Kategorie: Gastartikel

Selber anziehen: Anregungen zur Gestaltung eines Kinderkleiderschranks

Kürzlich habe ich auf dem Blog eine Reihe begonnen zum Thema Lass das Kind mal machen! – Warum das Selbermachen so wichtig ist“ und darin auch darüber geschrieben, was Eltern beachten können, damit sich Kinder selbständig anziehen können. Franziska von franzisaidwhat hat mir etwas später geschrieben, wie sie dieser Artikel zu einer Veränderung angeregt hat: Weiterlesen

Der Kompass: Irgendwann ist auch mal Schluss! Über das Nein sagen.

Ruth ist Mutter von drei Kindern und eine der bekanntesten Personen, die sich im Netz für das „unerzogene Leben“ mit Kindern einsetzt. Anders als viele denken, bedeutet „unerzogen“ jedoch nicht, dass Kinder sich selbst überlassen werden. „Unerzogen“ ist nicht „laisser faire“, sondern bezieht sich ganz besonders darauf, dass die Beziehung in den Mittelpunkt gerückt und betrachtet wird. Um darüber aufzuklären und mehr Menschen zu informieren, hat mir Ruth diesen Text mit ihrem Blick auf „das Nein“ gesendet: Weiterlesen

Bindungsorientiert leben nach schwerer eigener Kindheit

Melanie Couson ist Ärztin, Coach und Mutter von zwei Kindern. Auf ihrem Blog melaniecouson.de schreibt sie berührende Texte über all diese Themen. Für Geborgen Wachsen hat sie aus ihrer Beruflichen Erfahrung darüber geschrieben, wie ein bindungsorientiertes Leben dann gelingen kann, wenn Eltern selbst eine schwere Kindheit hatten: Weiterlesen

Geborgen anderswo: Anne mit Familie in San Diego

Anne ist Ende 2015 mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter nach Kalifornien ausgewandert – ohne große Pläne. Mittlerweile haben sie sich dort eingelebt und ihren eigenen Weg gefunden. Auf ihrem Blog Little Steps berichtet sie von ihrem Leben dort. Hier erzählt sie heute von ihrem Weg, Geborgenheit in San Diego zu leben: „Es dauerte, bis ich begriff und fühlte, dass Geborgenheit unabhängig vom Wohnort ist, sondern in der eigenen Familie geschaffen wird.“ Weiterlesen

Von anderen Babys und ihren Familien

Bei einem vergleichenden Blick in die Kulturen der Welt fallen Eltern in westlichen Gesellschaften durch ihre anfängliche Ahnungslosigkeit auf. Wenn ihr erstes Kind zur Welt kommt, sind Eltern häufig so unwissend, dass ihnen die Hebamme erklären muss, wie man ein Neugeborenes richtig hält.

Die Gründe sind offensichtlich: Im direkten Umfeld gibt es heute kaum Gelegenheit, das Leben mit Kindern zu erfahren, denn die eigene Familie und Freunde mit Babys und kleinen Kindern wohnen oft weit entfernt. In dieser Situation schlägt die Stunde der Experten, deren Wissen Bücherregale füllt. Doch sieht man genauer hin, zeigt sich, dass die Studien, auf die sie sich berufen, meist auf der Beobachtung von Kindern in Nordamerika, Europa und anderen westlichen Gesellschaften fußen. Diese Kinder machen allerdings nur ca. 10 Prozent aller Kinder weltweit aus. Die Mehrheit der Kinder in Lateinamerika, Afrika, Asien und im Pazifik wächst unter Bedingungen auf, die sich stark von den uns bekannten unterscheiden.

Die Kinderfürsorge in anderen Gesellschaften zu betrachten kann durchaus lehrreich sein. Nicht ohne Grund empfahl die New York Times kürzlich ein ethnologisches Fachbuch als „das einzige Babybuch, das Eltern wirklich brauchen“. Der bunte Strauß der im Buch vorgestellten Beispiele der Kinderfürsorge verdeutlicht, dass es in Bezug auf das Aufwachsen von Kindern kein „normal“ und kein „unnormal“ gibt, sondern nur unzählige Variationen, die im Rahmen der jeweiligen Kultur Bedeutung erlangen.

