Monat: September 2019

Ich will das anders machen! Kleinkindbedürfnisse verstehen

Du sagst: „Nein, ich will das nicht anziehen!“. Ich höre: „Nein, ich habe keine Lust, lass mich in Ruhe.“ Du meinst aber: „Ich will DAS nicht anziehen, ich will es alleine machen!“. Du sagst: „Ich will das nicht essen.“ Ich denke: „Das schmeckt dem Kind also auch wieder nicht!“ Du meinst: „Ich will selber entscheiden, was ich zu mir nehme.“ Diese Beispiele lassen sich scheinbar endlich fortführen – gerade mit Kleinkindern.

Kommunikationsprobleme mit Kleinkindern

Die Kleinkindphase ist eine Zeit, in der wir oft ein wenig aneinander vorbei kommunizieren: Da ist das Kind, das einen Wunsch zum Ausdruck bringt oder eine Ablehnung, hinter der ein Bedürfnis steht. Und da sind wir Erwachsenen, die diese Äußerung aus unserer Erwachsenperspektive sehen und bewerten. – Nur übersehen wir dabei häufig, dass ein „Nein“ des Kindes nicht zwangsweise ein absolutes Nein zu der Situation ist, sondern ein Nein zu unserer erwachsenen Idee zur Lösung eines Sachverhalts.

Kinder wollen ins Leben wachsen

Was Kinder – gerade in dieser Zeit – wollen, ist, in das Leben hinein zu wachsen. Das ist ihr Plan, ihre Aufgabe in dem, was wir Kindheit nennen. Sie wachsen in das Leben hinein und lernen das Leben, die Welt, die Menschen kennen. Und dies schaffen sie nur, indem sie sich aktiv mit der Welt auseinander setzen und auch auseinander setzen dürfen. Sie brauchen den Freiraum, Erfahrungen zu machen, Dinge zu lernen – und auch Fehler zu machen und daraus zu lernen.

Wenn unsere Kinder größer werden, fordern sie dieses Lernen und Teilhaben ganz aktiv ein. In der Babyzeit gelingt es uns noch oft, sie abzulenken, unsere Pläne durchzusetzen. Von Vorteil ist es, wenn wir schon in dieser Zeit damit beginnen, das Kind teilhaben zu lassen: Bei der Pflege, wenn es sich selbst abwischen darf, beim Essen, wenn es sich selbst füttern kann, beim Anziehen, wenn wir es auffordern, den Fuß zu heben, damit wir den Strumpf darüber ziehen können. Kinder sind von Anfang an daran interessiert, mitzuwirken, uns – neben dem Bestreben nach Selbstwirksamkeit – entgegen zu kommen.

„Oft bedeutet der Alltag mit einem Kind in der Autonomiephase eine Abkehr von den Gedanken, die uns bislang vermittelt wurden. Der wichtigste – vielleicht neue – Gedanke lautet: Dein Kind möchte kooperieren und unterstützen. Und das jeden Tag in vielen Situationen. Schau einfach genau hin!“

S. Mierau in „Ich! Will! Aber! Nicht!“ S. 61

Manchmal kollidieren allerdings beide Ansprüche: Das Kind möchte die Eltern nicht bewusst verärgern, sondern hat im Rahmen der Bindung das Bedürfnis, den Eltern zu entsprechen, um Sicherheit und Versorgung zu gewährleisten. Gleichzeitig hat es aber auch das Bedürfnis, sich zu entwickeln und zu lernen. Diese Neugierde und dieses Entwicklungsbedürfnis ist natürlicherweise sehr stark und das Kind kommt diesem nach im Rahmen der natürlichen Entwicklung. Dabei stößt es aber auf Hindernisse bei den Eltern, die vielleicht das Entwicklungsbedürfnis nicht sehen, aktuell nicht berücksichtigen können oder auch andere Abwägungen treffen müssen (beispielsweise bei Gefahrensituationen, die das Kind nicht überblicken kann). So kommt es zu einem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ansichten und ggf. zu einem Konflikt.

