Kategorie: Allgemein

Aber Jungs sind eben so! – Warum Wut- und Konfliktverhalten Begleitung braucht

„Nein, nein, das ist schon okay, dass die so raufen. Jungs sind eben so!“ Diese und ähnliche Sätze begegnen uns immer wieder. Zweifellos ist das Raufen und Balgen für Kinder ein wichtige Bestandteile des Spiels: hier wird Grobmotorik ausgebildet, es geht um Absprachen, um das Erkennen von Grenzen – für alle Kinder jeden Geschlechts. Und zweifellos gibt es zwischen Geschlechtern auch statistisch belegbare Unterschiede. Die Neurobiologin Lise Eliot führt in ihrem Buch „Wie verschieden sind sie wirklich?“ dazu aus: „Selbst im Erwachsenenalter sind die meisten Geschlechterdifferenzen bei kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen kleiner, als gemeinhin angenommen. Bei Kindern sind sie noch kleiner, wie ihre Körper erst alle Unterschiede entwickeln müssen, so brauchen auch ihre geistigen Funktionen Zeit, um die männliche und weibliche Denkweise auszubilden. Wie sich bei kognitiven Fähigkeiten, Schulleistungen, Motivation, Emotionen und Beziehungsstilen zeigte, weisen Jungen und Mädchen leichte Unterschiede auf, sind aber keineswegs durch Welten getrennt.“

Jungen und Mädchen sind verschieden – aber nicht so sehr, wie wir denken

Kinder zeigen also geringfügige Unterschiede, aber keine enormen. Dennoch unterbinden wir bei Mädchen Streit eher, gehen stärker gegen Wut vor, während Jungen fast zügellos im Namen des freien Spiels ihre Wut austragen dürfen. Manchmal sehen wir den teilweise fließenden Unterschied zwischen Balgen und Raufen aus Wut nicht, manchmal ignorieren wir ihn auch bewusst aufgrund bestimmter Rollenbilder in unseren Köpfen. Während das Unterbinden von Ärger und Wut bei Mädchen negative Folgen hat, hat auch die fehlende Co-Regulation der Wut von Jungen negative Folgen für sie selbst und andere.

Trauer begleiten wir, bei Wut haben wir Probleme

Viele Eltern sind mit der Begleitung und Co-Regulation von Gefühlen wie Trauer und Hilflosigkeit von Kindern mittlerweile vertraut: Wir nehmen in den Arm, sagen liebe Worte. Je nach Kind unterscheidet sich die Art, wie Trost gegeben werden sollte und auch die Dauer, die Kinder für ihre Beruhigung benötigen. In Hinblick auf den Umgang mit der Wut sind viele Eltern hingegen noch immer hilflos: Wie begleite ich hier richtig? Gerade dann, wenn mich diese Wut des Kindes selber wütend macht, wenn ich mich persönlich angegriffen fühle? Auch Glaubenssätze spielen in die Begleitung von Wut hinein, wie beispielsweise „Mädchen dürfen nicht wütend sein“ oder „Jungen müssen lernen, sich durchzusetzen, nur starke Kinder haben im Leben Vorteile“. Gerade bei als Jungen gelesenen Kindern sind Erwachsene oft geneigt, die Wut „einfach laufen“ zu lassen im Namen von Spiel oder Wettbewerbsfähigkeit.

Wut will begleitet werden

Doch auch Wut will begleitet werden – bei Mädchen wie Jungen. Und auch hier gibt es Unterschiede im Bedarf der Art der Begleitung, wie es auch schon Unterschiede gibt in der Aggression: einige Kinder sind aggressiver als andere. Gerade Kinder, die aggressiver sind als der Durchschnitt brauchen Co-Regualtion und Begleitung, anstatt „Laufenlassen“ oder Strafen. Wird die Co-Regulation von Wut verwehrt, lernt das Kind keinen gesunden Umgang damit. Während sie bei Mädchen eher generell unterdrückt wird, dürfen Jungen der Wut freien Lauf lassen. Was sie dadurch aber nicht lernen: Rücksichtnahme, Empathie, Diskursfähigkeit, Konfliktstrategien jenseits von Gewalt.

Der Kampf wird dann als Spiel angesehen, und diese Art der Auseinandersetzung daher als normal legitimiert und nicht reguliert. Das, was wir bereits als wichtigen Einfluss auf die Weiterentwicklung empathischer Fähigkeiten erfahren haben, wird in der Sozialisation von Jungen oft weniger berücksichtigt. Geschlechtsunterschiede in der Empathie gehen besonders auf die Sozialisation zurück: Nur 10 Prozent unserer Empathiefähigkeit sind insgesamt genetisch festgelegt, der Rest beruht auf nicht-genetischen Faktoren.

Susanne Mierau 2023: Füreinander sorgen, S.145

Diese fehlende Regulation von Wut wirkt sich negativ auf das Kind im Jetzt aus, hat aber auch langfristig negative Folgen, weil der Umgang mit Wut nicht erlernt werden kann und weiteres gewaltvolles Handeln daher als Lösungsstrategie verinnerlicht wird gegenüber anderen, das Kind/der spätere Jugendliche/Erwachsene sich aber auch selbst damit gefährdet, weil andere Konfliktlösungsstrategien nicht erlernt werden konnten.

Sowohl Mädchen als auch Jungen brauchen daher eine Begleitung beim Umgang mit ihren Gefühlen – auch mit der Wut. Es ist weder gesund, Wut zu unterdrücken, noch ihr freien Lauf zu lassen und so ungesunde Verhaltensmuster zu verinnerlichen. Auch bei der Wut ist es wichtig, das Gefühl zu benennen und nach der großen Wut-Gefühlswelle die Ursachen zu ergründen, die hinter dem Gefühl stehen: Welches Bedürfnis ist nicht erfüllt, das zu Wut führt? Fühlt sich das Kind beispielsweise ausgeschlossen, ist es traurig, hat es Schmerzen, fühlt es sich nicht gesehen oder gewertschätzt, war es in seinem Gefühl von Sicherheit verletzt? Auf Basis des Wissens um diese Ursache kann dann besprochen werden, wie mit einer solchen Ursache umgegangen werden kann, statt zu hauen/beißen/schubsen/werfen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Mit den Ausscheidungen von Babys und Kleinkindern umgehen

Oft ist das eigene Baby das erste Kind, das wir wickeln: Wir haben keine Übung im Umgang mit Windeln, mit dem richtigen Handling des Babys und der Umgang mit den Ausscheidungen eines anderen Menschen ist uns zunächst fremd, vielleicht erregt eine volle Windel sogar zunächst ein Gefühl von Ekel. Es ist gar nicht so einfach, respektvoll und achtsam mit der so ungewohnten Wickelsituation umzugehen. Dennoch ist es für das Baby und spätere Kleinkind wichtig, dass die Bezugspersonen einen guten Umgang damit finden, schließlich sind Windelwechsel und Körperpflege Routinesituationen, die jeden Tag vielfach stattfinden und als diese einen großen Teil des Tages in Anspruch nehmen.

