Pflegesituationen mit Kindern sind nicht immer einfach. Dabei nehmen sie einen wesentlichen Teil der Alltagsroutinen ein: waschen, Zähne putzen, wickeln – all das sind Pflegesituationen, die wir mit unseren Kindern mehrmals am Tag erleben. Manchmal sind sie einfacher zu gestalten, manchmal ist es schwieriger. Schwierig wird es oft dann, wenn wir gegen den Willen des Kindes vorgehen wollen: Wenn wir jetzt sofort die Windel wechseln wollen oder wenn jetzt sofort die Zähne geputzt werden sollen – dabei hat das Kind gerade etwas ganz anderes vor.
In solchen Situationen treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander: Als Eltern sind wir entweder von Zeitdruck oder von Ängsten geleitet, die uns erklären, dass wir ausgerechnet jetzt sofort dieses oder jenes mit dem Kind machen müssten. Das Kind hingegen hat nicht selten gerade jetzt einen anderen Handlungsplan. Manchmal ist es kooperationsbereit und weicht von dem eigenen Handlungsplan ab, manchmal fällt die Kooperation aber auch schwerer.
3 wesentliche Aspekte zur Gestaltung von Pflegesituationen
Es ist gut, von Anfang an Pflegesituationen kooperativ zu gestalten – damit bilden wir eine Basis, auf der auch in späteren Jahren aufgebaut werden kann, denn im Kleinkindalter wird es oft noch schwerer, Kinder von Pflegesituationen zu überzeugen, die sie aktuell nicht durchführen wollen. Um einen gemeinschaftlichen Weg zu gehen, können wir dabei drei Aspekte in den Blick nehmen:
Aktuelle Bereitschaft des Kindes
Zeitpunkt der Pflegesituation
Mitwirkung des Kindes
Signale des Kindes: Wann ist das Kind bereit?
Eigentlich kennen wir es von uns selbst: Wenn wir müde sind, wollen wir gerne schlafen gehen und uns nicht noch einmal ins Bad schleppen, um unser Abendpflegeritual abzuspulen. Wir machen es letztlich (meistens) doch, weil wir ganz rational die Folgen absehen können. Unsere Kleinkinder können das noch nicht. Es fällt ihnen schwer, gegen ihre aktuellen Impulse vorzugehen.
Bei unseren Kindern können wir auf ihre Signale achten, ob sie gerade bereit sind für Pflegesituationen. Bei Babys können wir recht gut sehen, ob sie in einem aktiven Wachzustand sind, so dass sie offen sind für das Pflegeritual. Schauen sie neugierig, plappern vielleicht, bewegen sie Arme und Beine entspannt – dann könnte nun ein guter Zeitpunkt sein, um mit einem Zahnbürsten-Fingeraufsatz die ersten Zähen zu putzen, gemeinsam zu baden, die Windeln entspannt zu wechseln oder eine Bauchmassage zu machen. Ist das Baby hingegen müde, wendet sich ab, blickt in eine andere Richtung, ist nun gerad kein guter Zeitpunkt, denn es braucht Ruhe und ein weiterer Reiz führt sehr wahrscheinlich zu einer Überreizung und damit zum Weinen.
Beim größeren Kind können wir auch die Signale im Blick behalten: Ist es gerade ins Spiel vertieft und spielt hingebungsvoll, wird es für unser Argument, dass dringend die Windel gewechselt werden muss, schwer zugänglich sein. Hilfreich kann es dann sein, entweder selbst eine Pause im Spiel abzuwarten, oder dem Kind schon vorab zu sagen, dass die Windel gewechselt wird, wenn es die Tätigkeit beendet hat.
Der richtige Zeitpunkt im Tageslauf
Neben dem individuell passenden Zeitpunkt ist es auch wichtig, darauf zu achten, ob das Kind generell noch kooperationsfähig ist oder die Kooperationsfähigkeit bereits erschwert oder gar aufgebraucht ist. Hat das Kind einen anstrengenden Tag hinter sich und hat bereits an vielen Stellen kooperiert, sollten unsere Erwartungen nicht mehr zu hoch sein. Schließlich sind Kinder keine Erwachsenen und können nicht mal eben „die Zähne zusammenbeißen“. Auch gegen Abend ist die Kooperationsbereitschaft oft weniger ausgeprägt, wenn das Kind müde wird. Einem übermüdeten Kind die Zähne putzen zu wollen, ist anstrengend: Es möchte nicht mehr mitmachen. Hier lohnt es sich, die zeitliche Planung der Abläufe noch einmal in den Blick zu nehmen: Vielleicht kann das Kind schon im Schlafanzug am Abendessentisch sitzen, damit dieser weitere Ablaufschritt wegfällt und die Situation entzerrt werden kann.
Die Mitwirkung des Kindes
Wenn das Kind von sich aus nicht motiviert ist, eine Pflegesituation mitzumachen, kann die Mitwirkung dies noch einmal ändern: Unsere Kinder lernen beständig und wollen ihre Kompetenzen fortwährend ausbauen. Häufig ist dieses „selber machen“ ein Konfliktfeld in der Autonomiephase, denn unsere Kinder wollen die Handlungen des Alltags selber erledigen, wollen dadurch ihre Fertigkeiten verbessern, treffen aber auf uns Erwachsene, die dafür gerade keine Zeit oder Geduld haben und es als Erwachsene oft schneller und gründlicher erledigen können. Mitwirkung ist daher oft ein guter Baustein für Pflegesituationen: beim Wickeln kann das Kind mit einem Lappen sich selber abwischen, beim Zähneputzen selber nachputzen, beim Haarewaschen kann es das Shampoo in die Hand des waschenden Erwachsenen geben. In jeder Pflegesituation können Kinder eingebunden werden und selber aktiv werden, statt die Pflege passiv über sich ergehen lassen zu müssen. Schauen wir also genau hin, an welcher Stelle das wo möglich ist.
Wenn nichts davon hilft
Manchmal klappt auch einfach nichts davon: Das Kind ist einfach zu müde, der passende Zeitpunkt verpasst und es lässt sich einfach nicht mehr durch Teilhabe und selbst durch lustige Apps, ein ablenkendes Video oder anderes nicht mehr überreden, noch zu kooperieren oder zumindest der Pflege einfach zuzustimmen. An dieser Stelle können wir kurz innehalten und überlegen: Ist das jetzt wirklich wichtig? Müssen heute noch die Füße gewaschen werden, auch wenn das Kind dabei weinen würde? Müssen heute noch die Zähne geputzt werden oder können wir heute eine Ausnahme machen und es morgen früher und anders machen? Kinder mit Gewalt zu Pflegesituationen zu zwingen, ist nicht gut für sie, ihr Selbstbild und unsere Beziehung. Sie sollten nicht festgehalten werden, damit die Zähne geputzt werden und auch nicht unter Tränen gewaschen oder mit einem Unterarm auf dem Wickeltisch fixiert werden, damit ihre Windel gewechselt werden kann. Wenn wir in solche Situationen kommen, in denen wir ernsthaft über diese Grenzüberschreitungen nachdenken, ist der Zeitpunkt gekommen, kurz zurückzutreten und die Situation in Ruhe noch einmal von Außen anzusehen und Alternativen zu suchen. Setzen wir auf Kooperation und Kreativität.
Eure
Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik)Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.
Tief wühlen sich die kleinen Hände in den Schlamm, holen ihn hervor und lassen ihn langsam durch die Finger herunter tropfen. Hose, Arme und Gesicht sind mit kleinen braunen Spritzern übersäht. Aber all das ist gerade jetzt nicht wichtig, das Kind erkundet die Beschaffenheit der Erde, gräbt immer wieder die Hände in den Matsch und holt sie hervor. An einem anderen Tag wollen die Schuhe nicht getragen werden, denn die Füße wollen das Gras spüren, den Sand und das Kind selbst etwas schimpfend über die spitzen Steine hüpfen. Lange kann Wasser von einem Gefäß ins nächste gefüllt werden – hin und her und wieder zurück. All das sind elementare Erlebnisse.
Aber mehr noch: Zu den elementaren Erlebnissen zählt nicht nur all das fühlen, riechen und/oder sehen, es zählt auch die Anteilnahme am Alltag, an den wirklichen Tätigkeiten des Alltags: am schneiden, kochen, sauber machen. Unsere Kinder wollen dieses Leben, ihre Umwelt, uns Menschen kennen und verstehen lernen. Und für dieses Verständnis und den daraus resultierenden Respekt und sorgsamen Umgang brauchen sie die Möglichkeit, elementare Erfahrungen zu machen.
Kinder wollen dabei sein!
Viele Eltern haben am Anfang des Elternseins die Vorstellung, sie würden den Kindern ein schönes Kinderzimmer gestalten, in dem die Kinder fortan gemütlich spielen würden mit all den wunderbaren Spielzeugen. Irgendwann stellen sie dann umso entzauberter fest: Das ist ja gar nicht so! Das Kind bleibt gar nicht im Kinderzimmer! Es kommt ja ständig zu mir und möchte mitmachen bei allem und dabei sein!
