Monat: November 2016

Loslassen – das erste Kind ist Lehrmeister*in

Es geht immer wieder um das Loslassen: Das Loslassen des Babys bei der Geburt, das Gebären. Dem Baby Freiheit geben und Nähe. Das Baby und Kleinkind Erfahrungen sammeln lassen, es nicht vor allem behüten, sondern Lernerfahrungen ermöglichen, damit es sich sein Bild von der Welt machen kann. Das Kind bei anderen Menschen sicher wissen, es irgendwann auf Kindergeburtstagen allein lassen. Übernachtungen bei Freund*innen. Irgendwann wird es einkaufen gehen und allein zur Schule gehen. Das erste Mal ausgehen abends. Die erste lange Reise allein mit Freund*innen. Wir Eltern müssen immer wieder vertrauen, immer wieder loslassen. Denn es ist richtig und gehört dazu. Aber es fällt so schwer – gerade beim ersten Kind.

Die ersten Kinder sind immer besonders, denn alles ist neu und als Elternteil muss man sich erst einmal heranfühlen an das Leben als Elter: an die Nähe und auch die Sicherheit, dem Kind Raum für sich zu geben. Sie sind so klein, so zerbrechlich und wir Eltern wollen sie beschützen und umhegen und natürlich wollen wir nicht, dass es ihnen schlecht geht, dass sie sich verletzen oder negative Erfahrungen machen. Beim zweiten Kind haben wir viel Wissen schon in uns, wir können mit vielen Dingen entspannter sein und auch ein Auge zudrücken, denn wir haben gemerkt: es schadet ja nicht. Oder es liegt außerhalb unseres Möglichkeitsraums. Das zweite Kind bekommt vom größeren Geschwisterkind heimlich ein Stück Schokolade zugeschoben – in einem Alter, als das große Kind nichtmal wusste, dass es das gibt. Das zweite Kind darf viel früher abenteuerlichere Sachen machen, weil wir wissen, dass Kinder das eben können. Und ein wenig wird es so mit jedem weiteren Kind entspannter.

Aber das erste Kind bleibt immer erstes Kind, immer Vorreiter in allem. Denn mit ihm erleben wir Eltern auch weiterhin immer erste Situationen, auch wenn es größer wird. Beim ersten Kind sind wir immer wieder auch Anfängereltern, denn nie zuvor hatten wir ein Schulkind, nie zuvor die Pubertät eines eigenen Kindes erlebt. Das erste Kind fordert uns immer wieder neu zum Loslassen heraus und ebnet den Weg dafür, dass wir später wissen, wie es richtig geht.

Auch für mich ist mein erstgeborenes Kind noch immer eine große Lehrmeisterin des Loslassens. Heute geht es nicht mehr um die Babythemen. Ich habe gelernt, all diese Dinge gut zu meistern. Doch im Alltag mit meinem großen Kind stellen sich mir neue Herausforderungen und Ängste und Sorgen, über die ich nun erstmals neu springen muss, um den Weg mit den anderen Kindern gelassener zu gehen.

Als mein Kind in dieser Woche auf einmal nicht wie immer am Abholtreffpunkt nach der Schule war und auch nicht in der Schule oder der Nähe davon, war das für mich eine große Herausforderung. Es war einfach nach Hause gegangen, weil es mich überraschen wollte und wir haben uns wohl irgendwie verpasst. Im zweiten Moment – nach dem Erschrecken, nach einer Träne der Erleichterung – blickte ich mein Kind an und sah, dass es nun wirklich schon ganz schön groß ist. Und dass es wohl längere Wege schon allein zurück legen kann, weil es sich das zutraut. Und ich muss lernen, dass es sich das zutraut und dieses Gefühl richtig ist. Flügel geben bedeutet manchmal, über den eigenen Schatten zu springen.

Eure

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Der Dank kommt später – und in den kleinen Dingen

Ich habe drei Wochen mit kranken Kindern hinter mir von einer normalen Erkältung über Bronchitis, Magen-Darm bis Mittelohrentzündung. Drei Kinder, die sich mit dem Kranksein abwechselten oder auch mal gleichzeitig krank waren. Ich habe Tees gekocht, Brustwickel angelegt, Eimer gehalten, Kinder gebadet, vorgelesen, Fieber gemessen – was man eben so macht mit krankem Kind. Und mein Mann ebenso. Drei Wochen, nach denen ich wirklich ziemlich erschöpft bin von all dem Kranksein, kurzen Nächten, vom ständigen Auf-den-Beinen-sein und wenig Ruhe. Wären meine Kinder Erwachsene, würde ich mir von ihnen ein Dankeschön wünschen. Ein paar Worte des Dankes für all die Anstrengungen. Und würde ein erwachsener Mensch keine Dankbarkeit zeigen, wäre ich wohl ziemlich verärgert – obwohl man Gutes nicht wegen des Dankes danach tut. Aber ein wenig erwartet man es eben doch danach. Die Kinder sind nicht dankbar, sie haben eher schlechte Laune, denn die gewohnte Bewegung fehlt ihnen und auch sie sind erschöpft vom langen Kranksein.

Kinder müssen nicht dankbar sein in dem Sinne, in dem es Erwachsene sind. Sie sind Kinder. Sie sind da, weil wir sie zu uns eingeladen haben. Sie denken noch nicht wie Erwachsene, sie handeln nicht wie Erwachsene. Sie sagen nicht artig: „Vielen lieben Dank dafür, dass Du mich gepflegt und Suppe ans Bett gebracht hast.“ Im besten Fall ist es für sie selbstverständlich, dass wir uns um sie sorgen und wir einfach immer da sind, bedingungslos. Im besten Fall erwarten sie es, weil es eben normal ist, dass sich andere Menschen um sie kümmern und sie nicht allein lassen mit ihren Beschwerden und Bedürfnissen. Im besten Fall fühlen sie sich einfach geliebt und können sich nichts anderes vorstellen.

