Die Welt ist für Kinder voller Abenteuer. So viele Dinge sind neu und aufregend und noch nie zuvor gesehen. Und für all diese unterschiedlichen Dinge gibt es Wörter, die gelernt werden wollen, nach und nach. Unsere Kinder lernen sie von uns, aus unserem Alltag, im Gespräch mit uns. Denn selbst dann, wenn unsere Sprachen einander noch nicht angeglichen sind, sind wir im Gespräch mit unserem Kind und begleiten es mit Wörtern und Antworten – von Anfang an.
Im Gespräch mit einem Neugeborenen
Noch können die Augen nicht weit blicken und erkennen nur dann scharf, wenn sich etwas im „Stillabstand“ befindet – der Weite die das Gesicht der Mutter vom Gesicht des Kindes beim Stillen entfernt ist. Doch in diesem Abstand beobachtet das neugeborene Baby genau. Und nicht nur das: es ahmt auch die Gesichtsbewegungen des Gegenüber nach und kommt so in eine Kommunikation, in ein Spiel mit dem anderen. Es sieht, wie wir reagieren und reagiert selbst. In vielen kleinen Gesten spricht das Baby mit uns: Wenn es den Mund öffnet und schließt, wenn es die kleine Faust zum Mund führt und daran saugt. Es sagt uns mit seiner Körpersprache: Ich habe Hunger! Es rudert mit Armen und Händen, wenn sich die Welt um es herum zu weit anfühlt und es wieder mehr Begrenzung benötigt und es signalisiert sogar, wenn es in die Windel machen muss. Es ruft mit einem bestimmten Schrei, wenn es sich einsam fühlt und ein Lächeln huscht irgendwann über das Gesicht, wenn es zufrieden ist. Am Anfang ist es noch schwer, all das zu verstehen und zu deuten, aber es wird mit jedem Tag einfacher und wir Erwachsenen antworten mit Handlungen und einfachen Sätzen auf Töne und Gesten des Babys. Wir spielen mehr und mehr zusammen und jede Regung des Babys wird von uns beantwortet.
Im Gespräch mit einem Baby
Die Welt wird zunehmend mehr und besser und weiter gesehen. Und nicht nur das: Das Baby kann sich in ihr bewegen und sie sich bewusst aneignen. Dort liegt das Spielzeug, ich rolle dorthin. Den grünen Ball, den ich so liebe, kann ich mit einem paar Bewegungen erreichen. Auf einmal wird die Welt viel größer und noch aufregender, denn das Baby kann sich selbst darin bewegen, kann die Erfahrungen bewusst herbei führen. Und mit all diesen neuen Bewegungen und dem weiterem Rahmen, mit unseren Aufforderungen, das Baby könne doch die Puppe bringen oder zu Mama oder Papa kommen, kommt auch ein neues Wort hinzu: Nein. Nicht zu viel, doch an der ein oder anderen Stelle immer wieder. Als Eltern benennen wir nicht mehr nur die Dinge, stellen die Welt nicht mehr „nur“ vor, sondern wir geben mit dem Nein auch einen Handlungsspielraum mit, grenzen auf einmal die Welt wieder ein, die das Kind gerade erkunden möchte. Wir kommen von einem Spiel des „Reden-Antworten“ zu einer Diskussion mit dem Kind, das die Welt erkunden möchte. Diese Diskussionskultur ist es, die uns nun durch die nächsten Jahre der Elternschaft begleiten wird. Das Kind nimmt nicht mehr nur wahr, es stellt in Frage und fordert bewusst ein. Und auch wir müssen uns auf einmal der Diskussion stellen, sie aushalten und an vielen Stellen unsere eigenen Vorstellungen überdenken und neu ordnen.
Im Gespräch mit einem Kleinkind
Ein kleiner Arm streckt sich aus: „Das da?“ Die Frage bedeutet nicht immer, dass das Kind etwas haben möchte, dass wir etwas bringen sollen. Es ist oft auch einfach die Frage nach einem Namen. Die Dinge der Welt haben einen Namen, jedes Ding hat einen Namen und kann benannt werden. Die Welt wird strukturiert, kategorisiert. All die kleinen Wesen mit vielen Haaren, die bellen sind „Wau-wau“. Und dann auch die, die „miau“ machen und vielleicht auch ganz andere bis genau unterschieden und benannt wird. Es bilden sich Vorstellungen aus davon, was wie ist und was wozu gehört. Hier werden Bilder geschaffen und Vorstellungen davon, was zusammen gehört und was nicht. Hier können wir auch schon einen Boden bereiten für Toleranz und Offenheit mit den Kategorien, die wir mitgestalten. Die Benennung, die durch die Diskussion erweitert wurde, wird nun noch durch die Frage bereichert. Was ist das? Und ein wenig später: Warum? Wie?
Das Leben mit unseren Kindern findet in Kommunikation statt. Durch sie stellen wir die Welt vor, erklären und gestalten. Miteinander ins Gespräch kommen über Worte, Gesten, Handlungen, Blicke ist von unendlich großer Bedeutung für unsere Kinder. Unsere Wörter formen das Denken, unsere Gespräche bereiten einen Boden für den Umgang miteinander: Nehmen wir die Signale und noch wenigen Wörter unseres Kindes wahr und ernst und reagieren darauf? Beginnen wir von Anfang an eine Kommunikation auf Augenhöhe? Noch haben wir einen Wissensvorsprung in Hinblick auf unseren Wortschatz und unser Verständnis der Welt. Doch dieser Vorsprung berechtigt uns nicht dazu, mit dem Kind von oben herab zu sprechen. Denn sein aufrichtiges Interesse und seine Bedürfnisse haben es verdient, sie wertzuschätzen und als das zu betrachten, was sie sind: Wissensdurst, Neugierde und Entwicklung. Darüber sollten wir uns jeden Moment freuen und mit unseren Kindern von Anfang an ins Gespräch kommen.
Eure
Merke Dir diesen Artikel auf Pinterest