Kinder sind soziale Lebewesen, sie wollen mit anderen Menschen zusammen sein und dabei lernen. Sie wollen sich austauschen und vor allem wollen sie eins: Teil der Gesellschaft sein und einen Platz darin einnehmen. Sie freuen sich darüber, wenn sie beteiligt sind, wenn sie vielleicht sogar etwas tun können, dessen Wert sie erkennen: Die Gurke für den Salat schneiden, das Waschbecken sauber putzen,… Über all diese für uns so banalen Tätigkeiten freuen sich Kinder.
Nehmen wir ihnen nicht Teilhabe und Möglichkeiten
Ja, wir Erwachsene können Dinge schneller, geschickter, ordentlicher regeln als Kinder. Wir machen es in unseren Augen „besser“. Aber Kinder werden nicht gut in etwas, wenn sie dazu keine Chance haben. Sie müssen viele Male das Wasser daneben schütten bis sie gelernt haben, sich ein Glas ohne kleckern selbst einzugießen. Und so ist es bei vielen verschiedenen Dingen unseres Alltags. Kinder wollen mitmachen und sie haben daran sogar oft eine viel größere Freude als an den Spielsachen, die in ihrem Kinderzimmer liegen und direkt zum Spielen gedacht sind.
Wir sollten unseren Kindern nicht die Freude nehmen am Helfen, am Unterstützen, an der Teilhabe an unserem Alltag. Sie zu beteiligen bedeutet, sie hinein wachsen zu lassen und ihnen auch Aufgaben zu übertragen, die auch uns unterstützen. In späteren Jahren wünschen wir, dass Kinder einkaufen und den Müll runter bringen ohne Murren. Die Grundlagen dafür bilden wir schon im Kleinkindalter aus, wenn sie lernen, dass diese Aufgaben natürlicherweise in das Familiensystem gehören und alle Familienmitglieder nach ihren Möglichkeiten dabei mitwirken.
Wenn wir Kinder in ihren Unterstützungsangeboten ablehnen, bieten sie Kooperation zunehmend weniger an aufgrund dieser Zurückweisung. Dabei ist es eigentlich ein wunderbar soziales und unterstützendes Verhalten, das wir nicht mindern sollten. Sehen wir hin und überlegen wir, was unser Kind da wirklich gerade tut, wenn es mitmachen will. Gehen wir von dem positivsten Gedanken aus, der uns einfällt, anstatt negativ zu denken, dass das Kind nun wieder gleich Unsinn/Unordnung/Müll macht.
Kleine Kinder einbinden – So kann es beispielsweise gehen:
Geschirrspüler aus- und einräumen
Socken zusammensuchen aus der Wäsche
Obst und Gemüse mit Kindermesser schneiden
Wasser in einem kleinen Krug anbieten, damit das Kind selber eingießen kann
Brote selber schmieren lassen mit kleinem Buttermesser
Putzen, Staubsaugen, Wischen
Aufkehren mit Handfeger und Kehrblech
Auch Medien gehören heute zu elementaren Erfahrungsbereichen
Es gibt viele Möglichkeiten, damit Kinder beteiligt sein können. Auf diese Weise können sie die elementaren Erfahrungen unseres Leben machen, die grundlegenden Fertigkeiten erlernen. Sie brauchen sowohl die Möglichkeit, mit Materialien und allen Sinnen umzugehen, als auch die Möglichkeit, kooperieren zu dürfen und sich aktiv in unseren Alltag einzubringen. Dies betrifft nicht nur all die Dinge, die wir aus unserer eigenen Kindheit vielleicht noch kennen, sondern auch den Umgang mit Medien, denn auch diese gehören heute zum Alltag und der Umgang damit wird auch in der Zukunft eine Rolle spielen. Neben all dem Matschen, Basteln, Klettern und der Kooperation in unseren Alltagsaufgaben können wir unseren Kindern deswegen auch dort einen Erfahrungsraum geben, der genauso spielerisch, lustvoll und kreativ genutzt werden kann wie all die anderen Erfahrungsbereiche.
An manchen Tagen fällt es mir schwer, mich in mein Kind hinein zu versetzen: Warum kann er denn jetzt nicht…? Warum macht er denn jetzt nicht…? Oder warum macht er denn ausgerechnet…? Schließlich erscheint mein Kind nun, mit mehr als 3 Jahren, schon so groß: Es kann sich sprachlich schon so gewandt ausdrücken, es kann laufen, klettern, balancieren. Es kann Knoten machen und Knöpfe schließen. Mit einem Messer schneidet es Gurke und schiebt sich einen kleinen Stuhl an den Schrank, um sich selbst eine Maisscheibe aus dem Regal zu holen. Aber wenn ein Geschwisterkind ein Spielzeug nicht hergeben mag, das Essen auf dem Teller scheinbar falsch ist oder der Pullover sich einfach nicht allein anziehen lässt, wird es so wütend, dass es laut schreit und für Worte nicht erreichbar ist.
Lass Dich von Fähigkeiten nicht verunsichern
Mit drei Jahren können unsere Kinder schon sehr viel. Sie haben viele Fertigkeiten gelernt, die sie im Alltag mit uns benötigen. Ihre Grobmotorik hat sich nach und nach ausgebaut und ebenso die Feinmotorik. Sie können schon ziemlich gut sprechen und manchmal sogar diskutieren. Aber all diese Fähigkeiten dürfen uns nicht darüber hinweg täuschen, dass sie eigentlich noch ziemlich klein sind: Nicht schon drei Jahre, sondern erst drei Jahre. Und mit drei Jahren sind zwar viele Fähigkeiten schon ausgebildet, aber unsere Kinder denken dennoch anders.
Auch wenn Kinder von Anfang an Teil der Gesellschaft sein wollen und kooperieren, sind ihre Fähigkeiten zur Kooperation noch begrenzt: Manchmal sind sie einfach ausgeschöpft nach einem langen Tag und das Kind kann einfach nicht noch mehr Kompromisse eingehen, sich noch ein weiteres Mal „zusammenreißen“ oder Bedürfnisse aufschieben. All das ist normal in diesem Alter.
Auch wenn unsere Kinder schon so tolle Dinge machen und sagen, denken sie dennoch im Alter von drei Jahren anders als wir und die Verarbeitung von Gefühlen im Gehirn verläuft noch ganz anders: Wir Erwachsenen ordnen unsere Gefühle ein, können abwägen und rational überlegen. Im Kleinkindalter ist dies noch nicht möglich, weil die zuständige Verarbeitsungsstelle, der Neocortex, noch nicht dazu in der Lage ist: Das Kind regaiert impulsiv, instinktiv, reflexhaft. Und dies ist aus Sicht des Kindes durchaus sinnvoll, weil es auch nicht besonders viele Situationen im Laufe des Lebens kennen gelernt hat und keinen Vorrat an vergleichbaren Situationen hat. Es reagiert so, wie es aus dieser Entwicklung heraus sinnvoll ist. Und durch unsere Begleitung lernt es nach und nach, anders zu handeln. – Das dauert allerdings einige Jahre .
Denk daran, was Dein Kind sonst so denkt und sagt
Mit drei Jahren sagen und tun sie so viel. Aber auf der anderen Seite ist die Welt auch noch voller Wunder und Möglichkeiten: Hasen, die sprechen können. Die Existenz von Feen, Kobolden, Weihnachtsmann und Osterhase wird noch nicht per se in Zweifel gezogen. Die Welt ist noch magisch, noch voller möglicher Wunder und nicht rein rational erklärbar. Die Dinge haben noch ihren unerklärlichen Zauber. Auch so sieht die Welt eines dreijährigen Kindes aus: Voller Geschichten, die möglich sein könnten. Unsichtbare Freunde und Spielgefährten. Denken wir auch an diese Gedanken und Erlebnisse mit einem dreijährigen Kind, bevor wir denken, es müsste doch endlich schon verstehen, dass…
Immer wenn es um das Thema geht, Kinder nicht zu bestrafen, tut sich eine andere Frage auf: Aber wie sollen Kinder Grenzen lernen, wenn sie nicht bestraft werden? Dabei handelt es sich eigentlich um zwei verschiedene Themen, die nur durch den Ansatz des Bestrafens miteinander in Verbindung gebracht werden. Natürlich sind Grenzen für Kinder wichtig und ein wesentlicher Bestandteil des Aufwachsens hinein in eine Gesellschaft. Aber Grenzen müssen nicht mit Strafen eingehalten oder durchgesetzt werden, um bewahrt zu bleiben.
Was sind Grenzen und warum sind sie wichtig?
Wir alle haben viele Grenzen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Körperliche Grenzen, welche Berührungen wir wie und von wem mögen, was uns weh tut oder angenehm ist. Wir haben moralische Grenzen und unterscheiden uns darin: Was für einen unethisch ist (wie z.B. Fleischkonsum) ist für einen anderen keine Frage der Ethik. Wir haben unterschiedliche Belastungsgrenzen: einige Menschen halten weniger Stress aus, andere mehr. Wenn eine Grenze erreicht ist, beginnt ein unangenehmes Empfinden: Wir wünschen, dass etwas aufhört, weil es uns überfordert. Wo aber diese Grenze sich befindet, können einzelne Personen nur selbst festlegen: Was für eine Person zu laut ist, ist für eine andere vielleicht noch angenehm. In vielen verschiedenen Bereichen haben wir also ganz unterschiedliche Grenzen – als Erwachsene, aber auch im Vergleich zu den Kindern. Warum unsere Grenzen so unterschiedlich sind, kann ganz verschiedene Ursachen haben: Wir haben unterschiedliche Temperamente, die angeboren sind und wir machen im Laufe unseres Lebens unterschiedliche Erfahrungen, die sich auf unsere Bedürfnisse und Grenzen auswirken: Wenn wir Gewalt erfahren, sind wir später vielleicht sehr empfindsam in Bezug auf Berührungen und/oder unser gesamtes Stressverarbeitungssystem ist schneller an der Belastungsgrenze. Und auch unsere Alltagssituationen wirken sich auf unsere Grenzen aus: Sind wir bereits gestresst, sind wir vielleicht empfindsamer gegenüber Lautstärke und unsere Grenze ist schneller erreicht als sonst.
