Alle Artikel von Susanne Mierau

Raus aus der Konfliktspirale mit Kleinkindern

Kinder haben oft ihre eigenen Vorstellungen davon, wie Situationen gestaltet werden sollen und welchen Anteil sie darin wie einnehmen. Viele Alltagssituationen sind für sie vor allem Lernsituationen: Sie lernen im Alltag etwas über die Welt, sich in ihr zu bewegen, ihre Regeln und das Zusammenleben. Deswegen wollen sie aktiv am Alltag teilhaben und reagieren mit Verärgerung bis Wut, wenn wir ihnen die Selbständigkeit nicht zugestehen wollen oder gerade nicht können.

Im ersten Lebensjahr erwirbt das Kind die grundlegenden Fähigkeiten, die es für das Leben benötigt. Es beginnt die Umgebungssprache zu verstehen und die ersten Worte darin mitzuteilen und lernt, sich fortzubewegen. In dieser Zeit lassen wir unserem Kind meist noch viel Spielraum, um diese Kompetenzen zu erwerben. Erst wenn es krabbelt und nach Dingen fasst, die es nicht erreichen soll, greifen wir mit einem „Nein!“ ein. Hier treffen verschiedene Vorstellungen aufeinander. Oft reagieren schon Babys mit Verärgerung darauf, wenn ihnen Dinge untersagt werden, doch lassen sie sich noch leichter ablenken und trösten als ein Kleinkind.

S. Mierau „Ich! Will! Aber! Nicht!“ S. 17

Die Nein-doch- oder Doch-nein-Spirale

In den Situationen, in denen sich ein Konflikt zwischen Elternteil und Kind ergibt, stehen wir uns also gegenüber: Elternteil, der etwas einfordert oder verbietet und Kind, das das Gegenteil will von dem, was die erwachsene Person gerade wünscht. Nicht selten begeben wir uns in eine Diskussionsspirale, die sich emotional immer weiter auflädt: „Ich möchte (nicht), dass du dieses oder jenes tust!“ während das Kind mit einem „Doch!“ oder „Nein!“ kontert, woraufhin wir wieder unseren Wunsch vorbringen. Sowohl Kind als auch erwachsene Person werden in jedem weiteren Durchgang dieses Gespräches verärgerter. Nicht selten gerät das Kleinkind in eine Wutsituation, aus der es aufgrund der aktuellen Gehirnreife noch nicht von allein heraus kommt, vielleicht versucht es mit Aufstampfen, Schlagen oder Beißen seine Gefühle auszudrücken. Je stärker das Kind in die Wutsituation gerät, desto weniger erreichbar ist es für unsere Worte und vielleicht gesellt sich zum ursprünglichen Problem nun noch die Wutsituation und das Verhalten des Kindes dazu, das die Verärgerung bei der erwachsenen Person noch weiter steigen lässt.

Frühzeitig aus der Spirale aussteigen

Diskurse mit Kindern sind kein Machtkampf. Sie wollen nicht aufbegehren gegen unsere Wünsche, weil sie eine Machtstellung beanspruchen wollen, sondern sie versuchen, ihren (durchaus sinnvollen) Wunsch nach Lernen und Selbständigkeit durchzusetzen. Dementsprechend geht es in solchen Diskussionen nicht darum, wer das letzte Wort behält. Es geht darum, hinter das Verhalten und dem Wunsch des Kindes das Bedürfnis zu sehen und auf dieses zu reagieren. Wenn wir also statt eines „Nein!“ oder „Doch!“, statt eines sturen Beharrens auf unseren Vorschlag, genau auf das ursprüngliche Bedürfnis des Kindes eingehen, können wir aus dem negativen Kreis aussteigen.

Ein Eingehen auf das Bedürfnis meint dabei nicht, dass wir diesem immer nachgeben müssen: Natürlich gibt es Situationen, in denen wir unsere erwachsene Vorgehensweise umsetzen müssen, wenn wir beispielsweise einen wichtigen Termin haben oder das Kind in einer sonst gefährlichen Situation wäre. Aber anstatt dem Kind mit dem Gefühl von „Du musst machen, was ich will, weil ich es besser weiß“ entgegen zu treten, können wir dem Kind sagen, dass wir das eigentliche Bedürfnis gesehen haben: „Nein, das geht nicht. Hier an der Straße kannst du nicht balancieren, aber wir suchen jetzt zusammen einen anderen Ort dafür.“ „Doch, wir müssen jetzt gehen. Du möchtest lieber noch etwas bleiben, das verstehe ich. Morgen planen wir es anders.“

Auch wenn unsere Kinder dennoch unzufrieden sind, hilft es ihnen, wenn sie sich gesehen und verstanden fühlen. Wenn sie wissen, dass ihre Bedürfnisse erkannt wurden und zu einem anderen Zeitpunkt (dann auch wirklich) berücksichtigt werden. Wir können damit nicht das Problem an sich aus der Welt schaffen, dass das Kind gerade etwas anderes tun wollte. Und wir müssen als Eltern nicht selten die starken Gefühle unserer Kinder begleitend aushalten. Oftmals können wir aber durch diese Art des Gespräches einem größeren Streit vorbeugen und ihnen trotz der Differenz das gute Gefühl mitgeben, dass wir sie wahrnehmen in ihren Bedürfnissen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Muss mein Kind das Gläschen leeren? – Beikostmengen und Bedürfnisorientierung

Viele Eltern sorgen sich – gerade am Anfang in der Beikostzeit – um die Menge der aufgenommenen Nahrung: Was, wenn das Baby immer etwas im Glas zurücklässt? Was, wenn das Baby auf einmal viel mehr essen will? Soll ich das Baby überreden, mehr zu essen? Soll ich mehr verweigern?

Prinzipiell fällt es vielen Eltern leichter, mit den Mengen der Beikost umzugehen, wenn das Kind am Familientisch mitisst und nicht mit vorportionierter Beikost versorgt wird. Natürlich machen sich auch Eltern, die Baby-Led-Weaning (babygesteuerte Beikosteinführung/Milchentwöhnung) als Beikostmethode ausgewählt haben, gelegentlich Sorgen darum, ob das Kind tatsächlich genügend Beikost und Nährstoffe über die neue Ernährungsform aufnimmt. Die Frage danach, ob es zu viel isst, ist aber relativ selten.

