Monat: Mai 2019

Ideen fürs Wochenende Mai #04

An diesem Wochenende geht es um das Formen und Bauen. Gerade jetzt macht das im Sandkasten und Garten besonders Spaß. Deswegen gibt es ein tolles Rezept für kleine Baumeister*innen für eine einfache Fugenmasse. Und wenn das Wetter doch etwas schlechter ist, ist Knete immer eine gute Idee.

Fugenmasse für Steinhäuser

Draußen im Garten Steine verbauen oder die gesammelten Steine endlich einmal verarbeiten? Dafür ist selbstgemachte Fugenmasse ganz wunderbar. So können Steintürme entstehen oder kleine Steinhäuser im Sandkasten oder für den Jahreszeitentisch. Die Fugenmasse ich ganz einfach selbst zu machen. Ein wenig klebrig, aber gut formbar bleibt der verarbeitete Sand dann recht stabil. Für die Fugenmasse gibst Du 200g Mehl und 1,5 kg Sand in einen Topf, dazu 600g Wasser. Wer mag, kann auch Lebensmittelfarbe zugeben. Alles wird zusammen unter Rühren aufgekocht bis es eindickt. An der Luft trocknet es und wird etwas hart.

Knete selber machen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Knete selber zu machen. Meistens finden sich Rezepte mit oder ohne Alaun. Praktisch ist es, immer die Zutaten für Bastelideen einfach zu Hause zu haben. Daher nutze ich ein Knetrezept ohne Alaun. Zudem kann Alaun auch zu Schleimhautreizungen führen. Wir machen Knete daher auf diese Art: Hierzu werden 200gMehl, 300g Salz, 400g Wasser, 20ml Öl (Speiseöl oder Pflegeöl), 20g Zitronensäure in einem Topf verrührt. Diese Mischung wird unter Rühren auf dem Herd erhitzt bis die Masse eingedickt ist und sich vom Topfrand löst (nicht anbrennen lassen). Kurz abkühlen lassen, dann kann die Masse aufgeteilt werden und mit Speisefarben gefärbt werden (gibt es im Supermarkt, aber es können auch natürliche Färbemittel genutzt werden wir Rote Beete Pulver oder Matcha Tee). Die Knete ist dann 3-4 Wochen haltbar, sollte aber in einer Dose aufbewahrt werden, damit sie nicht hart wird. Weder Knete mit Alaun noch Salz sollte gegessen werden.

Eva berichtet hier, dass sie in ihre gelbe Knete Calendula gemischt hat. Auch Calendulaöl kann natürlich zugeben werden. Und bei Breifreibaby wird noch Glitzer dazu gegeben.

Und für die größeren Kinder ist vielleicht der Flaschenteufel von Sabrina eine tolle Idee, die ihn hier vorstellt.

Viel Spaß wünscht Euch

Lernen mit Lego – Der cartesische Taucher

Mit Lego haben viele von uns als Kinder selbst schon gespielt. Lego ist ein sehr vielfältiges Spielzeug. Es können unendlich viele Welten erschaffen werden. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Aus einem einfachen kleinen Plastiksteinchen ergeben sich immens viele Möglichkeiten. Lego wird daher auch schon sehr lange genutzt, um Kindern in Kindergärten und Schulen verschiedene Sachverhalte, anschaulich und erklärbar zu machen. Wieso nicht also auch Zuhause?

Als gelernte Chemietechnikerin sind es für mich gerade die Naturwissenschaften die mich selbst so sehr faszinieren und daran möchte ich auch meine Kinder teilhaben lassen. In der Physik z.B. werden Gesetzmäßigkeiten von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen erklärt, der Auftrieb oder auch der Druck und die Komprimierbarkeit dieser Stoffe. In einem kleinen Versuchsaufbau können wir unsere Kinder mit einfachen Worten an diese Naturgesetze heranführen.

Der cartesische Taucher ist vielen vielleicht noch als Flaschenteufel ein Begriff. In meiner Kindheit gab es diese mundgeblasenen kleinen Glasteufelchen häufig. Wir gaben sie in eine mit Wasser gefüllte Flasche, verschlossen sie mit einem Gummistopfen und wenn wir diesen in die Flasche drückten, tauchte das Teufelchen ab. Ließ der Druck nach, kam es wieder nach oben.

Und so geht es

Mit Lego ist dies sehr leicht nachzubauen. Dazu wird relativ wenig Material benötigt:

  • Eine Legofigur
  • Kleine Gewichte (Knete, Musterbeutelklammern o.ä.)
  • Eine Plastikflasche oder Glasflasche mit Gummistopfen
  • Wasser

Zunächst ist etwas Ausprobieren nötig! Damit der Versuch gut funktioniert, muss der Legotaucher gerade so mit dem Kopf die Wasseroberfläche berühren. (Dies habe ich zunächst in einem Wasserglas getestet) Dadurch ist gewährleistet, dass nicht zu viel Auftrieb durch eingeschlossene Luft (im Legokörper bzw. den offenen Legobeinen) vorhanden ist. Zu viel eingeschlossene Luft und ein zu hoher Auftrieb lässt den Legotaucher nicht abtauchen. Ich habe in die Füße des Legotauchers einfach zwei Musterbeutelklammer gesteckt und umgeklappt. Ihr könnt es auch mit Knete versuchen, dabei dürft ihr aber die Öffnungen der Beine nicht völlig verschließen, da dadurch später Wasser eindringen können muss. Sinkt euch der Taucher einfach nach unten, sind eure Gewichte entweder zu schwer oder ihr habt eventuell jegliche Luft aus den Beinchen geschüttelt und der Auftrieb ist weg. (Luft steigt immer nach oben)

Habt ihr den Lego-Taucher im „perfekten“ Auftrieb, füllt ihr die Flasche nun fast vollständig mit Wasser, gebt den Taucher hinein und verschließt diese fest. Nun, wenn alles richtig gemacht wurde, sinkt der Taucher beim Zusammendrücken der Plastikflasche. Lassen wir los, steigt er wieder nach oben.

Was passiert da?

Stoffe können theoretisch zusammengedrückt werden. Bei Flüssigkeiten und festen Stoffen ist dies allerdings nur in einem sehr, sehr geringen Maß möglich.  Gasförmige Stoffe, wie Luft, lassen sich sehr gut komprimieren, also beim Zusammendrücken wird das Volumen kleiner. Die Gasteilchen rücken näher zusammen.