Auch Kinder haben Grenzen, die wir respektieren sollten: körperliche Grenzen (Wenn ein Kind beispielsweise aus Erschöpfung nicht mehr laufen kann. Oder von wem es welche Berührungen zulässt oder nicht), ethische Grenzen (hier haben die Eltern ganz besonders die Verantwortung, beispielsweise wenn es um vermeintlich „lustige“ Fotos geht, die in Social Media geteilt werden) und auch Grenzen der Sinnesempfindungen (Was für ein Kind laut oder zu laut ist, kann sich von dem unterscheiden, wie wir es empfinden). Am Anfang ist es für Kinder oft schwer, ihre Grenzen wirklich wahrzunehmen und selbst darauf zu achten. Sie sind auf unsere Co-Regulation angewiesen. Wir sehen das beispielsweise an Babys, die einen Tag über zu viel stimuliert wurden, von Arm zu Arm gereicht, durch ein Einkaufszentrum getragen mit hellen Lichtern und sich selbst vor diesen Reizen nicht schützen konnten und dann später viel weinen. Kinder sind sehr lange darauf angewiesen, dass wir uns um den Schutz ihrer Grenzen kümmern.
Die Grenzen also zeigen auf, wann unsere Belastungsmöglichkeit erreicht ist und nicht überschritten werden sollte. Es ist wichtig, dass wir Grenzen von anderen wahrnehmen und berücksichtigen, denn nur so funktioniert das Zusammenleben in einer Gemeinschaft – nicht nur in der Kleinfamilie, sondern der gesamten Gesellschaft: Jeder Mensch hat in verschiedenen Bereichen individuelle Grenzen, die nicht überschritten werden sollten, damit sich diese Person weiterhin wohl fühlt.
Wie können wir Grenzen schützen?
Wir sehen also: Wir alle haben Grenzen. Aber unsere Grenzen unterscheiden sich: Was mich anstrengt, ist für eine andere Person vielleicht in Ordnung. Was für mein Kind nicht geht, ist vielleicht für ein anderes passend. Das bedeutet: Wir müssen zunächst verstehen und anerkennen, dass wir alle unterschiedliche Grenzen haben und unser eigenes Empfinden nicht der Maßstab für alle ist.
Haben wir dies verstanden, können wir ansehen, welche Signale bei uns darauf hindeuten, dass eine Grenze erreicht ist bzw. bei anderen Menschen. Welche Signale geben unsere Kinder, bevor sie vehement und laut zeigen, dass eine Grenze überschritten ist? Und welche Signale können wir bei uns selbst wahrnehmen, bevor eine Grenze erreicht ist?
Gerade um unsere eigenen Grenzen zu schützen, ist es sinnvoll, nicht erst dann zu reagieren, wenn unsere Grenze schon erreicht oder gar überschritten ist, sondern schon vorher. Denn: Wenn unsere Grenze erreicht oder überschritten ist, sind wir bereits in Not und handeln aus einem Notgefühl heraus. Wir sind aggressiver, lauter (oder auch ganz abweisend und „flüchten“). Wenn wir also an uns selbst erkennen, dass unsere Grenzen bald erreicht sind, können wir besser und entspannter handeln und sind weniger verleitet, schnell und grob zu handeln, wie beispielsweise mit dem Androhen von Strafen. Um zu erkennen, dass eine Interaktion auf dem Weg ist, unsere Grenze zu erreichen, brauchen wir allerdings ein gutes Gespür für uns selbst:
vielleicht atmen wir schneller und/oder flacher
wir merken, dass wir unbestimmt unruhig werden
wir reden schneller
unser Blutdruck steigt
wir fühlen uns verkrampft
…
Wenn wir frühzeitig merken, dass unsere Grenzen erreicht werden, können wir handeln: Wir können dem Kind sagen: „Es ist mir zu laut, lass uns mal ruhigere Musik anmachen.“ oder „Es ist mir zu laut, ich gehe in einen anderen Raum. Sag Bescheid, wenn du fertig bist.“ oder wenn wir einen ohnehin stressigen Tag haben, das Kind nach der Kita schlechte Laune hat, können wir erklären: „Heute gehen wir nicht zusammen einkaufen, sondern es gibt abends einfach Reste von gestern.“ (und so einem Streit im Supermarkt vorbeugen). Wir können, wenn das Kleinkind im Essen stochert und wir merken, dass es uns langsam aufregt, frühzeitig reagieren, mit dem Kind über das Essen reden oder fragen, ob es nicht mehr essen mag, bevor es das Essen vom Teller schiebt und wir deswegen verärgert sind. Bevor also das Fass zum Überlaufen gebracht wird, können wir meistens noch recht gut und verständlich andere Wege einleiten.
Wenn sich Grenzen bedroht anfühlen, sind wir in Versuchung, zu strafen
Dann aber, wenn plötzlich eine Grenze überschritten wird, wollen wir auch schnell handeln: Hier ist unsere eigene Unversehrtheit in Gefahr (Das Kind schlägt oder beißt), hier sind unsere Werte in Gefahr (Das Kind sagt Scheiß-Papa und benutzt damit ein in der Familie verbotenes Schimpfwort), hier sind wir akut überreizt (Das Kind schreit wild und laut über Minuten), hier wollen wir vielleicht andere Personen schützen (Das Kind der Freundin) oder sorgen uns um unser Ansehen (Was sollen die Nachbarn denken). Unser Wunsch ist: Schnell dieses Verhalten abstellen und auch nachhaltig, damit wir nicht wieder in diese Situation kommen.
Viele von uns sind mit Strafen in der ein oder anderen Weise aufgewachsen, denn aus der Verhaltsbiologie wurde auch für die Erziehung von Kindern abgeleitet: Durch Belohnung können wir positives Verhalten verstärken, durch Bestrafung negatives Verhalten vermindern. Tatsächlich funktioniert diese Technik auch ganz gut, denn als Erwachsene sind wir den Kindern gegenüber in einer Machtposition: Bestrafen wir ein „falsches“ Handeln, lernt das Kind, dass es schwächer ist, unterliegt, sich unterwerfen muss. „Wenn Du nicht lieb bist, bekommst Du abends keinen Nachtisch!“ Das Kind versucht demnach, unserem Wunsch nach „lieb sein“ zu entsprechen, um der Strafe zu entgehen. Es passt sich an unsere Forderung an. Was es aber tatsächlich bedeutet, lernt es nicht. Es lernt auch nicht, dass „lieb sein“ ja nicht gezwungen werden kann, sondern ein tiefes Gefühl des Wunsches ist, einen anderen Menschen glücklich zu machen. Es verhält sich lediglich angepasst an unsere Vorstellungen: „lieb sein“ bedeutet dann – je nach unserer Forderung – leise sein, nicht schimpfen, nichts schmutzig machen. Es lernt nicht, das Gefühl des „lieb seins“ zu übertragen und auf andere Situationen anzuwenden. Es lernt, dass es scheinbar nicht lieb ist, wenn es diese Anforderungen nicht erfüllt – obwohl die Verhaltensweisen, die wir als Eltern oft reglementieren eigentlich völlig normale kindliche Verhaltensweisen sind, die meist der Neugierde und dem Wunsch nach Selbstständigkeit entspringen. Recht wahrscheinlich zeigt es dann das gewünschte Verhalten in jenen Situationen, in denen die erwachsene Person anwesend ist, die dies einfordert. Und weil es Angst vor der Folge eines falschen Verhaltens hat, ist es zudem nicht darum bemüht, ein eventuell doch abweichendes Verhalten einzugestehen: Es lügt, weil es (verständlicherweise) die Folgen des „lieb seins“ genießen möchte und keine Bestrafung erhalten will.