Ich hoffe, dass eines Tages irgendwann einmal meine Kinder denken, dass sie eine schöne Kindheit hatten. Dass sie sich auf ihre Bindungspersonen verlassen konnten und sie sicher für sie da waren. Das wäre der Dank, den ich mir wünsche. Sie müssen es nicht in Worte fassen, sondern sollen es in sich spüren. Der Dank ist, dass sie glückliche Menschen werden, die sich geliebt fühlen.Bis dahin jedoch kann ich mich auch an den kleinen Dingen des Alltags festhalten, die mir Dank sind für das, was ich den Kindern mit auf den Weg geben möchte: Momente, in denen sie liebevoll zueinander sind. Oder wenn sie anderen Kindern helfen. Wenn der Kummer eines anderen sie nicht kalt lässt, sondern auch sie helfen wollen. All diese kleinen Momente zeigen mir, dass sie wissen, was Empathie bedeutet, weil sie sie vorgelebt bekommen. Sie lernen, sich einzufühlen in andere, weil andere sich in sie einfühlen und mitfühlen. Sie lernen durch uns als Vorbilder den Umgang mit anderen Menschen.

Für die großen Gefühle, das Schulterklopfen und das Lächeln zum Durchhalten sind nicht die Kinder zuständig. Dafür benötigen wir andere erwachsene Menschen, die uns das Gefühl geben, dass wir unsere Sache gut machen und die uns anerkennend zunicken. Denn ja: manchmal ist es einfach anstrengend und wir brauchen das Lob und den Dank eines anderen, um diese Zeiten gut durchzustehen – aber eben nicht von unseren Kindern.

Eure

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Das Baby will nicht essen: Beikost ist Bei-Kost

Nun habe ich das dritte Kind an meiner Seite, dem ich langsam den Familientisch näher bringe. Wie auch bei den anderen Kindern, kann das Kind von Anfang an unsere Familienspeisen mitessen, wenn es das möchte. Das Tempo gibt mein Kind vor: Es bestimmt, wie viel es isst, wann es isst, was es isst und wann es doch lieber nur Muttermilch möchte. Denn Beikost ist einfach nur Bei-Kost.

Oft ist zu lesen „Stillen ist mehr als Nahrung“, doch dass auch Beikost und eigentlich jede Mahlzeit am Familientisch mehr als nur Nahrungsaufnahme ist, wird oft vergessen.

Susanne Mierau – Geborgen wachsen

So viele Dinge lernt das Baby kennen, die es nicht kannte. Eine ganze Welt, ein ganzes Leben außerhalb der Gebärmutter. Es will die Dinge mit allen Sinnen erkunden und freut sich darüber, Sachen zum Mund zu führen und dort zu erfahren, wie es schmeckt, wie es sich anfühlt. Irgendwann merkt es, dass Nahrungsaufnahme auch satt macht. Manche Babys beginnen schneller damit, größere Mengen Nahrung zu sich zu nehmen, andere brauchen mehr Zeit dafür. Es gibt auch hier nicht den einen immer richtigen Weg. Deswegen können Gläschenmengenangaben für Eltern so verwirrend sein: Manche Babys haben noch mehr Appetit als das Glas an Nahrung anbieten konnte, andere essen niemals die ganze Menge auf. Manchmal schwankt das auch von Tag zu Tag – wie bei uns Erwachsenen. Manchmal kommen Erkältungen oder andere Erkrankungen dazwischen und das Baby kehrt zurück zur ursprünglichen Ernährungsform Muttermilch oder Prenahrung und beginnt danach erst langsam wieder andere Nahrung zuzulassen.

All das ist normal, all das ist richtig und kein Anlass zur Sorge. Beikost heißt Bei-Kost, weil es die Nahrung ist, die zum Hauptnahrungsmittel Muttermilch bzw. Prenahrung gegeben wird. Doch Kinder müssen damit im zweiten Lebenshalbjahr noch nicht den Hauptteil ihrer Nahrung bestreiten. Sie müssen auch nicht zum ersten Geburtstag auf das Essen der Familie vollständig umgestellt sein. Dr. Carlos González schreibt in seinem schönen Buch „Mein Kind will nicht essen“ (2008, S. 138) dazu: „Das einzige Lebensmittel, das ausschließlich – zumindest in einem bestimmten Lebensabschnitt – alle Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen vermag, ist Muttermilch. Ein Neugeborenes wird 6 oder mehr Monate lang allein mit Muttermilch optimal ernährt; aber keiner, weder ein Kind noch ein Erwachsener, wäre optimal ernährt, wenn er 6 Monate lang nur Fleisch, nur Brot oder nur Orangen essen würde. Das bedeutet nicht, dass Fleisch, Brot und Orangen „keinen Nährwert“ besitzen, sondern nur, dass sie von anderen Lebensmitteln ergänzt werden müssen. Ergänzt, nicht ersetzt.“

