Unaufhaltsamkeit

Schwer wiegt mein Baby in meinem Arm. Das Baby, das gar kein Baby mehr ist, sondern ein Kleinkind. Vor ein paar Wochen war es noch so klein und leicht und eben mein Baby – bis ich ein wirkliches Baby wieder in den Armen hielt und spürte, wie groß doch mein kleinstes Kind auf einmal ist.

Oft ertappe ich mich, wie die Zeit so dahin fließt und ich mein Augenmerk nicht darauf richte, wie sehr sich die Kinder verändern. Von Anfang an ist das Leben Entwicklung und Veränderung. Mit jedem Tag wird etwas Neues gelernt, die Welt neu erkundet. Und auch wenn die Entwicklungen irgendwann nicht mehr so groß und augenscheinlich sind wie im ersten Jahr, sind sie immer da: Auf einmal passen die Sachen nicht mehr. Auf einmal kann das Kind nicht mehr unter dem Tisch entlang laufen, sondern stößt sich den Kopf. Auf einmal hat es verstanden, wie der Brummkreisel funktioniert und bedient ihn selber. Immer wieder staunen, lachen, bewundern, Abschied nehmen von einer vergangenen Zeit.

Mit den ersten Worten wird mir diese beständige Wandlung noch einmal neu vor Augen geführt. Während das Baby, das keines mehr ist, vor sich hin plappert und gluckst, mischen sich immer mehr Wörter in die Ketten an Silben. Auf einmal erscheint in dem Singsang des Kindes ein „Papa“, eine „Mama“, ein „Ball“, ein „Baum“. Mehr als mit allen entwachsenen Kleidungsstücken oder Spielkisten, in die es sich nicht mehr setzen kann, wird mir durch diese Worte bewusst, wie groß es auf einmal ist und wie unaufhaltsam es wächst.

Neugierig wird ausprobiert, gespielt und neue Worte huschen über die Lippen. Noch ganz fremd und ungekonnt. Sie werden ausprobiert und die Reaktion des anderen abgewartet. Ist es ein lustiges Wort? Werden die anderen lachen oder staunen? Verstehe ich, was es eigentlich bedeutet? Noch mehr als all die anderen Dinge drücken diese Worte die Unaufhaltsamkeit der Entwicklung aus. Sie zeigen, wie sehr dieses Kind in unsere Welt eingetaucht ist und seinen Weg darin geht und benennt.

Neben dem kleinen Baby, das schläft und wacht und ab und zu aufschreit, ist dieses Kind eine Riese. Ein Jahr Entwicklung, ein Jahr Leben, ein Jahr unaufhaltsames Lernen. Für mich ein kurzer Blick zurück, während mein Kind nur nach vorn sieht und schon vor dem nächsten großen Entwicklungsschritt steht. Lächelnd und staunend stehe ich daneben und wünsche mir, dass diese Neugierde und Freude am Neuen nie endet – und ich immer wieder mit offenen Augen die nächste Entwicklung bestaunen kann.

Eure

 

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