Wie die !Kung gehören die Gana und die Gwi zu den sogenannten „Buschleuten“, die die indigene Bevölkerung des südlichen Afrikas bilden. Heute leben rund 100.000 Buschleute in Botswana, Namibia, Südafrika und Angola. © Survival

Wie die !Kung gehören die Gana und die Gwi zu den sogenannten „Buschleuten“, die die indigene Bevölkerung des südlichen Afrikas bilden. Heute leben rund 100.000 Buschleute in Botswana, Namibia, Südafrika und Angola. © Survival 

Artgerechte Kinderfürsorge

Insbesondere der Blick zu heutigen Jäger-und-Sammler-Völkern kann helfen, vermeintlich allgemeingültige Expertenratschläge zu hinterfragen und neue Perspektiven zu erlangen. Die Kinderfürsorge in diesen Gesellschaften wird von vielen als besonders „artgerecht“ angesehen. In den letzten Jahren erschienen auch im deutschsprachigen Raum vermehrt Erziehungsbücher (z.B. Renz-Polster 2009, Schmidt 2015), die Erkenntnisse aus der ethnologischen Jäger-und-Sammler-Forschung verarbeiteten. Praktiken wie das Tragen mit Hilfe eines Tuchs oder Slings, das Stillen nach Bedarf, die windelfreie Erziehung, das Familienbett und auch das kindgeleitete Abstillen wurden damit zunehmend populärer.

Enge Mutter-Kind-Beziehungen bei den !Kung

Eine der ersten systematischen Studien zur Kinderfürsorge in zeitgenössischen Jäger-und-Sammler-Völkern geht auf den Ethnologen Melvin Konner zurück, der in den späten 1960er Jahren bei den !Kung in der Kalahari- Wüste forschte. Die !Kung gehören zu den sogenannten „Buschleuten“, die auch als „San“ bekannt sind. Wie Konner beschreibt, ist die Beziehung zwischen Müttern und ihren Babys bei den !Kung sehr eng. Ein Baby wird die überwiegende Zeit des Tages aufrecht auf der Hüfte der Mutter in einem Sling getragen und hat konstanten Haut-zu-Haut-Kontakt mit ihr. Konners Untersuchungen zeigen, dass ein drei bis vier Monate altes Baby 70 Prozent der Tageslichtstunden im Sling verbringt. Wann immer es weint, bekommt es die Brust und oft auch ohne einen spezifischen Anlass. Im Durchschnitt trinken Babys drei bis vier Mal pro Stunde für wenige Minuten und der Abstand zwischen zwei Stillmahlzeiten ist nie größer als eine Stunde. Auch in der Nacht wird das Baby häufig gestillt, was unkompliziert verläuft, da Mutter und Kind eng nebeneinander schlafen.

Im Trage- und Stillalter begleiten Babys ihre Mütter beim Sammeln pflanzlicher Nahrung, beim Wasserholen und bei anderen Arbeiten. Frauen sind mit ihren Babys nie allein, sondern arbeiten Seite an Seite mit anderen Frauen und unterstützen sich gegenseitig bei der Kinderfürsorge. © Survival

Im Trage- und Stillalter begleiten Babys ihre Mütter beim Sammeln pflanzlicher Nahrung, beim Wasserholen und bei anderen Arbeiten. Frauen sind mit ihren Babys nie allein, sondern arbeiten Seite an Seite mit anderen Frauen und unterstützen sich gegenseitig bei der Kinderfürsorge. © Survival

Allgemein kann gesagt werden, dass Mütter bei den !Kung umgehend auf die Bedürfnisse ihrer Babys reagieren und auf jedes Weinen oder Quengeln ohne Verzug eingehen. Darüber hinaus werden Babys wenig davon abgehalten, ihre eigenen Erfahrungen zu machen: Sie dürfen nach allem greifen und können ab dem Krabbelalter frei die mütterliche Umgebung erkunden. Im zweiten Lebensjahr beginnt das Kleinkind nach und nach aus der engen Beziehung zur Mutter in eine enge Beziehung zu einer altersgemischten Spielgruppe hineinzuwachsen, die sowohl Jungen als auch Mädchen umfasst. Dieser Prozess ist in der Regel mit drei bis vier Jahren abgeschlossen, was zeitlich mit dem Abstillalter und der nächsten Schwangerschaft der Mutter zusammenfällt. In der Spielgruppe kümmern sich die älteren Kinder um die Neuzugänge.