Dass Muttermilch so lange Babys gut nährt, liegt an ihren vielen Inhaltsstoffen und ihrem hohen Nährwert von ca. 70 kcal pro 100g – damit ist sie nahrhafter als viele Gemüse- oder Obstsorten, die wir unseren Babys als Anfangsnahrung anbieten. Dr. González schreibt auch hierzu (ebd., S. 27): „Vor wenigen Jahren analysierte ein wissbegieriger Forscher 3 Gemüsebreie mit Fleisch, die verschiedene Mütter in Madrid für ihre Kinder hergestellt hatten; sie enthielten im Durchschnitt 50kcal pro 100g […] Wundert es Sie da noch, dass das Kind die Brust dem Gemüsebrei vorzieht?“ Unsere Kinder haben (noch) ein sehr gutes Gespür dafür, was sie wirklich brauchen und was für ihre Entwicklung gut und richtig ist. Wenn wir ihnen ein gesundes (!) Angebot machen an Lebensmitteln, bedienen sie sich nach ihrem Entwicklungsstand und ihren Bedürfnissen daran. Und manchmal brauchen sie weniger, manchmal mehr, manchmal kehren sie zurück zur Muttermilch und dann wieder denken wir, dass sie sich bald abstillen. All dies passiert im Laufe der Stillbeziehung und ist alles richtig und normal.

Eure

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Messer, Gabel, Schere, Licht… sind für kleine Kinder nicht?

Unser Alltag bringt jeden Tag viele Herausforderungen mit sich für unsere Kinder, an denen sie sich auf natürliche Weise erproben können, die sie wachsen lassen. Herausforderungen, die in unseren Augen vielleicht keine sind oder die wir nicht zu welchen werden lassen, weil wir frühzeitig eingreifen. Eigentlich wissen wir schon aus dem Spiel der Babys, dass es die Alltagsdinge sind, die für unsere Kinder interessant sind. Die Dinge, mit denen wir umgehen. Sie sehen, was wir tun und wollen es nachahmen – aber wir lassen sie nicht aus Sorge. Wann ist das Kind bereit für den Umgang mit Messer, Gabel, Schere, Licht, Feuer? Dann, wenn es das möchten und wir ihnen einen guten Umgang damit zeigen können.

Kinder wollen irgendwann mit Besteck umgehen

Wenn Kinder mit dem Essen beginnen, wollen sie die Nahrung mit allen Sinnen kennenlernen. Sie wollen sie berühren, in ihren kleinen Händen quetschen und fühlen, welche Eigenschaften dieses Lebensmittel hat. Sie wollen Konsistenz erfahren und lernen, wie sie dieses rutschige Stück Mango in den Mund bekommen. Wenn sie ihre Erfahrungen gemacht haben, richten sie ihren Blick irgendwann weniger auf die Eigenschaften des Essens und mehr auf den Rahmen drum herum und beachten, wie andere am Tisch essen. Sie fordern die Werkzeuge ein, die auch andere haben. Kinderbesteck muss nicht bunt sein, nicht in ein fahrendes Auto umgewandelt werden können. Es muss einfach nur handgerecht sein, so dass das Kind damit umgehen kann wie wir. Und auch die Kinder, die anfangs mit den Händen essen statt mit Löffeln gefüttert zu werden, werden dieses Werkzeug von sich aus einfordern und dann nach und nach besser damit umgehen.

Messer für Kinder: vom Schnitzen und kleinen Küchenhelfern

Meine Tochter war 3,5 Jahre alt, als sie im Wald mit dem Schnitzen begann. Sie hatte es gesehen und wollte es auch machen. Dabei standen keine Ergebnisse im Vordergrund, sondern die reine Freude am Tun, das Ausprobieren. Sie lernte dem Umgang mit dem Messer und die groben Versuche verfeinerten sich über die Zeit. Sie machte nach und erfuhr von uns, wie sie Stöcke halten musste, um sich nicht zu schneiden. Es gab auch kleinere Unfälle, aber wirklich kleine, denn sie hatte sich die Technik abgesehen.

Doch nicht nur im Wald ist der Umgang mit Messern für unsere Kinder möglich, auch zu Hause dürfen sie damit umgehen, wenn sie in der Küche helfen. Auch hier haben wir an ihre Bedürfnisse angepasste Kindermesser, die dennoch ein richtiges Mithelfen ermöglichen. Auch bei Dasnuf lässt sich nachlesen, wie ihre Kinder im Alltag und in der Küche mithelfen können. Außerhalb der Küche haben sie einen frei zugänglichen Bastelbereich, in dem neben verschiedenen Farben und Klebstiften auch Scheren zur Verfügung stehen. Es gibt Scheren aus Plastik, Metallscheren mit abgerundeten Spitzen, Scheren, die verschiedene Muster schneiden und normale, spitze Bastelscheren. Die Kinder suchen sich selbständig die Schere aus, mit der sie umgehen wollen und schneiden aus unserer Sammlung an (Alt-)papier und Pappe herum. Die Kataloge, die unaufgefordert in unserem Briefkasten landen, werden den Kindern zum Ausschneiden überlassen, woran sie sich jedes Mal sehr erfreuen und ganz nebenher ihren Umgang mit den Scheren verfeinern.

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Ehrfurchtsvoll mit Feuer umgehen

Und dann gibt es da noch das Feuer. Ehrfurchtsvoll bestaunen die Kinder die Flammen beim Lagerfeuer, wenn wir Stockbrot machen oder in ihrem kleinen Spielzeugofen im Garten kleine Holzstücke verbrennen. Ehrfurcht ist ein guter Begleiter, Angst nicht. Deswegen dürfen sie sich auch damit ausprobieren: Zunächst, indem sie die Kerze auf dem Tisch ausblasen dürfen, dann indem sie sie mit einem Streichholz entzünden können (erst wird ihnen das Streichholz gereicht, dann dürfen sie es selber entzünden). Sie können kleine Kerzenboote auf dem Wasser fahren lassen und sehen, wie schnell sie im Wasser erlöschen. Und dann trauen sie sich von allein an den Herd und die Pfanne, die über dem Feuer ist. Natürlich gibt es die Regel, dass niemals ohne Erwachsenen etwas angezündet wird und daran halten sie sich auch.