Respektvoller Umgang ist wichtig

Ein respektvoller Umgang mit den Ausscheidungen des Kindes ist wichtig, damit das Kind ein gutes Körper- und Selbstbild aufbauen kann. Werden Wickelsituationen oder Hilfe bei der Toilettennutzung immer als eklig oder Zumutung beschrieben, können Babys und Kinder dies auf sich als Person beziehen und davon ein negatives Bild über sich ausbilden. Auch mangelnde Kommunikation in diesen Situationen oder Unvermögen des Benennens von Körperausscheidungen und Intimorganen ist für die Ausbildung des Selbstbildes ungünstig: Intimorgane sollten mit den passenden Worten benannt werden, damit Kinder von Anfang an erfahren, wie diese heißen, dass sie zu ihrem Körper dazu gehören und sie auch später selbst richtig benennen können. Im Gespräch sollten Handlungen angekündigt werden bevor sie ausgeführt werden, damit das Kind sich darauf einstellen kann. Schon für Babys ist es unterstützend, wenn ihnen mitgeteilt wird, was als nächstes passiert.

Neben dem Ankündigen der nächsten Handlung ist es hilfreich, Babys und Kleinkinder aktiv (nach ihren aktuellen Möglichkeiten) in die Körperpflege einzubinden: Sie können Windeln öffnen und schließen, können sich mit einem Lappen selbst abwischen/nachwischen, können helfen beim Auftragen von Creme. So wird ihre Selbstwirksamkeit gestärkt und sie werden darin unterstützt, zunehmend eigenständig mit der Körperpflege umzugehen.

Generell ist es hilfreich, sich für Pflegesituationen Zeit zu nehmen, damit alle Handlungen in Ruhe ausgeführt werden können, das Baby einbezogen und angesprochen werden kann. Durch einen derart achtsamen Umgang muss nicht gegen das Baby oder Kleinkind gearbeitet werden, sondern es wird gemeinsam eine Pflegeritual durchgeführt.

Veränderungen der Körperausscheidungen

Körperausscheidungen verändern sich über die Zeit, sowohl in Bezug auf die Menge, als auch in Bezug auf die Konsistenz. Der erste Urin innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt ist eine so geringe Menge, dass sie kaum wahrgenommen wird, während die erste Absonderung von Stuhl (Mekonium oder auch Kindspech genannt) wesentlich mehr auffällt: Die klebrige, zähe Ausscheidung ist am besten mit einem warmen, weichen und nassen Tuch zu entfernen, ggf. mit etwas Öl als Zugabe.

Durch die flüssige Nahrungsaufnahme ändert sich nach der Geburt Farbe und Konsistenz des Stuhls, er wird breiiger und gelblich bis hellbraun, nach der Einführung der Beikost können auch unverdaute Beikostbestandteile darin enthalten sein. Auch die Frequenz der Stuhlabsonderung ändert sich häufig über die Zeit: In den ersten Wochen sind es oft noch mehrmals täglich volle Windeln, später verringert sich die Frequenz und gestillte Babys haben manchmal Pausen über mehrere Tage. Für die empfindsame Babyhaut ist es wichtig, dass eine volle Windel möglichst schnell gewechselt wird. Für die Reinigung reicht meist ein nasser Lappen, ggf. mit etwas (Pflanzen-)Öl.

Tritt Durchfall auf, der oft eher grünlich ist und unangenehm riecht, ist die Hautpflege besonders wichtig. Eine Wunschutzcreme kann hier sinnvoll sein, um die Haut zu schützen. Hilfreich ist es auch, möglichst viel Luft an die angegriffene Haut zu lassen und Verständnis dafür zu haben, dass die Babyhaut gerade besonders empfindsam ist und achtsam behandelt werden will.

Wickeln ist mehr als Windelwechsel

Körperpflege und das Wickeln des Babys sind mehr als „nur“ Windelwechseln. Es sind Momente des Miteinanders, in denen Beziehung stattfindet. Gerade Routinesituationen in unserem Alltag sind für unsere Beziehungen wichtig, weshalb auch das Windelwechseln aus der Perspektive der Beziehung betrachtet werden sollte. Deswegen ist es wichtig, das Wickeln nicht als „Wickelkampf“ zu betrachten, sondern für alle Beteiligten möglichst angenehm zu gestalten. Mit zunehmendem Alter des Kindes tritt dabei die Selbstbestimmung immer weiter in den Vordergrund und Kleinkinder wollen wesentlich mehr selbst entscheiden, was mit ihnen wann gemacht wird, als das Baby bzw. wollen selbst die Kontrolle über die Situation übernehmen und Zeitpunkt und Ablauf bestimmen. Diese Veränderung ist für Bezugspersonen manchmal eine besondere Herausforderung. Von Anfang an auf die Signale und die Mithilfe des Kindes zu achten, macht den Übergang zur selbständigen Körperpflege leichter.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

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Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

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Warum es wichtig ist, auch wohlwollend auf sich selbst zu blicken als Elternteil

Elternschaft ist nicht immer einfach. So schön auch nasse Kinderküsse auf der Wange oder ein in den eigenen Armen langsam müde und weich werdender Babykörper sind, ist Elternschaft oft auch mit Herausforderungen verbunden – gerade in unserer Zeit, in der viele Eltern zu wenig Unterstützung haben und es zu wenig entlastende, aber viele belastende Rahmenbedingungen gibt. Als Belastung kommt oft noch hinzu, dass wir kritisch mit uns selbst umgehen, uns mit anderen vergleichen und an uns und unseren Fähigkeiten zweifeln.

