Erwartungen – von Eltern an Kinder und sich selbst

Es sind immer wieder unsere Erwartungen, die uns das Leben schwer machen. Erwartungen daran, wie sich andere Menschen verhalten sollen und auch Erwartungen an uns selbst. Erwartungen, wie sich unsere Kinder in dieser oder jener Situation verhalten und Erwartungen, wie wir selber sein sollen. 

„Erwachsene“ Erwartungen an Kinder

Wie oft ärgern wir uns darüber, dass etwas, das wir uns vorgenommen haben, mit Kindern nicht geht? Ein Fest besuchen am Abend, ein Restaurantbesuch zu einem feierlichen Anlass, eine lange Shoppingtour. Die Liste der „erwachsenen“ Dinge, die wir manchmal versucht sind, mit unseren Kindern zu unternehmen, ist lang. Und manches Mal mag es auch gelingen, dass die Kinder tatsächlich unseren Erwartungen standhalten. Manches Mal kippeln sie aber am Tisch bis zum Umfallen, schreien laut oder bewegen sich keinen Millimeter mehr von der Stelle. Wir denken: Meine Güte, warum klappt das nur nicht? Oder sind versucht, sie an ein gutes Benehmen zu erinnern oder zu maßregeln, dass sie sich nun aber wirklich besser benehmen sollten. „Besser benehmen“ bedeutet jedoch in den meisten Fällen: erwachsen benehmen. Oft vergessen wir, dass wir vor uns eben keine kleinen Erwachsenen haben, sondern Kinder. Menschen, die ihre Bedürfnisse noch nicht so lange aufschieben können wie wir selber. Menschen, deren Bedürfnisse auch einfach noch ganz anders sind als unsere. Denn das Bedürfnis des Kindes ist es nicht, an einer gepflegten Tafel lange ruhig zu sitzen und sich an sorgsam angerichtetem Essen zu erfreuen. Das Bedürfnis des Kindes mag es aber sein, Nahrung zu sich zu nehmen, diese mit allen Sinnen zu genießen und sich im Anschluss einer anderen Freude hinzugeben. Diese ist es wahrscheinlich nicht, den Gesprächen erwachsener Menschen zu zu hören, sondern vielmehr den aktuellen Entwicklungsbedürfnissen nachzukommen: das Klettern zu verfeinern, selber zu sprechen oder zu singen oder Kinderwitze zu erzählen.

Manches Mal treffen unsere erwachsenen Erwartungen auf ganz andere Bedürfnisse bei Kindern. Oft sind unsere Kinder darum bemüht, unseren Erwartungen nachzukommen. Sie passen sich an, wollen uns gefallen und versuchen so gut es eben geht, mitzumachen und unsere Wünsche zu erfüllen. Aber ihre Fähigkeiten sind begrenzt, ihre Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt und sie haben nur einen kleinen Spielraum der Möglichkeiten, um sich anzupassen.

Auch sie haben Erwartungen an uns: Dass wir dies erkennen. Als Eltern müssen wir immer wieder hinsehen, wo die Fähigkeiten des Kindes erschöpft sind. Erwartungen auf Seiten der Eltern und auf Seiten der Kinder müssen in ein Gleichgewicht gebracht werden: Ich als Elternteil wünsche mir dies, aber ich weiß, dass mein Kind das nur bis zu Punkt X leisten kann. Gehen wir darüber hinaus, kommen wir nicht selten in einen Konflikt.

„Über-„Erwartungen an uns selbst

Konflikte sind es auch, die uns als Eltern an uns selber zweifeln lassen. Immer dann, wenn wir an uns selbst zu hohe Erwartungen stellen. Wir sind – natürlich – darum bemüht, alles richtig zu machen, unsere Kinder liebevoll, geborgen und bestmöglich zu begleiten. Und dennoch kommen uns manchmal Stolpersteine in den Weg: Worte – oft in der eigenen Kindheit erlernt – kommen über unsere Lippen, die wir nicht sagen wollten. Wir wollten doch nicht schreien und doch passiert es wieder. Wir wollten nicht verzweifeln am Weinen unseres Babys und doch stehen wir da und wissen nicht weiter.

Auch die Erwartungen an uns selbst machen uns das Leben dann schwer, wenn sie nicht mit unseren tatsächlichen Fähigkeiten im Einklang stehen. Wenn wir immer wieder mit unseren Erwartungen unsere Fähigkeiten überschreiten, erschöpft uns dies und macht uns unsicher und enttäuscht. Wir laufen Gefahr, auszubrennen.