Die Gläschenvariante hingegen verunsichert Eltern in zweierlei Richtungen: zu wenig oder zu viel? Und sie verleitet Eltern eher in Anbetracht der eigentlich vorgesehenen Menge dazu, das Kind zu überreden mit Spielen und Tricks, damit es schließlich doch noch das ganze Glas leert. Doch wie bei der Flaschenernährung und beim Stillen geht es bei der Beikost darum, die Signale des Babys wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und dann darauf zu reagieren.

Langsame Gewöhnung an die neue Ernährung

Gerade zu Beginn der Beikostzeit haben Babys eher ein spielerisches Interesse an der neuen Ernährungsform und wollen diesen neue Angebot mit allen Sinnen erst einmal ausprobieren und im wahrsten Sinne be-greifen. Im Laufe der Zeit machen die Kinder dann die Erfahrung, dass dieses neue Angebot nicht nur ein sinnlicher Reiz ist, sondern auch sättigt.

Wichtig ist es, die Rahmenbedingungen für die Nahrungsaufnahme gut zu gestalten: Das beikostreife Baby kann aufrecht auf dem Schoß oder einem bequemen, passenden Kinderhochstuhl sitzen, die Beikost ist angenehm temperiert (nicht zu heiß) und das Kind wird aktiv einbezogen. Diese Beteiligung kann damit erfolgen, dass das Baby auch einen Löffel halten kann und vielleicht mit einem anderen durch den fütternden Elternteil gefüttert wird. Es ist schön für das Kind, wenn es sehen kann, was sich auf dem Löffel befindet. Wichtig ist auch, genügend Ruhe und Zeit mitzubringen: Es sollte darauf gewartet werden, dass das Kind von sich aus den Mund weit genug öffnet und kann dann den Brei im Mund bewegen, schmecken, erfühlen, bis es schließlich herunterschluckt. Erst wenn das Baby bereit ist, sollte der nächste gefüllte Löffel angeboten werden. Zeigt das Baby aber Ablehnung, wendet sich weg oder schiebt den Brei aus dem Mund heraus, ist Zeit für eine Pause.

Nicht die Signale übergehen

Es ist wichtig, die Signale des Kindes zu achten und nicht zu übergehen. Manchmal dauert es lange, bis eine Mahlzeit beendet ist. Manchmal ist das Baby auch einfach noch nicht bereit für größere Beikostmengen. Aber Eltern sollten sich nicht durch Ungeduld dazu verleiten lassen, über die Signale des Kindes hinwegzugehen mit Tricks („Hier kommt das Flugzeug!“), emotionalen Beeinflussung („Noch ein Löffelchen, dann ist Mama/Papa aber glücklich!“) oder Ablenkung (Handy anschalten mit Videos, damit das Kind währenddessen schnell gefüttert werden kann). Solche Maßnahmen verhindern die Ausbildung eines guten Gespürs für Sättigung.

Schon Babys haben eigentlich ein gutes Gespür

Eine Studie zeigt, dass schon Babys eigentlich ein gutes Gefühl für ihre Sättigung haben und zwar durchaus unterschiedliche Mengen Beikost zu sich nehmen pro Mahlzeit, aber insgesamt über den Tagesrhythmus ungefähr täglich die gleiche Menge an Energie zu sich nehmen, solange sie nicht durch die Fütterungsumstände und elterliche Beeinflussung davon abgebracht werden.Es ist wichtig, eine gesunde, ausgewogene Nahrungspalette anzubieten, aus der das Kind dann über die Signale, die es zeigt, auswählen kann, was und wieviel es isst. Im Laufe der Zeit gibt es immer wieder auch Speisen, die abgelehnt werden und von den Eltern dann immer wieder angeboten werden können. Wichtig ist tatsächlich, dass nicht bei jeder Mahlzeit das ganze Glas verfüttert werden muss, sondern individuell betrachtet werden sollte, wieviel das Kind gerade jetzt essen will.

Sollte sich das Kind nicht gut entwickeln, abnehmen oder weniger aktiv sein, sollte in der kinderärztlichen Praxis abgeklärt werden, was genau die Ursache dafür ist und ob es eine Unterversorgung mit Nährstoffen gibt.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Quengeln lassen oder gleich reagieren, wenn das Baby nachts unruhig wird?

Babys und Kleinkinder schlafen meist nachts nicht so durch, wie wir Erwachsene es tun. Zwar erwachen auch wir Erwachsene jede Nacht mehrere Male, aber in der Regel schlafen wir schnell wieder ein und erinnern uns morgens nicht einmal an das regelmäßige Aufwachen. Babys und Kleinkinder schlafen jedoch dann, wenn sie zwischen der Tiefschlaf- und REM-Schlaf-Phase erwachen, meist nicht so leicht wieder ein: weil sie Hunger haben und auch nachts Nahrung brauchen für Wachstum und Lernen, und weil sie beim Aufwachen überprüfen, ob sie weiterhin sicher und geschützt sind: Ist es zu warm oder zu kalt, sind sie allein und damit ungeschützt – da sie noch nicht für sich selbst sorgen können, sind sie auf Schutz und Versorgung durch ihre Bezugspersonen angewiesen und überprüfen dies beim Aufwachen.

Keine Pauschallösungen

Die Fähigkeiten zur Selbstregulation sind schon bei Babys unterschiedlich ausgeprägt, ebenso wie ihre Tröstbarkeit, Erregbarkeit und ihr Ausdruck. Während es einige Babys gibt, die schon recht früh bei einigen Aufwachsituationen wieder selbständig in den Schlaf finden, gibt es andere, die längere Zeit auf Regulation durch die Bezugsperson(en) angewiesen sind. Eine Pauschalantwort darauf, ob alle Babys daher schnell wieder beruhigt werden müssen oder nicht, gibt es nicht.

Wenn das Baby unruhig wird…

Wenn Eltern allerdings merken, dass das Kind unruhiger wird, vielleicht sogar lauter zu quengeln beginnt, sollte nicht weiter abgewartet werden. Auch wenn auch Eltern heute noch gesagt bekommen, dass es sehr wichtig sei, dass schon Babys lernen, sich selbst zu beruhigen und dies gerade nachts wichtig wäre, damit Eltern Schlaf finden und die Kinder – angeblich zugunsten ihrer Entwicklung – ebenfalls „durchschlafen“, ist das inhaltlich so nicht richtig: Das normale nächtliche Aufwachen des Kindes behindert nicht die Entwicklung. Und das Trösten hilft Kindern, die sich noch nicht selbst beruhigen können, nach und nach durch das Gefühl der Sicherheit oder durch die von uns angebotene Brücke zum Schlaf, Selbstregulation auszubauen.