Was also durch Bestrafung passiert: Das Kind fühlt sich machtlos, es fühlt sich schwach und unterlegen und verinnerlich das Weltbild, dass der Stärkere gewinnt und Kooperation und Gleichwürdigkeit keine Methoden der Wahl sind in Konfliktsituationen. Diese Haltung verinnerlicht das Kind für die Zukunft (wie wahrscheinlich auch viele von uns sie verinnerlicht haben) und andere Interaktionen, auch im Zusammensein mit anderen Kindern. Das Kind lernt keine sinnvollen und nachhaltigen Lösungsstrategien für die Zukunft, um sie in der Zukunft anzuwenden und Problemsituationen beispielsweise anders zu verarbeiten. Oftmals sind Strafen Mittel der Wahl in der Kleinkindzeit, in der sich Kinder noch gar nicht in andere hinein versetzen können, weil sich die Theory of mind erst langsam ausbildet. Das Kind versteht also nicht, warum es eine bestimmte Handlung ausführen oder lassen soll für eine andere Person, sondern lernt nur stures Befolgen. Aus Angst vor der Bestrafung, ist es in Anwesenheit der strafenden Person bemüht, die Forderungen einzuhalten. Es kann in Anwesenheit der bestrafenden Person also nicht „es selbst sein“ und verstellt sich, um sich anzupassen. Das ist auf Dauer anstrengend, besonders wenn es ein normales kindliches Verhalten unterdrücken muss (nicht schmutzig machen/nicht laut singen/nicht wütend sein/nicht mit den Fingern das Essen anfassen/…). Manchmal äußert sich dies dann in scheinbar „grundlosen Wutausbrüchen“, die aber eigentlich der angestauten Überlastung zuzuschreiben sind. Vielleicht versucht es, heimlich dieses Verhalten auszuleben und lügt aus Angst dann die bestrafende Person an („Ich habe das nicht schmutzig gemacht, das war ein fremder Hund.“).
Durch Bestrafen gewinnen wir also tatsächlich langfristig nichts: Das Kind wird kein „besserer Mensch“ durch Strafen. Das Kind ist ein guter Mensch und wir müssen es auf dem Weg begleiten, zu erfahren, wie es Grenzen anderer gut berücksichtigen kann. Das erlernt es aber nicht durch Strafen. Auch nicht solche, die wir als „Konsequenzen“ bezeichnen, weil es Strafen sind, die sich direkt auf das vermeintliche Fehlverhalten beziehen: „Wenn du nicht aufisst, gibt es keinen Nachtisch!“, „Wenn du nicht aufräumst, spielen wir nicht miteinander!“, „Wenn du Schimpfwörter benutzt, musst du allein in deinem Zimmer bleiben, damit niemand das hört!“ Ja, diese Strafen stehen in Zusammenhang mit der Ursache, die vermieden werden möchte, aber dennoch sind es Strafen, die ein von uns als negativ betrachtetes Verhalten abstellen sollen aufgrund eines Machtgefälles und rein dazu dienen, das Verhalten zu vermeiden anstatt dem Kind echte Lösungsstrategien anzubieten.
„Kinder testen keine persönlichen Grenzen böswillig aus, sie fordern uns nicht heraus. Sie gelangen aber durch ihr Handeln an Grenzen, um zu erfahren, wie sie sich in einer Gesellschaft richtig bewegen. Neben all den Dingen, die sie lernen, lernen sie nämlich auch, wie andere Menschen sind.“
S. Mierau (2017): Geborgene Kindheit, S. 104
Wie können Grenzen bewahrt werden, ohne zu bestrafen?
Wir sehen: Grenzen sind wichtig und müssen geschützt werden. Aber Strafen sind nicht das Mittel der Wahl dafür, wir brauchen andere Handlungsmöglichkeiten. Um diese zu finden, müssen wir unseren Blick auf das Kind ändern: Wenn es eine Grenze überschreitet, dann hat das einen Anlass. Kindliches Verhalten ergibt eigentlich immer einen Sinn, auch wenn er uns zunächst nicht klar ersichtlich ist. Hinter dem Verhalten eines Kindes steht ein Anlass: Im Kleinkindalter hat das oft mit Neugierde, Selbständigkeit und Ressourcen zu tun. Das Kind will sich die Welt aneignen, will Erfahrungen darin machen, sich erproben. Manchmal ist es dabei zu ungestüm: es hat Unfälle, macht Dinge kaputt, kann mit anderen Menschen noch nicht so umgehen, wie wir Erwachsenen (im positiven Fall) miteinander gut umgehen. Kinder machen Dinge nicht, um „Machtspiele“ zu provozieren, sie sind ja auch uns Erwachsene als Versorger*innen angewiesen und wollen dies nicht von sich aus umkehren. Wenn Kinder scheinbar „provozieren“ lohnt sich auch ein Blick hinter dieses Verhalten: Warum wollen sie Aufmerksamkeit, wo fühlen sie sich nicht gesehen, wo ist es gerade anstrengend für sie, dass sie mehr Zuwendung brauchen, die wir anscheinend aktuell nicht geben?
Wenn wir also in einer Konfliktsituation sind, in der wir geneigt sind, eine Strafe verhängen zu wollen, macht folgendes Vorgehen Sinn:
Erst einmal ruhig bleiben: etwas trinken, tief durchatmen, kurz aus dem Raum gehen,…
Du darfst wütend sein. Nur brauchst du eine Methode, um gut mit der Wut umzugehen udn sie nicht am Kind auszulassen.
Nachdenken: Warum genau hat mein Kind wie gehandelt? Was steht hinter dem Verhalten meines Kindes?
Wenn wir den Grund des Kindes erfahren haben (weil es das gesagt hat oder wir es durch nachdenken erkunden konnten): Überlegen (ggf. gemeinsam): Wie kann diesem Bedürfnis nachgegangen werden, ohne dann Grenzen überschritten werden? Wie hätte die Situation auch laufen können? Wie wäre es besser gegangen? Größere Kinder können in diese Analyse einbezogen werden.
Vielleicht ist etwas kaputt gegangen, etwas wurde verschüttet,… Gemeinsam kann nun das Problem behoben werden: Wir räumen zusammen auf, machen zusammen sauber. So lernt das Kind auch gleich, wie es richtig gemacht wird (und es ergibt sich nicht sofort der nächste Problemfall: „Das ist ja gar nicht sauber, mach das nochmal!“)
Später kann noch einmal besprochen werden, wie zukünftig in solchen Situationen gehandelt werden kann. Vielleicht kann auch gemeinsam ein Plakat gebastelt werden, wenn es beispielsweise immer wieder abends Probleme gibt in der Abendroutine: Statt zu drohen „Wenn du dich nicht endlich fertig machst, dann gibt es keine Geschichte!“ können wir ein Papier mit den abendlichen Routinen skizzieren, damit das Kind eine Orientierung hat. „Schau, jetzt ist Punkt 3 dran: Wir gehen Zähne putzen.“
Aber wenn es gefährlich ist, dann muss ich doch verbieten?
Wenn etwas gefährlich ist, müssen wir unsere Kinder vor Gefahr schützen: Kinder dürfen nicht auf die Straße rennen, nicht auf dem Fensterbrett spielen, nicht als Nichtschwimmer*in ins Wasser springen. Natürlich müssen wir in allen gefährlichen Situationen eingreifen und unsere Kinder schützen und dies auch gegen ihren Willen, weil sie die Situation nicht überblicken können. Aber dieser Schutz ist keine Bestrafung. Eine Bestrafung wäre es, wenn wir das Kind davor schützen, auf die Straße zu rennen und danach sagen: „Weil du das gemacht hast, bekommst du heute kein Eis.“
Unsere Aufgabe ist es – und natürlich ist das nicht immer einfach – unseren Kindern Handlungsfähigkeit beizubringen und zu ermöglichen. Verständnis für Gefahrensituationen ermöglichen, Lösungsstrategien aufzeigen, so dass sie zukünftig nicht wegen eines Verbotes etwas nicht tun, sondern weil sie wirklich verstanden haben, warum ein solches Handeln in dieser Situation falsch wäre. Statt also das Eis zu verbieten, können wir danach in die Bibliothek gehen und Bücher über Verkehrserziehung ausleihen und lesen, können zukünftig an der Straße besser aufpassen und gemeinsam in Kommunikation sein: besprechen, was als nächstes passiert, warum hier was gemacht werden muss.
Und natürlich müssen wir auch da eingreifen, wo andere Personen durch das Kind in Gefahr geraten: Wenn das Kind andere haut oder beißt, müssen wir eingreifen, um die anderen Kinder zu schützen. Aber auch hier sollte im Anschluss keine Bestrafung des Kindes erfolgen, sondern es sollte genau hingesehen werden: Warum beißt/kratzt/schlägt/spuckt mein Kind? Was können wir an Situationen ändern, damit das Kind das nicht macht, welche Alternativen gibt es?
Neue Wege fallen oft schwer
Ja, viele von uns haben Strafen erlernt als Handlungsmethode, aber das bedeutet nicht, dass es die richtige und sinnvolle Möglichkeit ist, mit Kindern umzugehen und um eigene oder andere Grenzen zu sichern. Wir haben unseren Kindern gegenüber die Verantwortung, auch ihre Grenzen zu bewahren. Strafen verstoßen dagegen und deswegen ist es unsere Aufgabe, andere Wege zu finden. Dass das nicht immer einfach ist, ist klar. Uns fehlen Vorbilder hierfür, wir haben diese Art des Umgangs oft selbst nicht erlernt. Deswegen machen wir eben auch Fehler. Aber wir sind keine schlechten Eltern, weil wir überfordert sind. Wenn wir Fehler machen, können wir um Entschuldigung bitten. Und wir können versuchen, es beim nächsten Mal anders zu machen und so nach und nach von den Strafen wegzukommen und das Denken zu verändern.
Manchmal gibt es anstrengende Momente mit Kindern, anstrengende Tage oder auch ganze Wochen. Dies besonders dann, wenn unsere Kinder in Umgewöhnungsprozessen stecken, wenn Routinen wegfallen. Und dies noch ganz besonders dann, wenn sie solche Umstellungen noch schwer verarbeiten können, weil sie noch im Kleinkindalter sind und diese Veränderungen sich in Form von Wutausbrüchen zeigen.