Drücken wir nun die Flasche zusammen, bauen wir Druck auf. Der Druck überträgt sich auf das Wasser und damit auf die Luft im Lego-Taucher. Die Luftblasen im Lego-Taucher werden dadurch zusammengedrückt, es wird Platz frei für eindringendes Wasser. Wasser ist schwerer als Luft und der Taucher sinkt. Lassen wir los, kann sich die Luft wieder ausdehnen.  Das Wasser wird zurückgedrängt und der Taucher hat wieder genügend Auftrieb, um nach oben zu steigen. Wenn ihr mit euren Kindern genau auf die Rückseite der Beine des Tauchers schaut, seht ihr sogar die Luftblasen und wie sich diese beim Zusammendrücken verkleinern und beim Loslassen wieder ausdehnen. Wirklich spannend zu beobachten!

Ihr seht, mit Lego lässt sich viel mehr schaffen als die Erfinder sich ursprünglich mal gedacht haben. Auf meinem Blog unter der Rubrik „Lernen mit Lego“  habe ich schon einige weiterer Ideen gesammelt und es werden noch viele Weitere folgen, denn der Lego-Spaß ist hier ungebrochen, bei Kindern und uns Eltern.

Sabrina ist Chemietechnikerin und beschäftigt sich auf ihrem Blog Wunschkind-Herzkind-Nervkind mit Spielanregungen nach Montessori, Kinderbüchern und gibt Einblick in ihr bedürfnisorientiertes Familienleben. Mehr von Sabrina könnt Ihr lesen auf auf ihrem Blog,  oder auf Instagram.

Für wilde und für vorsichtige Kinder: Natur ist für jeden da

„Im Wald hinter unserem Haus gab es einen kleinen Bach. Dort, wo das Wasser eine Biegung machte, war das Ufer mit weichem Moos gepolster. Das war meine Lieblingsstelle. Ich legte mich auf das Moos, legte den Kopf auf das Polster und spürte eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Während ich da lag, beobachtete ich die kleinen Moostierchen, die in meinem Mooskopfkissen wohnten. Es ekelte mich nicht und es machte mir keine Angst. Ich fühlte mich als Teil von ihnen. Ich war ein Teil ihres Mooses und das Moos war ein Teil von mir. Hier konnte ich liegen und beobachten und wurde in Ruhe gelassen. Niemand ermahnte mich, niemand erwartete, dass ich wild sei. Ich durfte so sein, wie ich war.“

„Schneller, immer schneller rannte ich den Hügel hinab. Das Gras war lang, es ging mir bis zur Hüfte. Ich jauchzte und lachte und schrie. Das Gras verfing sich in meinen Beinen, brachten mich zum Fallen. Doch die Landung war weich. Mit einem langen Stock ausgestattet, kämpfte ich mich weiter den Hügel hinab. Von links nach rechts schlug ich mir den Weg frei, viel fester, als es eigentlich nötig gewesen wäre, um durchzukommen. Meine ganze Konzentration galt den Schlägen des Stockes gegen das Gras. Meine ganze Kraft entlud sich. Links. Wwwwusch. Ich hörte den Wind, den der Stock erzeugte. Rechts. Wwwwusch. Dabei feuerte ich mich selbst an. Ich durfte laut sein und wild. Niemand ermahnte mich, niemand erwartete, dass ich vorsichtig sei. Ich konnte so sein, wie ich war.“

Die Natur fragt nicht. Die Natur nimmt jeden so, wie er ist. Laut und leise. Jeder findet seinen Platz und niemand muss sich verstellen. Die lauten Kinder dürfen laut sein und sie werden sich in ihrem Lautsein mit der Natur verbunden fühlen. Die leisen Kinder dürfen leise sein und sie werden sich mit ihrer Ruhe mit der Natur verbunden fühlen.

Ein Heidenspaß – oder ein maßgeschneiderter Entwicklungsraum

„Was ist dein einprägsamsten Erlebnis, dass du als Kind in der Natur hattest?“, war die Frage, die zu den obigen beiden Antworten führte. Die erste Geschichte erzählte mein Mann, die zweite ist meine Geschichte. Der ruhige Junge und das wilde Mädchen. In der Natur hatten wir beide einen Platz. Dort konnten wir so sein, wie wir eben waren. Unterschiedlich. Immer willkommen. Wenn wir uns damals schon gekannt hätten, hätten wir trotzdem viele Spiele gefunden, die uns beiden Spaß machten: Hütten bauen und Unterschlupf suchen. In Parallelwelten abtauchen, in denen Beeren gesammelt wurden, Grassuppe gekocht wurde und sich mit Stöcken bewaffnet gegen feindliche Lager verteidigt wurde. Wir spielten quasi Jagen und Sammeln. Ganz intuitiv waren es uralte Motive, um die sich unser Spiel drehte. Wir übten, lernten und trainierten mit den Elementen, die wir vorfanden. Es war das Spielfeld für unsere, wie ich heute weiß, körperliche, emotionale und soziale Entwicklung. Die Natur stellte einen maßgeschneiderten Entwicklungsraum dar. Damals machte es einfach einen Heidenspaß. Diese Welt im Wald oder auf der Wiese war eine Erfahrungswelt, die genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war. Auf völlig verschiedene Bedürfnisse! Dennoch war für uns beide das vorhanden, was wir brauchten, um an unserem Fundament zu bauen.

Die Natur ist voller Reichtum

„Zeit in der Natur ist Entwicklungszeit“, schreibt Herbert Renz-Polster in „Wie Kinder heute wachsen“. Kinder scheinen das intuitiv zu wissen. Sie werden magisch von den wilden Teilen auf Kindergärten- und Schulgeländern angezogen. Dorthin, wo es kleine Lichtungen, Gebüsche, Erdhügel oder umgekippte Baumstämme gibt. Diese Lieblingsorte bieten Kindern Schutz und Unterschlupf. Sie sind für die einen die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und zu verstecken, für andere eine Gelegenheit für Entdeckungen und Streifzüge. Das Besondere bei diesen Plätzen ist der Reichtum, den die Natur innehält. Herbert Renz-Polster schreibt: „Die Natur steckt voller Anreize. Und diese passen zu den Herausforderungen des Großwerdens wie der Schlüssel zum Schloss.“ Egal, ob für laute oder für leise Kinder. Egal, ob für große oder kleine. Egal, ob für wilde oder für brave Kinder. Draußen, unter freiem Himmel, werden die Unterschiede ganz klein.

Die Natur bewertet nicht, die Natur erwartet nichts. Hier kann jedes Kind so sein, wie es generell eigentlich immer sein dürfen sollte. Doch während das oftmals in Kindergärten und Schulen und leider auch in Elternhäusern noch immer nicht die Regel ist, werden Kinder draußen, seit Anbeginn der Menschheit, von der Natur einfach angenommen. So, wie sie sind.

