Kategorie: Gastartikel

„Die Seele berühren – Warum Körperkontakt hochsensible Kinder geborgen wachsen lässt“

Berührung ist wertvoll. Für alle Menschen. Darüber, warum sie gerade für hochsensible Kinder heilsam ist und was Hochsensibilität ausmacht, möchte ich hier etwas erzählen.

Hochsensible Kinder sind anders

Hochsensible Kinder sind irgendwie anders, oftmals „aus der Norm“ und in jedem Fall eine Herausforderung. Sie besitzen tausende Antennen. Für alles. In einem Alltag, der auf „Schneller – Höher – Lauter – Weiter“ ausgerichtet ist, fällt es umso schwerer, diese Antennen auf BEWUSSTEN Empfang einzustellen. Vielmehr passiert es sehr oft, dass das ungefilterte und dauerhafte Empfangen von Signalen zu Dauererregung eines hochsensiblen Kinderkörpers führt. Das kann dann in unserem genormten Alltag sehr schnell zu Zuschreibungen wie AD(H)S oder zu unterschiedlichen diagnostizierten „Verhaltensauffälligkeiten“ führen. Bereits bei Babys lässt sich diese Tendenz deutlich erkennen. Die so definierten Schreibabys sind von Beginn an durch die Reize der sie umgebenden Umwelt überfordert. Tradierte Vorstellungen, wie etwas oder jemand zu sein hat, um als „normal“ zu gelten und bestmöglich angepasst zu sein sowie althergebrachte starre Systeme wie das Schulsystem, machen es Eltern wie Kindern gleichermaßen schwer, den richtigen Platz für sich zu finden.

Unterstützung für Hochsensible

Für alle Kinder ist die Unterstützung eines gesunden Selbst-Bewusstseins unendlich wertvoll. Hochsensible Kinder haben es oft besonders schwer, ihren Wert bewusst wahrzunehmen, weil sie durch oben genannte Rahmenbedingungen unserer heutigen Zeit in ihrem So-Sein stark verunsichert werden. Durch ihre Reizoffenheit nehmen sie ihre Umwelt anders wahr als „normal sensible“ Kinder, haben eher Schwierigkeiten dabei, sich abzugrenzen und sind durch und durch intensivst berührbar.

Und genau da sind wir als Eltern und Bezugspersonen gefordert. Meine Erfahrung in der Körperarbeit zeigt mir immer wieder den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper untrüglich auf. Es ist schön wahrzunehmen, wie positiv hochsensible Kinder auf Berührung reagieren, wie schnell sie darauf ansprechen und wie problemlos Barrieren, die in der Kommunikation vielleicht entstehen, über den Körperkontakt verschwinden. Der eigene Körper wird wahrgenommen, gespürt und kommt zur Ruhe. Liebevolle Berührung vermittelt Sicherheit und Geborgenheit.

Berührung ist wichtig

Körperkontakt klingt simpel und ja, natürlich weiß man das – aber ganz ehrlich: Wie oft berühren Sie Ihr Kind oder auch Ihren Partner/Ihre Partnerin? Wie oft werden Sie berührt? Lassen Sie sich berühren?

In unserem Alltag werden technischen Geräte wie Computer und smartphones sicher um einiges öfter berührt als Menschen. Auch das berühren Lassen passiert wesentlich mehr über künstlich erzeugte Emotionen, zum Beispiel durch Filme oder Computerspiele, als über den Kontakt mit realen Personen. Sogar Wissenschafter sprechen heute bereits von chronischer Berührungsarmut. Berührungen sind ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Bei Umarmungen schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus, das gegen Stress wirkt. Der Blutdruck sinkt, das Stresshormon Cortisol wird vermindert, Ängste und Schmerzen verblassen.

Die Haut steht in engem Kontakt mit dem Immunsytem, den Nerven und der Psyche. Die Haut spiegelt unsere Seele und über die Haut können wir diese berühren. Vor allem bei hochsensiblen Kindern, die unter Neurodermitis leiden, lindern regelmäßige Berührungen die Anspannung und den Juckreiz enorm.