Was nehmen Kinder als Veränderungen wahr?
Das, was für Kinder Veränderung ist, ist aus unserer Perspektive manchmal zunächst nicht augenscheinlich. Manchmal übersehen wir, welche Situationen oder Ereignisse für die Kinder ein einschneidendes Erlebnis sind. Oft sind das Situationen, die wir eigentlich positiv bewerten: Urlaub, Einschulung, Kindergartenbeginn. Wir denken oder sagen: „Wir sind zusammen im Urlaub und machen so viele tolle Dinge zusammen! Warum hast Du nur so schlechte Laune?“ oder „Wow, die Schule beginnt, Du bekommst eine Schultüte und Feier und darfst endlich in der Schule lernen!“ oder „Endlich triffst Du all Deine Freund*innen nach den Ferien im Kindergarten wieder!“ Aber für Kinder sind diese Situationen oft schwierig, weil sie einen Umbruch bedeuten, weil Bindungspersonen wechseln und/oder weil sie in besonderer Weise kooperieren müssen und sie das sehr beansprucht. Im Urlaub sind gerade Kleinkinder oft sehr herausgefordert, weil sie sich einer völlig neuen Umgebung wiederfinden mit neuen Geboten und Verboten: „Nicht so laut sein beim Essen!“, „Nein, das gehört nicht uns, da müssen wir…“ Urlaube fordern für Kleinkinder ein hohes Maß an Kooperation – sind sie erschöpft davon, reagieren sie mit schlechter Laune, Wut, Erschöpfung. Auch der Wechsel von Bezugspersonen kann sehr schwierig und anstrengend sein: Wenn Erzieher*innen oder Lehrer*innen wechseln, wenn ein Geschwisterkind vom Kindergarten in die Schule wechselt und fortan nicht mehr den Alltag im Kindergarten teilt.
Oftmals ist es zunächst schwer, sich hier einzufühlen und zu interpretieren, woher die Wut oder schlechte Laune des Kindes kommt. Unser Blick auf das Kind und den Alltag ist ein anderer und wir erkennen zunächst nicht, welche großen Umbruchprozesse gerade stattfinden oder welche große Leistungen das Kind gerade vollbringt. Unsere Perspektiven sind unterschiedlich, was zu Problemen in der Interaktion führen kann: Das, was wir denken, was das Kind gerade gerne tut/was ihm gut tut/worauf es sein Augenmerk richtet, muss nicht mit dem übereinstimmen, was wirklich im Kind vorgeht. Wir sehen das Kind aus der Erwachsenenperspektive und denken analytisch, logisch nach unseren Maßstäben. Das Kind hingegen denkt anders: Anders emotional, aber auch konkret in anderen Hirnbereichen.
Veränderungen, die besondere Kooperation voraussetzen
Unsere Kinder kooperieren in unserem Alltag an vielen Stellen mit uns. Kooperation meint dabei, dass wir gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten. Sie unterstützen uns in vielen kleinen Momenten des Alltag, indem sie beispielsweise den Fuß ruhig halten, um sich einen Schuh anziehen zu lassen, indem sie am Tisch sitzen bleiben beim Essen, indem sie versuchen, bei der Zubereitung des Essens zu helfen oder sich etwas selber aufzutun oder einzuschenken. Manchmal übersehen wir, wieviel sie jeden Tag auf uns zu gehen oder an wie vielen Stellen sie unterstützen wollen. Und manchmal erwarten wir auch einfach zu viel und übersehen, wie anstrengend einige Situationen sein können. Typisches Beispiel hierfür ist der oben aufgeführte Urlaub, in dem Kinder neuen und anderen Regeln unterliegen, deren Einhaltung anstrengend ist und die sie auch nicht beständig erinnern. Viele dieser Regeln können sie wahrnehmen, manchmal müssen sie erinnert werden, aber manchmal wird es auch einfach zu viel der Einschränkung und Veränderung. Es ist wichtig, dass wir unseren Blick darauf lenken, an wie vielen Stellen sie Änderungen vorfinden und damit umgehen müssen. Wir können uns selbst daran erinnern, indem wir diese Situationen sprachlich begleiten, beispielsweise wenn sich das Kind an den Tisch setzt und auf Kellner oder Kellnerin wartet, können wir sagen: „Du weißt jetzt schon, dass wir das Essen erst bestellen müssen und es nicht wie zu Hause so schnell auf dem Tisch steht.“ Damit zeigen wir dem Kind, dass wir sehen, dass es selbst kooperiert und gleichzeitig erinnern wir uns selbst daran, welche Leistung das Kind hier gerade erbringt.
Ganz ähnlich ist es in anderen neuen Situationen: Im Kindergarten müssen sie auf eine neue Weise Rücksicht nehmen auf Abläufe, Routinen und viele andere Kinder. All das ist anstrengend und am Ende des Kitatages, wenn wir sie abholen, sind sie erschöpft und vielleicht gerade jetzt, bei ihren Hauptbindungspersonen, lassen sie los und wollen entspannen. Wir nehmen die schlechte Laune wahr, übertragen sie vielleicht auf uns, stellen in Frage, ob das Kind uns noch mag, aber eigentlich ist es wirklich total erschöpft und schon das Anziehen ist jetzt gerade zu viel.
Auch dann, wenn Bindungspersonen wechseln, ist das für Kinder anstrengend: Der Lieblingserzieher ist im Urlaub, der Ablauf morgens anders, die Lieblingserzieherin geht in Elternzeit, die Geschwisterkinder oder andere nahe Freund*innen wechseln vom Kindergarten in Schule: Auf einmal fallen wesentliche Bindungspersonen weg im Alltag und das Kind ist traurig, die neuen Abläufe und die Umgewöhnung sind anstrengend.
Diese Punkte kannst Du beachten, um Dein Kind gut zu begleiten:
„Auf Augenhöhe“ des Kindes gehen: Was ist gerade bei meinem Kind aktuell, was hat sich verändert?
Erwachsene Bewertungen vermeiden: Was schlimm ist oder nicht, kann nur das Kind selbst bewerten.
Gefühle annehmen und begleiten: Die Gefühle, die das Kind hat, darf es haben und sie brauchen eine Begleitung
Nicht zu viel verlangen: Unsere Kinder gehen mit schwierigen Situationen anders um, haben weniger Erfahrungswissen. Setzen wir keine erwachsenen Maßstäbe an sie und ihr Verhalten.
Augenmerk auch auf positive Dinge richten: Mit dem Kind auch darüber sprechen, was am Tag besonders schön war und selbst die Situationen sprachlich hervorheben, in denen etwas gut läuft (siehe Beispiel oben) – und sich selbst auch an die positiven Dinge im Alltag erinnern
Bei anhaltenden Problemen, Traurigkeit, Erschöpfung: Hilfe suchen und Fachpersonen kontaktieren
Umgang mit Veränderungen
Wenn unsere Kinder auf einmal besonders wütend, übellaunig oder traurig sind, lohnt sich ein Blick auf die Dinge, die sich vielleicht gerade verändert haben. Denken wir nicht einfach nur: Ach, das ist eine blöde Phase, sondern sehen wir hinter das Verhalten auf das wirkliche Bedürfnis, auf die kindlichen Gefühle. Nehmen wir an, dass das Kind sich schwerer tut mit Umstellungen als wir Erwachsene und denken wir nicht, dass das Kind wie ein Erwachsener denken oder handeln sollte. Nehmen wir die Kindlichkeit an und respektieren sie. Nehmen wir an, dass das Kind gerade die breite Palette an Gefühlen kennenlernt und dass es alle Gefühle fühlen darf und wir es dabei begleiten. Erklären wir dem Kind, dass es sich gerade in einer Umstellungssituation befindet und Umstellungen immer mal vorkommen und es okay ist, dann traurig oder wütend zu sein.
Die Ferien gehen ihrem Ende entgegen, es ist Zeit für einen Rückblick auf die Unternehmungen, Erlebnisse, Sommermomente. So, wie wir am Ende des Tages auf den Tag zurück blicken, sehen wir am Ende der Ferien auch einmal zurück und fragen nach, was wir erlebt haben und halten einige Erinnerungen fest: Die großen Kinder haben bereits Tagebücher, aber auch sie sitzen gerne mit am Maltisch und gestalten ihre Erinnerungen. Heute gibt es drei Ideen, die Sommererlebnisse auf Papier festzuhalten.
Sommerblumen mit Fingerabdrücken gestalten
Was blüht denn hier? Vielleicht habt ihr im Sommer auch die vielen bunten Blüten bewundert und daran gerochen. Für kleine Kinder ist es noch schwer, das Gesehene abzubilden, aber wir können auf einfache Art eine Erinnerung schaffen an die bunten Blumenwiesen: Mit etwas Aquarellfarbe können Eltern einen Blumenwiesenhintergrund gestalten: etwas Grün für die Wiese, etwas Blau für den Himmel, etwas Geld für die Sonne. Das Kind kann dann auf den getrockneten Untergrund mit in Farbe getauchten Fingerspitzen nach Belieben Blüten auf dem Feld verteilen oder dem Blumenstengel antupfen. So entstehen bunte Blumenkunstwerke, die an der Kinderzimmerwand noch lange an den Sommer erinnern.
