Kategorie: Schule

„Ich hab Bauchweh“ – Wenn Kinder eine Pause brauchen

Manchmal sind die Tage anstrengend. Manchmal gibt es Streit mit Freund*innen, manchmal gibt es Umbrüche im Alltag. Auch für Kinder ist nicht jeder Tag einfach. Und auch bei ihnen kann Stress und Anspannung auf den Bauch schlagen. Wichtig ist natürlich, zunächst abzuklären, ob nicht wirklich eine Erkrankung hinter dem Bauchweh oder den Kopfschmerzen steht*. Neben solchen Erkrankungen projizieren Kinder aber auch unangenehme Gefühle auf Kopf oder Bauch: „Mein Kopf tut weh!“, „Ich hab Bauchweh.“ – Diese Sätze kennen wohl viele Eltern. Aber wie können wir damit umgehen, wenn das Kind scheinbar Schmerzen ohne „echte“ Ursache hat?

Schmerzen sind Schmerzen

Schmerzen sind Schmerzen. Wir können nicht nachfühlen, ob das Kind Schmerzen hat oder nicht, auch wenn es keine medizinische Ursache gibt. Es ist möglich, dass sich ein Unwohlsein tatsächlich durch Schmerzen äußert. Deswegen gilt immer: Wenn Kinder Schmerzen haben, sollten wir diese Ernst nehmen. Hat ein Kind Schmerzen oder spricht es über Schmerzen, sollten wir daher nicht sagen: „Das ist nicht schlimm“, „Das kann gar nicht sein“, „Das bildest du dir nur ein“, sondern vielmehr Verständnis entgegen bringen: „Das tut dir weh!“ „Zeig mir, wo es weh tut“ oder auch „Was glaubst du, woher die Schmerzen kommen“ – solche Reaktionen bieten eine Möglichkeit zum Gespräch. Das Kind fühlt sich angenommen und verstanden und kann sich weiter öffnen.

Die Frage nach einer möglichen Ursache kann gerade auch bei größeren Kindern eine Tür sein, um dem Grund auf die Spur zu kommen: Vielleicht ist ein anderes Kind krank mit solchen Schmerzen, vielleicht hat es in Kita oder Schule etwas über eine Krankheit gehört, das es verängstigt hat. Vielleicht sagt es auch direkt, dass ein anderes Kind es geärgert hat und es seither Schmerzen hat. Oder dass es weh tut, weil gerade eine bestimmte Situation so anstrengend ist. Geben wir den den Kindern die Möglichkeit, den Schmerz zu benennen und sind wir bereit, uns darauf einzulassen, helfen wir den Kindern bereits durch das Gefühl, nicht allein zu sein.

Schmerzen „behandeln“

Vielleicht können wir durch solche Gespräche bereits die Ursache finden und an einem konkreten Problem gemeinsam arbeiten. Manchmal ist die Ursache aber auch nicht so einfach oder überhaupt nicht zu finden. Hier hilft es, wenn wir dem Kind Unterstützung geben beim Umgang mit dem Schmerz.

Oft haben Kinder „Bauchschmerzen“ oder „Kopfschmerzen“, wenn sie eine Ruhepause brauchen und ein wenig aus dem Alltag ausbrechen müssen, um mal wieder Zuwendung und Aufmerksamkeit von den Bezugspersonen zu bekommen. Das kann im Alltag einfach vorkommen, dass es zwischenzeitlich mal ein stärkeres Bedürfnis danach gibt, vielleicht weil der Alltag gerade sehr anstrengend oder mit vielen Veränderungen verbunden war. Wichtig ist, dies zu erkennen und (ohne Anklage) darauf zu achten, dem Kind zu vermitteln, dass es auch andere Wege geben kann, um Ruheinseln in den Alltag einzubetten, ohne dass dafür Beschwerden herangezogen werden müssen. Gerade in anstrengenden Übergangszeiten oder wenn es gruppendynamische Probleme gibt, bieten sich regelmäßige Rituale an, um die Akkus wieder aufzufüllen.

In der konkreten Situation aber geht es zunächst darum, für diese aktuelle Situation eine gute Begleitung zu finden und dem Kind liebevolle Zuwendung zukommen zu lassen. Wie sie aussehen kann, ist ganz verschieden – je nach Vorlieben des Kindes.

Ideen zur „Behandlung“ sind beispielsweise:

  • An erster Stelle steht immer das Mitgefühl
  • Körperkontakt: die warme Hand des anderen auf dem schmerzenden Bauch oder Kopf tut gut. Über Körperkontakt können wir Fürsorge vermitteln, Oxytozin, das bei positivem Körperkontakt ausgeschüttet wird, beruhigt und entspannt. Auch eine entspannende Bauchmassage (im Uhrzeigersinn) kann helfen. Oder mit etwas Creme ein lachendes Gesicht, eine Sonne oder ein Herz auf den Bauch des Kindes zu malen.
  • Ruhig zusammen atmen: Das Kind kann bei Bauchschmerzen die eigenen Hände auf den Bauch legen und bis in den Bauch atmen: Der Bauch hebt sich. Dann langsam ausatmen lassen und beobachten, wie sich der Bauch wieder senkt.
  • Bei Kopfschmerzen kann der Kopf in die Hände genommen und angenehm umfasst und dabei ebenfalls ruhig geatmet werden.
  • Mag das Kind Berührung (gerade) weniger, kann auch ein warmer Tee beruhigend und entspannend wirken.
  • Manchmal tut es auch gut, den Schmerz zu verbildlichen: Ein Bild dazu malen, eine Figur kneten. So wird der Schmerz in Gedanken aus dem Körper ausgelagert.
  • Hat das Kind über einen längeren Zeitraum Schmerzen, sollten auch die Gewohnheiten in den Blick genommen werden: Gibt es konkrete Auslöser, schläft es zu wenig, treten Schmerzen nach ganz bestimmten Situationen auf?

So, wie für Erwachsene, gibt es auch für Kinder eine Vielzahl an anstrengenden Situationen. Nur weil die Kinder sind, kommen sie nicht zwangsweise leichter mit dem Alltag zurecht oder sind unbeschwerter. Haben wir einen Blick für ihre Bedürfnisse und gönnen wir ihnen die Ruhe- und Entspannungspausen, die wir uns ja auch oft wünschen.

Eure

*Bei plötzlich auftretenden Schmerzen oder länger andauernden Schmerzen ist eine Ärztin/ein Arzt aufzusuchen. Gerade bei Bauch- und Kopfschmerzen gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen, die abgeklärt werden sollten. Dieser Artikel bezieht sich ausschließlich darauf, wenn von medizinischer Seite Erkrankungen/Nahrungsmittelunverträglichkeiten/Sehprobleme etc. ausgeschlossen werden können und Bauch- oder Kopfschmerzen durch Anspannung/Stress/Nähebedürfnis entstehen.

Wir sind für dich da

Als Baby lagst du in unseren Armen, wurdest getragen. Wir sind zu dir gekommen bei jedem Schrei, bei jedem Weinen – und es waren viele. Kein Weinen musste allein durchlebt werden. Es wurde begleitet, manchmal über Stunden. In der Kleinkindzeit haben wir die Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert: Zusammen gelacht, zusammen die Wut durchgestanden. Wunden angepustet, Hände gehalten, Tränen getrocknet. Wir haben gemeinsam die Stunden durchgestanden, in denen der beste Freund „Du bist nicht mehr mein Freund“ war – und mitgefiebert bei aufregenden Geschichten. Wir haben zusammen Abschiede gemeistert und neue Wege beschritten. Nicht immer einfach, nicht immer ohne Anstrengungen und auch nicht immer ohne Elterntränen. Aber immer wieder mit Liebe.