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Berührung greift – so stellen wir Kontakt her

Die Arbeit mit unterschiedlichsten Kindern hat mir immer wieder gezeigt, dass Berührung und Augenkontakt der Schlüssel dafür sind, dass das, was man sagen möchte, auch ankommt. Die Kommunikationstheorie nennt das die „Beziehungebene“, die unbedingt hergestellt sein muss, damit die „Inhaltsebene“, also die Botschaft, auch vermittelt werden kann. Sobald jemand berührt wird, ist er im Hier und Jetzt. Es mag manchmal eine Zeit brauchen, bis die Berührung „greift“, vor allem wenn der Geist sehr abgelenkt und sehr bewegt ist, aber wenn der Moment erreicht ist, dann ist es möglich, echten Kontakt herzustellen. Bei hochsensiblen Kindern ist die Notwendigkeit groß, sie zu „erden“, ins Hier und Jetzt zu holen und den bewegten Geist zu entspannen – Berührung wirkt dabei wahre Wunder.

Der spirituelle Aspekt „Alles ist miteinander verbunden“ bedeutet, dass wir keine getrennten Individuen sind, die ständig auf ihren Vorteil schauen und sich behaupten müssen. Wir können so viel mehr in tatsächlichem Kontakt miteinander erreichen. Reizoffene Menschen, die gelernt haben, sicher in ihrer Mitte zu stehen, leben ständig in Berührung mit der sie umgebenden Umwelt. Und das ist eine große Bereicherung.

Alltagstipps für Eltern

Abschließend für Sie als Eltern ein paar Möglichkeiten, die Kraft der Berührung in den Alltag zu integrieren:

Machen Sie sich bewusst: Berührung ist heilsam! Wenn Sie Ihr Kind berühren, treten Sie mit ihm in Kontakt. Es fühlt sich wahrgenommen und wertgeschätzt. Es mag das natürlichste der Welt sein und trotzdem ist es für viele Eltern sehr schwer, sich auf tatsächliche Berührung mit ihrem Kind einzulassen. Vielleicht weil man selbst nie die Macht der Berührung wahrnehmen durfte oder sich aus unterschiedlichsten Mustern heraus damit schwer tut. Wenn Sie Ihr Kind berühren, berühren Sie sich selbst. Manche sehr unruhige Kinder brauchen oftmals ein bisschen Zeit, sich auf Berührung einlassen zu können. Auch hier ist es ganz wichtig, das eigene Tempo des Kindes zu respektieren, damit Berührung positiv, heilsam und beruhigend erlebt werden kann. Gerade bei unruhigen Kindern ist es sehr wichtig, zunächst einmal Raum zu schaffen, in dem ein zur Ruhe kommen und Entspannen möglich ist.

Konkret heißt das:

  • Nehmen Sie sich ab und zu gemeinsame Auszeiten, legen Sie sich mit Ihrem Kind auf die Couch oder ins Bett oder gehen Sie einfach mal Hand in Hand spazieren.
  • Machen Sie Berührung zu einem Ritual, zum Beispiel vor dem Schlafengehen. Ihr Kind kommt zur Ruhe und fühlt sich sicher.
  • Haben Sie auch in Alltagssituationen keine Angst vor Berührung. Legen Sie Ihrem Kind öfters mal die Hand auf den oberen Rücken. Das bedeutet, dass Sie es unterstützen, da sind und ihm „den Rücken stärken“.
  • Wenn Sie möchten, dass das, was Sie sagen, auch wirklich ankommt, achten Sie auf Augenkontakt, am besten gemeinsam mit einer Berührung der Schulter oder des Armes. Sie tragen damit wesentlich dazu bei, dass Anspannung abfällt und Ihre Worte integriert werden.
  • Nehmen Sie sich ab und zu die Zeit, ihr hochsensibles Kind zu massieren. Fragen Sie es, wo mögliche Verspannungen sitzen. Sie tragen so entscheidend dazu bei, dass Ihr Kind lernt, in seinen Körper hineinzuspüren und Signale zu deuten. Vielen Kindern macht es auch großen Spaß, die Eltern zu massieren. Sie werden überrascht sein, wie gut Ihr Kind hinspüren kann und dabei lernt, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
  • Schreibabys zeigen durch ihr Verhalten ihr Bedürfnis nach Ruhe ganz deutlich. Früher war es vollkommen normal, das eigene Kind ständig nah am Körper und im gemeinsamen Bett zu haben. Eine Tatsache, die heutzutage oftmals ignoriert wird, will man doch so früh wie möglich, das Kind „auf das Leben vorbereiten“, in dem heute oftmals kein Platz für Nähe vorhanden ist. Besser gleich lernen, „den eigenen Mann“ oder die „eigene Frau“ zu stehen. Für die Eltern von Babys mit besonderen Bedürfnissen ist es eine riesige Herausforderung/Belastung hier die eigene Ruhe zu bewahren und sich womöglich „gegen den Strom“ zu stellen. Es ist einen Versuch wert, das Tragetuch dem Kinderwagen vorzuziehen und das eigene Bett zu teilen. Das Bewusstsein darüber, dass Babys, die viel schreien, „einfach“ zu viel wahrnehmen und mehr Antennen als andere haben, erleichtert oft das Verständnis und die Herangehensweise an das Berühren maßgeblich.