Mögliche Problemlösungsstrategien

Was wir also in den Situationen tun können, die zu einem Konflikt werden: Wir können uns und dem Kind) eine Reihe unterschiedlicher Fragen stellen, um vielleicht neue Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen oder zu finden:

Was will das Kind wirklich? Zieht sich das Kind beispielsweise auf der Straße auf einmal die Schuhe aus, können wir es zunächst fragen, warum es das tut, anstatt es gleich zu ermahnen. Vielleicht antwortet es (wie das Kind hier oben im Bild): „Ich möchte mal kurz fühlen, wie sich der Fußboden hier anfühlt.“ Lehnt es also etwas ab, oder möchte es „nur“ etwas anders gestalten? Wir können uns auch fragen, ob die Ängste oder Ansichten, die unsere Handlungen leiten, wirklich wichtig und richtig sind, oder ob es „nur“ erlernte Konventionen sind, auf die wir bestehen, die aber eigentlich nicht sinnvoll oder zielführend sind.

Können wir (jetzt oder in Zukunft) die Situation anders gestalten, damit dem Bedürfnis des Kindes mehr entgegen gekommen wird? Haben wir vielleicht übersehen, dass das Kind in der Entwicklung schon weiter ist und behandeln es noch ein wenig „babyhaft“, obwohl es eigentlich schon Dinge kann, die wir noch für das Kind tun? Können wir gemeinsam ausprobieren, wie weit das Kind in einem bestimmten Bereich schon ist, um dann passende neue Herausforderungen in den Alltag einzubauen (beispielsweise das Kind bei der Essenszubereitung mehr einbinden).

Wie in der Kommunikation mit erwachsenen Menschen sollten wir auch hier von einem Dialog ausgehen, von einem Miteinander und dem gemeinsamen Finden eines Wegs.
Eure

„Ich hab Bauchweh“ – Wenn Kinder eine Pause brauchen

Manchmal sind die Tage anstrengend. Manchmal gibt es Streit mit Freund*innen, manchmal gibt es Umbrüche im Alltag. Auch für Kinder ist nicht jeder Tag einfach. Und auch bei ihnen kann Stress und Anspannung auf den Bauch schlagen. Wichtig ist natürlich, zunächst abzuklären, ob nicht wirklich eine Erkrankung hinter dem Bauchweh oder den Kopfschmerzen steht*. Neben solchen Erkrankungen projizieren Kinder aber auch unangenehme Gefühle auf Kopf oder Bauch: „Mein Kopf tut weh!“, „Ich hab Bauchweh.“ – Diese Sätze kennen wohl viele Eltern. Aber wie können wir damit umgehen, wenn das Kind scheinbar Schmerzen ohne „echte“ Ursache hat?

Schmerzen sind Schmerzen

Schmerzen sind Schmerzen. Wir können nicht nachfühlen, ob das Kind Schmerzen hat oder nicht, auch wenn es keine medizinische Ursache gibt. Es ist möglich, dass sich ein Unwohlsein tatsächlich durch Schmerzen äußert. Deswegen gilt immer: Wenn Kinder Schmerzen haben, sollten wir diese Ernst nehmen. Hat ein Kind Schmerzen oder spricht es über Schmerzen, sollten wir daher nicht sagen: „Das ist nicht schlimm“, „Das kann gar nicht sein“, „Das bildest du dir nur ein“, sondern vielmehr Verständnis entgegen bringen: „Das tut dir weh!“ „Zeig mir, wo es weh tut“ oder auch „Was glaubst du, woher die Schmerzen kommen“ – solche Reaktionen bieten eine Möglichkeit zum Gespräch. Das Kind fühlt sich angenommen und verstanden und kann sich weiter öffnen.

Die Frage nach einer möglichen Ursache kann gerade auch bei größeren Kindern eine Tür sein, um dem Grund auf die Spur zu kommen: Vielleicht ist ein anderes Kind krank mit solchen Schmerzen, vielleicht hat es in Kita oder Schule etwas über eine Krankheit gehört, das es verängstigt hat. Vielleicht sagt es auch direkt, dass ein anderes Kind es geärgert hat und es seither Schmerzen hat. Oder dass es weh tut, weil gerade eine bestimmte Situation so anstrengend ist. Geben wir den den Kindern die Möglichkeit, den Schmerz zu benennen und sind wir bereit, uns darauf einzulassen, helfen wir den Kindern bereits durch das Gefühl, nicht allein zu sein.