So bist du größer geworden, jeden Tag. Du bist aus dem Familienbett ausgezogen, hast an anderen Orten übernachtet. An vielen Stellen bist du über dich selbst hinaus gewachsen, immer wieder. Und wir waren da. Manchmal an deiner Hand, manchmal an deiner Seite. Manchmal irgendwo im Hintergrund. Immer ein Ort, an den du zurück kommen kannst. Immer der Ort, an dem sicher alle Gefühle ihren Raum bekommen. An dem du sein kannst, wer du bist. Nicht, wer du sein solltest oder könntest. Manchmal ein lachendes Kind, manchmal weinend, manchmal zornig, manchmal still und dann wieder laut.

Du hast erfahren: Es gibt diesen einen Ort, an dem du angenommen wirst wie du bist. Dieser Ort ist kein Haus, kein Raum, es sind wir, deine Eltern. Mit jeder Geschichte, hast du gelernt, kannst du zu uns kommen. Mit jedem Kummer, mit jedem Unsinn. Wir haben gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht, haben – nicht selten – die Augenbrauen hochgezogen und tief durchgeatmet, bevor wie geantwortet haben. Wir haben als Eltern manchmal zusammen gesessen und uns aneinander gelehnt, um uns gegenseitig aufrecht zu halten. Und wir haben heimlich gelacht über die Streiche, bei denen wir eigentlich ernst sein sollten.

Dieser Ort des Vertrauens geht nicht verloren. Die Themen ändern sich, die Probleme bekommen so manches Mal eine gewisse Schwere. Die Sachen, die „angestellt werden“ sind bedeutender als der fehlende Keks aus dem Weihnachtsvorrat. Aber was auch immer es ist, sind wir erst einmal da. Hören zu, atmen, nicken. Wir sind der Ort, an dem die Geschichten des Lebens erzählt werden können. Der Ort des Vertrauens, an dem dies möglich ist.

Wenn ich Familien eines wünsche, dann ist es dies: Dass das Gefühl dafür, da zu sein, bestehen bleibt. Auch nach der Babyzeit, auch nach der Kleinkindzeit. Seid die sicheren Orte, zu denen getragen werden kann, was belastet – ohne Furcht vor Strafen. Seid die Menschen, mit denen Lösungen gesucht werden anstatt die zu sein, vor denen Probleme versteckt werden. Seid der Ort, der signalisiert: Ich bin für Dich da, egal was ist.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Entspannungsideen für Erstklässler*innen

Für ein Kind, das in die Schule kommt, beginnt ein neuer Lebensabschnitt: War es im Kindergarten die/der „Große“, so ist es nun, nach den Ferien, die/der „Kleine“. Es hat einen neuen Tagesablauf, einen neuen (Schul-)Weg zu beschreiten, neue (Bezugs-)Personen, die es kennen lernen muss, neue Kinder, Klassenkameraden, um sich. Dort sind Kinder über mehrere Stunden einer hohen Lautstärke und vielen Sinneseindrücken ausgesetzt. Die Räumlichkeiten und das Gebäude sind ebenso neu wie die Regeln, die Kommunikation, überhaupt das ganze System Schule. Vielleicht kommen Kinder auch bewusst zum ersten Mal mit Vergleich und Bewertung in Kontakt. Eine ganz schöne Leistung, die die neuen Schulkinder da bewältigen, oder?

Rückzugsort Zuhause

Wenn wir uns vor Augen führen, was ein Schulkind bis mittags schon alles leistet, ist es nicht verwunderlich, dass Kinder zuhause erst einmal „in ein Loch fallen“ oder „aufdrehen“. Was viele Kinder jetzt brauchen, sind sicherere, vertrauter Personen und Orte. Die allerwenigsten Kinder rufen jetzt: „Bitte bring mich zum Klavierunterricht!“. Meist wünschen sich Kinder nun einfach „sein“ zu dürfen – und auch ein Stück in Ruhe gelassen zu werden bzw. haben das Bedürfnis nach gemeinsamer Spiel- oder auch Kuschelzeit mit den Eltern. Die Akkus wollen aufgeladen werden. Sie haben bereits schon viele Stunden kooperiert. Wichtig ist, dass nun die Kinder zu Wort kommen. „Was wünscht DU dir jetzt? Wollen wir gemeinsam ein Buch lesen/ malen/ etwas spielen?“ zeigt den Kindern, dass sie uns wichtig sind. 

Raus in die Natur – am besten Barfuß

In der Natur erden sich – nicht nur – Kinder. Das Grün der Pflanzen wirkt entspannend auf die Augen und auf den gesamten Organismus (Stichwort „Waldbaden“). Also raus in Wald und auf die Wiese, in den Stadtpark, in den Garten. Es tut Kindern gut, die Schuhe auszuziehen zu dürfen, barfuß zu laufen, Kontakt zum Boden aufnehmen. Die Füße bilden das Fundament für den ganzen Körper. Spielerisch können die Kinder barfuß ihre Füße trainieren: Auf den Fersen, auf den Ballen, auf den Außen- und dann Innenkanten versuchen zu gehen, Steine oder Eicheln mit den Zehen aufheben,… Anschließend in die „Berghaltung“ kommen: Gerade stehen, Augen schließen und bewusst zu den Füßen spüren. Wie fühlen sich die jetzt an?

Auch gärtnern, in der Erde wühlen, tut gut und baut Stress ab. Barfußpfade fördern die Wahrnehmung. In der Natur entwickeln sich meist von ganz alleine Spielideen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Hier kann ein Stock ein Zauberstab, eine Person, ein Schwert oder ähnliches sein. Die Kinder kommen wieder in den „Selbstwirksamkeitsmodus“. Hier legen sie Spielregeln fest.

In der Schule verbringen Kinder zudem in der Regel die meiste Zeit im sitzenden Zustand. Hier gilt es „auszugleichen“ den Kindern viel Bewegungsfreiheit zu bieten, denn Bewegung baut Stress ab. 

Ton aus

Oft lassen wir uns bewusst oder unbewusst „berieseln“: Das Radio läuft beim Kochen, Duschen oder beim Frühstück, die Kinder lassen beim Spielen den CD Player laufen, im Auto laufen die Nachrichten, im Zug per Kopfhörer Musik oder ein Hörspiel und abends läuft der Fernseher, während wir noch am PC arbeiten. Es kann gut tun, einmal bewusst darauf zu verzichten. Der Stille zu lauschen, die Geräusche wahr zu nehmen, die z. B. innerhalb des Autos oder der Wohnung ganz natürlich entstehen. Und welche außerhalb. „Was kannst du jetzt in dem Moment alles hören?“ Ist eine ganz simple Achtsamkeitsübung für Kinder, die überall gespielt werden kann. Oder man öffnet das Fenster und das Kind lauscht bewusst für 1-2 Minuten den Geräuschen. Hinterher kann man sich über das Erlebte austauschen. 

Ruhehaltung Shavasana

Bitte dein Kind sich in Rückenlage auf den Boden zu legen. Es kann sich auf eine Decke oder eine Yoga-/ Gymnastikmatte legen, damit es nicht so hart ist.  Die Beine sind gestreckt und entspannt, die Füße fallen locker auseinander. Die Arme liegen ausgestreckt neben dem Körper, die Handflächen zeigen nach oben.  Das Kind kann nun die Augen schließen, wenn es mag. Mag es nicht auf dem Rücken liegen, so kann es sich alternativ auf den Bauch drehen.

An kalten Tagen kann eine warme Wärmflasche (oder auch mehrere) bzw. Körnerkissen auf den Bauch (oder Rücken) gelegt werden. Eine Wohltat nach einem aufregendem Schultag. Wichtig ist zu fragen, ob es für das Kind angenehm ist und nicht zu heiß oder schwer. Andersrum geht es genau so gut: An heißen Tagen kann mit Kühlis gearbeitet werden, z. B. eins auf die Stirn, je eins auf jedes Handgelenk.  Liegt das Kind auf dem Rücken, so kann auch ein Augenkissen (ggf. sogar mit entspannendem Lavendelduft) auf die Augen gelegt werden. Dies kann die Entspannung vertiefen. Wer mag, kann sich auch Kopfhörer aufsetzen, um die Außengeräusche auszublenden.