Wenn wir also merken, dass das Kind unruhiger und quengeliger wird, ist es durchaus sinnvoll, möglichst schnell beruhigend einzuwirken. Dabei können wir so sanft wie möglich beruhigen bzw. dem jeweiligen Bedürfnis nachkommen und das Kind stillen/füttern oder durch Berührung und/oder einige Worte signalisieren, dass wir da sind und weiterhin schützen und behüten. Ein frühes Beruhigen ermöglicht dem Kind, schnell wieder in den Schlaf zu finden. Werden die Signale zunächst ignoriert, muss das Baby auf stärkere Signale zurückgreifen, um die eigene Problemsituation mitzuteilen: es weint oder schreit. Von diesem Punkt aus braucht das Baby länger, um wieder in den Schlaf zu finden und auch die Eltern haben dann, unter anderem durch die längere Beruhigungszeit, mehr Schwierigkeiten, selbst wieder in den Schlaf zu finden. Es ist also in Ordnung und sogar sinnvoll, das Baby möglichst früh zu beruhigen und nicht lange abzuwarten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Fürsorge(-arbeit) – Über die Arbeit, die Eltern heute leisten für ein gutes Aufwachsen von Kindern

Das Bindungssystem ist in erster Linie ein Schutzsystem des Kindes. Es sorgt dafür, dass Kinder umsorgt und geschützt werden, mit all dem versorgt werden, was sie zum Wachsen benötigen: das beinhaltet sowohl die äußeren Faktoren wie Nahrung und Sicherheit in Verhütung von Gefahren, als auch die inneren Faktoren, die wir dem Kind angedeihen lassen, damit es sich gut entwickeln kann und im besten Fall mit einem guten Bild von sich selbst aufwächst, das es in den vielen weiteren Jahren stützt in der Auseinandersetzung mit der Umwelt.

Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat sich daher das Bindungssystem ausgebildet: Ein Verhaltenssystem, das dafür sorgt, dass Kinder sich in den ersten Jahren an mindestens eine schutzgebende Person binden und mit ihrem Verhalten dafür sorgen, dass sich diese Person um sie kümmert. […] Das Bindungssystem ist so wichtig für das Kind, dass es allen anderen (Entwicklungs-)aufgaben vorgelagert wird.

S. Mierau (2021): Frei und unverbogen, S. 30.

Fürsorge meint, dass ich für das Kind so sorge, wie es das braucht

Unsere Aufgabe als Eltern ist daher vor allem die Fürsorge: das Sorgen für das Kind. Und dieser Begriff der Fürsorge zeigt uns bereits einen sehr wichtigen Aspekt der wichtig ist für die Haltung, die wir als Eltern gegenüber unserem Kind einnehmen sollten: Die Ausrichtung auf das Kind und dessen Wesen und Bedürfnis. Wir sorgen dafür, dass dieses Kind individuell gesehen und begleitet wird.

Fürsorge meint nicht, dass wir das Kind hineinpressen in unsere Vorstellungen, dass es sich unseren Vorstellungen anpassen muss davon, wie es ist, was es mag und welche Eigenschaften es mit sich bringt. Sondern dass wir es genau so annehmen, wie es ist und dafür sorgen, dass es sich auf seinem ganz individuellem Weg optimal entfalten kann. Wir tragen Sorge dafür, dass es dem Kind jetzt und zukünftig gut geht. – Natürlich ist es dabei auch wichtig, auf sich selbst zu achten und die eigenen Bedürfnisse nicht aus dem Blick zu verlieren.

Fürsorge ist auch Arbeit

Dieses Erkennen und Begleiten eines Kindes ist nicht immer einfach. Weil das Kind vielleicht mit einem Temperament zu uns kommt, das für uns schwierig ist und sich von unserem unterscheidet oder in besonderer Weise herausfordernd ist. Es ist nicht immer einfach, weil es Aufmerksamkeit verlangt dafür, dass wir die Signale des Kindes wahrnehmen, richtig interpretieren und – je nach Alter prompt – beantworten. Und diese Signale ändern sich im Laufe der Zeit und manchmal fällt es schwer, die neuen Signale beispielsweise nach einem Entwicklungssprung wahrzunehmen und zu interpretieren. Und manchmal bedeutet diese Fürsorge auch, dass wir den ganzen Tag einem Kind hinterrennen müssen, dass die Autonomie entdeckt und am Ende nicht nur von der emotionalen Begleitung erschöpft sind, sondern auch von den tausenden Handgriffen, die sie erfordern.

Neues Erziehungsdenken gestalten ist auch Arbeit an sich selbst

Fürsorgearbeit ist es auch da, wo wir merken, dass wir uns von eigenen Erfahrungen trennen wollen und andere Wege gehen möchten als die, die wir selbst als Kind erfahren haben. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung und dies umfasst sowohl das Recht darauf, vor körperlicher als auch psychischer Gewalt geschützt zu werden. Das Umsetzen dieses Rechts fällt aber noch immer vielen Eltern schwer. Je nach eigenem Rucksack, den wir tragen, ist es schwierig, sich von den verinnerlichten Mustern zu trennen: sie zunächst als falsch erkennen, sie im Alltag zu bemerken und schließlich zu lernen, ganz bewusst anders zu handeln. Das erfordert sehr viel Kraft und Arbeit an uns selbst. Und dennoch ist es besonders lohnenswert, wenn wir alte Muster aufbrechen, um Verletzungen nicht mehr weiterzugeben oder entstehen zu lassen, sondern Kindern die Chance geben, psychisch gesund aufzuwachsen, um im späteren Leben nicht durch diese Erfahrungen belastet zu werden.

Kraft, Kinder im Alltag zu schützen

Und auch auf einer weiteren Ebene bedeutet diese Art der Fürsorge Arbeit: Weil wir nicht nur an unseren eigenen Mustern arbeiten und uns damit auseinander setzen müssen, sondern unsere Kinder auch da schützen, wo sie anderen Ansichten ausgesetzt sind. Weil wir Familienmitgliedern erklären müssen, dass Kinder nicht ein Küsschen zur Begrüßung geben, wenn sie das nicht wollen. Weil wir im Supermarkt die hochgezogenen Augenbrauen entweder ignorieren oder erklären, warum wir nicht „den Po versohlen“ wenn das Kind wütend ist. Weil wir uns vielleicht in der Kita dafür einsetzen müssen, dass wir eine andere Art der Eingewöhnung brauchen, weil das Kind es in dem gesteckten Zeitfenster noch nicht schafft, sich an eine neue Bezugsperson zu wenden, oder weil wir alte Erziehungsmethoden dort in Frage stellen. All das kostet ebenfalls Energie. Es ist anstrengend, nicht nur in sich selbst, sondern in der Gesellschaft eine Offenheit und Akzeptanz für einen neuen Weg der Begleitung von Kindern zu etablieren.

