Schlagwort: Natur

Mit Pflanzen färben

Der Sommer geht in seine letzte Phase. Wohin man sieht, blühen die wunderschönen Spätsommerblumen. Grün und an manchen Stellen schon gelb und rot zeigen sich die Blätter. Goldrute und Rainfarn wachsen am Straßenrand. In unserem Garten gibt es eine Brennnesselecke, die ich den Sommer über habe wachsen lassen, die nun aber entfernt werden muss, um einem kleinen Spielhaus für die Kinder Platz zu machen. Und was lässt sich mit den Brennnesseln machen? Tee, Sud für die Haare – und Pflanzenfarbe. Weiterlesen

„Die machen ja gar nicht ‚Quak‘!“ – Über die Bedeutung von Naturerfahrungen für Kinder

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Heute war die gesamte Familie im Wald spazieren. Wir haben und Pflanzen angesehen, die Tochter ist einen Hochstand hinauf geklettert, wir haben Nacktschnecken und Mistkäfer bewundert. Ein Laubfrosch hüpfte uns über den Weg. Und dann gab es diesen Moment, als wir laute Geräusche hörten. Wir entdeckten einen kleinen See und darin quakten lautstark die Frösche. Die Tochter war begeistert und lauschte andächtig. „Komm, wir gehen weiter!“ sagte ich nach einiger Zeit zu ihr. Aber sie hielt inne und sagte: „ich möchte den Fröschen noch etwas zuhören!“ Am Abend im Bett fragten wir sie wie jeden Tag, was heute das Schönste für sie war. „Grillen, ein Eis… Und die Frösche! Die Frösche im Wald. Frösche machen nämlich gar nicht ‚Quak‘. Die machen ganz anders. Und ich habe sie gehört und weiß jetzt, wie sie wirklich klingen.“

Dieses kurze Gespräch verdeutlichte mir einmal mehr, wie wichtig es ist, dass Kinder elementare Erfahrungen machen dürfen. Kräuter schmecken, Gänseblümchen pflücken und die Blütenblätter essen, Tiere streicheln, die Füße ins kalte Seewasser tauchen, mit den Händen im Matsch wühlen, den Tieren zuhören und ihre Sprache kennen lernen. Kinder verstehen die Welt, wenn wir sie zuhören lassen. Wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, die Welt mit allen Sinnen zu begreifen – im wahrsten Sinne des Wortes. Kinder brauchen diese Möglichkeiten, um sich ein Bild von der Welt machen zu können, in der sie leben. Und damit auch zu verstehen, wie wichtig diese Welt ist und wie erhaltenswert, wundersam und schön.

Deswegen: Lasst Eure Kinder den Fröschen, Hähnen und Katzen lauschen. Lasst sie Erde in den Händen zerreiben und Blumen am Wegrand pflücken. Gebt ihnen die Möglichkeit, die ganze Natur in ihrer Schönheit und Einzigartigkeit zu bewundern. Dann lernen sie nicht nur, dass Frösche gar nicht „Quak“ machen, sondern auch, wie bezaubernd diese Welt ist, in der sie leben. Auf dass sie hoffentlich in der Zukunft damit gut umgehen und nicht verlernen, welchen Zauber sie für sie bereithält.

Natur, Natur und einfach spielen lassen – Wie Kinder heute wachsen sollten

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Schon lange liegt das neue Buch von Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther auf meinem Schreibtisch. Ich bin lange nicht dazu gekommen, es gründlich zu lesen, denn ich habe meine Tochter im Kindergarten eingewöhnt. Nach wirklich langer Suche (und nachdem wir sie aus einem schlechten Kindergarten hinaus genommen haben), haben wir einen wunderbaren Platz für sie gefunden. Einen Kindergarten, in dem täglich hinaus gegangen wird bei jedem Wetter, bei dem einmal in der Woche ein Waldbesuch ansteht und einmal wöchentlich der Bauernhof aufgesucht wird. Dort wird mit Pflanzen Stoff gefärbt, Kinder klettern auf Bäume und bauen sich kleine Hütten im Wald. Noch nie zuvor kam meine Tochter mit so vielen Schürfwunden oder blauen Flecken nach Hause. Aber sie ist auch sehr glücklich dort. Und das mitten in Berlin.