Massagen

Viele Kinder lieben Massagen. Ihr könnt gemeinsam ein Körbchen mit unterschiedlichen Materialien füllen: verschieden große und harte Igelbälle, unbenutzte Malerpinsel – und Rollen, Schwämme, Bürsten, Tuschpinsel, usw. Nach Lust und Laune können die Massageutensilien für Massagen verwendet werden. Schön ist es auch, wenn eine Massagegeschichte dazu erzählt wird. Zu den Klassikern gehört die „Pizzamassage“ oder eine „Wettermassage“. Das Kind darf natürlich auch die Eltern oder Geschwister massieren und sich eigene Massagegeschichten ausdenken. Selbstverständlich kann sich das Kind auch selbst massieren: Dazu kann es sich zum Beispiel mit einem Fuß auf einen Igelball stellen und darauf kreisen. Der Druck bestimmt die Intensität der Massage. Das Kind kann sich auch auf den Boden legen und einen Tennisball unter den Rücken schieben und sich durch Bewegung eine wohltuende Rückenmassage schenken. Eine Kopfhautmassage mit den Fingerspitzen wirkt belebend und entspannend. Müde Beine können auch mit einem Igelball sanft bearbeitet werden. 

Zeug stresst Familien

Der Eintritt in die Schule bietet auch allgemein die Chance bestimmte Bereiche als Familie einmal anzugucken. Denn häufig entsteht Stress aus einem Mangel an Zeit und einem zuviel an Zeug, wie Klamotten oder Spielsachen. Hier könnte „Weniger ist mehr“ helfen, den Alltag zu entschleunigen. Folgende Fragen dienen als Reflexionsinspiration: 

  • Passt unser Tagesablauf zu unseren Bedürfnissen?
  • Was wollen wir als Familie wirklich? Was ist uns wichtig? Was nicht mehr?
  • Muten wir unserem Kind zu viel zu in Bezug auf „Freizeitprogramm“?
  • Stresst sich das Kind evtl. sogar selbst mit seinen Freizeitbeschäftigungen?
  • Wer oder was raubt ungewollt Zeit – wie können wir das abschalten?  
  • Welche Personen sind uns wichtig und wollen wir weiterhin in unserem Leben haben?
  • Und welche Personen tun uns nicht gut?
  • Können wir Haushaltsaufgaben neu und anders aufteilen oder an Dritte delegieren?
  • Fühlen wir uns in unseren 4 Wänden wohl?
  • Mit welchen Räumen oder Ecken in der Wohnung sind wir unzufrieden? Wie können wir das ändern?
  • Gibt es Streit über bestimmte Sachen? Welche Sachen werden nicht mehr benötigt und können weitergegeben oder verkauft werden?

Ich wünsche allen Familien einen entspannten Schulalltag!

Stephanie Weich ist Erzieherin und Krippenpädagogin aus Vechelde. Sie hat u.a. Weiterbildungen zur Entspannungstherapeutin, Stressmanagementtrainerin und Kursleiterin für Progressive Muskelentspannung & Autogenes Training besucht. Weitere Angebote finden sich auf ihrem Blog und auf Instagram.Zu dem ist sie Autorin des Buches Spielerische Meditationen mit Klang, Bewegung und allen Sinnen.


„Spiel bitte etwas anderes!“ – Wenn Eltern das Spiel des Kindes nicht mögen

Wenn wir Kinder beim Spiel beobachten, geht es dabei manchmal ganz schön zur Sache: Da sterben die Figuren, es gibt Krieg, Eltern sterben, Spielfiguren verlaufen sich, werden entführt oder Kuscheltiere werden operiert. Und gelegentlich werden auch noch Schimpfwörter benutzt. Manchmal sind wir verleitet, nicht nur zu denken, sondern zu sagen: „Jetzt spiel doch etwas Schönes!“ – Aber das sollten wir nicht tun.

Kinder spielen von Anfang an

Im Spiel lernen unsere Kinder sich selbst und die Welt kennen. Das Spiel beginnt dabei schon sehr früh im Babyalter, wenn das Kind nach und nach mit der Umgebung interagiert, Gesichtsausdrücke nachahmt, später Laute, und anfängt, Hände, Füße und den Körper zu erkunden. Es steht im Zusammenhang mit den Fähigkeiten des Kindes und entwickelt sich anhand dieser Fähigkeiten weiter: Je mehr die Feinmotorik ausgebildet wird, desto mehr untersucht das Kind spielerisch Gegenstände. Je mehr es interagieren kann, desto stärker tritt das Spiel mit anderen hervor. Im Spiel übt das Kind, verfeinert Fähigkeiten und entwickelt sie weiter. Während es am Anfang erkundet, ahmt es später nach und schließlich entwickelt es eigene Handlungsstränge und Spielideen – und diese stellen uns manchmal mehr und manchmal weniger vor Herausforderungen.

Das Spiel als „Sprachmedium“

Um die Bedeutung des Spiels für das Kind zu verstehen, müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass „Kinder eben nur spielen“. Das Spielen ist ein komplexer Vorgang des Lernens und Erfahrens und auch der Aufarbeitung von emotionalen Erlebnissen. Was wir am Abend auf dem Sofa mit einem anderen Erwachsenen besprechen, lebt das Kind im Spiel aus: Spielsachen sind ein Medium wie die Sprache und das Kind drückt darüber aus, was es bewegt. Manchmal sind das die ganz alltäglichen Dinge des Alltags, wenn Puppen bekocht und bespielt werden oder Freundschaft nachgespielt wird. Manchmal werden aber auch Konflikte darüber bearbeitet und nachgespielt oder Themen, die das Kind gerade generell bewegen. Wünsche, Bedürfnisse, Gefühle, können oft im frühen Kindesalter noch nicht gut versprachlicht werden und finden dann im Spiel spontan ihren Ausdruck. Das Kind beschäftigt sich mit dem, was gerade ein Thema für das Kind ist.

Themen der Kinder zulassen

Wenn wir also merken, dass ein Kind sich mit einem Thema beschäftigt, das wir als kein „gutes Spielthema“ betrachten, können wir uns zunächst fragen, warum uns dieses Thema überhaupt so große Probleme bereitet: Warum können wir Aggression im Spiel nicht zulassen, warum wünschen wir, dass das Kind ausschließlich „harmonisch“ spielen soll? Warum ist es für uns schwer, wenn das Kind leichtfertig das Thema Tod im Spiel bearbeitet? Welche eigenen Themen kommen da vielleicht gerade hoch, ausgelöst durch das Spiel des Kindes?

Anstatt die Spielthemen des Kindes zu lenken und zu beeinflussen, können wir zuhören: Was ist es, was das Kind gerade beschäftigt, worüber es sich Gedanken macht? Wir können Themen aufgreifen außerhalb des Spiels und gemeinsam Bücher ansehen rund um den Tod oder um Freundschaft, wenn das große Themen sind oder einen passenden Film ansehen. Wenn wir zusammen mit unserem Kind spielen, sollten wir das Thema des Kindes annehmen, statt zu versuchen es in eine von uns gewünschte Richtung zu lenken und schauen, welche kreativen Lösungen das Kind selbst entwickelt und das unterstützen. Vor allem sollten wir die Themen nicht zu sehr dramatisieren und uns Fragen, ob wir etwas falsch gemacht haben, weil das Kind Auseinandersetzungen spielerisch bearbeitet . Wir sollten weniger deuten und mehr annehmen und begleiten.

Schimpfworte

Je nach Alter des Kindes tauchen auch Schimpfworte im Spiel (und auch im Alltag) auf. Natürlich werden sie beeinflusst von dem, was das Kind in der Umgebung hört. Dass es aber Schimpfworte prinzipiell nutzt, ist normal.