Gesellschaft verändern

Die Arbeit, die wir täglich leisten – an uns selbst, für unsere Kinder und gegenüber der Gesellschaft – ist umfassend. Viel zu oft wird übersehen, welch enorme Anstrengungen Eltern und andere Personen in der Begleitung von Kindern jeden Tag leisten, gerade auch wenn sie neue, respektvolle und gewaltfreie Wege mit Kindern gehen. Wie sie die Gesellschaft durch die Fürsorgearbeit, die sie so ungesehen vollbringen, verändern. Und über die Fürsorgearbeit jene Werte, die über bindungs- und bedürfnisorientiertes Leben transportiert werden (Werte wie Achtsamkeit, Empathie, Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Nachhaltigkeit und Weitsicht) in der Gesellschaft verankern.

Fürsorgearbeit bzw. Carearbeit sind auch Arbeit. Auch wenn wir unsere Kinder lieben und gerne begleiten. Diese Arbeit verdient Respekt und Wertschätzung an jedem einzelnen Tag gegenüber den Personen, die sie leisten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Der #equalcareday macht auch in diesem Jahr wieder aufmerksam auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Carearbeit. Mehr dazu findet ihr hier.

Wer sich damit auseinandersetzen möchte, wie wir Erziehung heute neu denken und bindungs- und bedürfnisorientiertes Familienleben gestalten können, findet hier eine ausführliche Leseprobe von „Frei und unverbogen“.

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Natürlich darfst du wütend/traurig/ängstlich sein…

Viele Erwachsene geben als Lebensziel etwas an wie „Erfolg haben“, „es sich gut gehen lassen können“ oder schlicht „glücklich sein“. Und auch wenn das durchaus Ziele sind, die man haben kann, besteht unser Alltag eben nicht nur daraus. Manchmal liegt aber der Fokus so sehr auf den freudigen und glücklichen Zielen und Möglichkeiten, dass Wut, Trauer oder Angst nur noch als störend betrachtet werden. Als Gefühle, die unbedingt vermieden werden müssen, die keinen Platz haben dürfen auf dem Weg zum Glück. Nicht nur bei uns Erwachsenen, sondern auch bei den Kindern. „Jetzt sei mal wieder fröhlich!“, „Komm, lächel mal wieder!“, „Trübsal blasen bringt doch nichts!“ – all diese Sätze werden gar nicht so selten zu Kindern gesagt.

Bedeutet eine glückliche Kindheit, immer nur Glück zu fühlen?

Unser Leben allerdings besteht aus vielen verschiedenen Gefühlen und jedes Gefühl darin darf sein und hat Platz. Denn wenn wir uns wünschen, dass unsere Kinder glücklich sein sollen, meinen wir damit eigentlich, dass es ihnen gut gehen soll. Gut geht es ihnen aber nicht, wenn sie zum Glücklichsein gezwungen werden durch beständige Aufforderung dazu oder durch Unterdrückung und Vernachlässigung der anderen Gefühle. Glücklich können Kinder dann sein, wenn sie von ihren Eltern so angenommen werden, wie sie sind und wie sie fühlen. Wenn sie sicher sein können, dass all ihre Gefühle wahrgenommen und begleitet werden ohne Wertung. Wenn sie ihre Gefühle ausleben können und von ihren Eltern darin begleitet werden, nach und nach den Ausdruck von Gefühlen gut selbst moderieren zu können bzw. zu wissen, wann sie bei welchen Gefühlen auch weiterhin die Hilfe und Unterstützung von anderen in Anspruch nehmen sollen und können.

Einige Situationen lassen sich leichter begleiten, andere schwerer

Es ist nicht immer einfach, sich den Gefühlen von Wut, Trauer, Ärger, Verzweiflung, Angst von Kindern zu stellen. Während es uns vielleicht noch leicht fällt, wenn das Kind erklärt, dass es Angst vor einem Monster unter dem Bett hat, diese Angst aufzufangen und mit Einfühlungsvermögen und Sicherheit zu begleiten, fällt es uns aber oft schwerer, wenn das Kind sagt, dass es uns nicht mehr lieb hat oder sogar hasst oder den anderen Elternteil viel lieber mag als uns.

Oft spielen hier eigene Verletzungen, innere Bilder und schwierige Kindheitserfahrungen hinein, die es uns schwer machen, diesem Gefühl des Kindes wirklich nachzugehen und es nicht lieber einfach zur Seite schieben zu wollen mit einem „Das ist aber nicht nett!“ oder dem Versuch, die eigene Verletzung in den Vordergrund zu schieben mit einem „Wenn du das sagst, dann machst du mich aber ganz traurig!“. Es fällt manchmal schwer, sich dem Gefühl zu stellen, dass man selbst ein unbehagliches Gefühl beim Kind durch eigenes Verhalten hervorgerufen hat. Oder ein Gefühl zu begleiten, das man selbst als Kind nicht haben durfte.

Alle Gefühle dürfen sein

Ein Gefühl der glücklichen Kindheit geben wir ihnen also nicht durch viele Dinge und auch nicht durch die Vermeidung oder Unterdrückung von Wut, Ärger, Trauer, Angst etc. mit, sondern durch das Zulassen und Begleiten all dieser Gefühle. Dann nämlich fühlen sich Kinder gesehen, anerkannt und sicher. Sie spüren, dass sie sichere Bindungspersonen an ihrer Seite haben, die in all den verschiedenen Lagen des Lebens zu ihnen stehen und sie stützen. Die ihnen helfen, mit den verschiedenen Gefühlen umzugehen und Hilfe anbieten, damit zurecht zu kommen. Das ist es, was uns ein sicheres, geliebtes Gefühl gibt und damit auch unterstützt, glücklich zu sein.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Lass das Kind spielen, wenn es spielt – Warum wir nicht ständig bespaßen müssen