 

Ich wünsche Ihnen berührende Momente mit Ihrem Kind <3

 

portrait_011Über die Autorin: Karin Abriel
Mehr Informationen über Hochsensibilität und hochsensible Kinder finden Sie auf meiner website: www.hochsensibilitaet.at In meinem Blog gibt es Einblick in Möglichkeiten, die besondere Wahrnehmungsbegabung Ihres Kindes gut in den Schul-/Alltag zu integrieren: http://www.hochsensibilitaet.at/blog/#top

In Wien gibt es demnächst einen Austauschabend über das Leben mit hochsensiblen Kindern: https://www.facebook.com/events/248370538861596/

Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen!

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Geborgenheit bedeutet… für Anne von „X-MAL ANDERS Ullrich-Turner-Syndrom! Ja und?!“

Anne ist Mutter von zwei Kindern: ihre Tochter wurde im Juni 2012 mit dem Ullrich-Turner-Syndrom geboren, ihr Sohn kam im Februar 2015 zur Welt. Auf ihrem Blog „X-MAL ANDERS Ullrich-Turner-Syndrom! Ja und?!“ berichtet sie von ihrem Leben mit ihren Kindern und besonders auch davon, was das Ullrich-Turner-Syndrom ist und wie es sich im Alltag auswirkt. Zusätzlich hat sie auch ein Buch über das Syndrom geschrieben, in dem das Leben betroffener Frauen portraitiert wird, denn durch diese Chromosomenveränderung kommt es u.a. zu einer geringeren Körpergröße und einer anderen Geschlechtsentwicklung. Am Anfang ihres Weges als Mutter waren die Ängste groß und sie war verunsichert durch die Diagnose. Wie sie mit ihrer Familie dennoch ihren eigenen geborgenen Weg gefunden hat, berichtet sie heute: Weiterlesen

Geborgenheit bedeutet… ein Leben mit Liebe zu mehreren Partnern für Nicole

Geborgenheit kann in verschiedenen Familien ganz unterschiedlich gestaltet sein, sich anders ausformen. Nicole hatte mir vor einiger Zeit geschrieben und wollte mir gerne von ihrem Weg berichten und davon, wie sie in ihrer Familie Geborgenheit und Familie lebt: Sie und der Vater ihres Sohns haben beide noch jeweils andere Partner, die die Familie ergänzen. Für Nicole und ihre Familie das richtige Familienmodell, wie sie schreibt: Weiterlesen

Geborgenheit bedeutet… von Julia von lebeliebelache

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Geborgenheit bedeutet… von Wheelymum

Ju schreibt auf ihrem Blog wheelymum über ihren Alltag mit ihrem Kind und ihrem Mann – ein schönes, liebevolles Elternblog. Eines von vielen, das sich auf den zweiten Blick dennoch ein wenig unterscheidet, denn sie schreibt aus der Perspektive einer Mutter mit Behinderung: Die meiste Zeit des Tages verbringt sie im Rollstuhl. „Immer höher, immer weiter ist nicht drin. Und wisst ihr was? Das macht nichts. Im Hier und Jetzt zu sein, darauf kommt es bei mir an.“ So berichtet Ju von ihrem geborgenen Familienleben: Weiterlesen

Geborgenheit bedeutet… von Frau Birnbaum und der Tellerrand

Jana schreibt auf ihrem noch sehr jungen Blog Frau Birnbaum und der Tellerrand über achtsames und bedürfnisorientiertes Familienleben mit ihrer zweijährigen Tochter. Geborgenheit spielt dabei eine große Rolle für sie, denn sie sagt „Geborgenheit zu empfinden ist wie eine Gebärmuttererweiterung für bereits geborene Menschen.“  Wie genau das in ihrer Familie aussieht und wie sie Geborgenheit im Alltag umsetzt, berichtet sie Euch heute: Weiterlesen

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