Mit einem Schimpfwort, so lernt das Kind, kann ein negativer Superlativ ausgedrückt werden: Das andere Kind ist nicht nur doof, sondern ein Scheißmann; die Situation ist nicht nur blöd, sondern superkacke. Das Kind sucht ein Wort, mit dem es all die Unzufridenheit, all das negative Empfinden im Inneren beschreiben kann, was es fühlt.

S. Mierau „Geborgene Kindheit“

Benutzt ein Kind Schimpfworte, ist das kein Zeichen für elterliches Versagen. Wir können über die Worte sprechen und welche festlegen, die in unserer Familie Raum haben und solche, die nicht gesagt werden sollen – und warum. Im Spiel können die Schimpfworte auch ihren Platz finden. Gerade dann können Kinder auch die Macht dieser Worte ausprobieren und ihre Wirkung. Ein Schimpfwort kann manchmal die Machtverhältnisse zwischen Eltern und Kind umkehren: Durch die Benutzung eines solchen Wortes fühlt sich das Kind stark und selbständig. Diesen Wunsch können wir hinter dem Verhalten sehen und mitspielen oder andere Spiele und Situationen finden, in denen das Kind obsiegen kann.

Das Spiel ist ein wunderbarer Entwicklungsraum, in dem sich unsere Kinder entfalten und die Themen bearbeiten, die gerade und prinzipiell wichtig sind. Begleiten wir diese Entwicklung, lassen wir sie zu, anstatt Themen und Gefühle auszuklammern.

Eure

Vorbereitungen auf die Schule

Das Jahr schreitet voran, der Sommer ist nicht mehr fern. Nach den Sommerferien steht wie jedes Jahr für viele Kinder eine große Veränderung an: die Schulzeit beginnt. Langsam kann nun mit den Vorbereitungen auf den neuen Lebensabschnitt begonnen werden. Vorbereitung auf die Schule bedeutet dabei nicht, dass die zukünftigen Schulkinder schon jetzt an das Lesen und Schreiben herangeführt werden müssen. Vorbereitung auf die Schule meint vielmehr, sie emotional vorzubereiten auf die neuen Abläufe und Herausforderungen.

Schule ohne Eingewöhnung, aber mit Vorbereitung

Wenn die Kinder in die Schule kommen, haben sie oft schon ein konkretes Bild von dem, was sie erwartet. Sie wissen auch, dass nach einer bestimmten Anzahl von Stunden der Unterricht beendet sind und haben wesentlich weniger Schwierigkeiten damit, dass sie nun in einer neuen Gruppe mit neuen Bezugspersonen sind, ohne Eingewöhnung wie im Kindergarten. Manche Schulen bieten vorab einen Tag der offenen Tür an oder einen Kennenlerntag. Hier werden nicht nur die Kinder kennengelernt und die Klassenlehrer*in, sondern auch schon einmal der neue Ort: Wo ist der Speisesaal, wo sind die Toiletten. Manchmal nehmen auch die zukünftigen Klassenlehrer*innen schon Kontakt auf, indem sie jedem neuen Kind einen Brief schicken und es begrüßen.

Wenn in einer Schule keine Angebote vorab bestehen, können Eltern auch vor Ort nachfragen, ob sie ein privates Kennenlernen der zukünftigen Klasse organisieren können. Wie schon in Kindergartenzeiten kann die Vernetzung mit anderen Eltern auch in der Schule hilfreich sein, wenn schon vorab Kontakte geschlossen wurden, vielleicht erste Freundschaften ausgebildet werden und man früh andere Menschen kennt, die im Notfall um Unterstützung gebeten werden können: „Könntest Du mein Kind heute mit abholen?“

Vorbereitung zu Hause

Aber auch zu Hause können wir schon langsam mit der Vorbereitung auf die Schulzeit beginnen und dem Kind einen sicheren Start ermöglichen, indem wir schon vor dem Schulbeginn Vertrauen und Sicherheit des Kindes ausbauen. Das bezieht sich vor allem auf die eigenen Kompetenzen und die Selbständigkeit.

Wir können schon in den Wochen und Monaten vor Schulbeginn langsam neue Morgenroutinen einüben und das Kind immer etwas selbständiger werden lassen dabei. Schulbeginn bedeutet meistens auch, in einer ganz anderen Weise pünktlich sein zu müssen als bislang. Das kann am Anfang zu einem Stressfaktor werden, der in der ohnehin neuen Zeit der Umstellung belastet. Daher: Lieber schon vorher mit der Umstellung beginnen und schauen, wie die Morgenroutinen entspannt ablaufen können: Vielleicht am Abend schon die Kleidung heraus legen für den nächsten Tag und das Kind kann alles allein anziehen. Oder den Frühstückstisch schon am Abend decken, damit morgens mehr Zeit ist für das Miteinander.

Auch der Schulweg kann schon einmal gemeinsam angesehen und öfters abgelaufen werden. Gibt es hier bestimmte Läden, die das Kind im Notfall ansteuern kann, wenn es allein unterwegs ist? Gemeinsam können Läden erkundet werden, die auf dem Schulweg liegen, die dort arbeitenden Menschen können gegrüßt werden. So wird der neue Weg schon etwas vertrauter und sicherer.

Mit der Schule beginnt ein neuer Weg und ein alter will verabschiedet werden: Das ist bei aller Aufregung auch nicht einfach. Viele Kinder sind in der Zeit des Übergangs von der Kita zur Schule aufgeregt, unruhig, aufbrausender. Diese Gefühle wollen gut begleitet und aufgefangen werden. Manchmal werden Freunde und Freundinnen mit in die Schule gehen, manchmal sind es ganz neue und fremde Kinder, die dort warten. Von Erzieher*innen und Kindern aus der Kita wird Abschied genommen. Diese sind in der Vergangenheit Bezugspersonen geworden und es fällt dem Kind schwer, sie einfach verlassen zu müssen. Es ist schön, die Erinnerungen festzuhalten mit Fotos, Freundschaftsbüchern, die auch später gemeinsam angesehen werden können und auch der Möglichkeit, in der Kita wieder vorbei kommen zu können, beispielsweise zu Festen oder auch mal auf dem Spielplatz zu Besuch kommen zu können. So wie die Eingewöhnung langsam verlief, kann auch der Abschied langsam stattfinden.

Bücher und Spiele zur Vorbereitung

In Nikolai Rengers und Katja Reiders Buch „Mission Schulstart“ (Amazon* | Buch7* | Buchhandel) geht es genau um eine solche Vorbereitung auf die Schule und die Selbständigkeit: Weltraumfan Mats kommt in wenigen Tagen in die Schule und bekommt einen Brief von „Käpt’n Kosmo“ zur Mission Schulstart: Jeden Tag eine Aufgabe. Dabei geht es darum, sich selbst morgens anziehen zu können, den Weg zur Schule allein zu bewältigen, andere Kinder kennen zu lernen, sich selbst mit Nahrung versorgen zu können und zu zeigen, dass er jederzeit Kontakt nach Hause aufnehmen kann im Notfall. Ein wirklich niedliches und spannendes Buch, besonders für Weltraumfans.

Ein anderes schönes Buch zum Vorlesen ist „Wir Rüben aus der großen Stadt“ (Amazon* | Buch7* | Buchhandel) . Darin geht es gar nicht so sehr um den Schulstart, sondern es wird vielmehr das Leben von sechs Kindern aus vier Familien, die zusammen in einem Haus wohnen, beschrieben. Eine Art modernes Bullerbü. Dabei gibt es auch ein Kapitel, das sich mit dem Schulweg befasst und wahrscheinlich eher für die Eltern die Lehre bereit hält, den Kindern auch zu vertrauen und sie zusammen zur Schule gehen zu lassen – das fällt in dem Buch einem der Väter nämlich gar nicht so leicht. Aber „Die sieben goldenen Regeln“ für den Straßenverkehr sind auch für andere Familien gut zu besprechen und vielleicht ergeben sich daraus ja auch eigene Straßenregeln.