Elternsein besteht aus vielen verschiedenen Gefühlen jeden Tag – und in einem ständigen Wechsel. Eines dieser Gefühle, das sich schnell in die Gefühlsmenge des Alltags mischt, ist das schlechte Gewissen: Tue ich genug? Habe ich ausreichend „Quality Time“ mit meinem Kind? Zeige ich genügend Interesse und Aufmerksamkeit? Spiele ich ausreichend mit meinem Kind? Oft denken Eltern, dass es ihre Aufgabe wäre, sich beständig zuzuwenden, wenn sie gerade Zeit haben – oder auch dann, wenn sie eigentlich anderes tun müssten. Schließlich soll kein Zeitfenster übersehen und das Kind optimal gefördert werden? Aber ganz so einfach ist es mit der „Quality Time“ nicht…

Es ist schön, Kindern Aufmerksamkeit zu geben…

Ja, natürlich brauchen Kinder Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie wollen gesehen werden in ihrer Entwicklung und mitteilen, was sie an Neuem in dieser Welt entdeckt oder gelernt haben. Sie wollen ihren Aufmerksamkeitsfokus mit uns teilen und auch sozial lernen. Sie brauchen ansprechbare Eltern bzw. Bezugspersonen.

… aber sie brauchen die Freiheit…

All das ist durchaus richtig und wichtig. Aber neben dem Gemeinsamen, wollen sie die Welt erkunden und entfernen sich jeden Tag auf immer größer werdenden Runden von uns, um selbst und eigenständig zu lernen, um zu explorieren. Manchmal brauchen sie hierfür unseren Blick, ein paar beflügelnde Worte, um aufbrechen zu können. Dann brechen sie zu einem Abenteuer auf und kommen wieder zurück, wenn sie unsere Nähe brauchen, erschöpft sind, sich verletzt haben. Um von dort aus, wenn sie wieder bereit sind, zu einem neuen Abenteuer, einer neuen Erkundung, einem neuen Lernen aufzubrechen. Es ist ein Kreislauf, auf dem sie sich jeden Tag viele Male bewegen.

… was uns auch von ständiger Bespaßung befreit.

Für Eltern bedeutet dieses Wissen: Wir müssen Kinder nicht beständig bespaßen. Wie müssen nicht ständig ein Spiel vorschlagen, etwas anbieten, sie in ein vermeintlich pädagogisch wertvolles Spiel einbinden oder ihnen beständig etwas beibringen. Eltern müssen nicht rund um die Uhr mit perfekten, sinnvollen Angebote für ihre Kinder aufwarten können.

Im Gegenteil: ein beständiges Bespielen und Anbieten von immer neuen Angeboten und Ideen kann laut Forscherehepaar Dr. Karin und Dr. Klaus Grossmann (2012) die Ausdauer des Kindes negativ beeinflussen, die Frustrationstoleranz senken und zu Schwierigkeiten der Selbstregulation und geringerem Selbstvertrauen führen.

Wir sehen also: Eltern müssen nicht beständig anbieten, anleiten und bespielen. Sie müssen aber dann wieder zur Verfügung stehen, wenn sie wieder nach dem Spiel und Erkunden gebraucht werden. Also quasi auf Stand-by stehen, statt auf Alleinunternhaltungsshow. – Und diese Stand-by-Zeit sollte einfach genossen werden können, statt ein schlechtes Gewissen zu haben.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Wie Eltern entspannt bleiben bei mäkligen Kindern

Bei den meisten Kindern gibt es im Laufe der Entwicklung Phasen, in denen sie weniger gut essen: Manchmal haben sie eine Phase, in der sie bestimmte Lebensmittel bevorzugen, manchmal dürfen sich die Speisen auf dem Teller nicht berühren, manchmal essen sie generell weniger und lehnen bestimmte Nahrungsmittel ab oder sind nur an dem interessiert, was auf dem Teller der Eltern liegt. Der Übergang von der flüssigen Nahrung zum Essen am Familientisch ist tatsächlich ein Übergang, der oft nicht geradlinig stattfindet, sondern eher in Wellen und es gibt bessere und schlechter Zeiten. Gerade auch wenn Zähne durchbrechen oder das Kind krank wird/ist/war kann sich das auch auf das Essverhalten auswirken.

Wichtig: medizinische Ursachen abklären

Wenn sich das Essverhalten über einen längeren Zeitraum verändert, das Kind weniger Appetit zeigt, vielleicht abnimmt und/oder müder und erschöpfter ist oder die Entwicklung stillsteht, ist es wichtig, medizinische Ursachen ausschließen zu lassen. Auch dann, wenn das Kind konsequent bestimmte Nahrungsmittel vermeidet, ist eine Abklärung von Unverträglichkeiten sinnvoll, sowie ein Blick auf neurologische Ursachen, die die Wahrnehmung von bestimmten Lebensmitteln beeinflussen können.

Oft sehen wir jedoch, dass Kinder zeitweise bestimmte Speisen bevorzugen, andere ablehnen und sich dennoch über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeglichen ernähren. Dass sie im Kleinkindalter fremde Speisen zunächst ablehnen, ist eine sinnvolle Schutzfunktion und lässt sich durch entspanntes Anbieten oft lösen. Wichtig ist – neben einer gesunden Auswahl – vor allem die Atmosphäre unser Mahlzeiten. Das bedeutet, dass Eltern bestimmte Verhaltensweisen vermeiden sollten.

Was Eltern bei Mahlzeiten vermeiden sollten

Wenn die Mahlzeiten eingeschränkt sind, aber medizinische Ursachen ausgeschlossen werden konnten, ist es besonders wichtig, dass Eltern nicht versuchen, mit Druck mehr Essen in das Kind zu bekommen, als es möchte. Die elterliche Angst ist auch hier ein schlechter Berater und kann die Probleme eher verstärken und ausweiten, als das Problem zu beheben.

Konkret bedeutet das, dass Nahrungsmittel ein Angebot sind, ein Erlebnis, aber kein Zwang. Gewalt hat auch am Esstisch nichts zu suchen: weder durch Lätzchenfixierung, noch durch das Füttern, während ein Arm hinter den Rücken der erwachsenen Person geschoben wird oder anderen körperlichen Maßnahmen.