Unsere Kinder lernen dann einen guten Umgang mit den Dingen, wenn wir ihnen einen Umgang ermöglichen. Dazu müssen wir sie ernst nehmen und ihre Wünsche und Bedürfnisse annehmen. Manchmal hält uns unsere Sorge davon ab, unseren Kindern Dinge zu erlauben, für die sie selbst bereit sind. Aber wenn wir ihnen gute Vorbilder sind, ihnen vertrauen und sie auf dieser Basis begleiten, können wir ihnen sehr viele Kompetenzen auf einfache Weise ermöglichen aus ihrem eigenen Wunsch heraus, dem sie engagiert nachgehen. Lassen wir sie doch einfach lernen, was sie gerade lernen möchten.

Eure

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Einfach danke sagen an meine Hebammen

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Manche Worte kommen im Alltag zu kurz. Ich bedanke mich jeden Tag so viele Male für so viele Dinge, manche sind klein, manche groß. Manches Mal habe ich das Gefühl, dass dieses eine Wort nicht reicht, um wirklich meine zutiefest empfundene Dankbarkeit zu beschreiben. So verhält es sich in Bezug auf die Hebammen, die mich durch die drei Geburten meiner Kinder begleitet haben.
Ich bin ihnen aus ganzem Herzen dankbar für ihre Unterstützung, ihre Zuwendung, ihre Kraft und Hilfe. Die Geburten meiner Kinder waren die wunderbarsten, aufregendsten, umwälzendsten Ereignisse meines Lebens – jede für sich. Und auch wenn die eigentliche Stärke aus mir selbst kam, bin ich dankbar für diese Frauen, die mir einen Rahmen verschafft haben, um ganz bei mir zu sein.

Am Tag nach meinem 29. Geburtstag habe ich mein erstes Kind im Geburtshaus geboren. Wenn ich heute auf diese junge Frau zurück blicke, huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Ich wurde zum ersten Mal Mutter und wusste nicht, wie sich eine Geburt wirklich anfühlen würde, wie sich stillen anfühlt und wie es ist, nachts nichts zu schlafen, sondern einen kleinen Menschen zu tragen. Ich war theoretisch vorbereitet, aber nicht praktisch. Aber ich hatte eine Hebamme an meiner Seite, die selber dreifache Mutter war. Eine Frau, die so mütterlich war und sich gleichzeitig so zurück nahm, dass ich den Übergang in mein neues Leben wunderbar schaffte. Sie war da, beruhigte mich unter der Geburt, hielt mich. Sie bestärkte mich danach, dass ich alles schaffen würde vom Stillen über das Tragen und dass auch mein Körper seinen Weg zurück finden würde. Und so wurde es.

Dreieinhalb Jahre später stand ich an einem wunderbar sonnigen Morgen am Schreibtisch meines Mannes und gebar dort mein zweites Kind in die Hände meiner zweiten Hebamme. Diesmal wusste ich darum, wie sich eine Geburt anfühlen würde und wurde doch überrascht davon, dass alles ganz anders war als bei der ersten Geburt. Aber sie, meine Hebamme, war auf alles vorbereitet. Eine Frau, der ich vollkommen vertraute. Vor der Geburt scherzten mein Mann und ich oft, dass diese Frau zur Not einen Kaiserschnitt mit einem Kugelschreiber machen könnte, denn ihr Wissen und ihre Kompetenz schienen aus ihrer ganzen Person heraus. Ich hätte mir an diesem Oktobermorgen keine bessere Begleitung für diese Geburt zu Hause vorstellen können als meine Hebamme, ihre Schülerin, mein Mann und meine Freundin.

Wieder dreieinhalb Jahre später beginnt der Tag meines 36. Geburtstags mit Wehen. Die Geburt meines dritten Kindes kündigt sich an. Auch dieses sollte zu Hause geboren werden, doch es kam ganz anders als geplant. Und auch hier bin ich meiner Hebamme unglaublich dankbar, dass sie durch ihr Fachwissen die Situation richtig einschätzen konnte, den Krankenwagen rief und die Geburt mit mir zusammen verlegte. Sie begleitete mich ins Krankenhaus und übergab mich dort an eine weitere nette Hebamme und vor allem an die fürsorglichen Hände meiner lieben Freundin Anja, die auch Hebamme ist und mich im Krankenhaus weiter begleitete, mit mir lachte, mich schütze und unterstützte. So, dass auch mein drittes Kind geborgen geboren werden konnte – wenn auch an einem anderen Platz als geplant.

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Vier Hebammen haben mich durch drei Geburten und Schwangerschaften begleitet. Und ich bin ihnen aus ganzem Herzen dankbar für die Unterstützung, die ich durch sie hatte. In einer Zeit, in der Geburt so fremd ist und Hilfen für (werdende) Familien so selten, braucht es genau solche Frauen. Meine Worte können gar nicht groß genug sein, um meine ehrliche Dankbarkeit auszudrücken. Gerade jetzt und heute in einer Zeit, in der der Berufsstand der Hebammen gefährdet ist, ist es wichtig, diese tiefe Dankbarkeit auszusprechen.