Veronika hat Biologie, Naturschutz und Landschaftsplanung studiert und ist Mutter einer Tochter. In ihrer Kolumne „Naturorientiertes Aufwachsen“ berichtet sie von Wegen, auf denen Kindern die Liebe und der Respekt zur Natur als Samenkorn mitgegeben werden können.  Mehr über Veronikas Arbeit und ihre aktuellen Texte zu grünen Themen findet ihr auf ihrer Homepage, Instagram oder Twitter.

Wie Dein Kind sich selber sieht

Immer wieder reden wir davon, wie wichtig es ist, dass unsere Kinder selbstbewusst sind und für sich und ihre Bedürfnisse einstehen. Immer wieder sprechen wir über Würde und Anerkennung und dass wir Kinder brauchen, die für Werte einstehen und sie als Erwachsene leben. Wie wichtig Akzeptanz, Kreativität, Liebe, Verständnis und Achtung anderem Leben gegenüber ist. Aber nicht selten denken wir, dass das eben aus den Kindern kommen müsste. Die Jugend muss das so umsetzen, diese Werte. Aber unsere Kinder und „die Jugend“ kann nur das umsetzen, was sie selbst verinnerlicht hat. Und dafür ist es wichtig, was wir unseren Kindern über sich selbst vermitteln.

Es sind die kleinen Dinge im Alltag, die sich in uns festsetzen, die ein Bild davon prägen, wie wir sind, wie unser Verhältnis zur Umwelt ist. Unsere und die Entwicklung unserer Kinder findet im Alltag statt: Mit welchen Herausforderungen schaffen wir es, wie um zugehen. Was ist uns erlaubt, was ist verboten – und warum?

Schauen wir auf ein paar Alltagssituationen

Es gibt viele Beispiele, wie sich das Selbstbild des Kindes ausbildet: Stolpert ein Kind häufig, können wir es fragen, ob die Schuhe zu klein sind oder zu groß. Oder wir erklären: Du bist gerade gewachsen und du musst dich erst wieder an deine neuen Körpermaße gewöhnen. Das Kind erfährt: Es gibt Gründe, warum mir das passiert und wir können sie beheben oder damit umgehen. Oder aber wir heben hervor, dass das Kind immer tollpatschig ist und richten unser Augenmerk auch zukünftig darauf, verdrehen beim Stolpern und Fallenlassen die Augen. Das Kind wird verinnerlichen, dass es tollpatschig ist und das auch zukünftig so annehmen. Es wird zum Teil des Selbstbildes.

Das Mädchen, das gerne mit dem Schnitzmesser umgehen möchte, kann einfach am Schnitzen teilnehmen. Vielleicht verletzt es sich einmal wie alle anderen Kinder auch. Wir erklären, dass das völlig normal ist und allen so geht. Mit etwas Übung wird das aber bei allen besser. Oder wir erklären, dass das nichts für Mädchen sei und sie deswegen eben nicht schnitzen könnte. Sie wird ein Bild von sich ausbilden (in Verbindung mit anderen ähnlichen Erfahrungen), dass sie aufgrund ihres Geschlechts für bestimmte Tätigkeiten nicht geeignet sei.

Der Junge, der malt und malt und malt. Immer wieder das gleiche Bild, wie viele Kinder in dem Alter es tun. Wir können das Bild ansehen und fragen, was er malt. Sagen, dass das anscheinend ein wirklich wichtiges Thema für ihn ist und danach fragen, warum. Er merkt, dass wir unsere Aufmerksamkeit teilen und Interesse haben an seinem kreativen Werk. Oder wir sagen, dass das nicht besonders einfallsreich ist, immer das gleiche Motiv zu malen. Und man könne kaum etwas erkennen. Macht er die Erfahrung öfter, verinnerlicht er, dass er nicht kreativ ist. Wahrscheinlich wird er weniger malen.

Unsere Zuschreibungen bestimmen ihr Selbstbild

Tollpatsch, Logiker, Emotionale, „typisch“ Mädchen, „typisch“ Junge – wir prägen die Bilder, die unsere Kinder sich von sich machen mit unserem Verhalten im Alltag. Ob unsere Kinder ein gutes Bild von sich selbst verinnerlichen, hängt im Wesentlichen auch davon ab, welche Erfahrungen sie mit uns machen.

Wenn wir unseren Kindern Verletzlichkeit und Ängste nicht zugestehen, müssen sie stark sein und verinnerlichen, dass sie Schwäche nicht zeigen dürfen – und später auch bei anderen nicht anerkennen. Wenn wir unseren Kindern heute kein Gefühl für ihren eigenen Körper erlauben und ihnen immerzu erklären, wann sie Hunger oder Durst haben und wann sie auf Toilette müssen, können sie kein gutes Körpergefühl entwickeln und es fällt ihnen auch später schwer, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.

Statt Zuschreibungen: Anerkennung und Unterstützung

Was unsere Kinder brauchen ist, dass wir sie beobachten und annehmen, wie sie sind, mit ihren Interessen und Gefühlen. Sie spüren die breite Palette der Emotionen und wir können sie dabei begleiten, anstatt zu erklären, dass manche Gefühl nicht gefühlt werden sollten. Wo sollen sie denn sonst hin? Unsere Kinder sind nicht wir, sie setzen nicht unser Leben fort und müssen nicht unsere Interessen teilen. Wir wählen nicht den Weg für sie aus, sondern begleiten sie auf dem Weg, der zu ihren Möglichkeiten, Bedürfnissen und ihrem Temperament passt. Wir beschämen sie nicht, sondern ermutigen sie. Wir bestrafen nicht, sondern finden gemeinsam Lösungen. Wir leben nicht gegeneinander, sondern miteinander.

Und so wird es dann auch etwas mit den Werten, denn sie sind mit diesen Werten aufgewachsen, haben sie selbst gefühlt und verinnerlicht und können sie dann weiter geben. Es beginnt und endet damit, wie wir miteinander umgehen: im Kleinen und Großen.

Eure

Was trauernde Kinder brauchen …

Yvonne war untröstlich. „Otto“, die Katze war gestorben. Die Eltern sagten, dass Otto schon sehr alt gewesen wäre. „Wir werden aus dem Tierheim eine neue Katze holen.“ Doch all das minderte Yvonnes Schmerz nicht. Zumindest zunächst.

Trauer zulassen

Kinder trauern, egal wie alt sie sind. Heftig und manchmal lange. Und das ist gut so. Trauern ist das Gefühl des Loslassens. Wer nicht trauern kann, hat Schwierigkeiten loszulassen. Deswegen sollten wir Erwachsene Kinder nicht bremsen, wenn sie traurig sind. „Ist doch nicht so schlimm“, das ist ein Satz des Bremsens. Vielleicht gut gemeint, aber falsch. „Du brauchst doch nicht weinen“, ebenso. Mit jeder Träne verlässt ein Stück des Kummers unsere Seele. Auch der Kinderseele.