Um den Verkehr geht es auch in dem kleinen Spiel „Sicher zur Schule“ (Amazon* | Buch7* | KOSMOS Verlag) : Ein Memoryspiel der anderen Art rund um Verkehrszeichen und Regeln für den Straßenverkehr. Es werden dabei nicht nur zusammenpassende Bilder gesucht, sondern es können alle Situationen und Verkehrsschilder in Ruhe besprochen werden.

Lernen ist toll, Kinder lernen von sich aus und bringen eigene Motivation zum Lernen mit. So ist es auch bei den Tierkindern von Brigitte Weninger und Eve Tharlet im Buch „Lernen macht Spaß“ (Amazon* | Buch7* | Buchhandel): Sie entdecken, was sie alles voneinander lernen können und machen einfach ihre eigene Schule auf. „Aber was sollen wir machen, wenn wir alles gelernt haben, was wir sechs wissen und können?“ fragt Ivan. „Dann suchen wir uns einfach jemanden, der noch mehr weiß und kann“ lacht Max. „Dann hört das Lernen und Spaß-Haben nie auf!“ – Und so soll es doch eigentlich auch sein.

Und wie bereitet Ihr Euch auf die Schule vor?
Eure

* Transparenz:
Dieser Artikel enthält Affiliate-Links zu Amazon und Buch7, durch die ich im Falle einer Bestellung eine Provision erhalte ohne dass für Euch Mehrkosten anfallen. „Wir Rüben aus der großen Stadt“, „Lernen macht Spaß“, „Sicher zur Schule“ und das Freundschaftsbuch habe ich als unverbindliche Rezensionsexemplare erhalten. Das Buch „Mission Schulstart“ ist selbst gekauft. Viele Bücher gibt es darüber hinaus zum Ausleihen in den öffentlichen Bibliotheken. Hier kann beispielsweise nach Büchern in den Bibliotheken in Berlin-Brandenburg gesucht werden.

Wenn geborgene Kinder größer werden

Manchmal erreicht mich die Frage, ob es denn dann alles ganz einfach wäre mit den großen, geborgenen Kindern und wann die „anstrengende“ Zeit mit Kindern aufhören würde. Denn wenn wir ihnen einen guten Start gegebene haben, dann haben sie ja ein sicheres Fundament für die Zukunft und sind selbstsichere, starke Persönlichkeiten, die folglich mit den Unwägbarkeiten des Lebens gut umgehen können – so die Theorie.

Das stimmt auch, aber dennoch treffen sie eben auf die Unwägbarkeiten des Lebens und müssen mit ihnen umgehen, begleitet durch uns, solange sie uns dafür brauchen. Und an manchen Stellen ist es für Kinder, die eben in einer neuen Erziehungsgeneration aufwachsen, auch nicht so einfach, wenn sie mit anderen Erziehungsmodellen konfrontiert werden. Das bedeutet nicht, dass es nicht richtig wäre, sie so wachsen zu lassen, wie wir sie heute wachsen lassen. Es bedeutet aber, dass es eben auch weiterhin Begleitung und Verständnis braucht.

Wenn demokratische Kinder größer werden

Wie ist es, wenn Kinder größer werden, die es von Anfang an gewohnt sind, an Entscheidungen Teil zu haben, die ihre eigene Meinung einbringen dürfen und über ihren Körper selbst entscheiden können? Sie werden den Diskurs auch weiterhin mit uns austragen. Sie sagen: „Nein, ich möchte nicht, weil…“ oder „Nein, das ist nicht richtig, weil…“ oder sie bringen auf einmal ihre ganz eigenen Vorstellungen über Recht und Unrecht mit ein und entschließen sich, bestimmte Dinge zu boykottieren. Vielleicht bäumen sie sich auf und protestieren für oder gegen etwas und setzen sich für sich und ihre Rechte ein. Und so manches Mal gehen sie vielleicht einen ganz anderen Weg, als wir es wünschen und werfen unsere Werte über Bord. Sie haben gelernt, dass sie eine Stimme haben und wenden diese an. Sie diskutieren und überlegen und machen sich ein eigenes Bild von der Welt.

Wir sind so schnell verleitet dazu, anzunehmen, dass durch ein bedürfnisorientiertes Familienleben die Kinder verständnisvoll und entspannt wären und es einen Zeitpunkt geben könnte, an dem sie eben ganz eingefügt sind in das Familienbild, das wir zu vermitteln versuchen. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass in uns noch immer der Gedanke verankert ist, dass Erziehung zu Anpassung führt und Kinder Gefäße wären, die von uns gefüllt werden.

Aber es ist eine Fehlannahme, dass Bedürfnisorientierung zu einer Anpassung führen würde. Unsere Kinder haben ein sicheres Fundament, haben Empathie erfahren und können selbst emphatisch sein. Sie haben gelernt, dass das Leben auch aus Verhandlungen besteht, aus Gesprächen und Diskurs. Und diesen Diskurs tragen sie weiter aus, stellen uns in Frage und andere. Das ist nicht einfach, denn die Diskussionen hören eben nicht auf. Aber es ist eben auch das, was unsere Gesellschaft braucht für die Zukunft: Reflexionsfähigkeit, Gesprächskultur, Diskurs und die Beachtung aller auf Augenhöhe. Geborgene Kinder sind keine Tyrannen, aber sie sind nicht zwangsläufig bequeme Kinder, denn sie sind mit dem Recht auf eine eigene Stimme groß geworden.

Passen geborgene Kinder in die Gesellschaft?

Es wäre gelogen, zu sagen, dass es kein Konfliktpotential mit sich bringt, wenn die „modernen“ Erziehungshaltungen auf alte Vorstellungen in der Gesellschaft stoßen: Es ist für uns Eltern schwierig, wenn wir in unserem Umfeld unsere Einstellung rechtfertigen und uns dafür einsetzen müssen. Wenn wir im Kindergarten dafür einstehen, dass unsere Kinder nicht aufessen müssen gegen ihren Willen oder keinen Mittagsschlaf machen müssen, wenn sie nicht müde sind.

Wenn unsere Kinder größer werden, stoßen auch sie auf diese Konflikte, die wir früher für sie ausgetragen haben. Sie setzen sich vielleicht zur Wehr gegen Ungerechtigkeit, wenn sie diese in der Schule erleben oder sprechen zu Hause darüber und bitten um Lösung. Wenn verschiedene Haltungen aufeinander treffen, werden sie den für sie gewohnten Weg gehen wollen und sich vielleicht nicht dem Zwang ergeben. Oder sie spüren die Diskrepanz und wir als Eltern müssen sie begleiten und gemeinsam einen guten Weg finden. Wir müssen uns vielleicht mit Erzieher*innen, Lehrer*innen und anderen Eltern auseinander setzen, die andere Vorstellungen haben und Konflikte begleiten, die sich daraus ergeben, dass andere Kinder mit anderen Werten gewachsen sind und verschiedene Vorstellungen aufeinander prallen. Wir müssen vermitteln und auch an einigen Stellen akzeptieren, dass unsere Kinder in der Gesellschaft auch mit anderen Haltungen konfrontiert werden und einen Umgang damit lernen müssen. Wir müssen loslassen und vertrauen und nicht versucht sein, die Kinder einzugrenzen und ihnen Erfahrungen vorzuenthalten, nur weil sie vielleicht nicht ganz mit unseren Gedanken übereinstimmen.