Willst auch du danke sagen? Der Verband der Privaten Krankenversicherungen hat dazu aufgerufen, seine persönliche Dankbarkeit an einen Menschen aus der Gesundheitsbranche aufzuschreiben im Rahmen der Aktion #dankesagen für die Kampagne „Für unsere Gesundheit“. Schreib hier Deinen Dank an Deine Hebamme oder einen anderen Menschen aus der Gesundheitsbranche.

Eure

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Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem  Verband der Privaten Krankenversicherung e.V.

Von anderen Babys und ihren Familien

Bei einem vergleichenden Blick in die Kulturen der Welt fallen Eltern in westlichen Gesellschaften durch ihre anfängliche Ahnungslosigkeit auf. Wenn ihr erstes Kind zur Welt kommt, sind Eltern häufig so unwissend, dass ihnen die Hebamme erklären muss, wie man ein Neugeborenes richtig hält.

Die Gründe sind offensichtlich: Im direkten Umfeld gibt es heute kaum Gelegenheit, das Leben mit Kindern zu erfahren, denn die eigene Familie und Freunde mit Babys und kleinen Kindern wohnen oft weit entfernt. In dieser Situation schlägt die Stunde der Experten, deren Wissen Bücherregale füllt. Doch sieht man genauer hin, zeigt sich, dass die Studien, auf die sie sich berufen, meist auf der Beobachtung von Kindern in Nordamerika, Europa und anderen westlichen Gesellschaften fußen. Diese Kinder machen allerdings nur ca. 10 Prozent aller Kinder weltweit aus. Die Mehrheit der Kinder in Lateinamerika, Afrika, Asien und im Pazifik wächst unter Bedingungen auf, die sich stark von den uns bekannten unterscheiden.

Die Kinderfürsorge in anderen Gesellschaften zu betrachten kann durchaus lehrreich sein. Nicht ohne Grund empfahl die New York Times kürzlich ein ethnologisches Fachbuch als „das einzige Babybuch, das Eltern wirklich brauchen“. Der bunte Strauß der im Buch vorgestellten Beispiele der Kinderfürsorge verdeutlicht, dass es in Bezug auf das Aufwachsen von Kindern kein „normal“ und kein „unnormal“ gibt, sondern nur unzählige Variationen, die im Rahmen der jeweiligen Kultur Bedeutung erlangen.

Wie die !Kung gehören die Gana und die Gwi zu den sogenannten „Buschleuten“, die die indigene Bevölkerung des südlichen Afrikas bilden. Heute leben rund 100.000 Buschleute in Botswana, Namibia, Südafrika und Angola. © Survival

Wie die !Kung gehören die Gana und die Gwi zu den sogenannten „Buschleuten“, die die indigene Bevölkerung des südlichen Afrikas bilden. Heute leben rund 100.000 Buschleute in Botswana, Namibia, Südafrika und Angola. © Survival 

Artgerechte Kinderfürsorge

Insbesondere der Blick zu heutigen Jäger-und-Sammler-Völkern kann helfen, vermeintlich allgemeingültige Expertenratschläge zu hinterfragen und neue Perspektiven zu erlangen. Die Kinderfürsorge in diesen Gesellschaften wird von vielen als besonders „artgerecht“ angesehen. In den letzten Jahren erschienen auch im deutschsprachigen Raum vermehrt Erziehungsbücher (z.B. Renz-Polster 2009, Schmidt 2015), die Erkenntnisse aus der ethnologischen Jäger-und-Sammler-Forschung verarbeiteten. Praktiken wie das Tragen mit Hilfe eines Tuchs oder Slings, das Stillen nach Bedarf, die windelfreie Erziehung, das Familienbett und auch das kindgeleitete Abstillen wurden damit zunehmend populärer.

Enge Mutter-Kind-Beziehungen bei den !Kung

Eine der ersten systematischen Studien zur Kinderfürsorge in zeitgenössischen Jäger-und-Sammler-Völkern geht auf den Ethnologen Melvin Konner zurück, der in den späten 1960er Jahren bei den !Kung in der Kalahari- Wüste forschte. Die !Kung gehören zu den sogenannten „Buschleuten“, die auch als „San“ bekannt sind. Wie Konner beschreibt, ist die Beziehung zwischen Müttern und ihren Babys bei den !Kung sehr eng. Ein Baby wird die überwiegende Zeit des Tages aufrecht auf der Hüfte der Mutter in einem Sling getragen und hat konstanten Haut-zu-Haut-Kontakt mit ihr. Konners Untersuchungen zeigen, dass ein drei bis vier Monate altes Baby 70 Prozent der Tageslichtstunden im Sling verbringt. Wann immer es weint, bekommt es die Brust und oft auch ohne einen spezifischen Anlass. Im Durchschnitt trinken Babys drei bis vier Mal pro Stunde für wenige Minuten und der Abstand zwischen zwei Stillmahlzeiten ist nie größer als eine Stunde. Auch in der Nacht wird das Baby häufig gestillt, was unkompliziert verläuft, da Mutter und Kind eng nebeneinander schlafen.