Sommerfrüchte-Handabdruck
Bei den Sommerblumen machen die Eltern den ersten Teil der Malarbeit, bei den Sommerfrüchten die Kinder: Einfach Hände anmalen und auf das Papier drücken. So werden aus roten Handabdrücken Erdbeeren, aus gelben Ananas, aus grünen gestreifte Melonen. – Und was gab es sonst an Obst im Sommer? Eine schöne Idee, um kulinarisch auf den Sommer zurück zu blicken und nebenher den Wortschatz auszubauen. Das sieht nicht nur an der Kinderzimmerwand schön bunt aus, sondern kann auch die Küche wunderbar zieren.
Sandbilder aus Urlaubserinnerungen
Gehört ihr zufällig zu den Menschen, die aus dem Urlaub Sand mit nach Hause nehmen in einer kleinen Flasche? Wir machen das immer wieder und lassen die kleinen Gläser dann beschriftet stehen oder verwenden den Sand weiter. Zum Beispiel, um ein schönes Sandbild daraus zu machen. Das geht ganz einfach: Zeichne mit Bleistift die Umrisse des Bildes vor, beispielsweise eine Sandburg. die Umrisse werden dann mit Kleber nachgezogen und der gesammelte Sand wird auf das Papier gegeben und klebt an den Klebeumrissen fest. Anschließend so lassen oder die Zwischenräume mit Wasserfarbe ausmalen.
Manchmal ist es mit Kindern gar nicht so einfach. Besonders dann, wenn uns unsere erwachsenen Gedanken in den Weg kommen und wir die Feinfühligkeit verlieren für die Sicht des Kindes. Feinfühligkeit ist ein wesentlicher Bestandteil eines sicheren Bindungsmusters, wird aber gerade in Stresssituationen behindert. Dann kommen unsere Erwartungen hervor, unsere Ansprüche an das kindliche Verhalten – die oft mit der Realität nicht viel zu tun haben.
Wenn wir unser Denken auf Kinder übertragen
„Meine Güte, da ist kein Monster unter dem Bett, Du kannst ganz beruhigt schlafen gehen!“, „Jetzt reiß dich doch mal zusammen und sitz ruhig am Tisch, das ist doch ganz spannend, was Omi gerade erzählt!“, „Das hat doch nicht wehgetan, da musst Du nicht weinen!“ – All das sind Beispiele für Situationen, in denen wir uns nicht in das Kind hinein versetzen.
Natürlich wissen wir, dass unter dem Bett kein Monster lauert. Aber für unser Kind, das sich gerade in der magischen Phase befindet, ist ein Monster unter dem Bett oder im Kleiderschrank durchaus eine Möglichkeit. Und während für uns die Geschichte der Großmutter vielleicht interessant ist, muss sie es noch lange nicht für das Kind sein. Ganz besonders aber können wir die Körperempfindungen von Kindern nicht bewerten: Was uns vielleicht nicht weh tut, kann unserem Kind Schmerzen zufügen. Was wir als kalt wahrnehmen, ist für ein Kind vielleicht wärmer. Wir können – und sollten – unseren Kindern nicht sagen, welche Gefühle sie gerade jetzt nicht haben können unserer Meinung nach, sondern wir sollten sie bei ihren Gefühlen begleiten.
Feinfühligkeit als Elternteil
Feinfühligkeit ist bedeutsam für unsere Beziehungen – sowohl für die Beziehungen zu unseren Kindern, also auch zu anderen Menschen. Ein wichtiger Baustein der Feinfühligkeit ist, dass wir überhaupt erst einmal das Kind als Menschen sehen mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, weil wir es so gewohnt sind, Kinder als Menschen zu sehen, die sich eben anpassen müssen. Und weil die Gefühle und Gedanken eines Kindes manchmal gar nicht so gut in unsere Planung passen. Zudem wird es schwer, die Gefühle von anderen zu interpretieren, wenn wir in Stresssituationen sind (siehe unten), was wir als Eltern durch Überlastungen und einen stressigen Alltag oft sind und damit Konflikte vorprogrammiert sind.
Wenn wir aber anerkennen dass das Kind eigene Gefühle und Gedanken hat, ist auch klar, dass sich unsere Gefühle und Gedanken unterscheiden können. Was ich denke, muss mein Kind nicht denken – und umgekehrt. Um zu verstehen, was das Kind denkt und fühlt, müssen wir für Signale offen sein, müssen hinsehen und bereit sein, anzunehmen, dass das Kind ganz anders fühlt. Nach der Wahrnehmung und richtigen Interpretation sollten wir dann passend darauf reagieren. Je nach Alter des Kindes (und auch schwere der Sitution) müssen wir mehr oder weniger prompt reagieren: Je kleiner das Kind, desto schneller. Und je dringender und aus Sicht des Kindes (!) gefährlicher, desto schneller.
Warum es manchmal so schwer ist
Mit der Feinfühligkeit fällt es uns allerdings schwer, wenn wir unter Stress stehen. Durch Stress nämlich können wir Signale weniger gut wahrnehmen, können Gesichter weniger gut „lesen“ und interpretieren falsch und sind eher aggressiv. Sind wir abends gestresst, weil das Kind endlich im Bett sein soll, fällt es uns schwer, feinfühlig zu sein. Sind wir beim Familienbesuch gestresst, weil wir uns vielleicht beobachtet fühlen und sorgen, von anderen Familienmitgliedern negativ bewertet zu werden, fällt es uns auch schwerer, die Welt aus Kinderaugen zu sehen. Und wenn das Kind sich verletzt hat, sind wir vielleicht erinnert an eigene Kindheitserfahrungen und wie diese „abgebügelt“ wurden und reagieren in dieser Situation auch nicht so, wie es eigentlich feinfühlig wäre.
Kinder machen eben nicht so
Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Kinder „machen eben nicht einfach so“. Kinder sehen die Welt anders, fühlen anders, nehmen anders wahr. Sie lernen, sie entwickeln sich, sie brauchen Zeit. Viele Jahre lang sehen sie die Welt durch Kinderaugen. Und wir Erwachsene sollten sie auf diesem Weg begleiten und ihre Weltsicht annehmen und begleiten. Wir sollten annehmen, dass sie unter dem Bett Monster vermuten und mit ihnen Möglichkeiten besprechen, diese zu vertreiben und sie zu schützen. Wir sollten verstehen, dass die Welt manchmal langweilig für sie ist und sie nicht unendlich kooperieren und sich „anständig“ benehmen können. Und wir sollten annehmen, dass sie ganz anders fühlen als wir und gerade auch Schmerz erschreckend und eben schmerzvoll ist und sie eine gute Begleitung dadurch benötigen.
Was uns bei dem Verständnis für unsere Kinder hilft, ist, Stress zu vermeiden oder uns zumindest dessen bewusst zu werden, dass wir gerade gestresst sind und deswegen vielleicht falsch reagieren könnten. In so einem Fall können wir vielleicht jemand anderen bitten, die Situation zu begleiten. Oder wir können uns selbst beruhigen und dann wieder gut auf das Kind zugehen.
Mittlerweile ist es zu den meisten Leuten durchgedrungen: Wir befinden uns nicht in einer Hitzewelle, sondern in der von Menschen verursachten Klimakrise. Die gute Nachricht: Wir können es zwar nicht ändern, aber jetzt gerade noch die Folgen der vergangenen Jahrzehnte in einem aushaltbaren Maß halten, wenn wir handeln und unseren Alltag verändern. Natürlich brauchen wir auch politische Regelungen, aber neben diesen notwendigen Rahmenbedingungen können wir alle Veränderungen vornehmen, die sich auswirken, die einen Einfluss nehmen und die wieder andere Menschen in unserer Umgebung dazu inspirieren, ebenfalls aktiv zu werden.
Gerade aber bei Familien ist oft zu hören: Wir haben schon so viel zu tun, wie sollen wir nun auch noch nachhaltig leben? Und ist Nachhaltigkeit nicht sowieso nur etwas für die, die es sich leisten können? Auch hier gibt es wieder eine gute Nachricht: Nein, wir können alle auf ganz einfache Weise mit Kleinigkeiten beginnen und uns nach und nach einarbeiten in das Thema und immer mehr machen. Denn nachhaltiges Leben bedeutet auch ressourcensparendes Leben und ist abseits von teuren, weißen, leeren Minimalismus-Wohnungen möglich. Wir alle können einen Beitrag leisten in Sachen nachhaltiges Familienleben. Vielleicht sind einige dieser Anregungen auch bei Euch umsetzbar:
Verwende keine Feuchttücher mehr: Feuchttücher verstopfen (wenn sie in die Toilette geworfen werden) nicht nur die Kanalisation, sondern sogar die Kläranlagen. Zudem enthalten einige von ihnen Plastik, sind also nicht biologisch abbaubar. Die kostengünstigere und gesündere Alternative: einen nassen Lappen in einer Dose mitnehmen oder Wasserflasche, Tücher und Wetbag mitnehmen. Diese Alternative ist oftmals auch gesünder für Babys Haut, denn nicht alle Inhaltsstoffe aller Feuchttücher sind gut und gerade Konservierungsstoffe sind nicht gut für Babys Haut.
