Schlagwort: Selbstwirksamkeit

„Ich ziehe mich selber an!“ 5 Anzieh-Regeln für Eltern von Kleinkindern

Das Anziehen von Kindern ist eine Alltagssituation, die immer wieder Konfliktpotential bereit hält. Oft ist das An- oder Ausziehen schon in der Babyzeit schwierig. Nicht nur Wickelkämpfe finden statt, sondern auch Auseinandersetzungen um Kleidungsstücke. Je mehr das „Nein“ und „selber“ aber nach und nach in die Gedanken und den Wortschatz des Kindes aufgenommen wird, desto mehr wird die Bekleidungssituation oft zu einem Problem zwischen Eltern und Kind.

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Ich weiß auch nicht, was ich will – und ich will nicht, was Du willst

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Kürzlich war ich einkaufen mit meinem Sohn. Einkaufen, das bedeutet oftmals, dass ich sehr genau acht geben muss dass nicht irgendwelche Dinge auf dem Boden landen und zerbrechen ODER Dinge im Einkaufswagen landen, die ich nicht kaufen möchte ODER Dinge aus dem Einkaufswagen wieder heimlich ins Regal gestellt werden, die ich kaufen möchte. Nachdem wir jedoch diesen Teil des Einkaufes gemeistert hatten, ging es an den Nachhauseweg. „Willst Du laufen oder getragen werden?“ war die einfache Frage, auf die das Chaos folgte.

Das Chaos bestand nämlich darin, dass der Sohn nicht laufen wollte. Er wollte aber auch nicht getragen werden. Tja. Also versuchte ich meine ziemlich schlauen Argumente, dass wir aber nach Hause müssen, um die Einkäufe in den Kühlschrank zu bringen/die Tochter vom Kindergarten abholen müssen/mal auf Toilette gehen wollen. Nein, es blieb bei weder tragen noch laufen. Zeit verging, der Sohn wurde ärgerlich und ich ratlos. Also nahm ich ihn hoch – gegen Protest und trug ihn schreiend und steif mit mir Richtung Heim. Auf dem Weg dorthin – und es war kein einfacher Weg – hielt eine Mutter neben mir und fragte, ob sie mir für ein Stück des Weges meine Einkaufstüte tragen solle. Liebe fremde Mutter, vielen lieben Dank dafür und Deinen verstehenden Blick! Ich habe Deine Hilfe nicht angenommen, aber allein Deine Frage hat die Situation für mich unheimlich entspannt. Nach etwa 600m des Aufbäumens und Schreiens erklärte ich dem Sohn einfach: „Kannst Du damit jetzt bitte aufhören? Ich kann nicht mehr.“ „Ja.“ sagte er und war ruhig.

Dass ich kein Freund des Wortes „trotzen“ bin, habe ich ja bereits einmal ausgeführt. Kinder kommen in eine Phase, in der sie zunehmend eigene Entscheidungen treffen möchten: Welche Kleidung am Morgen angezogen wird, ob Windel oder Unterhose, was zum Frühstück gegessen wird und welches Kuscheltier es heute begleitet auf seinen Abenteuern. Eigene Entscheidungen. Diese Entscheidungen stehen nur manchmal in Konflikt mit den Entscheidungen anderer Menschen, die vielleicht die gewünschte Hose gerade waschen wollen oder ein anderes Mittagessen geplant haben. Und dann stehen diese Entscheidungen manchmal auch noch im Konflikt mit sich selbst. Es ist Kindern manchmal nahezu anzusehen, welcher enorme Sturm in ihrem Kopf stattfindet, wie sie hin und her gerissen sind und selbst nicht wissen, was sie wollen und in einem Moment eine Sache unbedingt wollen und im nächsten Moment schon wütend auf Abstand davon gehen als hätten sie niemals damit in Kontakt kommen wollen.

Es ist nicht einfach. Nicht für uns und auch nicht für die Kinder in diesem Alter. Was hilft uns allen in diesem Situationen? Nehmen wir es einfach, wie es ist: Wir können nichts an der Situation ändern. Wenn das Kind einen Wunsch hat, dem wir nachkommen können, können wir das tun. Warum sollte es heute nicht im Faschingskostüm auf die Straße gehen dürfen? Oder verschiedene Socken tragen? Oder eben versuchen, selber die Jacke zu zu machen? Geben wir ihm ein wenig Zeit, um seinem Wunsch nachzukommen. Und wenn es nicht geht, wenn es etwas Gefährliches ist, erklären wir, warum es nicht geht und verstehen das Kind in seinem Wunsch und seiner Traurigkeit. Und wenn das Kind selbst nicht weiß was es eigentlich will, dann sind wir da. So wie wir immer da sind. Es ist ein Lernen. Für das Kind und auch für uns. Für uns, dass das Leben mit Kindern Unplanbares bereit hält, dass wir einen Menschen geboren haben mit einem eigenen Willen – von Anfang an.