Kindern trauern über alle möglichen Verluste, nicht nur, wenn jemand gestorben ist. Auch wenn der beste Freund aus der Kita in eine andere Stadt zieht. Auch wenn sie ein Lieblingsspielzeug verloren haben. Auch wenn der Papa aus der Familie wegzieht … Das Trauern sollten wir akzeptieren. Keine Trauer braucht eine Begründung, jedes Trauern darf sein. Kinder brauchen Verständnis für ihre Trauer und Erlaubnis.

Erwachsene sind auch beim Trauern Vorbilder

Wir Erwachsene sollten beim Trauern Vorbilder sein. Oft denken wir, wir sollten die Kinder nicht mit unserem Kummer und Schmerz belasten. Doch dann lernen Kinder von uns, dass sie ihre Trauer (und vielleicht auch andere Gefühle) verbergen sollten. Gefühle sind wahrhaftig, wir sollten sie teilen. Immer mit Trost, immer mit Geborgenheit, immer mit Anteilnahme. Weder die Kinder noch wir Erwachsene sollten mit der Trauer allein sein. Wenn Trauer geteilt wird, verliert sie ihre Kraft und verläuft wie die Tränen auf den Wangen.

Und wir sollten vermitteln: Mit jedem Verlust verlieren wir etwas, zum Beispiel die Uroma. UND es bleibt etwas: die Erinnerung an viele schöne Begegnungen, der Pullover, den sie gestrickt hat, ihr Lachen … Beides gilt. Das mindert zunächst nicht den Schmerz, doch es lässt ihn zurücktreten. Irgendwann.

Das Baby lässt sich nicht ablegen – Wege zum gefühlt sicheren Schlafort

Endlich, endlich ist das Baby eingeschlafen. Nachdem es so lange getragen und gehalten wurde. Behutsam legen wir es ab, vorsichtig in das gemütliche, sichere Bett. Ganz langsam, damit es nicht aufwachen möge, schleichen uns hinaus und achtend darauf, dass keine Diele knarzt, wir nicht stolpern und das Kind aufwecken. Wir atmen kurz durch – und dann weint das Baby und ist doch wieder wach.

Zunächst ein Gedankenexperiment

Stellen wir uns einen Moment vor, wie wir warm und sicher einschlafen neben Partner oder Partnerin. Alles ist vertraut, gemütlich. Wahrscheinlich ist es auch dir schon passiert, dass du in der Nacht aufgewacht bist, du deine Hand ausgestreckt hast und eine Leere im Bett ertastet hast. Huch, wo ist denn…? Hast du wahrscheinlich kurz gedacht, die Geräusche aus dem Bad gehört und bist dann spätestens beim Zurückkommen wieder eingeschlafen. Nun stell dir vor, du erwachst plötzlich an einem anderen Ort als dem Einschlafort – allein. Deine Verunsicherung wird wahrscheinlich größer sein. Und dies, obwohl du ein erwachsener Mensch bist, der sich um sich selbst kümmern kann und befähigt ist, die Grundbedürfnisse selbst zu befriedigen.

Wenn Babys woanders aufwachen

Stellen wir uns nun das Baby vor, das im Körperkontakt auf dem Arm einschläft. Es fühlt sich sicher und geborgen. Hier wird es gewärmt und ist davor geschützt, allein liegend zu frieren. Hier wird es sanft gewiegt, eine Bewegung, die es kennt und die signalisiert: ein Mensch ist bei dir, der sich um deine Bedürfnisse kümmern kann. Es hört den beruhigenden Herzschlag, wenn es an die Brust eines anderen Menschen angelehnt ist. Vielleicht fühlt es sich auch der Nahrungsquelle nahe, wenn es gestillt wird oder weiß, dass es so im Arm liegend gefüttert wird, wenn es Hunger hat. Eine Umgebung also, die rundum geborgen ist und vielfach Bedürfnisse befriedigen kann.

Erwacht es nun an einem anderen Ort, ist es verunsichert. Und mehr noch: Es kann noch nicht wie wir erwachsenen Menschen nachdenken und logische Schlussfolgerungen ziehen. Es denkt nicht: „Mama/Papa sind ja nebenan, sie brauchen wohl jetzt abends ein wenig Zeit für sich und haben mich hier sicher abgelegt.“ Es weiß nur: Es ist allein und als Lebewesen, das sich selbst nicht versorgen kann, das nicht einmal aufstehen und weglaufen kann, ist das Allein- und Wehrlossein gefährlich. Deswegen weint es, macht auf sich aufmerksam und erklärt damit, dass es schutzlos ist und Fürsorge braucht.

Das Baby versucht, die negative Erfahrung zu vermeiden

Das Baby wacht also auf, die Eltern beruhigen es wieder, legen es wieder ab, das Baby wacht wieder auf – ein Kreislauf entsteht. Jedes Mal wieder erklärt das Baby: Aber ich bin doch so sicher eingeschlafen, ich möchte weiterhin sicher sein. Und jedes Mal wieder erklären wir Eltern: Ich begleite dich in den Schlaf und du kannst doch hier sicher schlafen. Wir verstehen uns gegenseitig nicht. Ein Missverständnis, das auf beiden Seiten zu Frustration führt:

Die Eltern, die ihren gewünschten ruhigen Abend nicht finden. Das Kind, das auch vermeiden möchte, dass es wieder die negative Erfahrung macht, gefühlt unsicher aufzuwachen und deswegen zunehmend abends gegen das Einschlafen ankämpft. Für alle Beteiligten eine ungünstige Situation.

Was bedeutet das nun?

Familienleben bedeutet, die Bedürfnisse aller zu berücksichtigen und zu versuchen, sie ausgewogen zu gestalten. Es bedeutet, sich einander anzunähern von beiden Seiten. Die Fähigkeiten des Kindes, uns entgegen zu kommen, sind aber in den ersten Jahren sehr begrenzt. Aber dennoch sind sie da. In Bezug auf das Schlafen kann das nämlich bedeuten: Ich möchte in Deiner Nähe schlafen, aber das muss nicht im Bett sein.

Weichen wir doch einmal von unseren Gedanken ab, dass Menschen unbedingt in einem Bett schlafen müssen: Nehmen wir das schlafende Baby stattdessen einfach mit zu uns und lasses es auf unserem Schoß auf dem Sofa schlafen während wir lesen (und ja, selbst während wir einen Film sehen). Lassen wir es im Körperkontakt neben uns liegen, während wir noch eine Mail am Laptop schreiben auf dem Sofa. Oder verlegen wir unser Abendritual einfach in das Familienbett neben das Kind.