Wichtig zu betonen ist, dass die enge Mutter-Kind-Beziehung bei den !Kung nicht isoliert von den restlichen Gruppenmitgliedern zu verstehen ist. Dies stellt einen deutlichen Kontrast zu Müttern in westlichen Gesellschaften dar, die mit ihren Babys oft unfreiwillig allein sind. Zwar sind Babys bei den !Kung im engen Kontakt mit ihren Müttern, aber sie kommunizieren auch mit vielen anderen Personen, wenn sie aufrecht und mit dem Blick nach vorn im Sling sitzen. Die !Kung leben in Camps von 15 bis 40 Personen. Im Rahmen eines solchen Camps, das der nomadischen Lebensweise entsprechend auch gemeinsam umzieht, ist eine Frau mit ihrem Nachwuchs nie allein gelassen. Weint ein Baby, versucht nicht nur die Mutter, es zu beruhigen, sondern Verwandte und andere nahestehende Personen springen ihr bei. Auch die Väter haben viel Kontakt zu ihren Babys und halten und liebkosen sie viel. Wenn ein Baby weint oder routinemäßige Pflege benötigt, wird der Vater es aber in aller Regel der Mutter zurückgeben.

Engagierte Väter bei den Aka

Ein großes Engagement der Väter ist ein Merkmal aller Jäger-und-Sammler-Völker. Sehr stark ausgeprägt ist dieses bei den Aka, die im tropischen Regenwald Zentralafrikas zu Hause sind. Der Ethnologe Barry Hewlett forschte in den 1970er Jahren bei den Aka und begleitete sie über mehrere Jahrzehnte. Speziell beobachtete er den Umgang mit Babys und Kleinkindern im Alter von 3 bis 18 Monaten und stellte fest, dass es sich bei den Aka um die Gesellschaft mit der weltweit höchsten Involviertheit der Väter in die Kinderfürsorge handelt. Aka-Väter sind die Hälfte des Tages damit befasst, ihre Babys zu halten und zu tragen und, auch wenn gerade kein direkter Körperkontakt besteht, sind sie nicht mehr als eine Armlänge von ihnen entfernt. Drei bis vier Monate alte Babys werden bei den Aka 99 Prozent der Tageslichtstunden getragen, wobei die Väter ihre Babys fünfmal häufiger tragen als Väter in anderen Kulturen.

Die Baka sind die Nachbarn der Aka und zählen wie diese zu den sogenannten „Pygmäen“ (eine nicht unumstrittene, aber noch häufig verwendete Fremdbezeichnung). Bei den Baka und den Aka genießen die Männer ihre aktive Vaterrolle und kümmern sich hingebungsvoll um die Kinder, insbesondere wenn diese im Babyalter sind.: © Edmond Dounias/Survival

Die Baka sind die Nachbarn der Aka und zählen wie diese zu den sogenannten „Pygmäen“ (eine nicht unumstrittene, aber noch häufig verwendete Fremdbezeichnung). Bei den Baka und den Aka genießen die Männer ihre aktive Vaterrolle und kümmern sich hingebungsvoll um die Kinder, insbesondere wenn diese im Babyalter sind.: © Edmond Dounias/Survival