Der Diskurs und die Fragen hören nicht auf

Die Ausrichtung auf Bedürfnisorientierung ist noch relativ neu und wir stoßen in unserer Gesellschaft immer wieder an Grenzen, müssen verhandeln und begleiten. Nein, sie hören nicht auf, die Diskussionen, die Auseinandersetzungen. Kinder, die auf Augenhöhe aufgewachsen sind, sind nicht per se angepasst und der Weg nicht per se einfacher. Das bedeutet aber nicht, dass es das nicht wert wäre, sie weiterhin so zu begleiten und aufwachsen zu lassen. Es wird an einigen Stellen einfacher, aber an anderen nicht. Große Kinder setzen sich auf eine andere Weise mit der Welt auseinander, stellen immer neue Fragen nach dem Leben und den sozialen Beziehungen. Je größer sie werden, desto größer werden auch die Fragen. Aber es sind gute Fragen, es sind gute Diskurse, die zu Veränderungen führen statt zu Stillstand.

Deswegen: Nein, bindungs- und bedürfnisorientiertes Familienleben führt nicht dazu, dass es irgendwann ganz einfach wäre und Kinder nichts mehr in Frage stellen. Es wird anders als in der Baby- und „Trotz“phase, aber Selbständigkeit und Respekt sind immer ein Teil dieses Zusammenlebens und es geht immer um das Aushandeln der Bedürfnisse aller Beteiligten. Aber das ist auch unsere Verantwortung als Eltern, der wir uns nicht entziehen sollten.

Der geborgene Weg ist kein Allheilmittel für Entspannung und Leichtigkeit. Er ist manchmal steinig und anstrengend, aber deswegen nicht weniger wert oder wichtig. Er ist schön, liebevoll und manchmal eben auch schwer. Am Anfang und eben auch später.

Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik)Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.  

Die Flügel unserer großen Kinder – Moralentwicklung & -unterstützung in der Kindheit

„Kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.“ So ganz stimmt diese Aussage nicht, denn auch schon die kleinsten Kinder können große Sorgen mitbringen und im Alltag mit den großen Kindern gibt es immer wieder auch kleinere Probleme. „Kleine Kinder, kleine Flügel. Große Kinder, große Flügel“ passt eher, wenn wir auf die Autonomiebestrebungen unserer Kinder sehen und auf die Herausforderungen, die das für uns Eltern mit sich bringt. Große Kinder fordern die Selbständigkeit in dieser Welt auf eine besondere Weise heraus. Dies ist nicht nur zum Erlernen von offensichtlichen Kompetenzen wichtig, sondern auch für die Entwicklung des moralischen Denkens und Handelns. 

Die Begleitung der ersten Jahre

Kinder bindungs- und bedürfnisorientiert wachsen zu lassen bedeutet, dass wir ihre Signale ernst nehmen und darauf reagieren. Das Baby, das weint, nehmen wir hoch und fragen uns, wie wir die Not beenden können. Auch wenn das Baby von sich aus schon viele Fähigkeiten mitbringt, um sich selbst zu beruhigen, ist es dennoch noch sehr auf uns angewiesen. Wir suchen Lösungen für unser Kind. Wenn es größer wird, lernen wir zunehmend damit umzugehen, dass es Lösungen selber finden möchte – und muss. Denn es beginnt, sich selbständig in der Welt zurechtfinden zu wollen. Das ist, was wir als „Trotzphase“ oder Autonomiephase bezeichnen: Das Kind begehrt, einen eigenen Weg zu gehen, eigene Lösungen zu finden, eigene Ideen einzubringen. Es macht sich eine Vorstellung von der Welt und wird wütend, wenn diese Vorstellungen behindert werden oder es an natürliche Grenzen stößt. Noch kann es damit nicht umgehen wie ein erwachsener Mensch und wütet und tobt. Noch braucht es uns, um in dieser Wut begleitet zu werden und andere Wege zu finden, um damit umzugehen. Bereits jetzt entwickelt das Kind moralische Vorstellungen davon, welche Handlungen in welchen Situationen angemessen sind und lernt insbesondere durch unser Vorbild.

Wege auszuhandeln ist nicht immer einfach

Unsere Kinder werden größer und lernen mehr und mehr, sich in der Welt zurechtzufinden und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie stellen Fragen nach den Zusammenhängen, nach dem Ursprung von Dingen und sich selbst. Sie wollen verstehen, in welcher Welt sie sich befinden. Als Eltern begleiten wir sie auf diesem Weg, hören ihre Fragen, antworten. Und nicht nur dies: Wenn Kinder es gewohnt sind, dass sie auf Augenhöhe in ihren Bedürfnissen beachtet werden, werden die Fragen und Routinen des Alltags zur Diskussion gestellt. Ein „Wir machen es so!“ wird zu einem „Warum machen wir es so und nicht anders?“ oder zu einem „Ich will es aber anders ausprobieren.“ Das ist nicht immer einfach. Oft ist es sogar ganz schön schwer, wenn Kinder die Handlungen zur Diskussion stellen mit eigenen Argumenten. Und wir als Eltern merken vielleicht an der ein oder anderen Stelle: Eigentlich hat dieses Kind Recht. Wir müssen verhandeln, Wege gemeinsam finden, im Gespräch sein und zusammen abwägen. Noch lange sind wir Eltern Entscheidungsträger/innen, aber das entbehrt nicht der Aufgabe, den Prozess der Entscheidungsfindung gemeinsam zu gehen.

Werte vorleben und verhandeln

In diesem Prozess bringen wir Eltern unsere eigenen Werte mit und Kinder sind auf dem Weg, Werte auszubilden, und befinden sich noch lange Zeit auf dem Weg der Moralentwicklung. „Moral“ erscheint als so großes, umfassendes Wort. Es bezeichnet, wie wir Konflikte lösen, wie wir sozial handeln (und auch, wie wir mit Ressourcen umgehen, politische und ökologische Fragestellungen lösen) und gerade dies ist in Familien und generell Gemeinschaft wichtig. Es ist eine Grundlage des Zusammenlebens.

„Wenn das Wohlergehen der Menschen vom Verhalten anderer Menschen beeinflusst wird, betreten wir den Bereich der Moral.“

Fritz Oder/Wolfgang Althof „Moralische Selbstbestimmung“

Kinder haben ein Informationsrecht – für ihre Entwicklung

Damit sich unsere Kinder in dieser Welt zurechtfinden, brauchen sie unsere Begleitung und auch unsere Ehrlichkeit. Sie müssen angenommen werden mit ihren Fragen und auch vorbereitet werden auf die Welt, in der sie leben. Das setzt voraus, dass wir sie an der Welt teilhaben lassen. Kinder sind neugierig auf die Welt, wollen damit interagieren und eigene Wege gehen. In einem altersangemessenem Rahmen müssen sie sich auseinandersetzen können mit dem, was geschieht. Genau so, wie wir früher in dem begrenzten Rahmen des Wohnzimmers entdecken ließen, müssen wir ihnen später die Möglichkeit geben, gemäß ihrem größeren Radius die Welt zu erkunden. Sie dürfen und müssen erfahren, in welcher Welt sie sich bewegen, um sinnvoll damit umzugehen. Sie können Kindernachrichten hören, Kinderzeitungen lesen, wir können und sollten mit ihnen über das Weltgeschehen sprechen. Denn das ist die Umgebung, in die sie hinein wachsen und mit der sie interagieren werden. Moralentwicklung findet nicht in einem begrenzten Zeitraum statt, sondern ist ein Prozess, der auch die Möglichkeit der Stimulation benötigt, dem aktiven Auseinandersetzen mit „Problemsituationen“ und den darauf aufbauenden Lösungsmöglichkeiten. Gemeinsam kann über Nachrichten gesprochen werden und über politische Entwicklungen. Es braucht eine innere Motivation und eine persönliche Relevanz, um wirklich moralische Probleme zu überdenken. Deswegen ist es richtig und gut, wenn Kinder auch in das aktuelle Weltgeschehen eingebunden werden und die Auswirkungen auf ihr persönliches Leben besprochen werden. Sie davon auszuschließen, behindert ihre Entwicklung und letztlich auch die Entwicklung ihrer Zukunft.