Das Kind darf sich darauf verlassen, dass das Bett der Ort ist, an dem es einfach nur zur Ruhe kommen kann, ein Ort, der immer gleich und sicher ist. Ist es müde, wird es dort behutsam abgelegt, vielleicht mit den immer gleichen Worten wie „Nun ist es Zeit zum Ausruhen, und du darfst in deinem Bett schlafen“. Auch das zum Einschlafen gestillte Kind kann mit diesen immer gleichen Worten abgelegt werden, die es beim Hinlegen noch hört.

S. Mierau „Geborgen wachsen“ S. 81f.

Um das Kind nicht zu verwirren durch den veränderten Schlafort können wir es nach und nach daran gewöhnen, dass das Bett ein sicherer Schlafort ist, in dem es einschlafen kann. Begleiten wir es dort in den Schlaf und beruhigen wir es auch dort zunehmend, wenn es erwacht, damit es erfährt: hier ist keine Gefahr, ich kann mich auch hier wieder entspannen. Nach und nach entwickelt sich dann eine Sicherheit und das Verständnis, dass das Bett auch ein sicherer Schlafort ist. – Und ansonsten probieren wir es mit all jenen Alternativen, die unseren Abend entspannen.

Eure

Ideen fürs Wochenende Mai #03

Erdbeerzeit! Endlich ist die da, die Erdbeerzeit und die Kinder lieben es, Erdbeeren in allen Variationen zu essen und sich auszudenken, wie sie verspeist werden können. Dieses Wochenende steht aber im Sinne der kleinen roten Früchte.

Erdbeeren in drei Variationen – ja nach Alter anders gestaltet

Erdbeergebastel

Einmal eine zur Jahreszeit passende Dekoration für die Küche oder das Kinderzimmer gestalten? Das geht ganz schnell und schon für kleine Kinderhände gut mit Kartoffelstempeln: Einmal hinein geschnitzt, mit roter und grüner Tusche angemalt und dann ein großes Blatt nach Herzenslust bedrucken. Schon ist das Bild für die Küche fertig und bereit zum Aufhängen.

Eine andere schöne Idee für den Jahreszeitentisch sind auch diese Erdbeer-Pompoms bzw. für alle Menschen, die häkeln können diese Erdbeer-Häkel-Anleitung.

Erdbeeren zubereiten

Und dann gibt es natürlich noch die zahlreichen Variationen, wie Erdbeeren zubereitet werden können: von herzhaft bis süß über flüssig bis stückig, pur oder verarbeitet – Erdbeeren in allen Variationen sind hier willkommen.

Der Klassiker ist natürlich zunächst selbstgemachtes Eis: Erdbeeren werden mit Joghurt püriert und in die Eisformen gegeben, oben werden gerne als knuspriger Abschluss noch ein paar Frühstücksflocken hinauf gestreut – ab ins Gefierfach. Besonderes Highlight: Zum Essen noch kurz in geschmolzene Bitterschokolade tauchen, die hart wird und einen Schokoüberzug zaubert. Statt Joghurt gibt es hier auch ein Rezept mit Buttermilch. Eine vegan Nicecream-Variante gibt es hier.

Lecker-leichtes Essen: Wrap mit Frischkäse und Erdbeeren. Ich mag dazu noch noch ein selbstgemachtes Basilikum-Minze-Pesto, die Kinder essen die Wraps lieber pur. Geht ganz schnell als Abendessen, Frühstück oder Snack zwischendurch.

Hier bei Segenregen gibt es auch ein Rezept für Nudeln mit Erdbeeren und ein süßes Erdbeergetränk. Eine sehr leckere Inspiration für das Sonntagssüß sind auch diese Erdbeer-Windbeutel oder die kleinen Erdbeerzwerge von Daniela. Als warmes Mittagessen klingen auch Knödel mit Erdbeerfüllung lecker.

Und was habt Ihr vor?
Eure

Kinderbücher aus Indien

Eine Kindheit ohne Bilderbücher? Unvorstellbar für mich. Schöne, gut illustrierte Kinderbücher sind in Indien allerdings gar nicht so leicht zu finden. Die Auswahl ist geringer, und gerade auch Geschichten indischer Autorinnen und Autoren sind eher rar. Gleichzeitig ist die Bedeutung, die ich Büchern beimesse, auch eine kulturelle Prägung. Ich kenne es eben so aus Deutschland. Dabei gibt es nach wie vor sehr viele Kinder auf dieser Welt, die mit wenigen oder keinen Büchern aufwachsen.

Und es gibt ja  auch andere Möglichkeiten, Geschichten mit Kinder zu teilen! Von unserer Nachbarsfamilie weiß ich, dass weniger vorgelesen, als erzählt wird: Dort erzählt der Papa abends die  Mahabharata, ein indisches Epos, zu dem auch die berühmte Weisheitsschrift Bhagavadgita gehört. 

Und es gibt sie doch auch hier, die wunderbaren Kinderbücher! Beim Verlag Tara Books habe ich eine ganze Reihe außergewöhnlicher Funde gemacht, von denen ich eine kleine Auswahl vorstellen möchte. Einige der Bücher gibt es sogar auch auf deutsch, denn der Tara Verlag ist weit über die Grenzen Indiens hinaus bekannt und beliebt. Auch die Herstellung der Bücher ist bemerkenswert: Die Illustrationen und Geschichten stammen teilweise von Künstlerinnen und Künstlern aus dem ländlichen Indien, deren Kunst sonst kaum über ihre Dörfer hinaus wahrgenommen wird. Gedruckt werden viele der Bücher in der hauseigenen Siebdruckwerkstatt.

In einem indischen Dorf

So sehr Indiens Städte boomen und modernisiert werden – das traditionelle Leben auf dem Dorf ist nach wie vor noch sehr verbreitet. Davon wird in diesem Buch erzählt. Hier gibt es soviel zu entdecken, dass man sich an Wimmelbücher erinnert fühlt. Jede Seite ist von einem kurzen erklärenden Text begleitet, der einen kindgerechten Einblick in indische Lebensweisen auf dem Dorf bietet. Ein spannender Einblick in eine ganz andere Lebenswelt. Gemalt ist dieses Buch, das sich Seite um Seite der Länge nach ausklappen lässt, im Malstil der bengalischen Patua. Von Rohima Chitrakar und V. Geetha. Ab 6 Jahre.