Der Hintergrund dieses großen väterlichen Engagements ist die Netzjagd der Aka. Diese spezifische Form des Jagens mit Hilfe großer Netze ist auf die Kooperation von Männern und Frauen angewiesen. In einem Aka-Camp besitzt jedes Ehepaar sein eigenes Netz, das bei der Jagd mit den Netzen anderer Campbewohner verbunden wird. Im Rahmen der Netzjagd laufen Ehepaare täglich 5 bis 15 km. Bei diesen ausgedehnten Wanderungen werden Babys und Kleinkinder mitgenommen und abwechselnd von Mutter und Vater getragen. Die älteren Kinder bleiben im Camp zurück oder begleiten ebenfalls ihre Eltern. Aka-Väter kümmern sich während der Jagd, aber auch im Camp, um die Kinder, wenn die Mütter mit anderen Arbeiten befasst sind. Die Kinderfürsorge ist eine von vielen Aufgaben, die sich Ehepartner teilen. Die Männer können bei der Netzjagd auf die Hilfe ihrer Frauen zählen und beteiligen sich im Gegenzug an der Versorgung der Kinder.

Die egalitären Geschlechterbeziehungen der Aka sind Teil ihres Wertesystems, das durch die kulturellen Werte des Teilens und der Kooperation geprägt ist. Auch eine Aka-Familie ist nicht isoliert zu sehen. In einem Camp leben normalerweise 20 bis 35 Personen, die im Jahr drei- bis viermal gemeinsam umziehen. Babys genießen im Camp große Aufmerksamkeit und werden von allen Campbewohnern mit Zuneigung überschüttet. Ein Aka-Baby wird innerhalb einer Stunde sieben- bis achtmal zwischen verschiedenen Personen herumgereicht, da sich die Erwachsenen regelrecht darum reißen, es zu halten und zu liebkosen.

Pots are one of the few items Bakas get from their neighbouring communities by exchanging honey or game meat for them.

Zur Errichtung der temporären Camps roden die Baka ein kleines Stück Regenwald. Die Baka haben ein beindruckendes Wissen über ihren Wald und seine Pflanzen und Tiere. Heute leben nicht mehr alle „Pygmäen“ nomadisch. Viele wurden zwangsangesiedelt, aus ihren Wäldern vertrieben oder haben sich für ein Leben in Dörfern entschieden. © Selcen Kucukustel/Atlas

 Geteilte Verantwortung bei den Efe

Bei den Efe, die wie die Aka zu den sogenannten „Pygmäen“ gehören und ebenfalls im zentralafrikanischen Regenwald zu Hause sind, ist die gemeinsame Kinderfürsorge innerhalb des Camps besonders ausgeprägt. Efe-Babys sind nach der Geburt fast durchgängig im Körperkontakt mit ihren Müttern oder mit anderen Campbewohnern. Wenn ein Baby weint oder quengelig ist, bemüht sich nicht nur die Mutter, sondern alle anderen Frauen des Camps, darum es zu trösten. Hierzu gehört auch, dass das Baby an der Brust anderer Frauen trinken darf. Das Stillen von Babys durch mehrere Frauen ist eine kulturelle Praxis, die auch bei einigen anderen Jäger-und-Sammler-Völkern verbreitet ist. Mit drei Wochen werden Babys innerhalb einer Stunde ca. viermal an andere Campbewohner weitergereicht, mit achtzehn Wochen sind es ca. achtmal pro Stunde. Im Durchschnitt kümmern sich 14 Personen um ein Baby, wobei die Spanne 5 bis 24 Personen umfasst. Der Entwicklungspsychologe Tronick, der die Efe in den 1980er Jahren untersuchte, stellte heraus, dass die auf viele Schultern verteilte Kinderfürsorge Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Erfahrung hat. Babys haben fortwährend Kontakt zu anderen Personen und lernen, ihre Reaktionen und Interaktionen flexibel an diese anzupassen. Als Folge der konstanten Stimulationen erwerben Kinder schon sehr früh die Fähigkeit, mit vielen verschiedenen Personen zu interagieren und sich in die Gemeinschaft einzufügen.