Auch gerechte Schulgemeinschaften und demokratische Schulen sind ein Beispiel dafür, wie Kinder in der Moralentwicklung unterstützt werden können. Fritz Oser, Professor für Pädagogik und Pädagogische Psychologie, und Dr. Wolfgang Althof (2001, S.406) beschreiben in Bezug darauf: „Im allgemeinen wird viel zu wenig Vertrauen auf die kindliche praktische ‚Vernunft‘ gesetzt. Das Wort ist natürlich zu hoch gegriffen. Wir meinen damit nicht die absolute Selbstbestimmung, Postkonventionalität und Universalität des Urteilens. Wir meinen vielmehr, daß Kinder und Jugendliche auf das bessere Argument zu hören fähig sind; sie sind auch fähig, ihren Willen von naturwüchsigen Impulsen abzulösen und das schlechthin Gute in der diskursiven Situation zu erahnen. Die Autonomie ihrer Moral kann sich aber nur entwickeln, sofern sie lernen, ihre Sittlichkeit mit derjenigen der anderen zu koordinieren.“

Auf Augenhöhe bedeutet auch, dem Blick standzuhalten

Kindern auf Augenhöhe zu begegnen bedeutet auch, nicht verschämt auf den Boden zu blicken unter ihrem Blick. Es bedeutet auch, einem fragenden Blick standhalten zu können und ehrlich zu sein. Die Welt ist nicht einfach und die Zukunft unserer Kinder vielleicht auch nicht. Aber es ist ihnen keine Hilfe, wenn wir ihnen die Chance nehmen, sich darauf vorzubereiten und ihren individuellen Weg zu gehen. Kinder brauchen Partizipation an wichtigen Entscheidungen, sie haben eine Stimme, die sie benutzen dürfen und sollen, um ihre Zukunft zu formen.

Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik)Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.  

Angstfresserchen – Wie Sie Kindern bei Angstanfällen helfen können

Kinder haben Ängste und Kinderängste sind normal. Wichtig ist, wie Eltern (und andere Bezugspersonen) damit umgehen. Diplom-Pädagoge und Therapeut Dr. Udo Baer beschreibt einen kreativen Umgang mit Kinderängsten:

Es gibt ein sehr schönes Kinderbuch von Michael Ende: „Das Traumfresserchen“.
Hier sorgt sich ein König um seine Tochter. Denn die Tochter wird von bösen
Träumen geplagt. Der König ruft alle Weisen und Heiler seines Landes zusammen,
die seiner Tochter helfen sollen. Sie bemühen sich, aber ihre Bemühungen sind
vergeblich. Niemand kann der Königstochter die furchtbaren Albträume nehmen, die
sie jede Nacht erzittern und aufwachen lassen. Da beginnt der König eine Weltreise.
Er reist in andere Länder und sucht überall jemanden, der seine Tochter von den
Träumen befreien könnte. Doch die Reise bleibt erfolglos.

Überall fragt er vergeblich, bis er schließlich ans Ende der Welt gerät. Dort setzt er
sich auf einen Stein und weint bitterlich, weil er versagt hat, weil er seiner Tochter
nicht helfen kann. Da nähert sich ihm ein fremdes Wesen, wie er es noch nie
gesehen hat. Das Wesen fragt ihn, warum er so betrübt sei und weine. Der König
erzählt die Geschichte von seiner Tochter und seiner vergeblichen Suche. Da sagt
das Wesen: „Oh, das trifft sich ja gut. Ich bin nämlich ein Traumfresserchen. Ich
ernähre mich von Träumen. Und je schlimmer diese Träume sind, desto besser
schmecken sie mir.“ Der König fragte das Traumfresserchen, ob es ihn begleiten
wollte, um seiner Tochter zu helfen. Das Traumfresserchen sagte „Ja“, und die
Tochter wurde schließlich von den bösen Träumen befreit.

Diese Geschichte, die Michael Ende viel schöner erzählt, als ich sie hier
zusammenfasse, war mein Anstoß dafür, mit und für Kinder ein Angstfresserchen zu
malen. Viele Kinder haben Ängste. Und es ist gut, wenn wir Eltern uns um diese
Ängste kümmern. Wir können beruhigen. Wir können helfen, indem wir nachfragen,
wovor das Kind denn konkret Angst hat. Wir können zum Beispiel ein Licht anlassen,
wenn dunkle Schatten drohen. Doch manchmal bleiben Ängste so diffus, und oft
treten sie, wie bei der Königstochter, auch nachts auf.

Hilfe bei Ängsten: Das Angstfresserchen malen

Eine Hilfe kann darin bestehen, dass die Kinder ein Angstfresserchen malen.
Erklären Sie Ihrem Kind, dass es Wesen gibt, die sich von Ängsten ernähren, also
Angstfresserchen. „Jedes Kind weiß nur selbst, wie sein Angstfresserchen aussieht.
Jedes Kind kann es beschreiben oder vielleicht auch malen.“ Bitten Sie Ihr Kind, ihr Angstfresserchen zu malen. Wenn es dazu noch zu klein ist, dann malen Sie das
Angstfresserchen für Ihr Kind – nach dessen genauen Angaben.

Dennis hatte über seinem Bett ein Bild mit seinem Angstfresserchen hängen. Doch
eines Tages kam er zu seiner Mutter und brachte ein großes Blatt Papier und eine
Packung Farbstifte mit. Er sagte: „Mama, das Angstfresserchen über meinem Bett
hilft gegen die kleinen Ängste. Ich brauche aber noch eines gegen die große Angst.
Mal mir das.“ Die Mutter malte nach genauen Angaben große Krokodilzähne, ein
breites Maul, furchterregende Augen und Stacheln auf dem Kopf … . Gemeinsam
hängten sie dieses Bild im Kinderzimmer auf. Nun gab es auch einen Angstfresser
gegen die große Angst.
Er half.

Solche Bilder haben für die Kinder eine hohe symbolische Bedeutung. Vor allem
dann, wenn sie diese selber gestalten oder die Bilder nach ihren Angaben gestaltet
werden, also nicht von der Stange angefertigt werden. Wir nennen diese Methode
„Aktives Symbolisieren“. Die Kinder schaffen selbst Symbole, und das ist viel
hilfreicher, als wenn Symbole gekauft oder vorgefertigte verschenkt werden. Solche
Symbole müssen nicht in Bildern bestehen. Es gibt viele andere Möglichkeiten.
Kinder können aus Knete oder Ton ein Objekt gestalten. Sie können sich einen Stein
oder ein Stück Holz aussuchen und es bemalen oder als Stofffigur gestaltet werden.
Ganz gleich in welcher Form Sie Ihrem Kind Aktives Symbolisieren anbieten, Sie
stärken damit die inneren Kräfte des Kindes und mobilisieren seine Ressourcen.
Dass Sie das Kind trösten, halten, stützen, begleiten, bleibt natürlich notwendig. Das
kann kein Angstfresser ersetzen. Doch Ihr stärkender Halt kann von den
Angstfressern unterstützt werden.