Schmerzen „behandeln“

Vielleicht können wir durch solche Gespräche bereits die Ursache finden und an einem konkreten Problem gemeinsam arbeiten. Manchmal ist die Ursache aber auch nicht so einfach oder überhaupt nicht zu finden. Hier hilft es, wenn wir dem Kind Unterstützung geben beim Umgang mit dem Schmerz.

Oft haben Kinder „Bauchschmerzen“ oder „Kopfschmerzen“, wenn sie eine Ruhepause brauchen und ein wenig aus dem Alltag ausbrechen müssen, um mal wieder Zuwendung und Aufmerksamkeit von den Bezugspersonen zu bekommen. Das kann im Alltag einfach vorkommen, dass es zwischenzeitlich mal ein stärkeres Bedürfnis danach gibt, vielleicht weil der Alltag gerade sehr anstrengend oder mit vielen Veränderungen verbunden war. Wichtig ist, dies zu erkennen und (ohne Anklage) darauf zu achten, dem Kind zu vermitteln, dass es auch andere Wege geben kann, um Ruheinseln in den Alltag einzubetten, ohne dass dafür Beschwerden herangezogen werden müssen. Gerade in anstrengenden Übergangszeiten oder wenn es gruppendynamische Probleme gibt, bieten sich regelmäßige Rituale an, um die Akkus wieder aufzufüllen.

In der konkreten Situation aber geht es zunächst darum, für diese aktuelle Situation eine gute Begleitung zu finden und dem Kind liebevolle Zuwendung zukommen zu lassen. Wie sie aussehen kann, ist ganz verschieden – je nach Vorlieben des Kindes.

Ideen zur „Behandlung“ sind beispielsweise:

  • An erster Stelle steht immer das Mitgefühl
  • Körperkontakt: die warme Hand des anderen auf dem schmerzenden Bauch oder Kopf tut gut. Über Körperkontakt können wir Fürsorge vermitteln, Oxytozin, das bei positivem Körperkontakt ausgeschüttet wird, beruhigt und entspannt. Auch eine entspannende Bauchmassage (im Uhrzeigersinn) kann helfen. Oder mit etwas Creme ein lachendes Gesicht, eine Sonne oder ein Herz auf den Bauch des Kindes zu malen.
  • Ruhig zusammen atmen: Das Kind kann bei Bauchschmerzen die eigenen Hände auf den Bauch legen und bis in den Bauch atmen: Der Bauch hebt sich. Dann langsam ausatmen lassen und beobachten, wie sich der Bauch wieder senkt.
  • Bei Kopfschmerzen kann der Kopf in die Hände genommen und angenehm umfasst und dabei ebenfalls ruhig geatmet werden.
  • Mag das Kind Berührung (gerade) weniger, kann auch ein warmer Tee beruhigend und entspannend wirken.
  • Manchmal tut es auch gut, den Schmerz zu verbildlichen: Ein Bild dazu malen, eine Figur kneten. So wird der Schmerz in Gedanken aus dem Körper ausgelagert.
  • Hat das Kind über einen längeren Zeitraum Schmerzen, sollten auch die Gewohnheiten in den Blick genommen werden: Gibt es konkrete Auslöser, schläft es zu wenig, treten Schmerzen nach ganz bestimmten Situationen auf?

So, wie für Erwachsene, gibt es auch für Kinder eine Vielzahl an anstrengenden Situationen. Nur weil die Kinder sind, kommen sie nicht zwangsweise leichter mit dem Alltag zurecht oder sind unbeschwerter. Haben wir einen Blick für ihre Bedürfnisse und gönnen wir ihnen die Ruhe- und Entspannungspausen, die wir uns ja auch oft wünschen.