Die „Buschleute“ gehören zu den bedrohtesten indigenen Völkern. In Botswana wurde zunächst ein Schutzgebiet für sie eingerichtet. Nachdem in diesem aber Diamantenvorkommen entdeckt wurden, kam es zu mehreren brutalen Vertreibungswellen. Die Regierung Botswanas missachtet bis heute die Rechte der „Buschleute“.© Lottie Davies/Survival

Die „Buschleute“ gehören zu den bedrohtesten indigenen Völkern. In Botswana wurde zunächst ein Schutzgebiet für sie eingerichtet. Nachdem in diesem aber Diamantenvorkommen entdeckt wurden, kam es zu mehreren brutalen Vertreibungswellen. Die Regierung Botswanas missachtet bis heute die Rechte der „Buschleute“.© Lottie Davies/Survival

Der Blick in andere Kulturen kann die Toleranz gegenüber anderen Umgangsformen fördern und wie das Beispiel des Tragens veranschaulicht, neue Handlungsoptionen eröffnen. Ansichten, die in westlichen Gesellschaften weitverbreitet sind, können zudem hinterfragt werden – auch ohne in eine idealisierte Sicht auf indigene Gesellschaften zu verfallen. Die Kindersterblichkeit in diesen Gesellschaften ist hoch und die behüteten Zeiten, die Babys erleben, enden relativ unsanft, wenn das Kleinkindalter beginnt und jüngere Geschwister nachrücken. Jäger-und-Sammler-Völker geben uns einen Einblick in die große Vielfalt der menschlichen Kinderfürsorgepraktiken. Eine Vielfalt, die Inspiration ist. Und die Ansporn sein sollte, das Recht dieser Völker auf ein freies und selbstbestimmtes Leben zu verteidigen, das ihnen heute fast überall durch unrechtmäßige Vertreibungen, Landraub und mörderische Gewalt genommen wird.

 

„Wir sind nicht unseretwegen hier. Wir sind hier für unsere Kinder und die Kinder unserer Enkel.“ Buschleute, Botswana

 

 

Dieser Text ist ein Gemeinschaftsprojekt von Berit Fuhrmann und Survival International.

Dr. Berit Fuhrmann

ist Ethnologin und Mutter von Gabor (2). Sie forschte und lehrte an Universitäten in Heidelberg, Berlin, Münster und Luzern und lebte 18 Monate mit einer indigenen Gruppe im Nordosten Indiens. Zu ihren Forschungsthemen gehören Verwandtschafts- und Geschlechterbeziehungen und die politische und rechtliche Situation indigener Gruppen weltweit. Mit Mann und Sohn reiste sie zuletzt neun Monate durch Asien, um die Elternzeit etwas anders zu gestalten.

Survival International

ist die globale Bewegung für die Rechte indigener Völker. Survival hilft indigenen Völkern, ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen. http://www.survivalinternational.de

 

 

Quellen

Hewlett, B.S., Lamb, M.E. 2005. Emerging Issues in the Study of Hunter-Gatherer Children. In B.S. Hewlett, M.E. Lamb (eds.), Hunter-Gatherer Childhoods. Evolutionary, Developmental and Cultural Perspectves. Transaction Publishers.

Hewlett, B.S., MacFarlan S.J. 2010. Fathers’ Role in Hunter-Gatherers and Other Small-Scale Cultures. In M.E. Lamb (ed.), The Role of the Father in Child Development. John Wiley & Sons.

Hewlett, B.S. 1996. Diverse Contexts of Human Infancy. Prentice Hall.

Hewlett, B.S. 1992. Husband-Wife Reciprocity and Father-Infant Relationship among Aka Pygmies. In B.S. Hewlett (ed.), Father-Child Relations: Cultural and Biosocial Contexts. Transaction Publishers.

Konner, M.J. 2005. Hunter-Gatherer Infancy and Childhood. The !Kung and Others. In B.S. Hewlett, M.E. Lamb (eds.), Hunter-Gatherer Childhoods. Evolutionary, Developmental and Cultural Perspectives. Transaction Publishers.

Konner, M.J. 1977. Infancy among the Kalahari Desert San. In P.H. Leiderman, S. Tulkin, A. Rosenfeld (eds.), Culture and Infancy: Variations in the Human Experience. Academic Press.