Sun and Moon

Dieses Buch enthält Erzählungen und Bilder von Sonne und Mond, gemalt in verschiedenen kunsthandwerklichen Traditionen von Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedenen Regionen Indiens. Erhältlich ist das Buch zwar nur auf English, doch der Text beträgt nur wenige Zeilen und ist leicht zu übersetzen. Die Bilder sind wunderbar anzusehen, wie eine Meditation für Kinder und Erwachsene über die natürlichen Rhythmen, in die unser Leben eingebettet ist: „The sun gives birth to life and the moon gives rise to time“. Lesealter: 6-9 Jahre. 

Wasser 

Dieses Buch berührt mich sehr, weil es ein wirklich großes Problem aufgreift. Sauberes Wasser gehört in Indien zu den kostbarsten Dingen überhaupt. Viele Menschen habe keinen Zugang dazu. In der Zukunft wird sich die Lage durch Klimawandel und hohen Wasserverbrauch weiter verschlimmern. Kein Thema für ein Kinderbuch? Tara Books hat es gewagt. 

In diesem Buch erzählt eine indische Künstlerin aus dem Stamm der Gond vom Leben auf ihrem Dorf. Von den wachsenden Schwierigkeiten, dort Wasser zu finden. Von der „Gier“ der Stadt, dem enormen Ressourcenverbrauch, der mit dem Leben dort einhergeht. Eingebettet in ihre Erzählung ist eine Fabel ihres Stammes über den Umgang mit Wasser. Darin geht es um die Grenzen der natürlichen Ressourcen, die wir respektieren müssen. Und darum, was geschieht, wenn wir das nicht tun. Es geht auch um die Ungerechtigkeit, dass für die Verschwendungssucht der Reichen die ohnehin schon Armen bezahlen müssen.

„Was kann ich tun, um die Leute dazu zu bringen, ihre Seite der Abmachung mit der Natur einzuhalten? Alles, was ich anzubieten habe ist…die Geschichte der Schwestern und den See.“ Dieses Buch gibt Menschen eine Stimme. Es erlaubt uns die Sichtweise der Menschen auf dem Dorf nachzuvollziehen. So können wir uns dem schwierigen Thema im Gespräch mit Kindern nähern. Wir können gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir mit Ressourcen umgehen und welche Konsequenzen das hat für andere. Sowohl Text und Thematik sind für ältere Kinder (ab 12), die Illustrationen aber sind auch für sich wunderbar zu betrachten und machen das Buch für alle Altersgruppen interessant. Von Subhash Vyam.

Ein indischer Strand

TaraBooks arbeitet nicht nur mit indischen Künstlerinnen und Künstlern, sondern mit Menschen aus aller Welt zusammen: Dieses Buch von einer Französin gestaltet, die einige Tage in Chennai am Meer verbrachte und dort verwundert feststellte, wie sehr sich ein Strand in Indien von einem in Europa unterscheidet. Wie das Leben am Strand aussieht, zeigt dieses Buch. Die Illustratorin fertigte zunächst Skizzen an, die sie dann in Linoldrucke übertrug. So entstanden schwarz-weiß-Bilder, die das lebendige Treiben am Wasser zeigen, bei Tag und bei Nacht. Das Buch ist voller kleiner Geschichten, aber ohne Text. Es hat jedoch Platz, um eigenen Text einzufügen oder die Bilder auszumalen. Das Buch ist so gestaltet, dass es aufgeklappt werden kann, aufgestellt wie ein Panorama oder wie ein Stern, oder auch ganz normal gelesen. Lesealter: 4-8 Jahre. Von Joëlle Jolivet.

Klopf! Klopf! 

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein kleines Mädchen vermisst seinen Teddybär und macht sich auf die Suche. Alle Stockwerke des Hauses klappert es ab und entdeckt dabei ganz verschiedene Welten, Menschen und wundersame Dinge. Die Gestaltung des Buches stellt den Inhalt auf wunderbare Weise nach: Zimmer für Zimmer und Stockwerk für Stockwerk entfaltet sich das Haus, bis es in ganzer Größe vor uns liegt. Das Buch ist eine Anregung, Geschichten auf Papier auch anders zu erzählen und eine schöne Inspiration, mit älteren Kindern auch mal selbst Bücher zu basteln. Lesealter: 5-6 Jahre. Von Kaori Takahashi.

Wir werden mit unseren Kindern nicht mehr guten Gewissens kreuz und quer durch die Welt fliegen können. Aber wir können uns ein wenig Welt in die Kinderzimmer holen. Mit Büchern zum Beispiel. Denn eine Ahnung davon, wie Menschen anderswo leben, brauchen wir mehr denn je. 

Anka Falk hat einen Magister in Rhetorik und Pädagogik und ist Körperpsychotherapeutin, Coach und Dozentin. Von 2007-2017 arbeitete sie in Lehre und Forschung an einem experimentellen Design Institut in der Schweiz. Sie ist im Alter von 37 Jahren mit ihrem Mann nach Indien gegangen. Ihr Kind hat sie in Deutschland geboren, ist dann aber zurück gegangen nach Indien und berichtet von ihrem Alltag dort. Zudem bloggt sie auf ljuno.de und gibt einen Einblick in ihr Alltagsleben in Indien hier auf Instagram 

Die Bücher können im Online-Shop des Verlags (tarabooks.com) erworben werden. Sie werden nach Deutschland verschickt. Vielen Dank an Tara Books für die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren. 

„Mama/Papa, schaut mal!“ – Kinder und Aufmerksamkeit

Wahrscheinlich kennen wir alle die Situation, dass wir abends auf dem Sofa sitzen neben einer Freund*in oder Partner*in und etwas von unserem Tag erzählen. Auf einmal stellen wir fest, dass unser Gegenüber an unpassender Stelle nickt. „Hey, hörst Du mir eigentlich zu?“ Wir wünschen uns, dass wir in solchem Momenten beide die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema richten, über das wir uns austauschen. Wir wollen Aufmerksamkeit, um ein Thema zu besprechen, ein Problem zu erörtern, Hilfe zu bekommen. Das kennen wir nicht nur aus dem Alltag mit Erwachsenen. Gerade Kinder brauchen unsere Aufmerksamkeit für die Bewältigung des Lebens.

Warum Aufmerksamkeit für Kinder wichtig ist

Wir Menschen benötigen das Gefühl, zugehörig zu sein zu einer Gruppe. Wenn wir uns ausgeschlossen fühlen, schmerzt das. – Nicht nur umgangssprachlich, sondern tatsächlich werden im Gehirn bei Abweisung ähnliche Reaktionen hervorgerufen wie bei körperlicher Verletzung. Es tut weh, ausgeschlossen oder abgewiesen zu werden.