Im Trage- und Stillalter begleiten Babys ihre Mütter beim Sammeln pflanzlicher Nahrung, beim Wasserholen und bei anderen Arbeiten. Frauen sind mit ihren Babys nie allein, sondern arbeiten Seite an Seite mit anderen Frauen und unterstützen sich gegenseitig bei der Kinderfürsorge. © Survival

Im Trage- und Stillalter begleiten Babys ihre Mütter beim Sammeln pflanzlicher Nahrung, beim Wasserholen und bei anderen Arbeiten. Frauen sind mit ihren Babys nie allein, sondern arbeiten Seite an Seite mit anderen Frauen und unterstützen sich gegenseitig bei der Kinderfürsorge. © Survival

Allgemein kann gesagt werden, dass Mütter bei den !Kung umgehend auf die Bedürfnisse ihrer Babys reagieren und auf jedes Weinen oder Quengeln ohne Verzug eingehen. Darüber hinaus werden Babys wenig davon abgehalten, ihre eigenen Erfahrungen zu machen: Sie dürfen nach allem greifen und können ab dem Krabbelalter frei die mütterliche Umgebung erkunden. Im zweiten Lebensjahr beginnt das Kleinkind nach und nach aus der engen Beziehung zur Mutter in eine enge Beziehung zu einer altersgemischten Spielgruppe hineinzuwachsen, die sowohl Jungen als auch Mädchen umfasst. Dieser Prozess ist in der Regel mit drei bis vier Jahren abgeschlossen, was zeitlich mit dem Abstillalter und der nächsten Schwangerschaft der Mutter zusammenfällt. In der Spielgruppe kümmern sich die älteren Kinder um die Neuzugänge.

Wichtig zu betonen ist, dass die enge Mutter-Kind-Beziehung bei den !Kung nicht isoliert von den restlichen Gruppenmitgliedern zu verstehen ist. Dies stellt einen deutlichen Kontrast zu Müttern in westlichen Gesellschaften dar, die mit ihren Babys oft unfreiwillig allein sind. Zwar sind Babys bei den !Kung im engen Kontakt mit ihren Müttern, aber sie kommunizieren auch mit vielen anderen Personen, wenn sie aufrecht und mit dem Blick nach vorn im Sling sitzen. Die !Kung leben in Camps von 15 bis 40 Personen. Im Rahmen eines solchen Camps, das der nomadischen Lebensweise entsprechend auch gemeinsam umzieht, ist eine Frau mit ihrem Nachwuchs nie allein gelassen. Weint ein Baby, versucht nicht nur die Mutter, es zu beruhigen, sondern Verwandte und andere nahestehende Personen springen ihr bei. Auch die Väter haben viel Kontakt zu ihren Babys und halten und liebkosen sie viel. Wenn ein Baby weint oder routinemäßige Pflege benötigt, wird der Vater es aber in aller Regel der Mutter zurückgeben.

Engagierte Väter bei den Aka

Ein großes Engagement der Väter ist ein Merkmal aller Jäger-und-Sammler-Völker. Sehr stark ausgeprägt ist dieses bei den Aka, die im tropischen Regenwald Zentralafrikas zu Hause sind. Der Ethnologe Barry Hewlett forschte in den 1970er Jahren bei den Aka und begleitete sie über mehrere Jahrzehnte. Speziell beobachtete er den Umgang mit Babys und Kleinkindern im Alter von 3 bis 18 Monaten und stellte fest, dass es sich bei den Aka um die Gesellschaft mit der weltweit höchsten Involviertheit der Väter in die Kinderfürsorge handelt. Aka-Väter sind die Hälfte des Tages damit befasst, ihre Babys zu halten und zu tragen und, auch wenn gerade kein direkter Körperkontakt besteht, sind sie nicht mehr als eine Armlänge von ihnen entfernt. Drei bis vier Monate alte Babys werden bei den Aka 99 Prozent der Tageslichtstunden getragen, wobei die Väter ihre Babys fünfmal häufiger tragen als Väter in anderen Kulturen.

Die Baka sind die Nachbarn der Aka und zählen wie diese zu den sogenannten „Pygmäen“ (eine nicht unumstrittene, aber noch häufig verwendete Fremdbezeichnung). Bei den Baka und den Aka genießen die Männer ihre aktive Vaterrolle und kümmern sich hingebungsvoll um die Kinder, insbesondere wenn diese im Babyalter sind.: © Edmond Dounias/Survival

Die Baka sind die Nachbarn der Aka und zählen wie diese zu den sogenannten „Pygmäen“ (eine nicht unumstrittene, aber noch häufig verwendete Fremdbezeichnung). Bei den Baka und den Aka genießen die Männer ihre aktive Vaterrolle und kümmern sich hingebungsvoll um die Kinder, insbesondere wenn diese im Babyalter sind.: © Edmond Dounias/Survival

Der Hintergrund dieses großen väterlichen Engagements ist die Netzjagd der Aka. Diese spezifische Form des Jagens mit Hilfe großer Netze ist auf die Kooperation von Männern und Frauen angewiesen. In einem Aka-Camp besitzt jedes Ehepaar sein eigenes Netz, das bei der Jagd mit den Netzen anderer Campbewohner verbunden wird. Im Rahmen der Netzjagd laufen Ehepaare täglich 5 bis 15 km. Bei diesen ausgedehnten Wanderungen werden Babys und Kleinkinder mitgenommen und abwechselnd von Mutter und Vater getragen. Die älteren Kinder bleiben im Camp zurück oder begleiten ebenfalls ihre Eltern. Aka-Väter kümmern sich während der Jagd, aber auch im Camp, um die Kinder, wenn die Mütter mit anderen Arbeiten befasst sind. Die Kinderfürsorge ist eine von vielen Aufgaben, die sich Ehepartner teilen. Die Männer können bei der Netzjagd auf die Hilfe ihrer Frauen zählen und beteiligen sich im Gegenzug an der Versorgung der Kinder.