Lancy, D.F. 2015. The Anthropology of Childhood. Cherubs, Chattel, Changelings. Cambridge University Press.

LeVine, R.A., New, R.S. 2008. Introduction. In R.A. LeVine, R. New (eds.), Anthropology and Child Development: A Cross-cultural Reader. Blackwell Publishing.

Renz-Polster, Herbert 2009. Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt. Kösel.

Schmidt, Nicola 2015. Artgerecht – Das andere Baby-Buch. Kösel.

Tronick, E.Z., Morelli, G.A., Winn, S. 1987. Multiple Caretaking of Efe (Pygmy) Infants. American Anthropologist. Bd. 89.

 

Dieser Beitrag ist ein Gastartikel. Für die Veröffentlichung wurde nicht bezahlt.

 

 

Mit Kind auf Weltreise – eine Familie geht ihren Weg

Mit großen Augen, verwunderten Gesichtern und Stirnrunzeln werden wir angeschaut, wenn wir Menschen von unseren Plänen erzählen. Mit einem Einjährigen auf Weltreise? Und wie lange? Macht das denn der Arbeitgeber mit? Viele Fragen, auf deren Antwort nur noch ratlosere Gesichter folgen. Denn wir haben uns entschieden, unser ganzes Leben zu einer Weltreise zu machen. Wir möchten nicht mehr sesshaft werden, sondern ortsunabhängig arbeiten und unserem Sohn die größtmögliche Freiheit bieten. Weiterlesen

Das große Missverständnis darüber, was Kinder eigentlich kosten – und wie diese Haltung die Gesellschaft provoziert

Louise ist ausgebildete Musikerin. Nach der Geburt ihrer Tochter Manou hat sich ihr Leben verändert und sie hat die Freiheit und das Reisen für sich und ihre Familie entdeckt. Damit einher geht auch eine andere Sicht auf das Leben und das, was man wirklich braucht. Auf ihrem Blog zwerggeflüster berichtet sie von ihrem Leben und hat hier einige Gedanken darüber formuliert, was Kinder eigentlich kosten: Weiterlesen

„Die Seele berühren – Warum Körperkontakt hochsensible Kinder geborgen wachsen lässt“

Berührung ist wertvoll. Für alle Menschen. Darüber, warum sie gerade für hochsensible Kinder heilsam ist und was Hochsensibilität ausmacht, möchte ich hier etwas erzählen.

Hochsensible Kinder sind anders

Hochsensible Kinder sind irgendwie anders, oftmals „aus der Norm“ und in jedem Fall eine Herausforderung. Sie besitzen tausende Antennen. Für alles. In einem Alltag, der auf „Schneller – Höher – Lauter – Weiter“ ausgerichtet ist, fällt es umso schwerer, diese Antennen auf BEWUSSTEN Empfang einzustellen. Vielmehr passiert es sehr oft, dass das ungefilterte und dauerhafte Empfangen von Signalen zu Dauererregung eines hochsensiblen Kinderkörpers führt. Das kann dann in unserem genormten Alltag sehr schnell zu Zuschreibungen wie AD(H)S oder zu unterschiedlichen diagnostizierten „Verhaltensauffälligkeiten“ führen. Bereits bei Babys lässt sich diese Tendenz deutlich erkennen. Die so definierten Schreibabys sind von Beginn an durch die Reize der sie umgebenden Umwelt überfordert. Tradierte Vorstellungen, wie etwas oder jemand zu sein hat, um als „normal“ zu gelten und bestmöglich angepasst zu sein sowie althergebrachte starre Systeme wie das Schulsystem, machen es Eltern wie Kindern gleichermaßen schwer, den richtigen Platz für sich zu finden.

Unterstützung für Hochsensible

Für alle Kinder ist die Unterstützung eines gesunden Selbst-Bewusstseins unendlich wertvoll. Hochsensible Kinder haben es oft besonders schwer, ihren Wert bewusst wahrzunehmen, weil sie durch oben genannte Rahmenbedingungen unserer heutigen Zeit in ihrem So-Sein stark verunsichert werden. Durch ihre Reizoffenheit nehmen sie ihre Umwelt anders wahr als „normal sensible“ Kinder, haben eher Schwierigkeiten dabei, sich abzugrenzen und sind durch und durch intensivst berührbar.