Viele Eltern sind bei „Fehlern“ hart zu sich selbst

Wenn wir unser eigenes Handeln in Zweifel ziehen, gehen viele Eltern besonders kritisch und hart mit sich selbst um, statt verständnisvoll und freundlich auf sich zu blicken. Während wir bei unseren Kindern darum bemüht sind, die Gründe für das Verhalten nachvollziehen zu können und Verhalten auf (unerfüllte) Bedürfnisse zurückführen, vergessen wir das nur allzu oft bei uns selbst. Der eigene innere Kritiker mahnt und schimpft, statt Verständnis zu zeigen. Unsere Ziele sind hoch, unsere Erwartungen an unser eigenes Verhalten ebenso.

Ein wohlwollender Blick hat viele Vorteile

Doch die Art, wie wir mit uns selbst umgehen und auf uns blicken, beeinflusst uns nicht nur kurzfristig, sondern hat langfristige Wirkung: Wenn es uns gelingt, einen wohlwollenden, ressourcenorientierten Blick auf uns selbst anzuwenden, erlangen wir einen besseren Zugang zu unseren Bedürfnissen und Gefühlen und können hierdurch auch besser (drohende) Überforderung, Stress und Angst wahrnehmen, besser für uns selbst sorgen und so Stresssituationen mit Kind vermeiden, die dann auftreten, wenn es uns ohnehin nicht gut geht und das Kind mit seinem Verhalten das Fass zum Überlaufen bringt.

Ein wohlwollender Blick auf uns selbst ist damit einerseits hilfreich, damit wir besser mit uns selbst umgehen, uns pflegen und gut versorgen, und gleichzeitig ist er hilfreich für die Beziehung zum Kind. Zudem geben wir als Vorbild weiter, dass Achtsamkeit und Selbstfürsorge wichtige Bestandteile des Alltags sind.

Kleine Schritte zu einem wohlwollenden Blick

Wenn die eigene, kritische innere Stimme bisher immer sehr laut war, kann es schwerfallen, den Blick auf sich selbst zu verändern. Folgende Schritte können dabei unterstützen, den eigenen Blick auf sich sanfter zu gestalten:

  • Notiere jeden Tag, was du geschafft hast, worin du erfolgreich oder gut warst. Das können Kleinigkeiten sein wie das Einschlafen des Kindes gut begleitet zu haben.
  • Versuche, dir direkt nach einem gemeisterten Hindernis etwas Gutes zu sagen und anzuerkennen, was du gerade geschafft hast. Das kannst du laut oder leise tun.
  • Wenn doch etwas schief läuft: Versuche, dir selbst so verständnisvoll zu begegnen, wie du es bei Freund*innen oder Partner*innen tun würdest.
  • Nimm dir ganz konkrete Ziele vor, was du Positives für dich tun willst, trage das in deinen Kalender ein und mach es auch wirklich.

Wir sollten den wohlwollenden, liebevollen Blick, mit dem wir versuchen, unseren Kindern zu begegnen, auch viel öfter auf uns selbst anwenden und uns hier und da auf die Schulter klopfen für all das, was wir gut gemacht haben.

Eure

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Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

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Ehrlichkeit mit sich selbst als Grundlage für Veränderung

Elternsein ist oft nicht einfach. Die Strukturen, in denen wir heute leben, machen es uns an vielen Stellen nicht leicht: zu wenig Unterstützung und Miteinander, zu hohe Arbeitszeitbelastung, zu viele Aufgaben der Erwerbs- und Fürsorgearbeit parallel in wenig kindgerecht gestalteten Stadtumgebungen. Dazu wissen wir zwar heute, was Kinder brauchen und was ihnen nicht gut tut – und dennoch fällt es uns schwer, dies umzusetzen, weil wir selbst oft mit anderen Erziehungsmethoden geprägt wurden, als wir sie selbst anwenden wollen. Auf Basis all unseres Wissens setzen wir uns Ziele, die wir erreichen wollen und wie wir sein wollen, und sind traurig, wenn wir sie dann nicht erreichen. Oft vergessen wir bei diesen hohen Zielsetzungen nämlich einen wichtigen Zwischenschritt: ehrlich auf uns selbst zu blicken.

Auf Augenhöhe mit dir selbst

Anstatt uns hohe Ziele für die Begleitung unserer Kinder zu setzen und hohe Erwartungen an unser eigenes Verhalten zu stellen, ist es sinnvoller, zunächst ehrlich in die eigenen Augen zu blicken und sich zu fragen: Wer bin ich und was kann ich realistisch? Ein ehrlicher Blick auf sich selbst und die eigenen Möglichkeiten eröffnet den Raum, realistische Ziele zu setzen, statt an zu hohen beständig zu scheitern.

Wir alle haben unterschiedliche Päckchen an eigener Vergangenheit zu tragen, wir haben unterschiedliche Stressbelastungen im Alltag: auch wenn wir alle Eltern sind, sind unsere Rahmenbedingungen für das Begleiten von Kindern höchst unterschiedlich. So, wie jedes Kind individuell betrachtet werden will und sollte, sollten auch Eltern individuell betrachtet werden. So, wie es nicht „das Kind“ gibt, gibt es nicht „das Elternteil“. Das Begleiten von Kindern muss sowohl den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes, als auch der Erwachsenen Rechnung tragen. So ergibt sich für jede Familie ein individuelles Familienleben.

Fragen, die du dir also ehrlich stellen kannst, um dir realistische Ziele setzen zu können:

  • Welche Lasten trage ich an Vergangenheit und was fällt mir durch meine eigenen Erfahrungen besonders schwer?
  • Wie belastbar bin ich mit Stress und vielen Aufgaben? Was bedeutet dies für unseren Alltag? Wo muss ich entlastet werden, um nicht zu viel Stress in die Kinderbegleitung fließen zu lassen?
  • Welche Gefühle und Situationen kann ich richtig gut begleiten und was fordert mich immer wieder heraus? Was brauche ich, damit ich auch herausfordernde Situationen gut genug durchstehe?
  • Was brauche ich an Zeit und Ritualen, damit es mir im Alltag gut geht? Was darf auf keinen Fall fehlen – auch wenn ich fälschlicherweise immer wieder denke, dass ich meine eigenen Bedürfnisse hinter die der anderen zurückstellen sollte?