Die egalitären Geschlechterbeziehungen der Aka sind Teil ihres Wertesystems, das durch die kulturellen Werte des Teilens und der Kooperation geprägt ist. Auch eine Aka-Familie ist nicht isoliert zu sehen. In einem Camp leben normalerweise 20 bis 35 Personen, die im Jahr drei- bis viermal gemeinsam umziehen. Babys genießen im Camp große Aufmerksamkeit und werden von allen Campbewohnern mit Zuneigung überschüttet. Ein Aka-Baby wird innerhalb einer Stunde sieben- bis achtmal zwischen verschiedenen Personen herumgereicht, da sich die Erwachsenen regelrecht darum reißen, es zu halten und zu liebkosen.

Pots are one of the few items Bakas get from their neighbouring communities by exchanging honey or game meat for them.

Zur Errichtung der temporären Camps roden die Baka ein kleines Stück Regenwald. Die Baka haben ein beindruckendes Wissen über ihren Wald und seine Pflanzen und Tiere. Heute leben nicht mehr alle „Pygmäen“ nomadisch. Viele wurden zwangsangesiedelt, aus ihren Wäldern vertrieben oder haben sich für ein Leben in Dörfern entschieden. © Selcen Kucukustel/Atlas

 Geteilte Verantwortung bei den Efe

Bei den Efe, die wie die Aka zu den sogenannten „Pygmäen“ gehören und ebenfalls im zentralafrikanischen Regenwald zu Hause sind, ist die gemeinsame Kinderfürsorge innerhalb des Camps besonders ausgeprägt. Efe-Babys sind nach der Geburt fast durchgängig im Körperkontakt mit ihren Müttern oder mit anderen Campbewohnern. Wenn ein Baby weint oder quengelig ist, bemüht sich nicht nur die Mutter, sondern alle anderen Frauen des Camps, darum es zu trösten. Hierzu gehört auch, dass das Baby an der Brust anderer Frauen trinken darf. Das Stillen von Babys durch mehrere Frauen ist eine kulturelle Praxis, die auch bei einigen anderen Jäger-und-Sammler-Völkern verbreitet ist. Mit drei Wochen werden Babys innerhalb einer Stunde ca. viermal an andere Campbewohner weitergereicht, mit achtzehn Wochen sind es ca. achtmal pro Stunde. Im Durchschnitt kümmern sich 14 Personen um ein Baby, wobei die Spanne 5 bis 24 Personen umfasst. Der Entwicklungspsychologe Tronick, der die Efe in den 1980er Jahren untersuchte, stellte heraus, dass die auf viele Schultern verteilte Kinderfürsorge Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Erfahrung hat. Babys haben fortwährend Kontakt zu anderen Personen und lernen, ihre Reaktionen und Interaktionen flexibel an diese anzupassen. Als Folge der konstanten Stimulationen erwerben Kinder schon sehr früh die Fähigkeit, mit vielen verschiedenen Personen zu interagieren und sich in die Gemeinschaft einzufügen.

Die „Buschleute“ gehören zu den bedrohtesten indigenen Völkern. In Botswana wurde zunächst ein Schutzgebiet für sie eingerichtet. Nachdem in diesem aber Diamantenvorkommen entdeckt wurden, kam es zu mehreren brutalen Vertreibungswellen. Die Regierung Botswanas missachtet bis heute die Rechte der „Buschleute“.© Lottie Davies/Survival

Die „Buschleute“ gehören zu den bedrohtesten indigenen Völkern. In Botswana wurde zunächst ein Schutzgebiet für sie eingerichtet. Nachdem in diesem aber Diamantenvorkommen entdeckt wurden, kam es zu mehreren brutalen Vertreibungswellen. Die Regierung Botswanas missachtet bis heute die Rechte der „Buschleute“.© Lottie Davies/Survival

Der Blick in andere Kulturen kann die Toleranz gegenüber anderen Umgangsformen fördern und wie das Beispiel des Tragens veranschaulicht, neue Handlungsoptionen eröffnen. Ansichten, die in westlichen Gesellschaften weitverbreitet sind, können zudem hinterfragt werden – auch ohne in eine idealisierte Sicht auf indigene Gesellschaften zu verfallen. Die Kindersterblichkeit in diesen Gesellschaften ist hoch und die behüteten Zeiten, die Babys erleben, enden relativ unsanft, wenn das Kleinkindalter beginnt und jüngere Geschwister nachrücken. Jäger-und-Sammler-Völker geben uns einen Einblick in die große Vielfalt der menschlichen Kinderfürsorgepraktiken. Eine Vielfalt, die Inspiration ist. Und die Ansporn sein sollte, das Recht dieser Völker auf ein freies und selbstbestimmtes Leben zu verteidigen, das ihnen heute fast überall durch unrechtmäßige Vertreibungen, Landraub und mörderische Gewalt genommen wird.

 

„Wir sind nicht unseretwegen hier. Wir sind hier für unsere Kinder und die Kinder unserer Enkel.“ Buschleute, Botswana

 

 

Dieser Text ist ein Gemeinschaftsprojekt von Berit Fuhrmann und Survival International.

Dr. Berit Fuhrmann

ist Ethnologin und Mutter von Gabor (2). Sie forschte und lehrte an Universitäten in Heidelberg, Berlin, Münster und Luzern und lebte 18 Monate mit einer indigenen Gruppe im Nordosten Indiens. Zu ihren Forschungsthemen gehören Verwandtschafts- und Geschlechterbeziehungen und die politische und rechtliche Situation indigener Gruppen weltweit. Mit Mann und Sohn reiste sie zuletzt neun Monate durch Asien, um die Elternzeit etwas anders zu gestalten.