Dr. Udo Baer ist Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL und u.a. Vorsitzender der Stiftung Würde. Auf Geborgen Wachsen schreibt er über die (Gefühls-)Welt der Kinder, ihre Gedanken und die sich ergebenden Herausforderungen. Mehr über Kinderängste und ihre professionelle Begleitung findet sich in seinem Buch „Wenn Oskar Angst hat. Kinder verstehen und im Kita-Alltag professionell begleiten“

Was erlebt ein Kind im Mutterleib? – Ideen für Kinder in Kindergarten und Schule

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Was erlebt ein Baby im Mutterleib? Diese Frage ist für alle größeren Kinder spannend, die Geschwister werden. Spätestens in der Schule im Aufklärungsunterricht kommt dieses Thema näher und will bearbeitet werden, auch wenn es keinen Nachwuchs gab, der diese Frage aufbrachte. Denn es ist nicht nur wichtig, wie Kinder entstehen, sondern auch, wie sie sich entwickeln und warum. Kinder können hieraus ein Verständnis entwickeln, was Babys auch nach der Geburt brauchen und was auf sie zukommt. Zudem legen wir einen Grundstein dafür, wie sie selber einmal mit Babys umgehen. Weiterlesen

Mein Stärke, Deine Stärke – Jedes Kind ist anders

„Das ist eben so bei Dir.“ sagt mir mein Mann und führt aus, wie unterschiedlich wir beide sind. „Deine Stärke ist es, Dich ganz auf eine Sache konzentrieren zu können. Dafür kannst Du Dich nicht gut gleichzeitig auf mehrere Sachen konzentrieren. Und bei mir ist es anders herum: Ich kann gut Dinge gleichzeitig und dafür nicht gut lange und konzentriert bei einer Sache bleiben.“ Wir sind unterschiedlich. Wie in so vielen Dingen. Und genau so unterschiedlich sind auch unsere Kinder. Eines jedes hat seine besonders ausgeprägten Eigenschaften und solche, die weniger ausgeprägt sind. Ein jedes hat Dinge, in dem es besonders gut ist und solche, in denen es weniger gut ist. Ein jedes hat sein ganz eigenes Temperament mitgebracht in dieses Familienleben und lebt es hier bei uns aus – mit Herausforderungen und Erleichterungen für uns als Eltern.

Perfekte Kinder

Sauber gekleidet, lächelnd mit glänzendem Haar. Gerade Zähne, sauber, das Kleid nicht bekleckert, denn gegessen wird mit Manieren und Besteck mit Serviette auf dem Schoß. Freundlich wird Bitte und Danke gesagt und die Hände bleiben über dem Tisch beim Essen. So vielseitig interessiert und belesen oder gebildet durch vorgelesene Literatur. Gut in Mathe und Deutsch und Kunst und Musik. Sportlich begeistert und freundlich und beliebt. Eine gute Aussprache, nicht zu aufbrausend, freundlich-verbindlich, nicht zu laut oder leise und beliebt bei allen Kindern.

Es mag Kinder und Menschen geben, die all dieses gleichzeitig zu sein scheinen. Aber oft sind wir nicht allseitig begabt und beliebt und ebenso sportlich wie musikalisch und sprachlich interessiert. Oft sind wir Menschen, die bestimmte Fähigkeiten haben und bestimmte Aspekte bevorzugen: Manche Menschen sind besonders sportlich und dafür weniger künstlerisch begabt, andere haben ein herausragendes mathematisches Verständnis und sind gleichzeitig weniger an Literatur interessiert. – Es gibt so viele verschiedene Arten, wie das Wesen eines Menschen ausgeprägt sein kann.

Und obwohl wir wissen, wie unterschiedlich wir sind, versuchen wir immer wieder, alle Kinder gleich zu machen: Gleichermaßen sollen sie gut sein über alle Schulfächer hinweg, nicht zu laut, nicht zu leise sein. Nicht zu sentimental und auch nicht zu wenig einfühlsam, nur kein Einzelgänger! Wir sind so oft bemüht, ein Mittelmaß bei Kindern auszubilden. Nur nicht aus dem Rahmen fallen in die ein oder andere Richtung, in intellektueller oder emotionaler Hinsicht. Natürlich ist eine allgemeine Bildung wichtig, eine Grundlage für alle. Aber wie oft versuchen wir, Kinder über die Grundlage hinaus zu drängen in einen Bereich, der für sie vielleicht gar nicht interessant ist, der schwer zu beschreiten ist? Warum sind wir Eltern beschämt, wenn unser Kind in einem der vielen Schulfächer eine Note nur im Mittelmaß hat und versuchen, gleicherweise gute Noten in allen Bereichen zu erreichen? Warum sieht das aktuelle Schulsystem vor, dass Kinder rundherum Bestnoten hervor bringen müssen, statt wirkliche Begabungen und Interessen in den Vordergrund zu stellen? Und warum sollten Kinder alle zum selben Zeitpunkt die gleichen Schwerpunkte zum Lernen haben, wenn vielleicht ihre Interessen gerade unterschiedlich sind und sich ein Kind in einer musisch-kreativen und ein anderes in einer physikalisch-kreativen Phase befindet?

Kinder das leben lassen, was sie lieben

Wir alle bilden unsere Interessen und unsere Fähigkeiten aus. Wir bringen Vorlieben und Temperamente in das Leben mit ein, werden geprägt durch unsere Umgebung, die Einfluss nimmt auf unsere Interessen. Als Eltern können wir eine anregende Umgebung schaffen, können herausfordern und manches Mal ein Interesse aufflammen lassen. Bei der Ernährung ist es wichtig, Kindern immer wieder Angebote zu machen, ihnen Möglichkeiten zu geben und nicht müde darin zu werden, aber wir sollten sie nicht zum Essen zwingen. Genau diese Grundhaltung können wir in andere Bereiche des Lebens mit Kindern mitnehmen: Wir können ihnen Geschmack machen, können immer wieder Angebote machen und natürlich eine Basis des Geschmacks, des Annehmens ausbilden. Aber das, was wirklich für ein Kind von Interesse ist, wo seine Leidenschaft liegt, liegt bei diesem Kind selbst und wir begleiten es auf dem Weg, diesen Bereich zu finden und auszubauen. Oft wandeln sich Interessen und Vorlieben über die Jahre hinweg und auch dies ist eine Aufgabe von uns als Begleiter*innen unserer Kinder: hinzusehen, wo ihre Interessen liegen, wie sie sich wandeln und diesen Wandel anzunehmen und zu unterstützen. Die Herausforderung im Elternsein besteht darin, das Kind wirklich zu sehen und zu verstehen. Zu erkennen, worin seine ganz persönlichen Stärken liegen.

Die andere Seite von Stärken annehmen

Wir alle haben unsere Stärken und Bereiche, die weniger stark ausgebildet sind. Einher mit vielen positiven Aspekten gehen oft auch Aspekte, die zu Herausforderungen werden können: Kinder, die besonders kreativ sind und ihre Kreativität in allen Bildern und Aktivitäten ausleben und deren Ausdruck sich von dem anderer Kinder unterscheidet. Kinder, die sehr empathisch sind und die auf der anderen Seite auch schnell überfordert sind von anderen Menschen und Gruppensituationen. Es ist normal, dass mit einigen Fähigkeiten auch andere Aspekte einhergehen. Wir müssen unsere Kinder deswegen nicht sofort pathologisieren.

Aus Elternsicht: Unterschiedlichkeit ist normal

Die Pathologisierung der Kindheit fängt an vielen kleinen Stellen an. Nicht erst da, wo Menschen, die keine Fachleute sind, einem Kind aufgrund seines (normalen) Verhaltens eine vermeintliche Krankheitsdiagnose stellen und damit auch tatsächliche Erkrankungen in ein falsches Bild rücken. Die Pathologisierung der Kindheit fängt bereits da an, wo wir die Ausprägungen unterschiedlicher Wesensarten nicht mehr zulassen und die normalen Eigenschaften von Kindern als Probleme darstellen, mit denen wir auf besondere Weise umgehen müssen. Kinder sind laut, manche sind leise. Manche sind besonders wütend und werfen sich auf den Boden, andere stampfen nur auf oder drehen sich verärgert weg. Manche Kinder sind toll in Mathe und schlecht in Kunst oder andersrum. Wir alle sind verschieden, Kinder sind verschieden. Es ist nicht schlimm, besondere Interessen oder Neigungen zu haben und nicht in allen Dingen gleichermaßen begabt oder interessiert zu sein. Es ist einfach normal und wir sollten als Eltern dies annehmen und unsere Kinder bestmöglich auf ihrem persönlichen Weg begleiten.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de