Aber auch neben der körperlichen Gewalt ist es wichtig, andere Bereiche von psychischer Gewalt in den Blick zu nehmen, denn auch sie können sich negativ auf das Essverhalten und auch die Beziehung auswirken. Psychische Gewalt finden wir dort, wo beispielsweise mit den Schuldgefühlen des Kindes gearbeitet wird: „Ich habe mir aber so viel Mühe gegeben beim Kochen und du willst es gar nicht essen!“ oder auch den Klassiker der Elternsprüche am Esstisch „Woanders verhungern Kinder und du möchtest dieses gute Essen nicht!“, der das Kind beschämen soll ob der eigenen Privilegien nun aufzuessen. Auch Drohungen wie „Der Weihnachtsmann notiert sich auch, ob die Kinder immer brav aufessen!“ sind keine gewaltfreien Methoden.

Während viele Eltern bei solchen Aussagen und Methoden schon einen Gegenwillen spüren und sie deswegen vermeiden, gibt es aber auch noch weniger offensichtliche Druckmittel, die häufiger zu finden sind: „Wenn du jetzt brav aufisst, dann machen wir…“ was nach einer logischen Konsequenz klingt, ist dabei nur eine andere Form der Bestechung und des Drucks. Das Kind wird zur Nahrungsmittelaufnahme überredet, vielleicht über das eigene Körpergefühl nach Hunger hinaus. Auch die scheinbare Belohnung mit einem Nachtisch, wenn zuerst das andere Essen aufgegessen wurde, kann Kinder dazu verleiten, das eigene Sättigungsempfinden zu vernachlässigen und rückt in den Mittelpunkt, dass süße Speisen als Belohnung gelten. Auch das Lob von „Ich freue mich immer so, wenn du aufgegessen hast!“ bedeutet auf der anderen Seite, dass man sich eben nicht freut, wenn der Teller nicht leer ist und kann so zu einem Erwartungsdruck führen.

Wie es anders geht

Statt Druck, Scham und Drohungen ist es zunächst wichtig, sich die eigenen Ängste zu verdeutlichen und realistisch die Fakten zu betrachten: Liegt wirklich eine Störung des Essverhaltens vor, die medizinisch geklärt werden sollte, oder ist es nur die elterliche Sorge, das Kind könnte sich nicht gut entwickeln, obwohl es dafür aktuell keine Anhaltspunkte gibt?

In letzterem Fall ist es – auch wenn es gerade eine mäklige Phase ist – wichtig, entspannt zu bleiben und das Essen des Kindes angemessen zu begleiten. Das bedeutet, dass auf die Wünsche des Kindes, bestimmte Nahrungsmittel nicht zu essen, eingegangen werden kann, wobei Eltern dennoch nicht x andere Mahlzeiten zubereiten müssen. Sinnvoll ist es oft, die einzelnen Bestandteile von Mahlzeiten selbst auswählen zu lassen. Beispielsweise kann das Kind entscheiden, was es vom Mittagessen auf den Teller legen möchte: nur Kartoffeln? Oder auch Erbsen? Oder auch Soße? Vielleicht bevorzugt das Kind gerade besonders Kohlehydrate oder Proteine? Und wenn alles voneinander getrennt liegen soll, damit die einzelnen Bestandteile gut erkennbar sind, ist das auch in Ordnung. Manchmal sind es auch bestimmte Eigenschaften eines Lebensmittels, die Kinder gerade weniger mögen und es lohnt sich, mit der Konsistenz oder Zubereitungsart zu experimentieren: ganze Tomaten werden verschmäht, aber passierte Tomaten gegessen. Gekochte Paprika wird abgelehnt, aber frische Paprikastreifen, die in Hummus getunkt werden können, sind beliebt. Auch können bestimmte Lebensmittel eingeführt werden, indem ihr Bestandteil in der Speise ganz langsam erhöht wird: Anfangs wird Zucchini unter die Soße püriert, dann ist sie stückig enthalten und später wird sie als eigener Bestandteil angeboten.

Auch das Essen ist eine Lernerfahrung des Kindes und entwickelt sich über die Jahre hinweg. Es brauche eine verständnisvolle, respektvolle Begleitung, damit Kinder ein gutes Gefühl für sich, ihren Körper und ihr Empfinden von Sättigung und Hunger ausbilden können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Es ist okay, dass Du Fehler machst, mein Kind!

Immer wieder können wir lesen und hören, wie wichtig es ist, dass Kinder eine psychische Widerstandsfähigkeit ausbilden können, um mit schwierigen Ereignissen im Leben gut umgehen zu können. Dabei gelangt vor allem immer wieder in den Blick, dass wir die respektieren, liebevoll mit ihnen umgehen und sie selbstwirksam sein können. Ein anderer wichtiger Bereich, der allerdings weniger oft benannt wird, ist der Umgang mit Fehlern und die Bedeutung der Erfahrung, dass Fehler in Ordnung sind.

Eltern haben keine perfekte Voreinstellung

Fehler gehören zum Leben dazu. Versuch und Irrtum – so bewegen wir uns oft durch den Alltag und nicht selten baut auch Erziehung ein wenig darauf auf, dass wir bestimmte Handlungsstrategien ausprobieren und sehen, ob sie zu uns und unserer Familie passen – oder eben nicht. Oft kennen wir nicht von Anfang an die richtige Antwort und sind auch erst Lernende auf dem Weg des Elternseins. Und dies ist wichtig: Wir müssen uns als Eltern flexibel anpassen können an das Kind, das zu uns kommt und lernen, mit dem Kind umzugehen, wie es ist. Deswegen ist es kein Makel, dass wir nicht von Anfang an ein ganz bestimmtes Eltern-Verhaltensschema abspulen, sondern eher grob wissen, was wir machen und uns nach und nach auf das individuelle Kind, das wir begleiten, einstellen.

So sehr es uns manchmal das Gefühl drückt, dass wir nicht sofort eine richtige Antwort wissen oder Fehler machen, so normal ist es auch und hilfreich, damit wir den wirklich passenden Weg finden. Oft haben wir erlernt, dass wir keine Fehler machen sollten, dass Fehler sogar bestraft werden und versuchen daher, in möglichst vielen Bereichen ein solches Handeln zu vermeiden und schämen uns, wenn wir doch vermeintliche Fehler begehen. Ohne zu sehen, dass uns diese Fehler bereichern in dem Wissen, wie wir es anders besser machen können und beim nächsten Mal schneller einen leichteren Weg einschlagen.