In meinem Umfeld höre ich oft, dass Familien aufs Land oder zumindest an den Stadtrand ziehen wollen, weil die Kinder in der Stadt keine Natur erleben könnten und die Kindheit hier so eingeschränkt sei. Und nun kommen wir zum Buch von Renz-Polster/Hüther. Stimmt nicht, sagen die nämlich. Es kommt nämlich nicht nur auf den Raum an, sondern eben auch auf unsere Einstellung, unsere innere Haltung zu dem, was uns wichtig ist und zu dem, was wir denken, dass unsere Kinder „lernen“ müssen. Im Frühförderwahn denken wir zu oft, dass Lernspiele, Apps und Wissensbücher den Kindern alles Wichtige vermitteln. Doch Kinder lernen nicht auf diese Weise. Sie lernen durch das Tun. Renz-Polster und Hüther beschreiben das so wunderbar mit dem folgenden Bild:

Bäume brauchen Wurzeln, das weiß jedes Kind. Und ein kleiner Baum kann umso besser wachsen und gedeihen, je kräftiger seine Wurzeln sind, mit denen er sich im Erdreich verankert und seine Nährstoffe aufnimmt. Nur wenn es einem kleinen Baum gelingt, tief reichende und weitverzweigte Wurzeln auszubilden, wird er später auch Wind und Wetter, ja sogar Stürme aushalten.

Auch Kinder brauchen feste Wurzeln. Offenbar wissen das nicht alle Eltern, auch nicht alle Erzieher oder gar alle Bildungspolitiker. Sie halten das, was man an jedem Baum sehen, messen und zählen kann, also die Äste oder die Blätter oder auch nur die Früchte, für wichtiger als die verborgenen Wurzeln.

Kinder können im freien Spiel in der Natur Grundkompetenzen erwerben, die die Basis für alles andere sind. Diese Grundkompetenzen wie Selbstwirksamkeit, Hingabe, Mitgefühl, Geduld und Verbundenheit sind nichts, was man ihnen in einem Lehrplan beibringen könnte. Sie lernen durch sich und dem Zusammensein mit anderen. Sie erproben, machen Fehler, korrigieren, lernen. Und sie lernen dort auch ein Gut kennen, das wir in unserer hektischen Zeit kaum noch vermitteln können: Langsamkeit.

Renz-Polster und Hüther gehen sehr anschaulich vor und zeigen sanft auf, was es ist, was Kinder wirklich benötigen. Dabei werden diese Bedürfnisse auch noch durch wissenschaftiche Fakten aus der Hirnforschung untermalt. Auf diese Weise entsteht ein neues Bild vom Kind. Ein realistisches Bild, dem wir uns wieder annähern sollten. Sie nehmen Eltern die Angst, Zeitfenster der Entwicklung zu verpassen und Kinder möglichst früh möglichst optimal zu fördern. Und sie machen auch klar: Ja, Kinder können sich im freien Spiel verletzen und es ist auch immer ein wenig gefährlich in der Natur. Aber nur ein wenig. Und Kinder lernen durch die Auseinandersetzung mit der Natur auch einen besseren Umgang mit ihr. Dabei wird nicht aus dem Blick gelassen, dass heute nunmal heute ist und es auch Fernseher und Computer gibt. Wie sie selber schreiben ist „Medienbashing“ zu einfach. Computer und Co. sind nicht per se schlecht. – Auch das lässt Eltern wieder aufatmen, denn hört man heute zur Genüge, wie schädlich der Einfluss der Medien sein soll. Auf die Dosis und die Art kommt es an.

Es geht also gar nicht so sehr nur um die Natur und darum, dass Kinder mit Stöckchen und Eicheln spielen sollten. Es geht darum, dass Kinder Kinder sein sollen. Dass sie im freien Spiel in der Natur Dinge erlernen, die wir ihnen nicht beibringen können, die sie aber benötigen. Um Mitgefühl und Einfühlungsvermögen zu entwickeln, gibt es keine Apps oder Computerspiele. Das ist etwas, was man nur im Zusammensein mit anderen lernen kann und in der Auseinandersetzung mit dem Leben. Gerade diese beiden Eigenschaften sind es jedoch, die nach und nach verloren gehen in unserer Welt, die so sehr auf den Einzelnen fokussiert. In der wir uns mit Ellenbogen nach vorn bewegen wollen – oder zumindest unsere Kinder dies tun sollen. Wir wollen ja schließlich nur ihr Bestes.

Doch wenn wir dies wirklich wollen, müssen wir unsere Einstellung überdenken. Wir als Eltern, aber auch alle Erzieher und Lehrer. Wir müssen hinterfragen, wohin wir mit unseren Lehrplänen eigentlich wollen und wie die Zukunft gestaltet werden soll. Es ist ein Umdenken notwenig in unserer Gesellschaft, wenn wir uns eine schöne und gesunde Zukunft für unsere Kinder wünschen. Ein Umdenken, das viele Ebenen anspricht und viele Menschen. Das Buch von Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther kann ein erster Anstoß sein für Eltern. Und nach der Lektüre fühlt man sich geradezu verpflichtet, mehr in die Wege zu leiten.

Daher: Wer es noch nicht gelesen haben sollte, sollte es sich vom Nikolaus in den Schuh stecken lassen. Es gibt viele Dinge, über die man an langen Winterabenden nachdenken kann.