Und genau da sind wir als Eltern und Bezugspersonen gefordert. Meine Erfahrung in der Körperarbeit zeigt mir immer wieder den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper untrüglich auf. Es ist schön wahrzunehmen, wie positiv hochsensible Kinder auf Berührung reagieren, wie schnell sie darauf ansprechen und wie problemlos Barrieren, die in der Kommunikation vielleicht entstehen, über den Körperkontakt verschwinden. Der eigene Körper wird wahrgenommen, gespürt und kommt zur Ruhe. Liebevolle Berührung vermittelt Sicherheit und Geborgenheit.

Berührung ist wichtig

Körperkontakt klingt simpel und ja, natürlich weiß man das – aber ganz ehrlich: Wie oft berühren Sie Ihr Kind oder auch Ihren Partner/Ihre Partnerin? Wie oft werden Sie berührt? Lassen Sie sich berühren?

In unserem Alltag werden technischen Geräte wie Computer und smartphones sicher um einiges öfter berührt als Menschen. Auch das berühren Lassen passiert wesentlich mehr über künstlich erzeugte Emotionen, zum Beispiel durch Filme oder Computerspiele, als über den Kontakt mit realen Personen. Sogar Wissenschafter sprechen heute bereits von chronischer Berührungsarmut. Berührungen sind ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Bei Umarmungen schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus, das gegen Stress wirkt. Der Blutdruck sinkt, das Stresshormon Cortisol wird vermindert, Ängste und Schmerzen verblassen.

Die Haut steht in engem Kontakt mit dem Immunsytem, den Nerven und der Psyche. Die Haut spiegelt unsere Seele und über die Haut können wir diese berühren. Vor allem bei hochsensiblen Kindern, die unter Neurodermitis leiden, lindern regelmäßige Berührungen die Anspannung und den Juckreiz enorm.

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Berührung greift – so stellen wir Kontakt her

Die Arbeit mit unterschiedlichsten Kindern hat mir immer wieder gezeigt, dass Berührung und Augenkontakt der Schlüssel dafür sind, dass das, was man sagen möchte, auch ankommt. Die Kommunikationstheorie nennt das die „Beziehungebene“, die unbedingt hergestellt sein muss, damit die „Inhaltsebene“, also die Botschaft, auch vermittelt werden kann. Sobald jemand berührt wird, ist er im Hier und Jetzt. Es mag manchmal eine Zeit brauchen, bis die Berührung „greift“, vor allem wenn der Geist sehr abgelenkt und sehr bewegt ist, aber wenn der Moment erreicht ist, dann ist es möglich, echten Kontakt herzustellen. Bei hochsensiblen Kindern ist die Notwendigkeit groß, sie zu „erden“, ins Hier und Jetzt zu holen und den bewegten Geist zu entspannen – Berührung wirkt dabei wahre Wunder.

Der spirituelle Aspekt „Alles ist miteinander verbunden“ bedeutet, dass wir keine getrennten Individuen sind, die ständig auf ihren Vorteil schauen und sich behaupten müssen. Wir können so viel mehr in tatsächlichem Kontakt miteinander erreichen. Reizoffene Menschen, die gelernt haben, sicher in ihrer Mitte zu stehen, leben ständig in Berührung mit der sie umgebenden Umwelt. Und das ist eine große Bereicherung.