Vielleicht ist gerade das das Schwierigste an dieser Situation: Zum ersten Mal sehen, dass wir nicht über unsere Kinder bestimmen können. Dass nicht wir es nur sind, die sie in eine Richtung lenken, sondern dass ihre Entwicklung aus ihnen selbst kommt, aus ihrem Inneren und wir sie nur auf ihrem Weg begleiten können. Wir bestimmen nicht über sie und können nur in geringem Maße den Weg vorgeben, den sie gehen wollen. Sie haben ihren eigenen Weg, ihren inneren Bauplan, ihre Ideen. Wir nehmen sie an ihre kleinen, noch unsicheren Hände und begleiten sie. In anderen Worten:

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931

Wie geht Ihr damit um, wenn Eure Kinder nicht wollen, was Ihr wollt oder selber uneins sind, was sie wollen?
Ich bin gespannt auf Eure Ideen.
Alles Liebe,

Susanne_smooth Kopie

Natur für Stadtkinder – Wie Stadtkinder elementare Erfahrungen machen können

Stadtkind

Auf einen Heuballen springen, durch den Wald rennen und Pilze sammeln, Lämmer streicheln oder mit einem kleinen Boot über den Fluss fahren – wir alle wünschen uns ein Stückchen Bullerbü für unsere Kinder. Dies umso mehr, wenn wir lesen, wie gut es für Kinder ist, Natur zu erfahren, dass sie dort elementare Erfahrungen machen können, dass Bauernhofbesuche vor Allergien schützen sollen und so weiter. Das Leben in der Natur – es kann Kindern so viel bieten.

Und dennoch ist es so, dass viele Eltern nun einmal mit ihren Kindern in der Stadt wohnen und bestensfalls in den Ferien die Möglichkeit haben, die Natur uneingeschrenkt zu genießen. Bedeutet dies, dass Stadtkindern all diese wichtigen Erfahrungen verwehrt bleiben? Wohl kaum, wenn wir darauf achten, dass sie auch in der Stadt Erfahrungen sammeln können, sich erproben und losgelöst mit allen Sinnen begreifen dürfen. Doch wie geht das?

Der wesentliche Unterschied zwischen Kindern in der Stadt und auf dem Land ist, dass Stadtkinder viel mehr unter beobachtenden Augen stehen als ihre Altersgenossen auf dem Land. Auf Spielplätzen finden sich Gruppen von Eltern, gut meinende Nachbarn sind allseits zugegen: Stadtkinder sind nur selten unbeobachtet. Und dieser Umstand wirkt sich auch auf das Spielverhalten aus: Denn Eltern greifen oft in das Spielverhalten der Kinder ein. Unbeobachtet klettern Kinder auf den Baum, erproben sich, wie weit sie kommen, wie gut sie sich hochziehen können. Auf Spielplätzen sind mittlerweile nur noch selten wirkliche Kletterbäume zu finden. Wenn Kinder phantasievollen Ersatz für den fehlenden Kletterbaum finden und die Rutsche mit nackten Füßen hochlaufen wollen, wird ihnen unter dem strengen Blick so mancher Eltern dieses Vorhaben untersagt. Und dies trifft auch auf die „falsche“ Nutzung der Schaukel zu, da bei unsachgemäßem Gebrauch eigene und Verletzungen fremder Kinder in Betracht zu ziehen sind. Spielplatzgeräte geben eine Nutzung meist vor – in den Augen der Erwachsenen und die Missachtung dieses gewünschten Umgangs wird oft von den Eltern ermahnend geahndet.

Doch nicht nur das: Eltern greifen nicht nur im Umgang mit dem Spielmaterial viel ein, sondern auch in den Umgang der Kinder untereinander. An der Schaukel wartend mit ihrem Kind wird so manches Mal das lange schaukelnde Kind ermahnt, es möge doch auch die anderen mal ran lassen oder das eigene schaukelnde Kind wird gebeten, nach einer gewissen Zeit Platz zu machen für den nächsten Schaukler. Kinder stehen Schlange an Spielplatzgeräten, anstatt sich anderweitig zu beschäftigen, weil ihnen die Regeln der Erwachsenen für den Spielplatz beigebracht werden. Doch was passiert ohne eingreifende Eltern? Ist es nicht möglich, dass Kinder unter sich um Spielmaterial verhandeln? Müssen wir ständig in die Sozialkompetenz des Kindes einschreiten?

Doch auch neben Spielplätzen ist es Stadtkindern möglich, sich selbst zu erproben, wenn wir ihnen den Raum dafür bieten: Auf kleinen Mauern kann balanciert werden, ausrangierte Matratzen auf dem Bürgersteig laden zum Hüpfen ein, im Slalom lässt es sich um Poller rennen oder Bänke dürfen erklommen werden. Wenn wir genau hinsehen, sehen wir so viele tolle Möglichkeiten in der Stadt. Oder – noch besser – lassen die Kinder sie einfach entdecken. Wir müssen nicht immer sofort eingreifen und etwas verbieten. Denn ist es wirklich schlimm, wenn ein Kind über eine Bank balanciert? Oder wenn es an irgendeiner Metallstange hochklettern will?

Nur weil wir selbst den Blick dafür verloren haben und es uns vielleicht vor anderen Erwachsenen peinlich ist, müssen wir unsere Kinder nicht um die Möglichkeit bringen, sich selbst auszuprobieren. Es ist nicht schlimm, wenn ihre kleinen Schuhe vielleicht ein wenig Straßendreck an eine Sitzbank bringen oder sie immer und immer wieder die Rollstuhlrampe hinunter rennen. Sie machen dies aus einem inneren Antrieb, weil sie sich und ihre Fähigkeiten ausprobieren wollen. Dazu brauchen sie kein Bullerbü, wenn wir sie einfach lassen und begleiten auf ihrem holprigen Weg.