Diese und andere Fragen können die eigene Belastungsgrenze sichtbar machen. Bedürfnisorientiertes Begleiten von Kindern ist nur dann möglich, wenn wir uns selbst nicht beständig überfordern. Ein ressourcenorientierter Blick auf Kinder ist ebenso wichtig, wie auf uns selbst. Von unseren eigenen Möglichkeiten ausgehend, können wir uns dann über positive Entwicklungen viel mehr freuen, als wenn wir beständig im Vergleich sind mit anderen, die aber ganz andere Rahmenbedingungen haben als wir selbst. Jeder positive Schritt voran ist – so klein er auch sein mag – ein Schritt voran. Und auch wenn andere Eltern vielleicht größere Schritte machen oder scheinbar entspannter und leichter mit ihren Kindern umgehen können, sollte nicht die Schrittlänge der anderen unser Ziel sein, sondern die eigene Möglichkeit das Vorankommen bestimmen.

Eure

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Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

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Die Kooperationsbereitschaft von Kindern wahrnehmen

Als Menschen sind wir soziale Wesen. Wir sind sogar in unserem Innersten, in unserem Hormonhaushalt und über unser Motivationssystem auf das Miteinander und Füreinander eingestellt – und das von Anfang an. Kooperation ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Handelns und prägt schon das Handeln unserer Kinder: Sie wollen mitmachen, ausprobieren, helfen. Verschiedene Studien belegen, wie sehr schon Kleinkinder kooperieren und auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten.

Das Bindungssystem ist wesentlich mitverantwortlich für diese Kooperationsbereitschaft, denn der Umstand, dass sich ein Kind an eine Bezugsperson bindet, verspricht Sicherheit und Versorgung durch diese Bezugsperson. Kinder sind deswegen darauf ausgerichtet in ihrem Handeln, die Versorgung durch die Bezugsperson nicht zu gefährden. Sie passen sich deswegen auf vielfältige Weise an.

Kinder kooperieren viel – auch wenn wir manchmal nicht das Gefühl haben

Manchmal haben Erwachsene zwar das Gefühl, dass Kinder einfach nicht kooperieren wollen und stur ihre eigenen Ziele verfolgen, was aber daran liegt, dass das Kooperationssystem aus Sicht des Kindes gedacht werden muss. Kooperation bedeutet nicht zwangsweise, dass das Kind die Erwartungen des Erwachsenen uneingeschränkt übernimmt – und auch nicht immer. Neben dem Bestreben nach Kooperation haben Kinder auch das Bedürfnis nach Entwicklung und Lernen – manche Erwartungen und Wünsche von Erwachsenen widersprechen diesem Drang nach Lernerfahrungen, beispielsweise wenn das Kind morgens unbedingt die Jacke selbst anziehen will, der Elternteil dafür aber keine Zeit hat. Der Versuch, das Kind selbst anzuziehen, steht dann gegenüber dem Bedürfnis des Kindes. Es kommt zu einer Auseinandersetzung und das Verhalten des Kindes wird dahingehend interpretiert, dass es nicht kooperieren würde. Eigentlich wollte es das aber – nur eben mit der gewünschten Selbständigkeit.

Auch Müdigkeit, Hunger, Durst oder andere unerfüllte Grundbedürfnisse können die Kooperationsfähigkeit eines Kindes einschränken, sowie Überforderung mit einer Aufgabe oder Erwartungshaltung oder auch unklare Botschaften durch die Bezugsperson (beispielsweise solange Kinder noch keine Ironie verstehen). Jenseits hiervon kooperieren Kinder jedoch jeden Tag an vielen Stellen mit ihren Bezugspersonen. Oft passiert das unbewusst und es lohnt sich, am Ende des Tages einmal zu überlegen, an wie vielen Stellen tatsächlich Kooperation stattgefunden hat – das kann Eltern einen neuen, wertschätzenden Blick auf das Kind ermöglichen.

Wichtig: Kooperation darf nicht auf Kosten der Integrität erfolgen

Der Wunsch des Kindes nach Zugehörigkeit und Verbindung mit der Bindungsperson ist so groß, dass es diese Zugehörigkeit und Verbindung nicht riskieren will. Im obigen Beispiel des Jackeanziehens wird das Kind das Schimpfen der Bezugsperson ertragen, vielleicht wütend sein, kurz noch weniger kooperieren, vielleicht auch weinen. Danach aber wird es wieder in Verbindung gehen zu der Bezugsperson. Das Bindungssystem ist so bedeutsam für ein Kind, dass es dies nicht gefährdet und immer wieder eine Verbindung herstellt. Es bezieht Probleme und Fehler auf sich selbst und stellt in den jungen Jahren nicht die Bezugsperson infrage. Deswegen ist es so wichtig, dass Eltern und andere nahestehenden Personen auf die Integrität des Kindes achten und sich fragen: Habe ich in dieser Konfliktsituation die persönlichen Grenzen des Kindes überschritten?

Jeden Tag sind wir selbst, aber auch unsere Kinder, in einem beständigen Bemühen der Balance zwischen Integrität und Kooperation. Wenn wir merken, dass die Grenzen unseres Gegenüber übertreten oder verletzt wurden, können wir gemeinsam darüber sprechen, für das nächste Mal andere Lösungen überlegen und um Entschuldigung bitten – und damit wieder zur Kooperation zurück gelangen.

Eure

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Kinder brauchen klare Ansprachen

Kommunikation ist ein wesentlicher Teil unseres Miteinanders und gleichzeitig fällt es uns manchmal so schwer, miteinander zu sprechen: unsere Wünsche und Erwartungen auszudrücken, uns durch Sprache abzugrenzen oder durch Sprache auf unsere Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Während viele Kinder recht klar in ihrem Ausdruck sind, haben wir Erwachsene oft viel größere Schwierigkeiten. Manchmal aus der Angst heraus, als Elternteil unfreundlich oder nicht ausreichend rücksichtsvoll zu sein oder auch aus dem Wunsch heraus, Probleme zu umschiffen. Für unsere Kinder aber ist es wichtig, dass wir klar ausdrücken, was wir uns für uns oder von ihnen wünschen.

Erwartungen und Wünsche klar formulieren

„Könntest du vielleicht bitte den Tisch abräumen?“, „Möchtest du jetzt die Socken wegräumen?“ – Was in unseren Erwachsenenohren freundlich und zugewandt klingt, ist für kleine Kinder manchmal nicht eindeutig genug. Sie können unsere Absicht nicht herausfiltern aus der Frage. Deswegen ist es wichtig, dass wir Aufforderungen und Wünsche klar formulieren. Das bedeutet nicht, dass wir deswegen unfreundlich sein müssen: Mit einer zugewandten Körperhaltung, einem netten Tonfall und freundlicher Mimik können wir klar formulieren: „Bitte räum jetzt den Tisch ab.“ oder „Bitte räum die Socken jetzt weg.“

Keine doppelten Botschaften, kein Sarkasmus

Doppelte Botschaften sind für Kinder (und oft Erwachsene) ein großes Kommunikationsproblem: Hier wird eine inhaltliche Aussage mit einer anderen, widersprechenden Botschaft kombiniert: „Ich helfe dir gerne, aber das machst du alleine!“, „Sag mir, was du gemacht hast, ich bin nicht böse!“ mit bösem Gesichtsausdruck und/oder drohender Körperhaltung sagen. Sarkasmus können Kinder in der Regel in der Kleinkind- und Vorschulzeit noch nicht gut verstehen und reagieren daher falsch (aber aus ihrer Perspektive richtig) auf sarkastische Äußerungen.

Keine Fragen, wenn es eigentlich keine Optionen gibt

„Was soll ich heute zum Abendessen machen?“ kann eine lieb gemeinte Frage sein. Wenn das Kind aber ehrlich mit „Pommes und Burger“ darauf antwortet und diese Wahl aber eigentlich keine Option ist, kann das zu Konflikten führen. Sinnvoller ist es deswegen, wenn nur dann eine offene Frage gestellt wird, wenn die Antwort des Kindes auch tatsächlich eine Option ist. Kleinkinder können zudem von offenen Fragen und zu viel Entscheidungsfreiheit überfordert sein. Hilfreicher ist dann eine Frage wie: „Möchtest du zum Abendessen Brot oder die Nudeln vom Mittagessen?“

Ein typisches anderes Feld, in dem oft Fragen gestellt werden, obwohl eigentlich eine Aufforderung gemeint ist, ist das Aufräumen: „Möchtest du jetzt dein Zimmer aufräumen?“, „Kannst du jetzt dein Zimmer aufräumen?“ Auch hier ist es hilfreich, eine klare Aussage zu treffen, anstatt eine Frage zu formulieren. Der Anspruch, dass ein Kleinkind allein selbständig aufräumen kann, ist oft zu hoch gegriffen. Sinnvoller ist eine klare Aussage wie „Wir räumen jetzt gemeinsam auf. Du sammelst alle Kuscheltiere ein und ich alle Bausteine.“

Uneindeutige Äußerungen führen zu Problemen

Wir wollen unsere Kinder liebevoll und respektvoll begleiten. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir nicht eindeutig mit ihnen sprechen können. Wir schaffen es auch nicht, durch liebevolle Ansprachen Konflikte zu umschiffen, die sich daraus ergeben, dass das Kind vielleicht von unserem Wunsch oder unserer Aussage nicht begeistert ist. Im Gegenteil: Uneindeutige Äußerungen von Erwachsenen können zu größeren Konflikten führen, weil das Kind sie nicht richtig versteht, die erwachsene Person deswegen verärgert ist und es dann zum Streit kommt, weil das Verhalten des Kindes als Angriff auf der Beziehungsebene verstanden wird („Das ist ein Machtspiel!“, „Du willst mich nicht verstehen!“) anstatt auf der Inhaltsebene (Das Kind will gerade nicht aufräumen).

Deswegen: Bedürfnisorientiertes und respektvolles Begleiten von Kindern und eine klare, eindeutige Ansprache schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Sie kann dazu beitragen, offen und lösungsorientiert über Probleme und Bedürfnisse zu sprechen.

Eure

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Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

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Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Als Eltern streiten

Viele Eltern haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich streiten. Sie fragen sich: Dürfen wir uns streiten? Ist es nicht ein Zeichen unseres Versagens als Eltern, als Paar, zu streiten? Dürfen wir uns vor dem Kind streiten oder nur heimlich? Und wie soll es gehen, heimlich zu streiten und Ärger aufzuheben, wenn das Kind erst einmal noch da ist und nicht schläft? Auch hier haben wir Bilder verinnerlicht, die es uns schwer machen können, den Alltag entspannt zu leben. Denn klar ist: Natürlich gibt es hier und da Unstimmigkeiten zwischen Erwachsenen, die auch geklärt werden müssen.

Wir haben streiten nicht gelernt

Oft haben wir noch aus der eigenen Kindheit verinnerlicht, dass Streit schlecht sei und schnell behoben werden muss: Wenn Kinder sich streiten und Erwachsene eingreifen, geht es oft mehr um die Beendigung des Streits als um wirkliche Problemklärung, bei der beide Seiten respektvoll angehört werden und es zu einer Vermittlung kommt. In unserem vollen Tagesprogramm und oft hoher Stressbelastung scheint nicht noch der Raum dafür zu sein, sich ewig mit einer Streiterei unter Kindern zu beschäftigen. Und im Streit zwischen Erwachsenen und Kind ist ein Diskurs oft nicht erlaubt, zu tief ist verankert, dass Erwachsene Recht haben müssen, um die Macht innerhalb der Familie zu erhalten und das Kind nicht zu einem Tyrannen werden darf durch Mitspracherecht.

Wir haben also ein ziemlich schlechtes Bild von Streit verinnerlicht und oft keine gesunde Streitkultur verinnerlicht, weshalb es uns auch innerhalb von Erwachsenenbeziehungen schwerfällt, gut mit Streitsituationen umzugehen.

Es geht um das Wie

Wenn es nun zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen Erwachsenen innerhalb der Familie kommt, kann uns die fehlende Streitkultur daran behindern, einen Streit gut auszutragen oder überhaupt erst zu erlauben. Auch die verinnerlichte Angst, es könnte sich negativ auf das Kind auswirken, kann uns daran behindern, den Diskurs zu eröffnen. Der Gedanke, Streit innerhalb einer Familie wirke sich negativ auf das Kind aus, hält sich hartnäckig in unseren Köpfen. Dabei geht es auch hier – wie in vielen zwischenmenschlichen Bereichen – um das Wie und nicht um das Ob.

Werden Konflikte zwischen Erwachsenen innerhalb der Familie destruktiv ausgetragen, kann sich das durchaus negativ auf das Kind auswirken: Sie können das Gefühl der (emotionalen) Sicherheit des Kindes verringern, zu Anpasungsproblemen, psychischen Schwierigkeiten, schulischen Problemen und Problemen im Umgang mit Gleichaltrigen führen. Destruktive Konflikte mit verbaler oder körperlicher Gewalt, Feindseligkeit, Blockadeverhalten, aber auch Rückzug und Meidung sind daher nicht gut für das Familienklima und das Wohlergehen des Kindes.

Konstruktive Streitigkeiten sind aber durchaus „erlaubt“ und können das Familienklima sogar verbessern. Wir streiten uns schließlich, weil es uns um etwas Wichtiges geht. Für das Kind, das ein Problem zwischen den Erwachsenen spürt oder erfährt, ist es sogar hilfreich, wenn es die Lösung dessen auch erfahren kann. Für konstruktive Streitgespräche ist es sinnvoll, dass wir einander zuhören und beide Seiten zu Wort kommen lassen. Auch wenn sich manchmal einige Themen angestaut haben, bis es zu einem Streit kommt, ist es hilfreich, nicht zu pauschalisieren, sondern bei konkreten Situationen und einem Thema zu bleiben und bei sich und den eigenen Gefühlen: erklären, wie man sich fühlt und warum das so ist ohne Beleidigungen und Abwertungen der anderen Person. Es ist hilfreich, nicht das Schlechteste zu unterstellen, sondern von der bestmöglichen Annahme des Verhaltens auszugehen und der anderen Person auch im Streit wertschätzend zu begegnen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Manchmal findet sich nicht gleich ein passender Kompromiss, sondern wir brauchen Zeit, um eine gute Lösung zu finden.

Es ist wichtig, dass wir unseren Kindern eine gute Streitkultur beibringen, indem wir ihre Streitigkeiten begleiten und ihnen eine Hilfestellung geben beim Regeln von Konflikten. Gleichzeitig sind wir aber auch in unseren eigenen Streitigkeiten Vorbild dafür, dass sie eine neue Streitkultur verinnerlichen können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Echte Erinnerungen festhalten oder wie wir Kinder bindungsorientiert fotografieren können

Ich erinnere mich an das erste Kennen-Lernen meiner gerade geborenen Tochter und ihrer Oma. Das Kind schlief und seine Großmutter beugte sich voller Begeisterung über es und fotografierte ihm ins Gesicht. Mit Blitz. Und auch später gab es immer wieder Situationen in denen das fotografiert werden von bestimmten Menschen für meine Kinder zu großem Unwohlsein und Unsicherheit geführt hat. Situationen in denen ich das deutliche Gefühl hatte, dass das Fotografieren auf kosten der Bindung ging, zumindest auf die Art und Weise. Ich musste erst lernen, in solchen Situationen einzugreifen und die richtigen Worte parat zu haben. Zum Beispiel zu sagen: “komm, beschäftige dich doch mit deinem Enkel und ich mache ein Erinnerungsfoto von euch beiden zusammen!”.

Ich verstehe das festhalten wollen vom Klein-sein, von den Kindheitsmomenten, das Dokumentieren der Meilensteine und auch ich versuche Täglich Kindheitserinnerungen in Bildern einzufangen, für mich und für meine Kinder. Und seit vielen Jahren auch für andere Familien, denn ich bin dokumentarische Familienfotografin, das festhalten von Kindheitserinnerungen ist mein Beruf.

Das letzte, was ich sagen würde ist, „hört auf eure Kinder und Babys zu fotografieren!“. Ganz im Gegenteil! Aber ich kann ein paar Tipps geben für alle, die die Kindheitsmomente in schönen Erinnerungsfotos festhalten möchten, ohne dabei den Moment zu stören oder den Kindern das Gefühl zu geben, sie müssten in irgendeiner Weise etwas für die Kamera tun oder sein.

Keine Aufforderungen beim fotografieren

Wenn wir Bilder machen wollen, die es später schaffen uns in der Zeit zurück zu versetzen und uns zu erinnern, wie unsere Kinder in dieser besonderen Phase waren, was sie gespielt haben und welchen Gesichtsausdruck sie dabei hatten, dann sollten wir keine Aufforderungen beim fotografieren machen. Wenn wir nicht eingreifen sondern einfach still und unauffällig die Situation nebenbei fotografieren, gelingt es echte Erinnerungen einzufangen. Viele von uns sind so sozialisiert, dass wir es gewohnt sind für ein Foto zu lächeln und in die Kamera zu schauen. Und auch unsere Kinder möchten kooperieren und werden schon nach wenigen Malen “guck mal in die Kamera” oder “lächel mal in die Kamera” in die Kamera schauen und ein Lächeln aufsetzen, sobald sie eine Kamera sehen. Das nicht zu tun, bedeutet nicht, dass wir keine Portraits von unseren strahlenden Kindern mehr machen, aber es bedeutet, dass wir auch all die anderen Momente ohne zu stören dokumentieren können und dass wir, wenn wir ein Lächeln fotografieren, ein echtes Lächeln fotografieren können, das uns bestimmt ist und nicht der Kamera.

Die Kamera nicht vor dem Gesicht halten sondern durch den Bildschirm fotografieren

Die meisten haben mittlerweile eine Kamera, mit der man nicht nur durch den Sucher fotografieren kann sondern auch über den Bildschirm. Der Vorteil davon ist, dass wir nichts vor dem Gesicht haben, das den Augenkontakt stört. Wir können auch beim fotografieren weiter in Beziehung gehen, uns unterhalten und mit unseren Kindern im Moment sein. Das Fotografieren geschieht mehr nebenbei und es gelingt sogar, das Kind oder die Kinder aus Elternsicht zu fotografieren. Die verschiedenen Ausdrücke meiner Kinder, wie sie mich ansehen und meine Sicht auf sie ist definitiv etwas, an das ich mich erinnern möchte!

Frage dich: “Woran möchte ich mich erinnern”?

Wenn wir uns selbst fragen, woran wir uns erinnern möchten und auch, woran möchte ich, dass sich meine Kinder später erinnern, dann gelingt es uns besser, genau diese Momente in Erinnerungsfotos einzufangen. Es hilft, diese Dinge auch ab und zu aufzuschreiben. Zum einen ist es auch in geschriebenen Wort eine Dokumentation dieser Dinge, die uns helfen wird sie zu erinnern. Und zum anderen hilft es uns, Bilder von genau den Momenten, Situationen, Beziehungsmomenten und Eigenheiten unserer Kinder zu machen, die wir aus ihrer Kindheit erinnern möchten. Stell dir vor, du hast in 30 Jahren eine Kiste mit Fotos, die deine Erinnerung stützen an all die Details der Kindheit, die du jetzt so gern festhalten möchtest.

Kommuniziere mit den Kindern, warum du fotografierst

Meine Kinder sind es so gewohnt, nebenbei fotografiert zu werden und es ist sogar so, dass sie es nicht nur tolerieren sondern mögen. Ich denke, das liegt vor allem daran, dass ich ihnen sage, dass ich diesen Moment mit ihnen so schön finde, dass ich ihn erinnern möchte. Und dass es Momente sind, in denen ich ganz bei ihnen bin und nicht nebenbei Haushalt mache oder an vielen Dingen gleichzeitig bin, wie es so oft ist im Familienalltag. Zu sagen, es ist so schön mit euch und ich möchte mich daran erinnern ist ja eine Anerkennung und Wertschätzung. Genau wie es die Fotobücher ihrer Kindheit sind, die sie sich so gern anschauen. Es ist etwas völlig anderes zu sagen: “bitte lächel in die Kamera, ich möchte ein hübsches Foto machen” als “es ist so schön mit dir, ich möchte diesen Moment gern festhalten damit wir uns gemeinsam später daran erinnern können”.

Sei Vertrauensperson, auch beim fotografieren

Ich sehe oft einen gewissen Humor in dem fotografieren von Kindern, den ich kritisch sehe in Bezug auf die Beziehung. Und damit meine ich nicht die Art von Humor, bei der wir uns mitfreuen über den Kinderquatsch, es gibt durchaus wundervoll lustige Momente die wir auch fotografieren können. Was ich meine, ist ein Humor über Kinder, der eher ein sich lustig machen ist. Ich glaube, dass es auch beim fotografieren von Kindern durchaus zu Vertrauensbrüchen kommt. Ich erlebe das viel, wenn Kinder verzweifelt weinen und dabei fotografiert werden. Das wird oft als Vertrauensverlust erlebt, denn wie kann die Vertrauensperson ein Bild machen, wenn ich in größter Not und Verzweiflung bin? Und dieses Bild auch noch in einem Fotoalbum für alle zur Schau stellen? Es gibt auch Kampagnen die sich mit der Ethik von Kinderbildern im Internet beschäftigen, die sich mit einer ähnlichn Frage auseinander setzen. Wie würdest du dich fühlen, wenn Jemand dich in dieser Situation fotografiert? Und es veröffentlicht? Ich denke, das ist eine gute Frage, die wir uns stellen können, wenn wir Bilder von unseren Kindern machen. Und in Bezug darauf, dass wir Erinnerungen an Kindheit festhalten möchten, hilft es ungemein, wenn die Kinder uns Vertrauen und entspannt sind, auch wenn wir die Kamera dabei haben.

zur Autorin:
Marcia Friese ist Fotografin und für dokumentarische Familien- und Geburtsfotografie, fotografiert für Magazine und Fachzeitschriften, gibt Workshops für (angehende) Fotografinnen. Zusammen mit Hebamme Jule Tilgner hat sie 2019 das Buch „Mutter werden“ veröffentlicht. Mehr über ihre Arbeit erfährst du hier auf ihrer Seite, auf Instagram oder Facebook.
Hier bekommst du von Marcia noch einmal 10 Tipps für bedürfnisorientierte Fotografie

Beschütze mich – warum es für Kinder wichtig ist, hinter ihnen zu stehen

Eigentlich ist es klar, dass wir als Elternteil hinter unseren Kindern stehen, sie beschützen und umsorgen. Und dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen es uns schwerfällt, wirklich für das Kind einzustehen. Insbesondere dann, wenn andere Personen unser Verhalten oder das des Kindes bewerten oder ein bestimmtes Verhalten vom Kind einfordern. Auf einmal verschwinden unsere Vorsätze und Forderungen oder Verhaltensweisen, die wir eigentlich nicht zulassen wollen, werden doch erlaubt. Vielleicht denken wir, dass sich das nur auf die Beziehung des Kindes zu dieser anderen Person auswirkt, aber als Bezugsperson sind wir auch hier involviert.

Das Bindungssystem ist ein Schutzsystem

Das Bindungssystem ist aus Sicht des Kindes ein Schutzsystem: Es dient dazu, dass die Bedürfnisse des Kindes, das sich noch nicht selbst versorgen kann, erfüllt werden. Durch diese Bedürfniserfüllung bildet das Kind ein Vertrauen aus in andere Menschen und erlebt sich als wirksam und wertvoll, weil auf seine Signale und Bedürfnisse entsprechend eingegangen wird. Dieses Vertrauen in sich und andere legt einen Grundstein dafür, wie das Kind auch zukünftig mit der Umwelt und sich umgeht. Zu den Bedürfnissen gehören dabei nicht nur beispielsweise Nahrung und Schlaf, sondern auch das Bedürfnis nach Sicherheit und der Schutz vor Gewalt in ihren verschiedenen Formen. Die Bezugspersonen sind dafür zuständig, diesen Schutz zu bieten.

Wann Bezugspersonen schützen und begleiten sollten

Wenn das Kind eine Situation erlebt, in der es Schutz beansprucht, weil es sich beispielsweise ängstigt, sollte daher eine Bezugsperson zur Seite stehen und diesen Schutz anbieten. – Und zwar unabhängig davon, ob die erwachsene Person diese Situation selbst als bedrohlich oder ängstigend empfindet.

Die Bewertung der erwachsenen Person kann sich durchaus auf das Kind auswirken: Allein durch die Körpersprache vermitteln wir, ob wir eine Situation ebenfalls als bedrohlich wahrnehmen, oder nicht. Das Kind nimmt diese Signale wahr und reagiert auf unsere Einschätzung der Situation. Negativ ist allerdings, wenn wir dem Kind die Angst oder das Schutzbedürfnis absprechen: „Jetzt stell dich aber mal nicht so an!“ oder sogar über die Angst des Kindes lachen „Haha, der will doch nur spielen!“

Es ist hilfreich, die Angst des Kindes in einer Situation, in der sie nicht begründet ist, anzunehmen und dem Kind zu vermitteln, dass es sich nicht sorgen muss. Dies aber zunächst auf dem Boden der Annahme: „Ich merke, dass du Angst hast, ich gehe mal voran.“ oder „Du möchtest nicht, dass der Hund so nah an dich herankommt, ich nehm dich auf den Arm und er darf an meiner Hand schnuppern.“

Auch in Bezug auf das übergriffige Verhalten anderer Personen ist es wichtig, dass wir gegenüber dem Kind die für die Beziehung so wichtige Schutzposition einnehmen: Wenn das Kind nicht gekitzelt werden möchte, dies der anderen Person klarmachen. Das Kind vor Körperkontakt schützen, den es nicht will wie „Küsschen geben“ oder Händeschütteln. Und auch vor psychischer Gewalt verdient das Kind Schutz, wenn andere Menschen übergriffig sind, es beispielsweise als „Heulsuse“ bezeichnen oder „Angsthasen„.

Schutz kostet manchmal Überwindung

Es ist manchmal nicht einfach, diesen Schutzauftrag zu erfüllen, der für die Beziehung so wichtig ist. Dies insbesondere dann, wenn wir als Bezugsperson selber einer unseren Bezugspersonen gegenüberstehen, die wir als Instanz erlebt haben: eigene Eltern, ältere Familienangehörige und wir uns nun, obwohl es immer eine Hierarchie gab, in der ihre Entscheidungen über unseren standen, nun entgegentreten müssen. Auch in anderen sozialen Kontexten in der Öffentlichkeit erscheint es manchmal schwer, die eigene Haltung zu vertreten und das Kind zu schützen: Zu groß ist die Angst, als schlechtes Elternteil bewertet zu werden, das in den Augen der anderen falsch erzieht. Schließlich ist das Gefühl, zur Gemeinschaft zu gehören, so wichtig für Menschen.

Dennoch: Als Bezugsperson müssen wir diese Schamgrenzen überwinden und für das Kind einstehen. Es braucht uns als sicheren Hafen, als Schutzinstanz, aus deren Sicherheit heraus es die Welt entdecken kann. Es muss darauf Vertrauen können, dass wir für dieses Kind einstehen – denn wer sollte es sonst, wenn nicht die nahen Bezugspersonen?

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Versöhnung nach dem Eltern-Kind-Streit

Streit kommt in Familien vor: zwischen den Eltern, zwischen Geschwistern, zwischen Elternteil und Kind. Natürlich ist es hilfreich, Streit da, wo es geht, durch überlegtes Handeln zu vermeiden, aber er ist nicht immer so schädlich für das Familienklima, wie manchmal behauptet wird – sofern er gut ausgetragen wird. Lange Zeit wurde angenommen, dass Streit zwischen Elternteilen vermieden und wenn doch, dann nicht vor dem Kind stattfinden sollte. Untersuchungen zeigen aber, dass nur destruktive Paarkonflikte problematisch sind, die verbale oder physische Aggressivität, Blockadeverhalten, Rückzug, Meidung oder andere Feindseeligkeit beinhalten, die dazu führen können, dass beispielsweise das Gefühl der emotionalen Sicherheit des Kindes verringert wird. Konstruktive Konfliktbewältigung ist hingegen nicht von Nachteil.

Gerade wenn das Kind Zeuge des Elternkonflikts ist, ist es hilfreich, wenn es auch dessen Lösung erfährt.

Susanne Mierau „New Moms for Rebel Girls“ S.193

Konstruktive Problemlösung ist hilfreich

So, wie bei Streitigkeiten in der Paarbeziehung, ist es auch bei Streitigkeiten zwischen Geschwistern wichtig, dass der Konflikt konstruktiv gelöst wird. Und auch bei Streitigkeit zwischen Eltern und Kind kommt es auf konstruktive Lösungen an: In einem familiären Streit geht es darum, die Perspektive der anderen Person einzunehmen, zu verstehen und eine gemeinsame, sinnvolle Lösung zu finden. Durch einen konstruktiven und gerechten Umgang mit Konflikten in der Familie kann das Kind lernen, diese Problemlösungstrategie auch auf außerfamiliäre Situationen zu übertragen – eine wichtige Fertigkeit für das weitere Leben.

Zudem ist es im Rahmen des Bindungssystems wichtig, dass die nahen Bezugspersonen als sichere, wissende und starke Begleitung dem Kind eine Orientierung bieten. Gerade dann, wenn das Kind im Baby-, Kleinkind- oder auch noch Vorschulalter nicht konkret benennen kann, wie es sich fühlt, was es gerade als Problem wahrnimmt, ist es wichtig, dass sich die Bezugsperson in das Kind hineinversetzt und versucht, die Ursache wertfrei zu ergründen, um dann eine Lösung zu finden.

Das ist manchmal gar nicht so leicht: Unsere eigenen Empfindungen können uns dabei im Weg stehen, objektiv auf die Situation zu blicken. Auch verinnerlichte Glaubenssätze (beispielsweise dass Konflikte Machtkämpfe wären und Eltern immer Recht behalten müssen, damit sie ihre Autorität nicht verlieren) können es erschweren, konstruktiv mit einem Konflikt umzugehen.

Versöhnung nach dem Streit

Neben der Lösung des konkreten Problems ist es hilfreich, wenn nach dem Konflikt auch die Beziehungsebene noch einmal thematisiert wird: Es kann besprochen werden, dass es einen Streit gab, gemeinsam eine Lösung gefunden wurde und viele Gefühle daran beteiligt waren. Dass es Streit gibt, ist normal. Das sollten auch Kinder erfahren und nicht Angst oder Vermeidungsverhalten in Bezug auf Streitigkeiten entwickeln, weil sie in der Familie tabuisiert werden. Der Fokus auf die Beziehungsebene vermittelt: Streit kommt vor, aber ich habe dich mit deinen Bedürfnissen gesehen und verstanden und bin trotz unserer unterschiedlichen Meinung für dich da und suche mit dir eine Lösung, damit es uns besser geht. Das Kind kann noch einmal nachvollziehen, was passiert ist und bekommt vermittelt, dass eine Beziehung von Offenheit und Respekt gelebt wird.

Nicht immer ist eine Lösungsfindung schnell und einfach. Manchmal muss ausprobiert werden, was funktioniert und was nicht. So dauert es manchmal mit der Beseitigung des Streits etwas. Die Versöhnung muss auch nicht daraus bestehen, dass beide Seiten wieder gute Laune haben, sondern daraus, anzuerkennen, dass es verschiedene Perspektiven und Empfindungen gab und man als Bezugsperson dennoch sicher zur Verfügung steht und das Kind weiterhin liebt. Das Kind hat auch das Recht, nicht sofort wieder gute Laune haben zu müssen. Manchmal braucht es etwas Zeit, bis der Ärger wirklich verflogen ist. Auch das ist in Ordnung. Das Kind sollte wissen, dass es sich jederzeit vertrauensvoll an die Bezugsperson wenden kann mit seinen Gefühlen, da wir als Erwachsene die Schutz- und Regulationsfunktion für das Kind erfüllen und dies auch im Konfliktfall tun.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de