Zudem brauchen Kinder die Versicherung, dass wir als Erwachsene uns um sie kümmern, denn als Kinder sind sie lange auf unser Umsorgen angewiesen, damit ihre Bedürfnisse erfüllt werden können. Viele Bedürfnisse können sie noch lange Zeit nicht selbst erfüllen: Als Babys brauchen sie unsere Nähe beim Einschlafen, sie müssen von uns mit Nahrung versorgt werden, sie brauchen uns als Partner*in in der sozialen Interaktion. Weil wir so wichtig sind für ihr Wachsen und ihre Entwicklung, sind sie darauf bedacht, diese Zuwendung zu bekommen.

Viele Wege zur Beachtung

Haben Kinder einen Mangel in Bezug auf unsere Aufmerksamkeit, versuchen sie sie zu erlangen: Oft versuchen sie es zunächst durch einfache Kontaktaufnahmen in Form von Ansprachen: „Papa, schau mal!“. Manchmal nutzen sie nicht die Sprache, sondern ziehen unsere Aufmerksamkeit körperlich auf uns, indem sie scheinbar an „unserem Körper kleben“. Sie drängen sich immer wieder an uns, klettern auf den Schoß, zupfen am Bein oder lecken vielleicht den Arm an: „Hallo, ich bin hier!“ auf einer anderen Sprache. Manche Kinder fordern auch Aufmerksamkeit, indem sie Fähigkeiten zurückschrauben und auf einmal nicht mehr die Schuhe binden „können“. Wie genau ein Kind Aufmerksamkeit auf sich lenken möchte, kann ganz unterschiedlich sein – eine Frage des Typs, aber auch der Situation und des Anlasses, Aufmerksamkeit (wieder) zu bekommen.

Manchmal ist es gar nicht so leicht, zu verstehen, dass unser Kind gerade „nur“ Aufmerksamkeit haben möchte. Wir nehmen das Verhalten als störend wahr, wenn wir es nicht entziffern können: „Hör auf, immer meinen Arm abzulecken!“ sagen wir vielleicht und merken nicht, dass das Kind eigentlich Aufmerksamkeit und Zuwendung sucht. In gewisser Weise bekommt es das nun auch: allerdings auf negative Weise, die weder das Kind langfristig und gesund erfüllt, noch uns. Denn durch vermeintlich negative Verhaltensweisen Aufmerksamkeit zu erlangen, bringt zwar Zuwendung, aber nicht die ersehnte und erfüllt nicht das eigentliche Bedürfnis: das Kind wird zwar gesehen und wahrgenommen, aber das Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung wird nicht erfüllt. Deswegen wird das Kind wieder versuchen, Aufmerksamkeit zu erlangen, um das eigentliche Bedürfnis zu befriedigen.

Bedürfnisse erkennen und Aufmerksamkeit schenken

In Situationen, in denen wir immer wieder denken: „Mein Kind ist gerade extrem anstrengend“ oder „Warum tut das Kind nur diese nervige Sache immer?“ sollten wir einen Schritt zurück treten und hinter das Verhalten des Kindes schauen. Das Anlecken, das ständige „Schau mal hier!“, das Babyverhalten sind nur Symptome einer anderen Ursache. Vielleicht braucht das Kind gerade jetzt mehr Nähe, mehr Körperkontakt. Das Kind, das abends wild alles herumschmeißt, braucht vielleicht unsere Aufmerksamkeit, weil es müde ist und allein nicht in den Schlaf findet und von uns co-reguliert werden möchte. Kinder wollen uns nicht verärgern. Ihr Verhalten ist meistens Ausdruck eines Anliegens. Sie sprechen nur manchmal eine andere Sprache, die wir manchmal nicht richtig verstehen.

Immer aufmerksam sein?

Natürlich sind wir nicht immer aufmerksam. Weder Freund*innen, Partner*innen noch Kindern gegenüber. Und wir müssen es auch nicht sein. Gerade bei Kindern reicht es oft aus, auch einfach verfügbar zu sein: in der Nähe, ansprechbar, vielleicht mit einer eigenen Sache beschäftigt, aber erreichbar für die Bedürfnisse. Manchmal gibt es aber Phasen, in denen sich Kinder unserer Zuwendung noch mehr versichern müssen, in der sie Aufmerksamkeit ganz besonders brauchen und wir mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, weil sie mehr Unterstützung benötigen, um die Abenteuer der Welt verarbeiten zu können und ihren Weg darin zu finden. Und dann, wenn sie wieder sicher sind, brauchen sie wieder weniger. Aber sie wissen durch jede Phase, in der wir verstanden haben, dass sie uns brauchen und darauf eingegangen sind, dass wir im Notfall da sind. Und nach und nach bilden sich immer mehr Fähigkeiten aus, durch die sie selbst Kompetenzen im Umgang mit der Welt erwerben und immer weniger Aufmerksamkeit benötigen.

Eure

Die allgegenwärtige Glorifizierung von Mütter-Erschöpfung

Da stehen wir, wir Mütter. Und sind müde, weil wir nachts nicht richtig schlafen. Wir sind erschöpft, weil wir unsere Kinder liebevoll umsorgen und das nicht selten viel Kraft erfordert. Wir sind erschöpft, weil wir wieder viel zu tun hatten und vielleicht mehr, als vielleicht in den Tag hinein passen könnte. Die Liste der Dinge, die erledigt werden wollen, ist lang. Die Zeit, die wir neben Arbeit, Partnerschaft, Kindern, Haushalt (und vielleicht sogar noch ein wenig Hobbys oder anderer Selbstfürsorge ) haben, ist gering. Da gibt es die vielen Dinge des Alltags und dann auch noch die vielen Dinge in unserem Kopf: die Erinnerungen an U-Untersuchungen, die besucht werden müssen, die Schuhe, die neugekauft werden müssen für das Kind, die Unterlagen für die Schulfahrt, die noch nicht unterschieben sind – all der Mental Load, der gar nicht so richtig präsent, aber da ist.