Survival International

ist die globale Bewegung für die Rechte indigener Völker. Survival hilft indigenen Völkern, ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen. http://www.survivalinternational.de

 

 

Quellen

Hewlett, B.S., Lamb, M.E. 2005. Emerging Issues in the Study of Hunter-Gatherer Children. In B.S. Hewlett, M.E. Lamb (eds.), Hunter-Gatherer Childhoods. Evolutionary, Developmental and Cultural Perspectves. Transaction Publishers.

Hewlett, B.S., MacFarlan S.J. 2010. Fathers’ Role in Hunter-Gatherers and Other Small-Scale Cultures. In M.E. Lamb (ed.), The Role of the Father in Child Development. John Wiley & Sons.

Hewlett, B.S. 1996. Diverse Contexts of Human Infancy. Prentice Hall.

Hewlett, B.S. 1992. Husband-Wife Reciprocity and Father-Infant Relationship among Aka Pygmies. In B.S. Hewlett (ed.), Father-Child Relations: Cultural and Biosocial Contexts. Transaction Publishers.

Konner, M.J. 2005. Hunter-Gatherer Infancy and Childhood. The !Kung and Others. In B.S. Hewlett, M.E. Lamb (eds.), Hunter-Gatherer Childhoods. Evolutionary, Developmental and Cultural Perspectives. Transaction Publishers.

Konner, M.J. 1977. Infancy among the Kalahari Desert San. In P.H. Leiderman, S. Tulkin, A. Rosenfeld (eds.), Culture and Infancy: Variations in the Human Experience. Academic Press.

Lancy, D.F. 2015. The Anthropology of Childhood. Cherubs, Chattel, Changelings. Cambridge University Press.

LeVine, R.A., New, R.S. 2008. Introduction. In R.A. LeVine, R. New (eds.), Anthropology and Child Development: A Cross-cultural Reader. Blackwell Publishing.

Renz-Polster, Herbert 2009. Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt. Kösel.

Schmidt, Nicola 2015. Artgerecht – Das andere Baby-Buch. Kösel.

Tronick, E.Z., Morelli, G.A., Winn, S. 1987. Multiple Caretaking of Efe (Pygmy) Infants. American Anthropologist. Bd. 89.

 

Dieser Beitrag ist ein Gastartikel. Für die Veröffentlichung wurde nicht bezahlt.

 

 

Wenn das Kind einschläft, ist es müde

Wir alle kennen diese Situation wohl als Eltern: Es ist später Nachmittag, das Kind hat keinen Mittagsschlaf gemacht und ist unleidlich. Und schaut man einen kleinen Moment weg, ist es auf einmal eingeschlafen. Tief und fest. Der Blick auf die Uhr sagt: Wenn es nun schläft, wacht es zur eigentlichen Schlafenszeit auf und wird bis in die Nacht wach bleiben. Vielleicht lässt es sich ja doch wecken? Schließlich hatte man doch am Abend noch etwas vor – oder wollte zumindest ausruhen oder eine Serie sehen. Aber nun schläft das Kind und verwirft die ganze Abendplanung. Also doch wecken, vielleicht durch Musik oder das Versprechen auf ein Eis oder das Lieblingsspiel.

Auch eine andere Situation kennen wir als Eltern: die eigene Müdigkeit. Die Müdigkeit, wenn wir nächtelang schlecht geschlafen haben und uns einfach wünschen, für ein paar Minuten nach all den Anstrengungen die Augen zu schließen. Manchmal ist das Leben sehr kräftezehrend. Nur einmal kurz innehalten, die Augen zugehen lassen und den Körper kurz entspannen. Wohlige Wärme sich darin ausbreiten lassen, um all die Anstrengung los zu lassen. Wie gerne würden wir morgens manchmal einfach die Augen noch einmal zu machen, uns zur Seite drehen und zurück in den Schlaf gleiten. Ein Nickerchen einlegen zwischen zwei Geschäftsterminen, die anstrengend sind.

Wir Erwachsene gönnen es uns meist nicht – obwohl gerade auch für uns ein kleiner Schlaf vor dem Nachmittag hilfreich wäre. Unsere Glaubenssätze über Leistung, Produktivität oder unsere verinnerlichten Rollenbilder stehen uns im Weg: Die Wohnung soll ordentlich aussehen, ich räume lieber auf als zu ruhen. Aber weder sollten wir selbst eigentlich auf Pausen verzichten, noch unsere Kinder. Es tut so gut, sich zu erholen. Es ist ein wunderbarer Moment, einschlafen zu können, wenn man müde ist. Die Möglichkeit dazu zeigt unseren Kindern, dass Schlaf wohltuend ist. Kein Instrument des Zwangs, sondern eine wohltuende Option. Man muss nicht schlafen oder man muss nicht nicht schlafen. Man darf schlafen oder wach bleiben – je nachdem, was Körper und Geist benötigen.

Wenn das Kind einschläft, ist es müde. Es benötigt eine Pause von dem, was es erlebt hat, von all den Eindrücken und neuen Dingen. Solange unsere Kinder Kinder sind und keine Erwachsenen, die wir unsere Bedürfnisse anders handhaben können, sollten wir ihnen die dringende Pause ermöglichen. Denn schließlich können genau wir nachfühlen, wie sich ein Tag mit zu wenig Schlaf anfühlt. – Auch, wenn wir dann ein wenig umplanen müssen.

Und wenn der Nachmittagsschlaf des Kindes unseren Abend zu sehr negativ beeinflusst, können wir noch einmal einen Blick darauf werfen, ob und wie das Kind vielleicht etwas früher am Tag schlafen kann, damit der Abendschlaf sich nicht zu lang verzögert. Aber letztlich sollten wir bedenken: Müdigkeit ist ein Zeichen unseres Körpers, dass er sich nun erholen muss.

Eure

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