Eure

*Bei plötzlich auftretenden Schmerzen oder länger andauernden Schmerzen ist eine Ärztin/ein Arzt aufzusuchen. Gerade bei Bauch- und Kopfschmerzen gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen, die abgeklärt werden sollten. Dieser Artikel bezieht sich ausschließlich darauf, wenn von medizinischer Seite Erkrankungen/Nahrungsmittelunverträglichkeiten/Sehprobleme etc. ausgeschlossen werden können und Bauch- oder Kopfschmerzen durch Anspannung/Stress/Nähebedürfnis entstehen.

Kooperatives Brettspiel: Einhorn Glitzerglück

Rezensionsexemplar*

„Einhorn Glitzerglück: Eine Party für Rosalie“ (Amazon** | Buch 7** | Hersteller) ist ein kooperatives Lauf- und Sammelspiel aus dem Hause Haba für Kinder ab 4 Jahren. Als kooperatives Spiel geht es hier darum, als Gruppe gemeinsam ein Ziel zu verfolgen – es wird also nicht gegeneinander gespielt, sondern miteinander.

Geschichte

Einhorn Rosalie ist neu im Wolkenland, weshalb die Einhörner Glitzerglück, Sternenstaub, Wunderblume und Zauberwirbel eine Willkommensparty veranstalten wollen. Dazu müssen alle Freund*innen gefunden und zur Partywolke gebracht werden und auch alle Wolkenkristalle wollen eingesammelt werden bevor Rosalie auf der Partywolke eintrifft. – Die Partyvorbereitungen sind also der Haupthandlungsstrang des Spiels.

Spiel

Gemeinsam müssen also die Partygäst*innen gefunden werden, die sich auf den verdeckten Freunde-Plättchen auf dem Spielfeld befinden. Hier ist es gut, sich ein wenig anzusprechen: Wer geht wo entlang. Die Zusammenarbeit bestimmt das Spiel, denn es gibt ausschließlich das gemeinsame Ziel, alle Partyvorbereitungen abzuschließen, bevor Rosalie eintrifft (die immer eine Wolke weiter ziehen darf Richtung Partywolke, wenn ihr Bild gewürfelt wird). Ein gemeinsames Spiel, das spannender wird, je näher Rosalie der Partywolke kommt: Schaffen wir es, alle Vorbereitungen abzuschließen, bevor sie eintrifft?

Das Spiel ist ab 4 Jahren empfohlen, dementsprechend ist es nicht allzu komplex und auch die Spieldauer ist überschaubar für junge Kinder. Die Materialien sind gut auch für kleine Kinderhände nutzbar, das Spielbrett wird zusammengepuzzelt und auch die Partygäst*innen werden in das Spielbrett eingepasst sobald sie eingesammelt wurden. Die Geschichte erinnert ein wenig an den Spielklassiker „Mein erster Obstgarten“, ist aber ein wenig komplexer durch die verdeckten Partygäst*innen, die eingesammelt werden wollen und die Wolkenkristalle, die erdreht werden müssen.

Fazit

Ein schönes Spiel, das meine Söhne gerne spielen. In einigen Rezensionen wird bemängelt, dass Spiel und Verpackung sehr von der Farbe Rosa dominiert werden, aber wir haben keine Auswirkungen auf die Spielfreude festgestellt. Gerade für jüngere Kinder ist es ein schönes und nicht zu komplexes oder langes Spiel. Für Kinder im Schulalter ist es dann vielleicht etwas zu leicht, aber dennoch eine schöne Möglichkeit, damit ein älteres Geschwisterkind mit einem kleineren zusammen ein Brettspiel ohne gewinnen oder verlieren spielen kann, was ja sonst gerade bei jüngeren Kindern in der Autonomiephase nicht immer reibungslos verläuft. Ein Spiel, das auch nach mehrmaligen Spielen immer wieder Freude macht und anders ist.

* Das Spiel „Einhorn Glitzerglück: Eine Party für Rosalie“ wurde nach Anfrage als Rezensionsexemplar von der Firma Haba zur Verfügung gestellt. Die hier abgebildete Rezension spiegelt unsere persönliche Meinung wieder.
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