Es geht uns nicht gut

Das Müttergenesungswerk (pdf) geht von 2 Millionen kurbedürftigen Müttern aus, von denen 130.000 beraten lassen. Im Berichtsjahr 2016/2017 haben 49.000 Mütter und 72.000 Kinder eine Kur in Anspruch genommen. Und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (pdf) erklärt: 30 Prozent der untersuchten Mütter ihrer Studie erfahren eine substanzielle Verschlechterung des gesundheitsbezogenen Wohlbefindens innerhalb der ersten sieben Jahre nach Geburt des Kindes.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Auch wenn die meisten Mütter heute ein vereinbarkeitsorientiertes Muttersein leben – also arbeiten und Kinder haben-, stehen wir unter dem gesellschaftlichen Druck, dass wir mehr kindorientiert sein sollten – denn die gelebte Realität unterscheidet sich noch immer von der Erwartungshaltung (pdf). Immer wieder gibt es gesellschaftliche Erwartungen, dass wir das doch bitte alles schaffen sollen: Arbeit, Haushalt und natürlich Kind. Laut Befragung zum Familienleitbild aus dem Jahr 2012 wird erwartet, dass Mütter sowohl nachmittags zu Hause die Hausaufgaben begleiten, als auch erwerbstätig sind. Und nebenher gibt es auch noch die vielen anderen Dinge, damit Frau weiterhin körperlich und geistig attraktiv ist. Und auch wenn wir eigentlich alle wissen, dass Väter sich ebenso gut einbringen können und ebenso gut Haushalt und Kinder betreuen können, ebenso liebevoll sein können, ist die Gleichberechtigungsrealität oft eine andere und die Hauptlast der Arbeit kommt den Müttern zuteil. Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützen, dass es Unterschiede zwischen Müttern und Vätern gibt: Durch den gender pay gap (bessere Bezahlung von Männern im Vergleich zu Frauen)beispielsweise ist eine Erwerbsunterbrechung der Väter in einigen Fällen schwierig, weil das Einkommen der Mutter zur finanziellen Absicherung der Familie nicht reicht.

Die Glorifizierung von Stress

Anstatt zu rebellieren, haben wir die Erschöpfung und Müdigkeit aber vielfach in unser Mutterbild übernommen: Wir denken, dass das alles eben natürlicherweise dazu gehört, zum Elternsein und ganz besonders zum Mutterbild. Und gerade jetzt, vor dem Muttertag, wird es wieder ganz besonders betont: Was Mütter alles schaffen! Was Mütter alles können! Muttitasking! Müde, aber glücklich! Und überhaupt ist WOW doch eine Spiegelung von MOM, weil wir alles so grandios können.

Wenn meine Freundin mich fragt, wie meine Woche war, sieht eine Antwort oft aus: „Ich arbeite gerade an dem neuen Buch und dafür muss ich noch xy machen, aber gerade ist Kind 1 krank geworden und musste aus der Schule abgeholt werden und die Wutausbrüche von Kind 3 sind gerade super anstrengend. Deswegen habe ich ganz vergessen, dass ich ja eigentlich noch für die Kita xy machen musste. Naja, wie immer ein bisschen.“ Und wir lachen kurz und sie erzählt aus ihrem stressigen Alltag. Ja, das ist ein Alltag. Ein stressiger Alltag. Ich bemühe mich, die vielen Dinge auf meiner Liste abzuarbeiten, aber jede Woche bleibt etwas übrig. Und das, obwohl ich das Glück habe, dass wir unsere Aufgaben in der Familie gerecht aufteilen und auch die Kinder in die Hausarbeit eingebunden werden. Aber selbst vier Hände scheinen oft nicht zu reichen für all die Dinge, die erledigt werden wollen. Und für all die Gefühle, die begleitet werden möchten. Und mir geht es dabei noch viel besser als vielen anderen Müttern, die in einer weniger privilegierten Position sind, die vielleicht keine Partner*in haben, die Aufgaben erledigt. Ich habe den Stress in mein Alltagsbild übernommen, aber gut ist das nicht.

Stress begleitet uns, er ist ein Symptom unserer Überlastung, das sich auf unseren Alltag auswirkt: Durch Stress können wir weniger feinfühlig reagieren, wir neigen eher zu negativem Erziehungsverhalten. Wir können nicht mehr gut abwägen und vorausschauend planen, weil unser Gehirn dazu einfach nicht mehr in der Lage ist. Wir sind überreizt und in Daueralarmbereitschaft, weshalb schon kleine Dinge unser persönliches Gefühlsfass zum Überlaufen bringen. Stress stört unsere Beziehungen. In stressigen Zeiten fällt es mir viel schwerer, mit meinen Kindern auf Augenhöhe zu kommunizieren, ruhig ihren Geschichten zuzuhören und mir die Zeit zu nehmen, die wir füreinander brauchen. An stressigen Tagen neige ich viel mehr dazu zu sagen „Mach Dich jetzt endlich fertig, wir müssen los!“ als die Selbständigkeit meines Kindes zu sehen und beachten zu können.

Und dennoch schient es so, als würde er dazu gehören zum Eltern- und ganz besonders Muttersein. Wir kultivieren ihn ein wenig mit unseren Ansprüchen, mit unseren Aussagen und der Erwartung an uns selbst. Wir relativieren unsere Erschöpfung, unsere Müdigkeit, unsere Überarbeitung: Was Mutti nicht alles tut für uns! Wir Mütter sind Supermütter bei dem, was wir alles stemmen! Diese Sätze sind keine Beschreibung, sie sind eine Glorifizierung der Überlastung, die wir haben.

Stopp jetzt

Aber was wäre, wenn wir einfach wirklich ehrlich sagen: Das ist gar nicht toll. Unser Kinder sind toll, wir lieben sie, aber die Rahmenbedingungen sind wirklich nicht super. Es ist zu viel, was da auf einzelnen Schultern lastet. Es ist zu viel bei zu wenig Unterstützung von allen Seiten. Wir brauchen keinen Dank dafür, dass wir alles so super toll hinbekommen, weil viele von uns wegen all dieser Aufgaben erschöpft sind.

Wir brauchen nicht Dank, sondern mehr Unterstützung. Aber vor allem sollten wir zunächst aufhören, den Stress, den wir haben, zu relativieren und zu glorifizieren indem wir erklären, wie toll die Mütter sind, weil sie alles wuppen. Sie wuppen das alles – bis sie müde umfallen – weil sie es müssen. Nicht, weil wir als Frauen und Mütter dazu besonders gut geeignet wären. Nicht, weil es ein Mama-Gen geben würde, das uns viel belastbarer machen würde oder durch das wir alles besser koordinieren könnten. Wir machen das, weil es von uns erwartet wird, weil wir selber schon annehmen, dass wir das leisten müssen. Weil wir uns selbst in Frage stellen, wenn wir das alles nicht schaffen – weil alle anderen das doch anscheinend auch können. Weil doch alle anderen Moms auch grandios sind und nur wir etwa nicht? Weil wir doch auch mithalten können müssen. Aber die Wahrheit ist: Wir haben keine Superkräfte als Mütter, sondern sie werden uns abverlangt.

Deswegen wünsche ich mir ein bisschen weniger „Ach wie toll doch Mütter sind“ und ein bisschen mehr „Lasst uns mal hinsehen, warum Mütter so viel tun müssen“.

Eure