Kinder profitieren von Fehler-Offenheit

Eine Toleranz und Akzeptanz gegenüber eigenen Fehlern hilft aber nicht nur uns Eltern und entspannt, sondern kann auch den Kindern helfen: Sie sehen, dass auch wir manchmal straucheln, Probleme haben, etwas falsch machen und daraus dann Schlüsse ziehen und neue Handlungsstrategien entwickeln. Es nimmt Druck von den kindlichen Schultern, wenn wir offen mit unseren Fehlern umgehen und Kinder nicht denken müssen, alles perfekt machen zu müssen. Wenn sie sehen dürfen, dass alle Menschen auch Fehler machen, erleben sie sich selbst bei Fehlern nicht so inkompetent, dass sich dies negativ auf ihr Selbstbild auswirkt.

Als Eltern Fehler offen und unterstützend begleiten

Fehler gehören zum Leben dazu – gerade auch bei Kindern. Wir können bei den Dingen, die unsere Kinder vor Herausforderungen stellen, unseren eigenen Ansprüchen gegenüber sowie den Fähigkeiten des Kindes gegenüber von Anfang an Fehlertoleranz entgegen bringen: „Das zu lernen braucht oft Zeit, die nehmen wir uns.“ – So zeigen wir Verständnis und gleichzeitig Unterstützung. Auch ist es wichtig, die Selbstwirksamkeit des Kindes immer wieder zu betonen: „Das ist kompliziert, hast Du eine Idee, was getan werden kann, um das Problem zu lösen?“ Wir müssen nicht beständig eingreifen und Lösungen vorweg nehmen, sondern vielmehr den Raum bieten, über Lösungen zu sprechen und eigene Ideen zu entwickeln. So lernen Kinder, kreativ mit Herausforderungen und Fehlern umzugehen und sich nach und nach selbständig auf Problemlösungssuche zu begeben. Weil sie Wissen, dass ein Fehler keine Sackgasse ist, sondern man einen anderen Weg suchen kann.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de

Brauchen Kinder Rituale?

Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob Kinder Rituale brauchen oder nicht: Erleichtern Strukturen und feste Abläufe den Alltag mit Kindern oder ist es besser, die Signale spontan zu beantworten und sich davon leiten zu lassen? Tatsächlich ist die Antwort darauf gar nicht so einfach, denn auch hier – wie bei vielen anderen Fragen um das Leben mit Kindern – gibt es kein Schwarzweiß.

Rituale – Bin ich nicht der Typ für! Oder doch?

Bei Ritualen denken wir oft an feste Abläufe, Bräuche, religiös verortete Handlungen. Vielleicht sträubt sich etwas in uns beim Gedanken an solche feststehenden Rituale. Sie existieren aber auch jenseits davon in fast jedem Alltag. Oft bemerken wir gar nicht, dass wir selbst bestimmte Rituale ausführen: Der Kaffee am Morgen, der Umstand, eine nahe Person zur Begrüßung immer zu umarmen, ein bestimmtes Vorgehen bei den Körperpflegeroutinen: all das sind Rituale. Rituale gibt es in einer so großen Vielfalt und Funktion, dass sie keine feste Definition haben. Sie können uns verbinden, können Struktur geben, einen Menschen in eine Gruppe aufnehmen oder einen neuen Lebensabschnitt markieren. Rituale sind, was wir bewusst oder unbewusst als Ritual festlegen.

Rituale bieten Vorhersehbarkeit

Für Kinder – aber auch Eltern – bieten Rituale einen besonderen Vorteil: Sie geben dem Alltag Struktur. Immer ähnliche Abläufe unterstützen dabei sowohl die Eltern in ihren Handlungen und in ihrer Handlungskompetenz, weil sie wissen, wie sie welche Situationen wann gestalten und was dann meistens passiert, als auch die Kinder. Schon Babys entwickeln aufgrund immer gleich ablaufender Situationen eine bestimmte Erwartungshaltung daran, was als nächstes passiert und stimmen sich darauf ein. Beispielsweise beim Wickeln erlernen sie eine bestimmte Erwartungshaltung, wenn sie merken, dass sie wieder auf die Wickelunterlage gelegt werden. In anderen Situationen merken Eltern auch, dass Babys/Kleinkinder beispielsweise anfangen zu weinen, wenn sie wissen, dass nun etwas zu erwarten ist, das sie eigentlich gerade nicht wollen. In einer Welt, die noch so neu ist und in der sie jeden Tag neues erleben und erfahren, bieten die bekannten, wiederkehrenden Situationen einen Ruhepol und geben eine Sicherheit.

Manche Kinder brauchen es mehr, andere weniger

Kinder sind nicht alle gleich. Einige Kinder bevorzugen einen strukturierteren, regelmäßigen Tagesablauf und haben scheinbar eine „innere Uhr“, so dass sie beispielsweise pünktlich zur gleichen Tageszeit ihr Mittagessen haben wollen, während für andere Kinder weniger die Uhrzeit, sondern eher eine bestimmte Abfolge von Tagespunkten wichtig ist. Einigen Kindern fällt es leichter, sich an neue Situationen zu gewöhnen und sie haben auch weniger Schwierigkeiten mit Übergängen wie der Umstellung von der Betreuung zu Hause auf den Kindergarten, andere brauchen mehr Unterstützung und emotionale Begleitung. Es ist unter anderem eine Frage des Temperaments. Thomas & Chess (1980) haben insgesamt 9 Temperamentsdimensionen ausgemacht, eine davon ist die Dimension des Rhythmus: Wo bewegt sich das Kind zwischen Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit? Hier gilt es, das Kind individuell zu betrachten und herauszufinden, wie das Kind ist.

Gerade Kinder, die sich in den Temperamentsdimensionen eher in den extremen Bereichen bewegen (sowohl besonders ruhig und zurückhaltend, als auch besonders extrovertiert) können dann von Ritualen profitieren, wenn ihnen damit Möglichkeiten gegeben werden, ihre Temperamentseigenschaften aufzugreifen und ihnen Hilfestellung geben in Situationen, die sonst für sie schwierig sind. Beispielsweise können leicht ablenkbare Kinder Rituale erlernen, sich zu beruhigen und Reize zu minimieren, damit sie dann in einer reizreduzierten Umgebung ihre Fähigkeiten entfalten können.