Alltagstipps für Eltern

Abschließend für Sie als Eltern ein paar Möglichkeiten, die Kraft der Berührung in den Alltag zu integrieren:

Machen Sie sich bewusst: Berührung ist heilsam! Wenn Sie Ihr Kind berühren, treten Sie mit ihm in Kontakt. Es fühlt sich wahrgenommen und wertgeschätzt. Es mag das natürlichste der Welt sein und trotzdem ist es für viele Eltern sehr schwer, sich auf tatsächliche Berührung mit ihrem Kind einzulassen. Vielleicht weil man selbst nie die Macht der Berührung wahrnehmen durfte oder sich aus unterschiedlichsten Mustern heraus damit schwer tut. Wenn Sie Ihr Kind berühren, berühren Sie sich selbst. Manche sehr unruhige Kinder brauchen oftmals ein bisschen Zeit, sich auf Berührung einlassen zu können. Auch hier ist es ganz wichtig, das eigene Tempo des Kindes zu respektieren, damit Berührung positiv, heilsam und beruhigend erlebt werden kann. Gerade bei unruhigen Kindern ist es sehr wichtig, zunächst einmal Raum zu schaffen, in dem ein zur Ruhe kommen und Entspannen möglich ist.

Konkret heißt das:

  • Nehmen Sie sich ab und zu gemeinsame Auszeiten, legen Sie sich mit Ihrem Kind auf die Couch oder ins Bett oder gehen Sie einfach mal Hand in Hand spazieren.
  • Machen Sie Berührung zu einem Ritual, zum Beispiel vor dem Schlafengehen. Ihr Kind kommt zur Ruhe und fühlt sich sicher.
  • Haben Sie auch in Alltagssituationen keine Angst vor Berührung. Legen Sie Ihrem Kind öfters mal die Hand auf den oberen Rücken. Das bedeutet, dass Sie es unterstützen, da sind und ihm „den Rücken stärken“.
  • Wenn Sie möchten, dass das, was Sie sagen, auch wirklich ankommt, achten Sie auf Augenkontakt, am besten gemeinsam mit einer Berührung der Schulter oder des Armes. Sie tragen damit wesentlich dazu bei, dass Anspannung abfällt und Ihre Worte integriert werden.
  • Nehmen Sie sich ab und zu die Zeit, ihr hochsensibles Kind zu massieren. Fragen Sie es, wo mögliche Verspannungen sitzen. Sie tragen so entscheidend dazu bei, dass Ihr Kind lernt, in seinen Körper hineinzuspüren und Signale zu deuten. Vielen Kindern macht es auch großen Spaß, die Eltern zu massieren. Sie werden überrascht sein, wie gut Ihr Kind hinspüren kann und dabei lernt, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
  • Schreibabys zeigen durch ihr Verhalten ihr Bedürfnis nach Ruhe ganz deutlich. Früher war es vollkommen normal, das eigene Kind ständig nah am Körper und im gemeinsamen Bett zu haben. Eine Tatsache, die heutzutage oftmals ignoriert wird, will man doch so früh wie möglich, das Kind „auf das Leben vorbereiten“, in dem heute oftmals kein Platz für Nähe vorhanden ist. Besser gleich lernen, „den eigenen Mann“ oder die „eigene Frau“ zu stehen. Für die Eltern von Babys mit besonderen Bedürfnissen ist es eine riesige Herausforderung/Belastung hier die eigene Ruhe zu bewahren und sich womöglich „gegen den Strom“ zu stellen. Es ist einen Versuch wert, das Tragetuch dem Kinderwagen vorzuziehen und das eigene Bett zu teilen. Das Bewusstsein darüber, dass Babys, die viel schreien, „einfach“ zu viel wahrnehmen und mehr Antennen als andere haben, erleichtert oft das Verständnis und die Herangehensweise an das Berühren maßgeblich.

 

Ich wünsche Ihnen berührende Momente mit Ihrem Kind <3

 

portrait_011Über die Autorin: Karin Abriel
Mehr Informationen über Hochsensibilität und hochsensible Kinder finden Sie auf meiner website: www.hochsensibilitaet.at In meinem Blog gibt es Einblick in Möglichkeiten, die besondere Wahrnehmungsbegabung Ihres Kindes gut in den Schul-/Alltag zu integrieren: http://www.hochsensibilitaet.at/blog/#top

In Wien gibt es demnächst einen Austauschabend über das Leben mit hochsensiblen Kindern: https://www.facebook.com/events/248370538861596/

Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen!

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