze Pause.“ Es ist in Ordnung, sich eine Pause zu nehmen, sich eine Pause zu gönnen. Wir müssen nicht immer für alles beständig eine Lösung parat haben.

Mit der Zeit können wir unser Bewusstsein darauf lenken, wie es sich anfühlt, wenn die Wut in uns aufsteigt und dann schon frühzeitig die Notbremse zu ziehen, wenn es geht. Manchmal spüren wir, dass wir uns auf eine Situation zubewegen und können uns selbst sagen: Gleich wirst du wütend. Wenn wir das spüren, weil vielleicht unsere Atmung flacher und schneller wird, weil wir merken, wie unser Herz stärker schlägt, können wir versuchen, uns frühzeitig aus der Situation zu ziehen und eine Pause zu gönnen. Manchmal merken wir auch lange Zeit vorher, dass der Tag irgendwie eine ungünstige Wendung zu nehmen droht und können dann bewusst gegenwirken: Die Musik anmachen und tanzen, alle Verabredungen absagen und sich einfach zusammen ins Bett kuscheln und lesen, …

Es ist nicht leicht, einen neuen Umgang mit der Wut zu finden, wenn wir in alten Mustern feststecken. Aber es ist möglich. Es braucht vor allem Zeit, manchmal aber auch eine therapeutische Unterstützung. Es ist nicht schlimm, Hilfen zum Umgang mit der Wut zu suchen, denn oft haben wir einfach keinen guten Umgang erlernt und brauchen neue Ideen, Vorbilder und Anregungen für diesen Weg. Er ist es wert. Für unsere Kinder, aber auch für uns selbst.

Eure

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