Ziel ist es also, das eigene Kind zu erkennen und den individuellen Bedarf des Kindes zu erkennen. So können Rituale für einige von besonderem Vorteil sein, während andere weniger darauf angewiesen sind.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Wenn Kinder unangenehme Einschlafrituale haben…

Von Anfang an unterscheiden sich Kinder bereits in ihrer Erregbarkeit, Tröstbarkeit, in ihrem Ausdruck. Auch das Einschlafen ist bei Kindern unterschiedlich und einige brauchen dazu mehr Ruhe, andere stören sich nicht an lauteren Umgebungsgeräuschen. Und auch im Laufe der Zeit können sich verschiedene Rituale und Gewohnheiten ausbilden, die für Kinder den Übergang zum Schlaf markieren: einige Kinder gewöhnen sich daran, in bestimmter Weise im Arm zu liegen, andere gewöhnen sich daran, wenn ihnen vorgesungen wird beim Einschlafen und wieder andere bilden bestimmte Rituale und Gewohnheiten aus wie das Knibbeln oder Kratzen an der Haut der Person, die das Einschlafen begleitet, das Spielen an den Haaren zur Beruhigung oder auch beim Einschlafstillen das Kneifen in die Brust. Eltern sind bei solchen Einschlafritualen manchmal überfordert und gefangen zwischen dem Gefühl, dass das Einschlafen so funktioniert und sie darüber froh sind einerseits, und dem Umstand, dass diese Angewohnheit anstrengend für sie selbst ist. Oft gibt es einen Punkt, an dem sie sich fragen: Muss ich das wirklich weiter ertragen, nur damit das Kind einschläft?

Der Übergang zum Schlaf

Während Babys in den ersten Monaten nach der Geburt noch „nachreifen“ und der Schlaf noch annähernd gleich über Tag und Nacht verteilt ist, gleicht er sich nach und nach an den Tag-Nacht-Rhythmus an und nach den ersten drei Monaten des Nachreifens zeigt sich, dass bereits ein großer Anteil des täglichen Schlafbedarfs nachts eingenommen wird – allerdings noch unterbrochen, was noch lange Zeit sehr normal ist. Für den guten Übergang zum Schlaf müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt ein und das Kind muss sich sicher aufgehoben fühlen – dafür bevorzugt es sehr oft die Nähe von Bezugspersonen, da diese Wärme, Schutz, Nahrung nach Bedarf und Sicherheit versprechen. In dieser Zeit der Begleitung entwickeln wir selbst begleitende Rituale und auch die Kinder entwickeln Vorlieben für eine gute Einschlafbegleitung. Das, was wir als Brücke zum Schlaf, als Einschlafritual anbieten, wird zu einer Gewohnheit: bestimmte Rahmenbedingungen im Schlafraum, bestimmte Verhaltensweisen.

Ritualisiertes Einschlafen

Rituale und ritualisierte Handlungen finden sich an vielen Stellen in unserem Alltag und geben uns oft Halt und Struktur. Auch für unsere Kinder ist dies bereits wichtig. Oft leiten sie bewusst oder unbewusst aus einem Ritual eine Art Vorhersage ab: Wenn dieses so passiert, dann passiert als nächstes… Solche Voraussagbarkeit und Beständigkeit beruhigt. Ebenso, wie bestimmte Handlungen selbst beruhigend wirken können. Während für einige Kinder die Rituale den Übergang zum Schlaf erleichtern und markieren, die die Eltern ihnen beim Einschlafen anbieten (Gesang, Nähe, Stillen/Flasche, Berührung,…), entwickeln andere Kinder auch eigene Rituale. Gerade das Kratzen/Knibbeln an Haaren und Haut sind nicht selten. Darüber hinaus entwickeln einige Kinder aus noch nicht geklärten Ursachen auch schlafbezogene rhythmische Bewegungsbilder wie das Rollen mit dem Kopf, das Wippen des gesamten Körpers oder das Schlagen mit Beinen, manchmal begleitet von Brummgeräuschen. Oft verschwinden diese rhythmischen Bewegungen im Laufe der Kindheit und es ist besonders wichtig, das Kind in diesen Situationen vor Verletzung zu schützen. Wenn das Kind aber bestimmte Routinen entwickelt hat, an denen auch die einschlafbegleitende Person beteiligt ist, die sich davon gestört oder verletzt fühlt, kann diese sich auch selbst schützen und versuchen, dem Kind eine andere Brücke zum Schlaf zu bilden.

Statt Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln

Kratzen, Knibbeln und Haarewuscheln sind für die begleitenden Eltern oft auf Dauer anstrengend und natürlich müssen sie dies nicht über sich ergehen lassen, damit das Kind endlich einschläft. Wie auch beim Ungewöhnen vom Einschlafstillen auf das Einschlafen ohne Stillen ist es wichtig, dass wir uns zunächst vor Augen führen, dass diese Brücke zum Schlaf für das Kind bedeutsam ist und eine ganz normale, alltägliche Gewohnheit, von der es selbst nicht versteht, warum sie geändert werden sollte. Es wird daher sehr wahrscheinlich nicht damit einverstanden sein und sieht auch keine Notwendigkeit, die geliebte und etablierte Methode zu verändern.

Beschämung, Schimpfen oder Gewalt in Form von Festhalten der Hände helfen nicht weiter und auch die Androhung, dass das Kind ganz allein einschlafen muss, wenn es „das immer mit uns macht“, wird dem Kind nicht helfen, gut in den Schlaf zu kommen. In letzterem Fall würde nicht nur die besondere Angewohnheit wegfallen, sondern das Kind eine völlig neue und überfordernde Situation erleben. Sinnvoller ist deswegen ein sanftes Vorgehen, bei dem nur das eine Problem ausgetauscht wird:

Hilfreich ist es, dem Kind eine Alternative anzubieten: Vielleicht ein Kuscheltier, an dessen Schweif gedreht werden kann statt an den Haaren des Elternteils, ein Schnuffeltuch mit „tags“, vielleicht aus verschiedenen Materialien, an denen genibbelt werden kann, eine Puppe, die angekratzt werden kann. Auch wenn wir eine solche Alternative einführen, wollen dennoch viele Kinder zunächst die bewährte Handlung ausführen und es braucht Zeit und eine klare, liebevolle Begleitung der Umstellung.

Während das gesamte Schlafritual wie immer verläuft, wird nur die störende Handlung ausgewechselt. So hat das Kind weiterhin Beständigkeit und Sicherheit in vielen Punkten, wird aber immer wieder auf den Ersatz umgeleitet. Wichtig ist deswegen, dass die Eltern, die die Umgewöhnung begleiten, hierfür das Verständnis und die Ruhe mitbringen, beständig umzuleiten und eine Alternative anzubieten. So kann sich nach und nach die Alternative etablieren.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de