Reduziere die Babypflege: Babys Haut braucht noch nicht eine Vielzahl an verschiedenen Pflegprodukten. Gerade im ersten Jahr reicht es oft, die Haut mit einem guten Öl zu pflegen. Babyshampoo brauchen viele Babys gar nicht, ebenso wenig zahlreiche Lotionen oder gar Babyparfum.
Kaufe keine Babygläschen: Natürlich kann es mal praktisch sein, ein Gläschen für unterwegs zu kaufen. Brauchen tust Du die Babynahrung im Glas aber eigentlich nicht, denn die Zutaten für die erste Beikost kannst Du ganz entspannt von eurem Familienessen abzweigen und entweder püriert anbieten oder eben als Stückchen.
Kinderkleidung: gebraucht kaufen und ausbessern. Fast Fashion (pdf) betrifft nicht nur uns Erwachsene, auch bei Kinderbekleidung wird schnell neu gekauft und auf modische Details geschaut, die immer wieder ausgetauscht werden: Diese Woche mag das Kind noch Paw Patrol und bekommt ein passendes Shirt, nächste Woche ist es Peppa Pig. Wir tragen Kleidung nicht mehr auf, kaufen unnötig viel, reparieren nicht, sondern werfen weg und kaufen neu. Stopp damit! Wer neutrale Kleidung kauft, ist nicht den Kinderhit-Trends unterworfen und auch neutrale Kleidung ohne Superheldenaufdruck kann schön aussehen. Wenn etwas kaputt geht, kann ausgebessert werden mit Flicken. Wer sogar Stopfen kann, findet im Netz tolle Anleitung für kunstvolles Stopfen mit ansprechenden Motiven. Zudem gibt es mittlerweile auch Anbieter*innen, bei denen Kindkleidung ausgeliehen werden kann.
Kaufe keine Quetschies: Ja, sie sind so praktisch, die Beutel mit Obstinhalt. Aber sie produzieren Müll, sind in Relation zum Inhalt teuer, enthalten neben dem Fruchtmark oft noch zugesetztes Traubensaftkonzentrat, was sie süßer macht, aber in Verbindung mit der Säure und dem Nuckeln an den Tüten die Kariesgefahr erhöht. 2016 wurden auch Pestizide in ihnen gefunden.
Spielsachen leihen und tauschen: Wie auch Kleidung kann Spielzeug ganz einfach ausgeliehen oder getauscht werden. In Bibliotheken gibt es Kinderbücher, aber auch Hörspiele und anderes. Im Freundeskreis kann Spielzeug getauscht werden und auch zu Hause kann saisonal gewechselt werden, damit die Spielsachen nicht langweilig werden. Es gibt auch Shops, um Spielzeug für bestimmte Zeit zu mieten.
Und wenn du erst einmal angefangen hast, auf die Dinge des Alltags zu achten, finden sich schnell auch weitere Punkte, an denen weiter gemacht werden kann: Vielleicht schaust du im Bad durch, welche Pflegeprodukte ihr generell braucht und du steigst auf feste Shampoos ohne Verpackung um. Oder du machst mit deinen Kindern ein Müllprojekt: Ihr schaut euren Müll eine Woche lang an, trennt und überlegt gemeinsam, an welchen Stellen ihr vielleicht noch mehr Verpackungen einsparen könntet. Ich habe mit Julia Schmidt Jortzig von ELTERN über das Thema gesprochen. Vielleicht findest du darin weitere Anregungen:
Hast Du darüber hinaus noch Tipps? Dann schreibe doch gerne einen Kommentar. Deine
Ganz egal, ob du dein Baby lieber in einem Tuch oder einer Tragehilfe tragen möchtest, das erste Mal ist und bleibt dabei immer etwas ganz Besonderes. Die Auswahl an Tragemöglichkeiten ist riesig. Hast du dich für ein Tragetuch entschieden, bekommst du hier ein paar Hintergrundinformationen, damit du entspannt deine ersten Trageerfahrungen sammeln kannst.
Dein Neugeborenes im Tuch tragen
Das Tragetuch bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, dein neugeborenes Baby sicher und bequem zu tragen. Es gibt unterschiedliche Bindeweisen, die je nach Körperstatur und gesundheitlicher Besonderheiten (z.B. Rückenschmerzen, Neigung zum Milchstau etc.) ausgewählt und erlernt werden können.
Neben dem „klassischen“ fest gewebten Tragetuch, stellt das elastische Tragetuch, welches deutlich flexibler und dehnbarer ist, eine weitere Möglichkeit dar, dein Baby im Tuch zu tragen. Für welche Art du dich entscheidest, hängt dabei von deinen persönlichen Vorlieben ab, denn beide Tucharten eignen sich gleichermaßen zum Tragen direkt nach der Geburt, unterscheiden sich jedoch in der Handhabung beim Binden und Straffen und in ihrem Tragegefühl. Die Empfehlung, dass Neugeborene ausschließlich im elastischen Tuch getragen werden sollten, ist demnach nicht korrekt. Grundsätzlich gilt, dass alle Tücher, ganz gleich ob gewebt oder elastisch, schön fest gebunden werden sollten, damit das Gewicht des Babys optimal auf dem Körper des Trägers verteilt und das Baby rundherum gut gestützt wird. Überprüfen lässt sich dies, indem du dich mit dem fertig gebundenen Tuch leicht nach vorne beugst. Dabei legst du unterstützend eine Hand an das Köpfchen deines Babys. Nun sollte sich der Körper deines Babys idealerweise nicht von deinem Körper wegbewegen. Dein Baby sollte sozusagen nicht ins Tuch fallen. Ist dies der Fall, straffe das Tuch bitte noch einmal nach.
Das gewebte Tragetuch
Das gewebte Tragetuch besteht aus einem festen Stoff, wobei sowohl die Art als auch die Menge des verwebten Materials Einfluss auf die Haptik des Tuchs nehmen. Für den Beginn empfehle ich ein Tuch zu wählen, das sich durch ein geringes Flächengewicht auszeichnet. Das Flächengewicht gibt Aufschluss darüber, wieviel der Stoff des Tuchs wiegt und wird in g/m2 angegeben. Dieser Wert beschreibt also die Dichte eines Tuchs. Je höher das Flächengewicht, desto dicker ist das Tuch. Gerade am Anfang erleichtert es das Straffen ungemein, wenn du nicht einen riesigen Strang aus Stoff festhalten musst und noch dazu kostet es tatsächlich etwas Kraft ein sehr dickes Tuch akkurat zu straffen.
Außerdem sind gestreifte Tücher sehr zu empfehlen, da du anhand der Streifen den Tuchverlauf um deinen Körper besser nachvollziehen kannst und dies wiederum das Binden deutlich erleichtert. Tragetücher aus Baumwolle sind für den Tragestart völlig ausreichend und erschwinglich. Tücher aus extravaganteren Materialien wie Wolle, Bambus oder Seide sind für den Tragestart nicht wichtig, sondern werden vielmehr zu Objekten der Begierde, wenn du in Tragetüchern eine Leidenschaft für dich entdecken solltest.
Neben dem Flächengewicht und dem Stoff unterscheiden sich gewebte Tragetücher auch in ihrer Länge, die in der Regel in Zahlen angegeben wird. Die Entscheidung welche Länge die richtige ist, orientiert sich einerseits an Größe und Körperstatur der tragenden Person und andererseits an der Bindeweise, die genutzt werden soll. So „verbraucht“ das Känguru beispielweise viel weniger Tuchlänge als die Wickelkreuztrage. Es bietet sich daher an, erstmal zu testen, welche Bindeweise dir liegt und zusagt und dann das Tragetuch zu kaufen. An dieser Stelle möchte ich dich gerne nochmal dazu ermutigen, dir eine Trageberatung zu gönnen, denn der oft gehörte Ratschlag „Hol dir einfach das längste Tuch, damit kannst du alles binden!“, mag zwar stimmen, ist aber in der Praxis eher ernüchternd, da ein zu langes Tuch sowohl beim Binden keine Freude macht, als auch der ewig lange „Schwanz“, der übrig bleibt, im Alltag durchaus hinderlich sein kann.
Der große Vorteil des gewebten Tragetuchs ist, dass es von Beginn bis Ende der Tragezeit genutzt werden kann, da es je nach Bindetechnik zu einer optimalen Gewichtsverteilung führt und sich der Größe deines Babys bei jedem Binden anpasst. Damit es optimal für dich und dein Baby sitzt, musst du jedoch tatsächlich etwas üben. Auch wenn das Tragetuch zu binden keine Wissenschaft ist, müssen die neuen Handgriffe natürlich erstmal zur Routine werden, was aber durchaus ein paar Übungsanläufe in Anspruch nehmen kann. Insbesondere weil das gewebte Tragetuch es erfordert, dass der Stoff Stück für Stück, also „strähnchenweise“, festgezogen werden sollte, um ein optimales und festes Ergebnis zu erzielen. Aber hierbei gilt: Übung macht den Meister!