Ausstieg aus zu hohen Erwartungen

Um langfristig entspannt als Familie leben zu können ist es wichtig, dass wir zu hohe Erwartungen abbauen: Sowohl zu hohe Erwartungen an das Verhalten unserer Kinder, als auch zu hohe Erwartungen an uns selbst. Es ist wichtig, einen Leitstern zu haben für unser eigenes Verhalten und auch die kindliche Entwicklung und die wachsenden Möglichkeiten im Blick zu haben, doch sollten diese immer wieder mit den tatsächlichen Möglichkeiten und Ressourcen abgeglichen werden. Für uns selbst bedeutet dies, uns immer wieder zu fragen: Was ist mir wichtig und woran scheitere ich immer wieder? Kann es sein, dass ich an dieser Stelle zu viel von mir selbst verlange und gibt es Wege, meine Ansprüche in kleinere Päckchen zu packen und mich Schritt für Schritt dem anzunähern, was ich wünsche? Was kann mich darin unterstützen, meinem Wunsch näher zu kommen? Und ist er überhaupt realistisch und für mich richtig oder habe ich diesen Anspruch erlernt und eigentlich ist er nicht wichtig für mein Wohlbefinden? Es kann erleichternd sein, sich von einigen Ansprüchen selbst frei zu sprechen, wenn man entdeckt, dass sie für das eigene Leben gar nicht bedeutsam sind.

In Bezug auf unsere Kinder ist es hilfreich, ihre Entwicklung und ihre Möglichkeiten immer wieder realistisch einzuschätzen und uns zu fragen: Kann mein Kind meinem Wunsch wirklich entsprechen oder ist mein Wunsch nur so groß, dass ich will, dass mein Kind dem entsprechen kann? Auch hier hilft es, Erwartungen zu zerkleinern und nach Hilfen Ausschau zu halten: Wie lange kann mein Kind wirklich an einer von mir gewünschten Sache teilnehmen, wann muss ich es abbrechen oder kann mich eine andere Person unterstützen? Ganz besonders wichtig ist es, dass wir unser Augenmerk nicht darauf lenken, welche Erwartungen nicht erfüllt werden, sondern auf die Aspekte, die das Kind von sich aus gut erfüllen kann oder gut erfüllt hat. Sicherlich gibt es – wenn wir genau hinsehen – viele Momente, an denen wir den Willen des Kindes zur Unterstützung erkennen. Anstatt auf das zu sehen, was negativ ist und was fehlt oder gerade jetzt in diesem Alter nicht gemacht werden kann, können wir unseren Blick positiv auf das richten, was gut und machbar ist und somit langfristig einen positiven und realistischen Blick auf die kindlichen Möglichkeiten ausbauen.

Welche Situationen sind es bei Euch, in denen ihr zu hohe Erwartungen an Euch selbst oder Eure Kinder habt?
Eure

4 Kommentare

  1. Aktuell unsere unterschiedlichen Bedürfnisse. Mein Partner arbeitet Schicht, unser Kind ist 3, kann schon vieles und ich wünsche mir oft sehnlichst das es jetzt schon „Gefahren wahrnehmen/Gefährdungseinschätzung“ kann.
    Ich wünsche mir von meinem Partner mehr Engagement in dem Thema unser Kind zu begleiten und in Beziehung zu gehen statt zu erziehen.
    Und ich habe trotz aller Hilfe mittlerweile Tage an denen nichts geht und ich keine Kapazität habe mich um mich geschweige denn jemand anderen zu kümmern.

    Vieles ist im Fluss, etliches hat sich schon zum leichteren und wohl auch besseren gewandelt.
    Anderes bedeutet noch sehr viel Arbeit von allen Beteiligten.

    Seana

  2. Unser Sohn ist im März 3 geworden und ist sprachlich und motorisch super fit. Er wirkt sehr viel älter, ist aber natürlich emotional einfach 3 Jahren alt und hat entsprechende Bedürfnisse. Leider erwarten wir von ihm viel zu häufig die Reife, die das Verständnis und das Verhalten eines 4 oder 5 Jährigen.
    Seit 1 Woche ist er nun großer Bruder und liebt seine Schwester auch, aber er kommt als Mama-Kind schlecht mit der geteilten Aufmerksamkeit klar. Dazu der Trotz, der seinem Alter entspricht und mein Dickkopf… Es ist für mich so schwer (emotional) ihn so traurig zu sehen und ich erwarte viel zu oft sein Verständnis und seine Kooperation in der neuen Situation. „er muß doch wissen, wie dass dies oder jenes gerade nicht geht. Er muss doch jetzt mal warten können. Warum brüllt er jetzt und warum ist er so sauer….“
    🙁 sehr schwierig sich da manchmal selber wieder einzufangen und dann für ihn da zu sein und ihn aufzufangen.
    Gibt es da vielleicht Tipps um es uns 4en leichter zu machen uns neu einzufinden?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert