Kategorie: Allgemein

Geborgen Wachsen + Windelmanufaktur = geborgene Babypflege

Babypflege_Coaches

Heute habe ich mit der Königin der handgefertigten Stoffwindeln in Berlin getroffen: Stephanie Oppitz von der Windelmanufaktur. Schon eine ganze Weile habe ich ein Auge auf die schönen handgefertigten Stücke geworfen und die immer neuen, tollen Stoffwindeldesigns bewundert. Über meine wunderbare Kollegin Anne Weidlich aus Dresden kamen wir dann persönlich zusammen: Geborgen wachsen und Windelmanufaktur im Austausch. Und das auch nicht an einem beliebigen Ort, sondern unter dem Dach der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit.

Doch ich konnte nicht nur ihre schönen Windeln, Wetbags, Stilleinlagen und Slipeinlagen bewundern, sondern wir haben auch einen ganz konkreten Plan verfolgt: Wir wollen unsere Ansichten und Ideen und unsere Elternangebote unter einen Hut bringen und haben deswegen den ersten umfassenden Workshop zur bedürfnisorientierten, achtsamen Babypflege konzipiert. Mittlerweile gibt es Ausbildungen zu Windelfrei-Coaches, Stoffwindel-Beratern und natürlich klassische Babypflegeworkshops. Wir bringen nun all diese Themen zusammen zu einem einheitlichen Weiterbildungsangebot.

Worum es konkret geht? Auf einer Basis von wichtigen Informationen über Babypflege, wie zum Beispiel Basiswissen über die Haut als unser größtes Organ und ihre Bedürfnisse, Wissenswertes zu Pflegeprodukten und natürlich das richtige Handling in der Pflege, sehen wir, welche Möglichkeiten sich heute in Hinblick auf moderne, zeitgemäße, umweltschonende Baby- und Kleinkindpflege ergeben. Stephanie Oppitz gibt einen umfangreichen Überblick über moderne Stoffwindeln, verschiedene Marken, ihre jeweiligen Besonderheiten und die Warenkunde – selbstverständlich unabhängig von ihren eigenen Produkten, aber aus dem Erfahrungsschatz schöpfend, den sie als Herstellerin und Sammlerin von Stoffwindeln hat. Teilnehmer_innen erfahren hier alles Wichtige zum Wickeln und zur richtigen, bedürfnisorientierten und unabhängigen Beratung von Eltern. Susanne Mierau bietet darüber hinaus Einblicke in die Kommunikation mit dem Kind über seine Ausscheidungsbedürfnisse: Teilnehmer_innen erfahren, wie Babys von Geburt an ihre Bedürfnisse mitteilen und Eltern in der Wahrnehmung der Signale geschult werden können. Durch dieses umfangreiche Weiterbildungsmodul können Familien sehr individuelle betreut und begleitet werden. Absolvent_innen des Kurses können Eltern in ihrem ganz speziellen Wünschen beraten: Von der Auswahl der jeweils zum Kind und zur Familiensituation passenden Stoffwindel über die richtige allgemeine Säuglingspflege bis hin zum Konzept „Elimination Communication“. Das Beste daran: Wir wissen es ja, es gibt nicht DIE eine Lösung. Und oft genug auch nicht nur ein Modell in einer einzelnen Familie. Wir vermitteln deswegen, wie individuelle, bedürfnisorientierte und undogmatische Lösungen gefunden werden können. Alle Babypflege-Coaches arbeiten zudem nach einem Codex, der Eltern die Gewissheit gibt, unabhängig beraten zu werden ohne zu befürchten, dass aufgrund von Provisionen oder Prozenten mit einzelnen Windelherstellern in die ein oder andere Richtung beraten wird.

Unser erster Workshop findet am 16./17./18. Mai in Berlin statt und ist für Fachleute im Bereich der Elternbildung offen. Er kann ab sofort bei der GfG ([email protected]) gebucht werden. Alle weiteren Informationen erhaltet Ihr dort. Vielleicht also bis demnächst!?

 

„In den Schlaf gewiegt zu werden ist Gewohnheit“ – Gedanken zum Interview mit Annette Kast-Zahn

Schlaf

Als ich die aktuelle Ausgabe der ELTERN-Zeitschrift aufblättere, trifft es mich wie ein Schlag: Ein Interview mit Annette Kast-Zahn, Mit-Autorin des umstrittenen Buches „Jedes Kind kann schlafen lernen“. Erst kürzlich ging durch alle Socialmediakanäle der Aufruf, eine Petition zum „Verbot“ des Buches zu unterzeichnen. Gerade erst gab es eine Neuauflage dieses Buches im GU Verlag. Die Petition, die von etwa 5000 Menschen unterzeichnet wurde, hatte nichts bewirkt. Und nun bietet die ELTERN-Zeitschrift der Autorin eine Plattform, um die Neuauflage zu bewerben.

Frau Kast-Zahn bezieht Stellung zu ihren Ansätzen und dem Protest. Etwas ungehalten wirkt sie schon in dem Interview, es ist keine angenehme Ausdrucksform, die sie gewählt hat, um von ihrem Projekt zu sprechen. Was sie aber auf jeden Fall ist: Überzeugt von sich und ihrer Theorie, das „kontrollierte“ Schreienlassen wäre ein legitimes Mittel, um Kindern das Schlafen beizubringen. Auf die Frage nach der Petition und möglichen Folgen kann sie behaupten:

Nähme ein Verlag mein Buch aus dem Programm, ginge ich mit meinem Manuskript eben zum nächsten.

Recht hat sie damit wahrscheinlich, denn nur weil ein Verlag ein Buch heraus bringt, bedeutet das nicht, dass dessen Inhalt auch gut und richtig ist. Es ist ein Millionengeschäft – und das gerade, wenn es um ein so heikles Thema geht wie die Ängste und Sorgen von Eltern. Dass sie von ihrer Arbeit aber auch überzeugt ist, führt sie weiter damit aus, dass sie in all den Jahren noch nie einen negativen Leserbrief bekommen hätte:

Erstaunlicherweise habe ich – im Gegensatz zu Ihnen – in den vergangenen 18 Jahren nicht einen einzigen solchen Brief bekommen.

Das finde ich persönlich in der Tat erstaunlich. Denn auch ich kenne aus meiner Arbeit viele Eltern, die zu mir kamen mit Schlafproblemen ihrer Kinder und berichteten, dass sie das Schlafprogramm ausprobiert und abgebrochen haben, weil sie es nicht aushielten. Wenn es also solche Eltern weiterhin gibt, können Sie sich hier direkt an Frau Kast-Zahn wenden. Vielleicht gibt sie ja dann im nächsten Interview an, dass es doch den ein oder anderen negativen Brief gegeben hätte – oder sie verschließt weiterhin die Augen vor diesem Umstand. Das übrigens tut sie gerne, wenn es um Belege dafür geht, dass das Schreienlassen negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung hat. Hinweise darauf kommentiert sie nämlich folgendermaßen:

Da möchte ich nun aber gerne eine Studie sehen, die das belegt. das ist doch nichts anderes als eine Behauptung, eine persönliche Meinung, eine Überzeugung! Seit Jahren bitte ich die Kritiker meines Buches, mir doch einmal wissenschaftliche Quellen für ihre Unterstellungen zukommen zu lassen.

Andere Fachleute scheint Frau Kast-Zahn nämlich abzustreiten bzw. hält sie sich im Kompetenzgerangel wohl für weit überlegen, wenn sie andere Ansichten abtut mit:

Aufsätze aus der Bindungstheorie oder ein Interview mit einer Stillberaterin, die für Co-Sleeping plädiert.

An dieser Stelle möchte ich gerne sagen: Liebe Frau Kast-Zahn, ich selber bin Diplom-Pädagogin mit diversen Zusatzausbildungen. Möchten Sie mir die Kompetenz, mich zu diesem Thema zu äußern, auch absprechen? Sind alle Menschen, die ihre Kinder nicht wie Sie selbst hinter einer Tür schreien lassen (denn Frau Kast-Zahn hat ihr Schlafprogramm natürlich bei ihrer Tochter selbst ausprobiert), nicht qualifiziert sich dazu zu äußern? Und denken Sie tatsächlich, dass Ihre Qualifikation höher zu betrachten ist als beispielsweise die eines Dr. Karl Heinz Brisch, Autor zahlreicher Bücher über Bindung und Bindungsstörungen, der zu eben solchen Schlafprogrammen sagt (2010, S.99):

Wenn das Baby weint, fühlt es sich hilflos und alleine. Wenn niemand kommt, ist der Stress sehr groß, aus dem es sich allein nicht befreien kann. Es macht hierbei die Erfahrung, dass es sich in Situationen von Angst und Alleinsein nicht darauf verlassen kann, dass seine Bindungspersonen ihm Schutz und Sicherheit geben. Diese emotionale Erfahrung verinnerlicht es schon sehr früh und für den Rest seines Lebens, so dass es sich eventuell auch später in angstvollen Situationen keine Hilfe mehr holen wird. Man stelle sich einmal vor, dass man als erwachsener Patient im Krankenhaus läge, in der Nacht große Schmerzen hätte und nach der Krankenschwester klingelte, aber niemand käme. Um wieviel verlorener muss sich ein Baby in der Nacht fühlen?

An dieser Stelle möchte ich nicht noch einmal auf die Auswirkungen des Schreienlassens auf das Kind eingehen, denn das habe ich an anderer Stelle ausführlich getan. Zur besseren Verdeutlichung des Zitats von Karl Heinz Brisch möchte ich jedoch noch auf dieses Video von Nestling verweisen:

 

Ich hoffe, dass Frau Kast-Zahn mit ihrer Meinung „Ich bin überzeugt, dass es weinenden Babys nicht schadet, kurz allein zu sein“ mehr und mehr allein dasteht und Eltern verstehen, dass Schreienlassen keine gute Idee ist, um Kindern Selbständigkeit anzuerziehen. Und dass sich zudem das Verständnis dafür durchsetzt, dass das nächtliche Aufwachen des Babys normal ist und  Frau Kast-Zahns Aussage „Wenn ein Baby auch im zweiten Lebenshalbjahr noch mindestens zweimal pro nacht wach wird und irgendwas von den Eltern braucht, hat es nach Definition der Schlafforschung eine Schlafstörung.“ bald der Vergangenheit angehört.

Nachtrag vom 17.01.2014 11:19 Uhr:
Ich habe nun von verschiedenen Stellen noch einmal den Hinweis bekommen, dass in dem Artikel auch folgendes Statement der ELTERN zu finden ist:

Wir von der ELTERN-Redaktion haben unsere Meinung zu Schlaflernprogrammen in den vergangenen Jahren geändert: Wir haben sie früher durchaus als Rettungsanker für übermüdete Eltern empfohlen, heute raten wir, einen Kompromiss zwischen Schlafbedürfnissen aller Familienmitglieder zu finden – ohne dem Babys den Stress eines Schlaflernprogramms zuzumuten.

Ja, das ist richtig. Doch dieser Artikel hier beschäftigt sich mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Antworten von Frau Kast-Zahn. Zudem ist trotz dieser Anmerkung nicht klar, warum überhaupt Frau Kast-Zahn einen solchen Raum für ihre Ausführungen erhält. Wäre nicht ein kritischer Artikel dazu sinnvoller gewesen? Oder ein Interview zusätzlich mit einem Autor wie dem oben genannten Karl Heinz Brisch, der die Angaben von Frau Kast-Zahn relativieren bzw. sogar umwerfen kann?

 

 

Selbständigkeit ermöglichen – Wie mein Kind im Bad an der Pflege teilhaben kann

Babys und Kleinkinder können oft mehr als wir ihnen zutrauen. Das betrifft nicht nur das Spiel und den Umgang mit Materialien, sondern ganz besonders auch die Handlungen des Alltags. Sie sehen uns täglich als Vorbild und wollen uns nachahmen. Aber gerade in Situationen wie der Pflege im Bad oder beim Essen lassen wir das oft nicht zu. Warum? Weil wir denken, dass es anders schneller geht, weil weniger gekleckert wird, weil wir denken, es gründlicher zu machen. Doch nur durch die Nachahmung kann das Kind auch lernen, seine Fertigkeiten verbessern und somit das Ziel erreichen, das wir uns wünschen: selbständiges Essen, Waschen, Anziehen.

Schon die kleinsten Babys kann man an der Pflege teilhaben lassen, wenn man mit ruhiger Stimme zu ihnen spricht, ihnen die Handlungen ankündigt und wartet, ob und wie sie reagieren. Liebevolle und achtsame Hände können abwarten, dass das Kind in seinem Rahmen an der Körperpflege teilhaben kann. Das fängt bei der Beachtung der Kindesbewegungen an und führt bis dahin, dass dem Kind selbst der Lappen oder ein Tuch gereicht werden kann, damit es selber auch waschen darf in seinem Rahmen. Emmi Pikler und Anna Tardos beschreiben die Möglichkeiten achtsamer Pflege sehr schön in dem Buch „Miteinander vertraut werden“.

Der Sohn ist nun schon so groß, dass er nicht mehr auf dem Wickeltisch gewaschen werden muss. Er fordert durch unser Beispiel und das der großen Schwester auch vehement ein, dass er selber teilhaben kann. Damit das möglich ist, ist es gut, die Rahmenbedingungen so anzupassen, dass er selbst wirksam sein kann. Was bei Babys ein passender Wickeltisch, nach Möglichkeit mit Gitter zum Festhalten, ist nun die Möglichkeit einer kleinen Treppe, damit er selbst am Waschbecken stehen kann.

Aus zwei Stufenhockern lässt sich schnell eine Treppe bauen, die er selbst erklimmen kann. Auf der obersten Ebene stehend kann er mit 14 Monaten dann selbst am Waschbecken stehen und die Hände reichen bis zum Wasserstrahl des Hahns. Die selbst erklommene Höhe kann er gut einschätzen und steht beim Waschen sicher. Was er für die Pflege selbst benutzen möchte, wird vorher in erreichbare Nähe gestellt: Seife, Waschlappen, Bürste, Handtuch. Zur Zahnputzzeit kommen auch Zahnbürste, Zahnputzbecher und Zahnpasta dazu. So ist es möglich, dass er selbst seine Hände wäscht, sich das Gesicht reinigt. Und natürlich spielt er auch etwas mit dem Wasser. Aber Spiel ist Lernen und weiterer Kompetenzerwerb – und schließlich hängt das Handtuch gleich daneben.

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Lieblingsspiel im 14. Monat: Sortieren und Stecken

Jetzt ist der Sohn schon 14 Monate alt. Und mit den Vorsätzen für das neue Jahr möchte ich endlich wieder die Serie der Lieblingsspiele aufnehmen, die ich mit 9 Monaten begonnen hatte. Vielleicht schaffe ich es ja auch, die fehlenden Monate noch nachzureichen, denn Fotos von den Spielen gibt es hier eigentlich viele.

Nun aber zum derzeitigen Lieblingsspiel: Das sind Sortier- und Steckspiele. Zu Nikolaus hat der Sohn ein Steckspiel bekommen, an dem ihn besonders die Türen interessieren, das sonst aber ziemlich unbenutzt herum steht. Viel spannender ist es nämlich, kleine Teile in Schüsseln zu legen oder durch kleine Öffnungen zu schieben. Ab und zu stellt er dabei fest, dass es schwierig ist, die eigenen Finger oder die ganze Hand wieder heraus zu bekommen – besonders, wenn die Hand problemlos in eine Dose hinein ging und dann aber nicht mehr hinaus, wenn er etwas in der kleinen Faust hält.

Neben Dosen und Schraubgläsern aller Art hat der Sohn nun Steck-Dosen für sich entdeckt, in die er gerne ausdauernd verschiedenste Dinge (große Holzscheiben, kleine Schlüsselringe, Büroklammern, Spielgeld, Puppenbesteck) hinein steckt, die Dosen schüttelt, um die Spielsachen wieder heraus zu bekommen, seine Hand hinein steckt, sie stapelt und und und. Solche Dosen zum Steckspiel kann sehr hübsch selber machen, wie bei Eltern vom Mars gezeigt wird. Für meine Arbeit in den Spielgruppen habe ich einmal fertige Fühldosen gekauft aus Plastik – eine Alternative für alle, die weniger gerne basteln. Mit größeren Kindern wie der Tochter kann man damit auch ein schönes Spiel machen, wenn in den Dosen Dinge versteckt werden und dann erfühlt werden soll, was sich in der Dose befindet.

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Und was bringt das Spiel dem Kind? Es übt sich dabei in Feinmotorik, erhält Informationen über Dreidimesionalität, lernt, dass Dinge auch weiterhin vorhanden sind, selbst wenn es sie nicht mehr sieht. Immer und immer wieder werden Dinge hinein gesteckt und wieder heraus geholt. Kleinkinder lieben diese Wiederholungen. Der Sohn hat darin auf jeden Fall momentan sein Lieblingsspiel gefunden.

Neujahrsputz

Neujahrsputz

Das neue Jahr hat begonnen und es ist Zeit für den Neujahrsputz. Zweifellos hätte nach den Feiertagen unsere gesamte Wohnung eine Grundreinigung nötig, aber das ist es nicht, was ich mit Neujahrsputz meine. Der Neujahrsputz bei mir ist ein Ausräum-Aufräum-Wegräum-Listenanfertigungsritual für einen guten Start ins neue Jahr.

Ich beginne gerne mit meinen Kindern zusammen im Spielzimmer. Wir räumen gemeinsam auf (soweit das funktioniert) und ich nehme schon ein paar Teile zur Seite, von denen ich weiß, dass die Kinder schon länger nicht damit gespielt haben. Die Entdeckerkugeln und Piklerbälle werden nicht mehr bespielt. Auch von den Bechern und Töpfen können wohl einige zur Seite. Für die Puzzle ist der Sohn noch zu klein, aber die Tochter spielt schon nicht mehr damit. Was nicht mehr bespielt wird, wird in einem großen Karton verstaut. Vielleicht hole ich es bald wieder hervor oder tausche es gegen etwas anderes ein. Aus der Kiste hervor hole ich ein paar Sortierspielzeuge, denn das ist gerade spannend für den Sohn. Ein paar Dinge gibt es auch, die wir wahrscheinlich gar nicht mehr benötigen. Sie kommen in die Kiste für den nächsten Kleidermarkt.

Und ich gehe auch den Schrank durch: Passen die Kindersachen noch? Muss etwas ausgebessert werden? Was genäht werden muss, kommt gleich auf den Stapel neben der Nähmaschine. Ich notiere mir auf der Neujahrseinkaufsliste, ob ich neue Flicken kaufen muss für die Knie. Im letzten Jahr hatten wir Motten und haben sie dann mit Schlupfwespen vertrieben. Über den Winter sind sie zum Glück nicht zurück gekommen. Sachen, die nicht mehr passen, kommen entweder in die Kiste der Sachen, die ich für eventuell kommende Geschwisterkinder aufbewahre oder in die Kiste für den Kleidermarkt. Die Kleidermarktkiste ist schon wieder ziemlich voll, es sind doch schon eher zwei Kisten. Wo ich gerade dabei bin, kann ich auch die Schuhe durchsehen. Passen Hausschuhe noch oder muss ich die Schlappen der Tochter schon für den Sohn heraus suchen?

Nach dem Spielzimmer ist das Arbeitszimmer dran. der Schreibtisch muss aufgeräumt werden. Gibt es noch Dinge aus dem alten Jahr abzuarbeiten? Neben der Neujahrseinkaufsliste ist auch die Neujahrsaufgabenliste wichtig: Welche Arzttermine stehen demnächst an? Die Kinder müssen wieder zur Prophylaxe zum Zahnarzt. Ich muss unbedingt die Fotos der letzten Monate bestellen und in die Alben einkleben – ich bin ganz schön hinterher. Da gerät auch schon der Stapel mit den Büchern in den Blick, die zur Rezension auf meinem Schreibtisch liegen. Auch hier muss ich mir eine Liste machen, welches zuerst dran ist. In meinem DIN A4 Kalender trage ich Blogartikel ein, die ich an bestimmten Tagen veröffentlichen möchte.  Auch die bereits geplanten Workshops werden mit ihren Orten eingetragen. Januar und Februar sind schon gut ausgefüllt, merke ich. Und zu welchen Kongressen will ich dieses Jahr fahren? Auf dem Attachement Parenting Kongress bin ich als Referentin eingeladen. Zur Jahrestagung der GfG in Dresden werde ich auch fahren – es warten dort viele spannende Vorträge. Und zur AFS nach Köln? Zur Re:publica werde ich in diesem Jahr auf jeden Fall gehen.

Im Bad gehe ich den Medizinschrank durch: Ist alles notwendige noch aktuell? Kohletabletten da, Lefax gegen eventuelles Trinken von Spülmittel? Fieberzäpfchen für absolute Notfälle? Pflaster und Verbände? Muss Abgelaufenes aussortiert und zur Apotheke gebracht werden? Was neu gekauft werden muss, kommt auf die Liste. Die Waschmaschine läuft einmal mit Waschmaschinenreiniger durch und das Einfüllfach muss auch gesäubert werden.

In der Küche wird der Vorratsschrank durchgesehen: Notfallessen, auch für größere Besuchergruppen, muss immer da sein. Auch Hefe und Mehl, um schnell mal Brot backen zu können. Ist eigentlich der Jahreszeitentisch aktuell? Der Gefrierschrank sollte auch mal wieder abgetaut werden. Ach ja, die Plazenta… Der Mann beschwert sich ja schon darüber.

So arbeite ich mich in der ersten Januarwoche von Zimmer zu Zimmer. Es ist immer auch ein kleiner Rückblick und gleichzeitig ein Ausblick auf das neue Jahr. Es macht Spaß, dieser spezielle Neujahrsputz. Es ist auch immer ein innerliches Aufräumen, nach dem ich gut in ein neues Jahr starten kann.

Der Abschied schmerzt immer – Warum 3 Monate keine namenlose Zeit sind

Himmel

Eine Freundin von mir hat ihr Kind in der 8. Schwangerschaftswoche verloren*. Sie war noch „ganz am Anfang“, wie es heißt. Kaum jemandem hatte sie davon berichtet aus der Angst, dass doch etwas „schief gehen“ könnte. Es ging schief. Sie verlor ihr Kind. Doch wie geht man damit um, wenn man niemandem etwas davon gesagt hat? Wie kann man seinen Schmerz in Worte fassen gegenüber Menschen, die vorher nichts wussten? Und warum überhaupt ist es so, dass wir drei Monate niemandem etwas sagen von dem neuen Leben, das in uns wächst?

Ich stellte mir bei jedem meiner Kinder die Frage, wann ich Freunden und Verwandten von der Schwangerschaft berichten sollte. Ich kenne diese „magische Dreimonatsgrenze“, wie alle Schwangeren sie kennen. Letztlich war es jedoch so, dass ich es erzählte, sobald ich es wusste. Einfach deswegen, weil ich es nicht für mich behalten konnte vor Glück und auch, weil ich wusste, dass es keinen Sinn macht, es zu verbergen. Wenn ich Glück haben würde und die Schwangerschaft über die drei Monate hinaus gehen würde, würde ich es sowieso erzählen. Wäre dies nicht der Fall, würde ich Trost und Zuwendung benötigen von den Menschen in meiner Nähe. Und in einigen Fällen, so war ich mir sicher, würden auch sie trauern wollen um das, was ich hätte verlieren können.

Die ersten drei Monate einer Schwangerschaft – Zeit, in der nichts passiert?

Die ersten drei Monate einer Schwangerschaft sind eine besondere Zeit. In ihnen passiert sowohl körperlich als auch psychisch viel bei den werdenden Eltern, besonders der Mutter. Der Hormonhaushalt verändert sich, die Periode bleibt aus. Das Hormon Progesteron bewirkt, dass man häufiger auf die Toilette gehen muss. Die Hormone bewirken auch – zusammen mit dem gesteigerten Stoffwechsel und niedrigem Blutdruck – Müdigkeit und Schwindel. Der Magen ist empfindlicher, die Nase ebenfalls. Progesteron und Östrogen wirken entspannend und machen den Darm träge. Das Schwangerschaftshormon hCG verursacht die in der Schwangerschaft bekannte Übelkeit. In den ersten Monaten findet meistens noch keine oder nur eine geringe Gewichtszunahme statt, obwohl zum Beispiel die Gebärmutter eine große Leistung in Hinblick auf das Wachstum erbringt. Sichtbar wird die Schwangerschaft zum Ende des 3. Monats dann oft eher am Busen, weil dieser wächst und sich bereits jetzt auf die Stillzeit vorbereitet.

Und auch psychisch tut sich in diesen Monaten sehr viel: Freude, Überraschung, Unentschlossenheit, Kummer, Sorgen, Glück,… Es gibt viele Gefühle, die in den ersten Monaten wahrgenommen werden. Schwangere stellen sich viele Fragen von der Notwendigkeit einer Feindiagnostik bis hin zum möglichen Geschlecht des Kindes. Mutter werden jetzt schon oder jetzt noch? Kann ich das, will ich das? Wie verkraftet unsere Beziehung das? Werde ich vielleicht Alleinerziehend sein?

Sowohl durch die körperliche als auch durch die psychische Umstellung sind Frauen in den ersten Monaten der Schwangerschaft in einem besonderen Zustand, in dem sie gerade besonders viel Zuwendung brauchen. Gerade jetzt brauchen sie Gesprächspartner, um Sorgen und Glücksmomente zu teilen. Sie brauchen konkrete Bezugspersonen, bei denen sie auch Rat einholen können: Was kann man gegen Übelkeit unternehmen? Ist es normal, so oft auf Toilette zu müssen? Gerade die ersten drei Monate sind also keine Zeit, in der eigentlich ein Geheimnis aus der Schwangerschaft gemacht werden sollte.

Guter Hoffnung sein ist heute nicht mehr einfach

„Guter Hoffnung“ sein – das gilt eigentlich auch schon für diese Zeit. Aber wer traut sich das heute noch, einfach so voll von guter Hoffnung zu sein? „Guter Hoffnung“ zu sein bedeutet nämlich auch, nicht vom Schlimmsten auszugehen, sondern davon, dass es gut und normal verläuft. Ja, es gibt Fehlgeburten. Und diese sind besonders in den ersten Monaten vertreten, wenn das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ herrscht. Das Risiko für eine Fehlgeburt hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Doch auch gerade über diese Ängste muss man sich austauschen können. „Guter Hoffnung“ zu sein, bedeutet, sich anderen anzuvertrauen und über den neuen Umstand sprechen zu können.

Vom richtigen Umgang mit einem frühen Abschied

Und wenn es doch passiert, der Verlust? Man ist nicht von heute auf morgen nicht mehr schwanger. Oft lassen die Schwangerschaftsanzeichen erst langsam nach. Auch wenn das Kind sich schon verabschiedet hat, braucht der Körper noch eine Weile, um das zu verstehen – und die Seele oft mindestens genauso lang, wenn nicht länger.

Wenn ein Kind geht, müssen wir uns verabschieden von Wünschen, Vorstellungen, Erwartungen. Mit dem positiven Schwangerschaftstest in der Hand wird eine Flut von Gedanken ausgelöst: Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Wie wird das Kind wohl aussehen? Wird es so gern malen wie ich oder mathematisch begabt wie der Vater? Was wird mit meinem Job, wie lange werde ich aussteigen? Wir machen uns Gedanken und es bilden sich Vorstellungen über eine Zukunft mit dem Kind. Vielleicht war die Schwangerschaft lange heiß ersehnt. Oder es gab schon zuvor Verluste. Gerade auch dann ist der Sturz vom Glückstaumel in die Trauer sehr groß. Doch wie auch immer die Ausgangslage war: Es gibt kein „trauriger sein“ als jemand anderes, der einen Verlust erlitten hat. Jeder Abschied ist schmerzhaft, ob es eine überraschende oder eine ersehnte Schwangerschaft war.

Und genau deswegen ist auch jeder Abschied es wert, betrauert zu werden. Ich habe schon oft von Frauen, die einen frühen Verlust in den ersten drei Monaten hatten, gehört, dass man in ihrem Umfeld erklärte, dass das ja noch kein richtiger Mensch gewesen sei, dass sie nicht traurig sein sollten oder dass sie froh sein sollten, dass der Verlust nicht später eingetreten ist, wenn es schon ein „richtiges Baby“ gewesen sei. Doch das ist nicht richtig. Das Kind nimmt nicht mit seiner Größe Gestalt in unseren Vorstellungen an, sondern mit seiner bloßen Existenz. Es gibt keinen geringeren Schmerz, nur weil das Kind erst wenige Millimeter groß ist. Ein Schmerz ist ein Schmerz.

Wer einen Verlust in der Schwangerschaft erleidet, hat jedes Recht darauf, zu trauern. Es ist gut, eine Hebamme an der Seite zu haben, die die Trauer begleiten kann. Es ist sehr wichtig, mit anderen Menschen über die Gefühle zu sprechen, die Trauer zu teilen, aufgefangen zu werden. Der Verlust eines Kindes ist ein Trauma. Zur normalen Bewältigung eines Traumas gehört es, mit nahen Menschen über das Erlebte zu sprechen. Oft muss mit mehreren Menschen wieder und wieder die Geschichte geteilt werden bis das Erlebte bewältigt ist und man es verarbeitet hat. Zahlreiche Internetforen und Blogs sind Beispiele dafür, wie wichtig es ist, sich mitzuteilen. Doch sie sind auch oft Beispiele dafür, wie wenig es im realen Leben, im Alltag, die Möglichkeit gibt, mit den Menschen der Umgebung über die Situation zu sprechen. Teils aus Scham, aus dem Gefühl, andere nicht belästigen zu wollen oder Freundschaften nicht zu überstrapazieren, wird dem Gespräch unter vier Augen aus dem Weg gegangen. Und zu einem großen Teil auch deswegen, weil man eben nicht weiß, wie man anfangen soll, wenn man den anderen noch nichts von seiner Schwangerschaft erzählt hat. Der Satz „Ich war schwanger…“ kommt nicht leicht über die Lippen.

Rituale können dabei helfen, einen Abschied in Worte oder in eine Handlung zu fassen. Gerade am Anfang, wenn man noch keine Kindsbewegungen gespürt hat, ist es manchmal schwer zu begreifen, dass das Baby nicht mehr da ist – man hatte ja schon kaum glauben können, dass es da war. Abschiede können auf sehr unterschiedliche Weise gestaltet werden. Es werden kleine Boote mit einer Kerze auf dem Wasser fahren gelassen, eine Skylaterne in die Luft geschickt oder es kann symbolisch etwas begraben werden.

Einen guten Blogartikel über die Erfahrungen einer Frau mit einem frühen Verlust in der Schwangerschaft habe ich hier gefunden.

Auch ein geplanter Abschied kann betrauert werden

Vor Jahren habe ich einmal eine Frau begleitet, die sich gegen die Schwangerschaft entschieden hatte. Es war ihre ganz persönliche Entscheidung – wie es immer eine ganz persönliche Entscheidung ist. Ich bewerte diese Entscheidungen nicht, denn es gibt keine Gründe, die wichtiger wären oder welche, die weniger wichtig sind. Man kann nicht sagen: „Also das ist nun wirklich ein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch.“ Oder „Das ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch“. Oft bleiben die wahren Gründe für alle Menschen außerhalb der eigentlich Person sowieso im Unklaren. Wer sich dafür entscheidet, hat seinen ganz persönlichen Grund. Wie ich es aus meiner Arbeit kenne, sind diese Entscheidungen meistens keine einfachen. Man entscheidet nicht nebenher und über Nacht, dass man eine Schwangerschaft abbrechen möchte. Die Frau, die ich begleitete, entschied sich in den ersten 10 Wochen dafür, das Kind nicht austragen zu wollen. Sie war traurig, bestürzt, auch wütend. Sie hatte Angst. Und sie trauerte. Sie trauerte noch während sie das Kind in sich trug, dass sie sich von ihm verabschieden müssen würde. Sie war verunsichert, wie sie sich verabschieden könnte, denn sie hatte kaum Menschen in ihren Umstand eingeweiht. Für sie war wichtig zu wissen: Hebammenhilfte steht einer Schwangeren auch im Falle eines medizinischen Schwangerschaftsabbruchs zu. So können mit der Hebamme alle Dinge besprochen werden und man hat einen vertrauten Partner an der Seite. Darüber hinaus brauchte sie jedoch auch ein Ritual, um Abschied zu nehmen von dem Kind, das sie in sich trug. Sie schrieb einen Brief an sich und das Kind, faltete ihn zu einem Boot und ließ ihn fahren. Doch sie hat damit nicht ihre Gedanken fort geschickt. Sie ließ sich eine Träne tätowieren auf die Brust über das Herz. Für dieses Kind, das sie nicht austragen wollte. Auch wenn es in den ersten drei Monaten war, hat sie es nie vergessen. Denn auch sie zählen, diese ersten drei Monate. Man ist nicht erst ab dem vierten Monat schwanger.

 

* Mit ihrer Genehmigung schreibe ich diesen Beitrag über ein Thema, das auch sie sehr beschäftigt hat.

 

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9 Monate Windelfrei – eine Bilanz

Töpfchen

Kürzlich hat Franzi von „Einfach klein“ eine Bilanz von 18 Monaten windelfrei gezogen und zu weiteren Berichten aufgefordert. Dem möchte ich hier gerne nachkommen und über unsere bisherige „windelfrei“-Zeit berichten. An anderer Stelle hatte ich ja bereits davon berichtet, wie wir zu windelfrei kamen: Vor vielen Jahren hatte ich einmal das Buch „Es geht auch ohne Windeln!“ gelesen und mir dann, nach der Geburt der Tochter gedacht, dass es aber gut auch mit Windeln geht. Dann kam einige Jahre später der Sohn in unser Leben. Und er war so völlig anders als die Tochter mit einem ganz anderen Temperament und anderen Bedürfnissen. Es dauerte einige Monate – 5 an der Zahl – bis ich merkte, dass sein häufiges Weinen mit seinem Ausscheidungsbedürfnis zusammen hing. Er wollte einfach nicht in seinen nassen Stoffwindeln sein! Und so nahm ich den Gedanken des „windelfrei“ also doch noch einmal auf und begann, ihn abzuhalten.

Obwohl man manchmal liest, dass es schwierig ist, mit „älteren“ Kindern zu beginnen, hatten wir keine wirklichen Startschwierigkeiten. Es schien so, dass der Sohn nur darauf gewartet hätte, dass bei mir endlich der Groschen fällt: „Endlich verstehst Du mein Signal!“, schien er mir zu sagen. Er war beglückt, dass ich ihn abhielt. Die englische Bezeichnung „elimination communication“ passt meiner Meinung nach hervorragend für die natürliche Säuglingspflege. Denn bei der Bezeichnung „windelfrei“ könnte man irrtümlicherweise annehmen, auf Windeln würde ganz verzichtet werden. Natürlich klappte es nicht immer. Das lag meist daran, dass ich mit anderen Dingen beschäftigt war und sein Signal einfach nicht wahrnahm, während ich mit der Tochter (die in dieser Zeit anfangs noch nicht in den Kindergarten ging) in eine Sache vertieft war oder gerade etwas im Haushalt machte. Oder unterwegs war und ihn nicht abhalten konnte, weil es zu kalt war, wir gerade im Auto saßen oder oder…

Dann kam der Sommer und damit eine einfache windelfrei-Zeit. Draußen Abhalten war durch angenehme Temperaturen möglich (auch wenn ich trotzdem weiterhin Stoffwindeln verwendete und ihn auch dort hinein machen ließ, wenn es nicht anders ging) und auch in der Wohnung konnte er nackt herumtollen. Natürlich ging auch mal was daneben. Auch mal öfter. Besonders in Zeiten von Umbrüchen (Entwicklungsschübe, Zahnen, Krankheit) änderten sich die Signale. Da ich das Windelflies nicht mehr benötigte, weil er seinen Stuhlgang sehr genau anzeigte und das so gut wie nie in die Windel gemacht wurde, entdeckte ich, dass Windelflies ideal ist, um damit Urin aufzuwischen und sauber zu machen, weil es so schön reißfest ist und später trotzdem mit den Stoffwindeln mitgewaschen werden kann. Der Mann war weiterhin etwas skeptisch und fragte manchmal, ob es in unserer Wohnung noch Orte geben würde, an denen noch kein Kind eine Pfütze hinterlassen hätte. Doch ich machte weiter.

Als der Sohn anfing, selbständig in den freien Sitz zu kommen mit etwa 8 Monaten, kaufte ich ein Töpfchen und setzte ihn, als er gut allein sitzen konnte, für das „große Geschäft“ auf das Töpfchen. Zunächst war es ungewohnt für ihn, weil er das Abhalten gewöhnt war. Dann aber, als er uns als Vorbilder sah und verstand, benutze er das Töpfchen zunehmend, irgendwann auch für Urin. Er veränderte seine Ansagen und machte nicht mehr mit Blicken oder Geräuschen auf sein Bedürfnis aufmerksam, sondern fasste gelegentlich demonstrativ an die Windel, um mir klar zu machen, dass er musste. Natürlich gab es auch weiterhin viele Situationen, in denen auch die Windel nass wurde. Gerade  während der Eingewöhnungszeit der Tochter im Kindergarten war es nicht möglich, dort richtig auf seine Signale zu achten bzw. darauf einzugehen. Wenn ich aber merkte, dass er musste und ich ihn nicht abhalten konnte, erklärte ich ihm, dass er nun leider in die Windel machen müsse und ich sie ihm dafür schnell wechseln würde. Ich bin mir sicher, dass er mich verstand.

Allerdings war und ist er in Sachen Abhalten sehr wählerisch: Er möchte nur auf sein eigenes Töpfchen gehen und bevorzugt auch unser Waschbecken und unsere Toilette. An anderen Orten tut er sich schwer damit. Er wartet und schüttelt den Kopf. Oft nimmt er dann doch lieber den Weg, in die Windel zu machen.

Um den 10. Monat kamen die ersten Wörter und um den 13 Monaten kamen auch „pullern“ und „Kacka“ in den Sprachgebrauch. Dabei ist „Kacka“ oft für Stuhl und Urin im Gebrauch und bedeutet so viel wie „auf Toilette gehen“. Damit wird windelfrei nun noch einfacher, weil er tatsächlich oft einfach ansagt, dass er auf Toilette muss oder zumindest, wenn er gerade in die Windel gemacht hat. An Tagen, an denen ich die Möglichkeit habe, gut auf seine Signale zu achten, kann ich ihn vollständig abhalten. Stuhlgang erledigt er ausnahmslos in sein Töpfchen.

9 Monate leben wir nun „elimination communication“. Und auch, wenn der Mann anfangs und zwischendurch immer wieder ziemlich skeptisch war, findet er es gut, wie es jetzt beim Sohn funktioniert und dass auch er ihn nun problemlos abhalten kann. Die Kommunikation um die Ausscheidungsbedürfnisse hat tatsächlich auch an unserer Beziehung oder vielmehr an meinem Bild vom Kind  verändert: Babys sind unglaublich kompetente, kleine Wesen. So, wie sie ihren Hunger, ihr Bedürfnis nach Nähe oder den Wunsch nach Unterhaltung ausdrücken, zeigen sie auch, wann und ob sie auf Toilette gehen müssen. Es ist nicht notwenig, ihnen beizubringen, ihr Bedürfnis in eine Windel zu verrichten, um es ihnen später wieder abzutrainieren. Wenn wir genau hinsehen, können wir ihr Signal tatsächlich deutlich wahrnehmen. In Kombination mit Stoffwindeln kann man zusätzlich auch einen guten Beitrag für die Umwelt leisten, in dem man Wegwerfwindelberge nicht weiter ansteigen lässt. Und es hat den großen Vorteil (sowohl bei windelfrei als auch bei der Verwendung von Stoffwindeln), dass die Haut im empfindlichen Windelbereich viel besser versorgt wird. Kein einziges Mal hatte der Sohn bislang eine Windeldermatitis. Für uns war und ist es der richtige Weg, „elimination communication“ zu betreiben, auch wenn ich mir das anfangs nicht hätte denken können. Aber auch wenn ich all diese positiven Wirkungen sehe, halte ich weiter auch daran fest: Natürlich geht es auch mit Windeln, und man ist trotzdem kein schlechte Mutter und kann eine gute, tiefgehende Beziehung mit seinem Kind haben! Kein Dogma, aber einen Versuch ist es wert, oder?

 

 

Es weihnachtet, es weihnachtet – Was bei uns unter dem Weihnachtsbaum liegen wird

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Nachdem die Tochter nach dem unschönen Treffen mit dem Weihnachtsmann festgelegt hat, dass sie doch lieber Besuch vom Christkind haben möchte, ist nun natürlich die große Frage, was unter dem Baum liegen wird. Ob es das sein wird,  was sie sich per Brief an den Weihnachtsmann gewünscht hat?

Ich weiß ja schon, was das Christkind bringen wird. In diesem Jahr stehen die Weihnachtsgeschenke unter dem Motto: Ich kauf im Kiez/regionale Handarbeiten. Deswegen wird hier in diesem Jahr nichts bei Amazon und Co. bestellt, sondern alles per Hand ausgewählt in kleinen Läden oder Handgemachtes über Dawanda bestellt. Und was das für die Geschenke bedeutet, erfahrt ihr nun:

Die Tochter hat sich zu Weihnachten einen Bauernhof gewünscht, denn ihr liebster Ort ist der Pony-/Bauernhof, auf dem wir immer unsere Ferien verbringen. Bestellt haben wir für sie deswegen einen Bauernhof und einen Stall bei „Die Holzfarm„. Bestückt wird dieser dann noch mit Schleich-Tieren, die sie sich ebenfalls gewünscht hat und die ich in den kleinen Spielzeugläden bei uns im Kiez kaufe.

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Der Sohn hat ja noch keinen eigenen Wunschzettel geschrieben, ist aber immer sehr hinter der Lieblingspuppe der Tochter her. Und weil diese Puppe so zauberhaft und langlebig ist, habe ich die wunderbare Maja Hommel von moyoh angeschrieben, ob sie nicht eine Puppe für den Sohn anfertigen kann: Ein Junge soll es sein mit roten Haaren. Sogar die Kleidung konnte ich mir aussuchen. Die Puppen werden aus hochwertigen Naturmaterialien angefertigt und sind einfach ganz wunderbar schön. Die Puppe der Tochter ist nun schon bald 4 Jahre alt und noch immer ein Herzstück – wenn auch mittlerweile etwas angegraut im Gesicht und an den Beinen. Und wie er so in seiner Kiste liegt und auf den großen Abend wartet, an dem er in die kleinen Arme des Sohns geschlossen wird, bin ich mir sicher, dass es eine mindestens ebenso große Liebe wird wie bei der Tochter und ihrer Lieblingspuppe. Für die Lieblingspuppe der Tochter gibt es übrigens noch ein neues Kleidchen dazu, damit sie neben dem neuen Puppensohn auch wieder frisch und munter aussehen kann.

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Und auch bei allen anderen Geschenken halte ich mich an mein diesjähriges Weihnachtsmotto. Viele zauberhafte Dinge gibt es vom Basar oder dem Weihnachtsmarkt. Handgemachte Dinge mit viel Herz. Und für die Herzfreundinnen gibt es auch die ein oder andere Kleinigkeit, auch versehen mit selbstgemachten Dingen wie den Rosenperlen.

Eltern sein und Paar bleiben – über 6 Jahre Ehe

Ehe

Am Wochenende hatten wir unseren 6. Hochzeitstag. 6 Jahre sind wir verheiratet, 8 Jahre zusammen. Unsere große Tochter wird im März 5 Jahre, unser Sohn ist 14 Monate alt. Also blicke ich nun auf eine lange Zeit zurück, die wir schon als Familie verbracht haben und auch darauf, wie wir uns verändert haben in diesen Jahren.

Als wir uns kennen lernten, haben wir beide noch studiert. Ich Kleinkindpädagogik in Berlin, er Kulturwissenschaft (Medien) in Weimar. Als ich ihm das erste Mal sagte, was ich studieren würde, verstand er „Kleinkindpathologie“ und fand mich erst einmal etwas merkwürdig, bis wir dieses Irrtum ausgeräumt hatten. Wir heiraten für uns beide in Venedig. Allein, ohne Familie. Es war für uns ein wunderbares Fest und nun, im Nachhinein, bildet es auch da schon ab, wie wir sind und wie wir leben: Wir beide reichen uns, wir stehen beieinander, wir teilen unser Leben miteinander. Wir sind auch gerne mit anderen zusammen und haben auch jeder ein eigenes Leben mit eigenen Freunden, aber in erster Linie sind wir beide es, die beieinander stehen.

Manchmal lese ich Sätze wie „Das Wichtigste in meinem Leben sind meine Kinder“. Natürlich sind meine Kinder in meinem Leben wichtig, aber mein Partner ist es nicht weniger. Ich weiß wie schlimm es ist, wenn man als Eltern ein Kind verliert – mein Bruder starb vor 13 Jahren und ich habe gesehen, welche Wunden das hinterlässt. Und doch würde ich nicht denken, dass ich den Tod meines Partners „besser“ verkraften könnte, wie man es manchmal hört.

Natürlich haben auch wir unsere Krisen. Erstaunlicherweise sind es gerade die Abschiede von nahen Menschen, die uns oft in Krisen führten. Als meine Großmutter starb war das für mich der Zeitpunkt, darüber nachzudenken, dass ich nun selbst eine Familie gründen muss oder mich trennen müsse. Wir haben dann im selben Jahr geheiratet. Als seine Großmutter starb, gab es wieder einen entscheidenden Wendepunkt in unserer Familiengeschichte, der uns auch diesmal wieder näher zueinander brachte.

Unser Alltag ist oft nicht einfach. Wir haben zwei Kinder, die auf ihre Weise sehr speziell sind. Und auch wenn ich in Elternzeit bin, ist mir meine Arbeit wichtig. Ich schreibe Bücher, führe dieses Blog, gebe Workshops, setze mich für natürliche Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft ein. Und das Leben meines Partners ist nicht weniger angefüllt mit Arbeit, Dissertation, Projekten, Podcasts und und und. Kurz: Unser beider Leben ist recht ausgefüllt und das auch noch mit ganz verschiedenen Dingen. Aber gerade das ist es, was es auch spannend macht. Jeden Abend am Esstisch sitzen wir zusammen und berichten uns unseren Tag. Was wir mit wem gemacht haben, was für Spannendes gelesen oder gehört haben. Wir hören genau zu. Und auch wenn es gar nicht unser Spezial- oder Lieblingsthema ist, sind wir präsent. Wir merken uns die merkwürdigen Namen der Freunde des anderen, die wir vielleicht noch nie gesehen haben. Wir wertschätzen die Arbeit des anderen – ob sie nun Geld bringt oder nur ideellen Wert hat. Und wir wertschätzen das Zusammensein mit den Kindern. Wir wissen, dass die Zeiten manchmal hart sind und versuchen so gut es geht, es zusammen hin zu bekommen. Und wenn die Tage noch so anstrengend sind und man einfach fertig ist mit den Nerven, dann gibt es immer noch ein verzweifeltes Lachen des anderen, das einen wissen lässt: Hey, es ist gerade echt mies, aber es wird besser und wir sitzen im selben Boot.

Mein Leben hat sich in diesen 6 Jahren sehr verändert. Ich habe mich sehr verändert. Und natürlich hat sich auch mein Mann verändert. Niemals hätte ich – als ich vor sechs Jahren einen glatt rasierten Mann in Venedig küsste – gedacht, dass ich heute mit einem vollbärtigen Kapuzenpulloverträger zusammen leben würde. Wir hatten viele wundervolle Momente in diesen sechs Jahren und bei zwei Geburten hätte ich ihm fast die Hände gebrochen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal einen Menschen finde, den ich ohne Wimpernzucken in meine Bettpfanne im Krankenhaus schauen lasse oder der mit mir zusammen über einen Spielzeugeimer hängt, während wir den Noro-Virus durchstehen. Elternsein verändert viel im Leben und in Beziehungen. Aber es ist auch eine wunderbare Chance, jemandem so ganz und gar sein Ich anzuvertrauen und mit einem Menschen einfach zu sein und zu leben. Keine Sekunde dieser sechs Jahre würde ich missen wollen.

Die Online-Eltern – warum es nicht schlimm ist, einem Onlineclan anzugehören

 

Erst kürzlich kursierte u.a. auf Facebook wieder ein Artikel darüber, wie viel heutige Eltern am Smartphone hängen würden und welch schlimme Auswirkungen das auf die kindliche Entwicklung haben würde. In dem Artikel „Eltern ständig am Handy – Kinder werden depressiv“ wird betont, dass das Smartphone zu einem Konkurrent der Kinder geworden ist:

Denn für die Kleinen ist die Konkurrenz durch das Smartphone der absolute Horror. «Sie können dadurch sogar depressiv werden», warnt Grieder.

Neu ist diese These nicht, denn auch schon 2011 wird vor den „Unerreichbaren Müttern“ gewarnt. Und auch sonst hört oder liest man es oft: Eltern sind zu viel am PC oder Telefon und damit bei Twitter oder sonstwo. Dass Eltern heute viel  Socialmediakanäle nutzen, ist klar. Die Fragen dazu lauten aber eigentlich: Warum machen sie das? Hilft es ihnen vielleicht gerade in ihrem Elternsein? Brauchen Kinder andauernde Aufmerksamkeit und ist das so vorgesehen?

Was Eltern brauchen sind andere Eltern

Beginnen wir also ganz am Anfang: Wir haben eine Mutter, die gerade zum ersten Mal Mutter geworden ist. Sie wohnt in einer schönen Stadt. Es ist nicht ihre Geburtsstadt, denn dort musste sie wegen ihres Jobs wegziehen. Ihre Eltern wohnen noch in der Geburtsstadt, ihre Geschwister sind – durch andere Jobs – in anderen Städten gelandet. Und selbst in dieser Stadt, in der sie nun wohnt, ist sie schon mehrfach umgezogen. Die Nachbarn kennt sie vom gelegentlichen Paketeabholen. Nun also ist sie Mutter. Sie hat zwar eine Hebamme und geht auch ab und zu zu einem Babykurs, aber dazwischen, da googelt sie nach Begriffen wie „Muttermilchstuhl“ oder „rote Pickel Hals Baby“. Sie ist eine von vielen, vielen Müttern.

Was Eltern ganz besonders brauchen in der Elternschaft sind eigentlich andere Eltern. Sie brauchen Austausch und Informationen. Sie müssen sehen, wie andere mit Babys umgehen und wie ein Baby gestillt wird, damit das auch beim eigenen klappt. Eltern brauchen andere Eltern. Würden wir mit anderen Familien eng zusammen leben (und zwar nicht durch dicke Mauern getrennt), würden wir sehen und hören, dass auch andere Babys (und Kinder) nicht durchschlafen. Wir würden sehen, was gemacht wird, wenn ein Baby Bauchweh hat und – das Beste – wir würden uns gegenseitig unterstützen und abwechseln. Dass wir vereinzelt leben in abgetrennten Wohnungen ist nämlich relativ neu in der Geschichte der Menschheit. Wir sind es nicht gewohnt, allein zu sein. Und wir sind es besonders nicht mit kleinen Kindern. Denn gerade dann brauchen wir andere. Wir brauchen Hilfe und Unterstützung.

Das Artgerecht-Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns an eben dies zu erinnern: „Allein mit Kindern sein – das ist weder für Erwachsene noch für Kinder artgerecht“. Bei Artgerecht-Treffen können Eltern Kontakte knüpfen, sich verbinden, einen Clan gründen. Das ist es, was wir eigentlich brauchen. Aber im Alltag ist das manchmal nicht so möglich. Vielleicht gibt es in der Nähe keine Artgerecht-Treffen oder es stehen eben doch noch viele andere Dinge auf dem Programm. Ganz allein sein, das können wir aber auch nicht. Wir brauchen den Austausch. Und natürlich liegt es nahe, dann die Kanäle zu nutzen, die man hat. So wird auf Twitter mitgeteilt, dass das Baby nicht schläft und man am Rande des Nervenzusammenbruchs ist. Man zeigt auf Instagramm Fotos vom Sprössling und tauscht sich in Gruppen auf Facebook darüber aus, welche Windeln man benutzen sollte oder was man von Durchschlaftipps hält. Eltern schaffen sich so eine Art medialen Clan. Sie sind in einer Gemeinschaft, die den Rücken stärkt, Hilfe bietet, tröstet, lobt, bestärkt. Sie hören von anderen Eltern in ganz Deutschland oder gar der ganzen Welt, dass Kinder überall nicht durchschlafen, lange gestillt werden und bei Mama und Papa mit im Bett schlafen wollen.

Natürlich ersetzt das Internet keine Freundschaften und auch nicht die Müttergruppe, mit der man nachmittags gemeinsam Kaffee trinkt. Aber es erweitert diese Möglichkeiten. Auch außerhalb eines Treffens oder eines Kurses wie FABEL, der Eltern in der Erziehungskompetenz stärkt und ihnen Informationen an die Hand gibt für den Alltag, haben Eltern die Möglichkeit zum Austausch. Und zwar rund um die Uhr. Wenn das Baby nachts um zwei eine Spielstunde veranstalten will, findet man auf Twitter ganz sicher Eltern, die aus irgendeinem Grund auch wach sind. Man ist nicht allein. Nie. Genau, wie es eigentlich für uns vorgesehen ist, denn – um es noch einmal zu wiederholen – wir sind soziale Wesen und ziehen Kinder eigentlich in Gemeinschaft auf.

Natürlich bedeutet das nicht, dass wir uns hinsetzen sollen und permanent in Anwesenheit der Kinder auf das Handy starren und tippen und auf Antworten warten sollen. Es ist wohl auch eher die Minderheit, die so vorgehen mag. Gut ist es natürlich, sowieso vorhandene Freizeiten für den Austausch im Netz zu wählen, etwa während des Nachmittags- oder Nachtschlafes. Aber natürlich darf man auch mal zwischendurch eine Nachricht versenden, etwas lesen oder telefonieren. Kompetenter Umgang ist gefragt. Und auch für die Kinder ist es gut, wenn Eltern den Ärger und Frust einmal nicht hinunter schlucken müssen, sondern anderen davon berichten können. Und natürlich ist es schön, auch mal von den Sonnenseiten des Elterndaseins vorzuschwärmen.

Eltern müssen nicht immer aufmerksam sein

Wie sollen Eltern denn nun eigentlich sein? Widmen sie ihren Kindern viel Aufmerksamkeit, werden sie gleich als Helikoptereltern beschimpft und durch die Presse gezogen. Machen sie es nicht, sind sie unempathische Soziopathen mit Smartphone. Es ist nicht einfach, Eltern zu sein. Man scheint sich permanent auf einem schmalen Grad zu bewegen. Doch schauen wir auch hier einmal, was die Natur vorgesehen hat: Sind Eltern wirklich diejenigen, die immer in der Nähe der Kinder saßen und jederzeit ansprechbar und mitteilsam waren? Das waren sie wohl kaum. Natürlicherweise gehen Eltern eben auch ihren Beschäftigungen nach. Sie arbeiten (idealerweise auf eine Art, die das Zusammensein mit den Kindern ermöglicht), sie kochen, waschen, putzen, unterhalten sich mit anderen. Sie sind eben nicht nur und ausschließlich auf die Kinder fokussiert. Leider hat sich unser Leben sehr gewandelt und wir arbeiten und leben nicht in Gemeinschaft und haben dadurch wenig Vorbilder. Und sicher ist es wichtig, in vielen Dingen auch einen Weg zurück zu finden und uns auf das Ursprüngliche wieder zu besinnen und für unser Leben zurück zu erobern. Doch unsere Fortschritte lassen sich nur schwer oder gar nicht rückgängig machen. Deswegen ist es gut, diese Neuerungen auf sinnvolle Weise zu nutzen und uns damit das nachzubilden, was wir brauchen. Kann man mitten in der Nacht keine Clanmitglieder persönlich fragen, was mit einem bei 40°C fiebernden Kind macht, tut man das auf Twitter oder Facebook. Das bedeutet nicht, dass man unaufmerksam ist, als Eltern versagt, weil man es nicht weiß. Es bedeutet nur, dass man sich Hilfe holt, wie es normal für uns ist.

Wie würden Eltern sein, die sich nur auf das Kind konzentrieren? Die allein mit Kind in der Wohnung sitzen und von morgens bis abends Kaufmannsladen und Mutter-Vater-Kind spielen würden? Wahrscheinlich ziemlich unglücklich. Und ja, man hat schließlich auch andere Dinge noch zu tun. Man muss den Haushalt, das Alltägliche erledigen und hat dabei auch nicht immer die Kinder im Auge.

Das ist auch gut. Denn Kinder brauchen auch Freiraum, um sich zu entwickeln. Sie müssen Möglichkeiten des Ausprobierens haben außerhalb des aufmerksamen elterlichen Blicks. Sie müssen auch Falsches tun und erfahren dürfen – unter dem permanenten Blick der Eltern ist das nicht möglich. Eltern müssen nicht 100 Prozent jederzeit bei ihren Kindern sein. Der 1886 geborene britische Kinderpsychoanalytiker Donald W. Winnicott entdeckte bereits, dass “zu gute Mütter” (too good mothers) keinesfalls das sind, was Kinder benötigen. Während das Baby am Anfang des Lebens mit seiner Mutter noch ganz verschmolzen und symbiotisch ist und Mütter bestenfalls prompt auf seine Bedürfnisse reagieren, brauchen Babys für ihre Entwicklung jedoch zunehmend auch ein gewisses Maß an Unzufriedenheit für ihre Entwicklung. Winnicott entdeckte, dass Mütter zunehmend weniger und weniger perfekt auf ihr Kind eingehen – und dies parallel zu den wachsenden Fähigkeiten des Kindes, damit umgehen zu können. Das bedeutet: Anfangs reagieren Mütter bestenfalls prompt und richtig auf das Baby. Mit der Zeit reagieren sie aber weniger schnell und lassen das Baby auch mal ein wenig quengeln, wenn es nicht an das Spielzeug heran kommt. Und dies hat eine ganz wichtige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes: Es lernt nämlich dadurch, dass Bedürfnisse nicht sofort erfüllt werden müssen, sondern auch etwas aufgeschoben werden können. Hierdurch kann es auch lernen, sich selbst zu regulieren, weil es eigene Beruhigungsstrategien findet. Das Baby erfährt, wie man mit negativen Gefühlen umgehen kann. Auch kann es hierdurch zur weiteren Entwicklung angeregt werden: Wer sofort alles gereicht bekommt, wenn er etwas quengelt ist nicht darauf angewiesen, sich selbst zu bewegen. Ein gewisses Maß an Unzufriedenheit ist also durchaus als Motor der Entwicklung zu betrachten. Umgekehrt wird einem Baby, dem jeder Wunsch schon von vornherein “von den Augen abgelesen wird”, um die Fähigkeit gebracht, sich selbst zu verstehen. Es lernt keine Selbstwirksamkeit, weil es nicht erfahren kann, dass es sich auch selbst helfen kann und darf. Winnicott findet daher, dass die “good enough mother” der “too good mother” gegenüber vorzuziehen ist. Wir müssen also nicht Supereltern sein, sondern einfach nur hinreichend gut!

Kinder brauchen andere Kinder

Natürlich bedeutet all dies nicht, dass Eltern nur noch Onlineaustausch benötigen und es kein Problem ist, wenn sie ständig auf das Handy schielen. Selbstverständlich kommt es auf das richtige Maß an. Aber wir brauchen auch kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir unseren Alltag online teilen. Wir müssen uns nicht ständig nur und ausschließlich auf die Familie konzentrieren. Wir dürfen uns austauschen, Rat und Unterstützung holen. Es ist normal. Und es hilft in so vielen Momenten.

Was wir dennoch nicht vergessen dürfen: Auch Kinder brauchen Gemeinschaft und Austausch. Sie brauchen konkrete, wirklich anwesende Personen zum Spiel, zur Auseinandersetzung, zum Lernen. Sie brauchen einen real vorhandenen Clan und Erfahrungen außerhalb der eigenen vier Wände. Und deswegen ist es wichtig, dass wir uns nicht nur online austauschen und einigeln, auch wenn wir dort jederzeit Antworten und Gemeinschaft finden können. Was für uns vielleicht eine gute Alternative ist bei mangelnden realen Kontakten, ist es für die Kinder nicht. Für sie müssen wir auch außerhalb von Twitter und Facebook Gruppen finden und Gleichgesinnte. Für sie und mit ihnen besuchen wir Babykurse und Krabbelgruppen und suchen auf Spielplätzen und in Turngruppen Menschen, die zu uns passen und mit denen wir auch im realen Leben ein Netzwerk aufbauen können. Aber wenn wir das haben, wenn wir gut eingebunden sind, dann spricht nichts dagegen, dass wir auch mal das Handy zücken und dort Gemeinschaft suchen und haben.