Das elastische Tragetuch
Das elastische Tragetuch ist aus einer Art Jerseystoff gefertigt und deutlich dehnbarer als das gewebte Tragetuch. Gerade am Anfang empfinden viele Eltern das elastische Tragetuch als bequemer, da es ein bisschen wie ein enges Shirt sitzt und in seiner Handhabung tatsächlich etwas einfacher ist. Im Gegensatz zum gewebten Tuch, kann das elastische Tuch in dickeren Bahnen festgezogen und darf deshalb beim Binden etwas „grobmotorischer“ behandelt werden. Dies macht das Binden am Anfang für viele etwas einfacher, da weniger Handgriffe notwendig sind. Beim elastischen Tragetuch gibt es je nach Hersteller ein paar Unterschiede in der Verarbeitung des Stoffes, so zum Beispiel auch in der Dicke. Eine Angabe über das Flächengewicht gibt es beim elastischen Tragetuch für gewöhnlich jedoch nicht. Ich persönlich empfehle zusätzlich darauf zu achten, dass die Kanten richtig gesäumt und nicht nur gekettelt sind, da sich so die haltgebende Kopfkante deutlich besser straffen lässt und das Tuch an dieser Stelle mehr Stabilität bietet, da es weniger ausleiert.
Die Bindeweisen beim elastischen Tuch sind etwas weniger variabel, als beim gewebten Tuch. Zudem begrenzt das Gewicht des Traglings in gewisser Hinsicht das Tragen im elastischen Tuch. Ab einem Gewicht von etwa 9 kg wird das Tragen deutlich weniger komfortabel und das stabile Binden ziemlich kompliziert, wobei an dieser Stelle das persönliche Empfinden natürlich eine große Rolle spielt. Grundsätzlich sollte das elastische Tuch immer mehrlagig gebunden werden, damit das Baby ausreichend gestützt ist.
Nun also startest du in deine ersten Trageerfahrungen. Ich wünsche dir und deinem Baby viele wundervolle Tragemomente.
Kira Heck ist staatlich anerkannte Kindheitspädagogin B.A., geprüfte Trageberaterin und zertifizierte Stillbegleiterin. Sie arbeitet als Trage- und Stillberaterin sowie als Elternbegleiterin in Berlin und Brandenburg und ist selbst Mutter. Auf Geborgen Wachsen schreibt sie über das Tragen von Babys und Kleinkindern, gibt hilfreiche Tipps und stellt neben Tragehilfen und Bindeweisen auch Basics zum Thema vor. Auf Instagram ist sie unter Herzhöhe zu finden. Mehr Informationen gibt es auch auf Kiras Webseite.
„Ich will aber nicht!“, „Ich will aber jetzt noch…“, „Ich kann nur schlafen, wenn Du noch eine Geschichte vorliest!“, „Ich bin gar nicht müde!“… Die Kleinkindzeit und das Einschlafen können manchmal eine schwierige Zeit sein: Nicht nur tagsüber drückt sich der Wunsch des Kindes nach Selbständigkeit aus, sondern auch abends. Dann aber manchmal gepaart mit Müdigkeit oder erschöpfter Kooperationsfähigkeit. – Eine ungünstige Mischung, wenn auch noch Eltern müde und erschöpft sind.
Am Ende des Tages…
Am Ende des Tages hat das Kind sehr viel erlebt. Es hat – wie jeden Tag – Neues gelernt, hat mit anderen Menschen interagiert. Vielleicht war es in einem Kindergarten, hat sich dort oder andernorts mit Freund*innen gestritten, vertragen, gespielt. Vielleicht musste es sich an Regeln und Abläufe anpassen, was nicht schlimm ist, aber Kraft kostet. Vielleicht ist es am Ende des Tages erschöpft, aber noch immer so neugierig. Vielleicht möchte es unbedingt noch dieses eine schöne Buch vorgelesen bekommen und im Arm kuscheln, obwohl es doch schon müde ist.
Vielleicht möchte es einfach nicht müde sein, sondern selbst bestimmen über sich und die Müdigkeit nicht anerkennen. Es möchte nicht gerade jetzt noch den Mund aufhalten zum Zähneputzen, denn das erfordert wieder Kraft und Ruhe – und vielleicht tut es auch noch etwas weh, weil gerade neue Zähne kommen und Schmerzen sind dann, wenn wir müde sind, noch viel intensiver. Am Ende eines Tages ist viel passiert und die Kraft eines Kindes, sowie die Möglichkeit, entspannt mit Situationen umzugehen, aufgebraucht. Wir sollten nicht zu viel erwarten von einem Kleinkind am Ende des Tages.
… braucht ein Kind einen langsamen Übergang
Wissen und berücksichtigen wir, dass das Kind am Ende des Tages viel erlebt hat, viel gesehen hat, viel in dem Gehirn dieses Kindes jetzt und in der Nacht verarbeitet wird, verstehen wir, dass nun nicht mehr viele Möglichkeiten bestehen, um uns entgegen zu kommen. Es ist ein wenig so, wie wenn wir nach einem fordernden Tag nach Hause kommen und einfach auf das Sofa sinken. Und dieses Sofa sind wir, die Eltern. Das Kind braucht es nun bequem, entspannt und ruhig. Manchmal ist diese Zeit des Einsinkens schon am Nachmittag zu finden, manchmal beginnt sie erst gegen Abend. Nun heißt es: Erwartungen zurückfahren an das kindliche Verhalten. Konkret kann es bedeuten:
Das Kind kann nicht mehr große Entscheidungen treffen in Bezug auf das Essen und fühlt sich überfordert von zu viel Auswahl.
Vielleicht hat es aber auch den Wunsch, etwas ganz Bestimmtes zu essen, weil es die Nährstoffe darin benötigt. Vertrauen wir dem Kind, wenn es aus einer gesunden Auswahl einen Wunsch heraus formuliert.
Das Kind kann nicht mehr laufen und möchte getragen werden: Eben gerade tobte es noch auf dem Spielplatz, aber nun ist es wirklich müde, weil der Antrieb des Spiels, der Neugierde, des Lernens nicht mehr da ist. Der Nachhauseweg ist zu beschwerlich – gönnen wir dem Kind die Ruhe auf unserem Rücken oder im Buggy.
Sich müde anziehen ist anstrengend – auch das kennen vielleicht einige von uns – nun nicht noch ausziehen und ganz neu ankleiden. Manchmal ist es sinnvoll, einfach schon vor dem Abendessen den Schlafanzug anzuziehen, damit es danach nicht zu mühevoll ist.
Langsam in den Schlaf gleiten und dabei einem anderen Menschen nah sein und von einer vertrauten Stimme hinüber in den Schlaf geleitet werden – das ist sicherlich schön. Wer gerne vorliest, muss nicht darauf bestehen, dass nach einer Geschichte wirklich Schluss ist. Es tut gut, die beruhigende Stimme einer liebevollen Person zu hören.
Den Raum verdunkeln und eine kuschelige Atmosphäre schaffen, die Ruhe ausstrahlt und nicht zum Spielen einlädt. Nun ist Zeit des Ruhens. Niemand muss schlafen, ist aber eingeladen, sich auszuruhen – schon diese Haltung des Nicht-Schlafen-Müssens kann etwas verändern.
Vielleicht plagen das Kind auch Ängste, die es noch nicht benannt hat oder schwer in Worte fassen kann. In der magischen Phase gibt es auf einmal Angst vor Krokodilen unter dem Bett oder Monstern im Kleiderschrank. – Natürlich lässt es sich so nicht gut einschlafen. Nehmen wir diese Ängste also ernst.
Auch in der Umstellungszeit des Mittagsschlafes wird das entspannte Einschlafen abends manchmal schwierig: Entweder ist das Kind müde, weil es den Mittagsschlaf nicht gemacht hat und kann aus Müdigkeit nicht mehr kooperieren, wird vielleicht auch wütend oder aggressiv aus Müdigkeit. Oder es macht noch Mittagsschlaf, vielleicht auch erst spät oder lang, und ist dann einfach wirklich nicht müde, wäre aber am nächsten Tag unausgeschlafen am Morgen. Hier muss der tatsächliche Schlafbedarf des Kindes am Tag angesehen und überlegt werden, wie er sinnvoll aufgeteilt werden kann.
Eine ruhige Routine an den meisten Nachmittagen kann eine Hilfe sein für diese Zeit: ruhige Momente und Nachmittagsgestaltung, beruhigende Geschichten, entspannte Vorbereitungen der Abendabläufe unter Einbindung der Selbständigkeit
Und wenn alles nicht klappt…
An manchen Abenden finden unsere Kinder das Fenster zum Schlaf einfach nicht. Auch das ist eine Fähigkeit, die mit der Zeit wächst. Erkennen wir an, dass es auch Ausnahmesituationen gibt und es an manchen Tagen schwierig ist. Erkennen wir an, dass das Kind einen anstrengenden Tag hatte und nörgelig ist, aber nicht zur Ruhe findet. Probieren wir es am nächsten Tag mit mehr Ruhe am Nachmittag oder schauen wir, was genau das Kind heute so besonders aufgedreht hat. Sprechen wir noch einmal ruhig über den Tag und die Geschehnisse: Was war heute besonders schön und was weniger? Was wollen wir morgen anders machen? Wichtig ist, selbst ruhig zu bleiben und nicht unter Stress zu geraten, weil das Kind nicht einschläft. Das erreichen wir mit ruhiger Atmung, Abwechslung mit Partner/Partnerin und einem eigenen, ruhigen Abendprogramm.
Eure
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