Ich bin immer wieder überrascht davon, wie unterschiedlich Kinder sind und welch verschiedene Wege sie gehen – selbst als Geschwister. Die Natur hat einen Weg vorgegeben, auf dem unsere Kinder entlang gehen. Aber das eine läuft langsamer, das andere schneller. Manche rennen, manche schleichen eher. Wenn wir ihnen aber ihre Zeit geben, wenn wir nicht drängen oder einschränken, geht jedes Kind seinen Weg. Eben in seinem Tempo, aber es geht. Die Natur hat dafür gesorgt, dass Babys und Kinder zu jedem Zeitpunkt genau das können, was sie können sollen, was notwendig ist für den nächsten Schritt. Sie sind keine Mängelwesen, sondern genau so, wie sie sein sollen. Monat für Monat können wir ihre Entwicklung beobachten und begleiten.
Drei Monate sind eine lange Zeit und doch vergehen sie wie im Flug, wenn man Kinder hat. Jeder Tag bringt neues mit sich und zunächst gilt es, das Baby wirklich kennen zu lernen und zu verstehen. Mit 3 Monaten sind viele Dinge bereits bekannt. Das Baby ist angekommen und auch wenn Elternschaft eine fortwährende Reise ist, sind auch die Eltern nun angekommen. Oft ist das Baby nun aus den letzten Stücken der Erstausstattung hinaus gewachsen und auch das lässt das Gefühl aufkommen, dass es ganz bei uns ist und in die Welt eintaucht.
Körperliche Entwicklung
Wenn das Baby wirklich auf der Welt angekommen ist, beginnt es damit, seinen Körper zu erkunden. In den ersten Monaten hat es zunächst damit zu tun, sich mit der Schwerkraft überhaupt vertraut zu machen und allen Dingen um es herum. Für uns ist es kaum vorstellbar wie die Schwerkraft wirkt, aber für das Baby ist es neu. Die Spannung im Körper verändert sich nun, weil das Baby fähig ist, das Gewicht seines Körpers leichter abzugeben an die Fläche, auf der es liegt. Nach und nach macht es sich jetzt mit dem Körper vertraut und erkundet all die Körperteile, die es gerade erreichen kann. Von Monat zu Monat sind das mehr Stellen. Zusammen mit dieser abenteuerlichen Erkundung wird der Körper auch fähig, weitere Stellen kennen zu lernen, denn durch die Bewegungen werden wieder neue Muskeln trainiert, die für andere Dinge dann notwendig sind.
Im dritten Monat hat es vielleicht schon seine Hände in der Mitte des Körpers zusammen gefunden. Bei einem meiner Kinder war dies mit 10 Wochen so weit, bei einem anderen Kind mit 13 Wochen. Doch jetzt wird die Hand zum Lieblingsspielzeug: Die Fingerspitzen treffen sich, Hände werden befühlt, sie öffnen sich, werden zum Mund geführt (insbesondere, wenn das Köpfchen zur Seite gedreht ist), damit dieser noch weiter erkunden kann. Noch sind die Bewegungen etwas unbeholfen, noch nicht gezielt. Die kleinen Arme rudern oft noch an ihrem Ziel vorbei, obwohl der Blick doch so genau auf eine Sache gerichtet ist. Ist etwas aufregend, zappeln Arme und Beine wild herum. Noch kann diese spannende Sache nicht gezielt berührt werden, aber das wilde Zappeln ist ein erster Schritt auf dem Weg dorthin. Lassen wir den Armen und Händen ihre Zeit, damit sie mehr und mehr zielgenau greifen können. Geben wir dem Baby die Möglichkeit, dass es mit den Händen versuchen kann, unser Gesicht zu berühren. Es ist wunderbar, wenn das Baby nun die Möglichkeit hat, mit den Händen alles wahrzunehmen und sich selbst zu be-greifen. Wir müssen unsere Babys deswegen nicht mit Greiflingen ablenken, sondern können sie erst einmal ganz in Ruhe mit dem spielen lassen, was sie selbst haben – und natürlich mit uns. Nach und nach können dann auch andere Dinge zum Greifen angeboten werden. Dabei gilt aber: Ganz in Ruhe ganz einfache Dinge anbieten. Es müssen – und sollten – keine lärmenden und blinkenden Dinge sein, denn zunächst steht das Greifen und Erfahren mit den Händen im Vordergrund. Einfache Holzreifen oder Ringe aus großen Holzperlen sind ausreichend. Wichtig ist auch, dass der Greifling nicht zu schwer ist, damit er überhaupt gehalten werden kann.
Irgendwann wandern die Hände nun auch an die Knie und Oberschenkel, denn die kleinen Beine werden langsam angezogen. Weil sich der Körperschwerpunkt zum Kopf verlagert hat, kann das Baby in der Rückenlage Arme und Beine vor den Körper nehmen. Es kann die Beine erspüren und langsam auch sehen. Es trainiert mit seinem Spiel die Bauchmuskulatur, die es später braucht, um sich zu drehen. Bald wird dieser große Entwicklungsschritt des Drehens anstehen, wenn das Baby alle notwendigen Voraussetzungen dazu ausgebildet hat. Wenn wir uns neben unser Baby legen, können wir diese Bewegungen nachmachen und erfahren, wie anstrengend sie sind. Und das macht das Baby den ganzen Tag in den Wachphasen! Natürlich braucht es deswegen auch viel liebevolle Zuwendung, Nahrung nach Bedarf und uns, die es wahrnehmen und bemerken, wenn es zu viel wird und es sanft wieder zur Ruhe bringen, wenn es das selbst noch nicht schafft.
Die Welt mit den Augen erkunden
Mit drei Monaten sind nicht nur die Hände mit dem Erkunden des Körpers und der Welt beschäftigt, sondern auch die Augen. Das Baby kann besser und weiter sehen und blickt neugierig in die Welt. Die Blätter am Baum, die Menschen um es herum, die Farben. Es nimmt Blickkontakt auf mit dem Menschen, der es anblickt und man kann die Freude des kleinen Menschen hören. Und es selber hört auch schon gespannt zu, betrachtet dabei aufmerksam den Mund des Gegenüber und bewegt oft auch den eigenen Mund mit. Auch beim Stillen können diese vielen Eindrücke nun ablenken und manche Kinder brauchen etwas mehr Rückzug, um nicht ständig von der Brust abzulassen oder sich mit Brustwarze im Mund umzusehen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht genug Milch da sei oder das Baby nicht mehr satt werden würde – es ist einfach nur gerade mit dem Sehen beschäftigt. Bei all meinen drei Kindern war es am Abend um den dritten Monat herum auf einmal wieder schwerer in den Schlaf zu finden, weil all die Eindrücke verarbeitet werden wollten.
Rituale und Abläufe
Viele Babys lieben immer gleiche Abläufe und Routinen, denn sie machen das Kommende vorhersagbar. Nach und nach fällt jetzt auf, dass das Baby einige Situationen schon kennt und sich freut. Langsam ist das auch zu erkennen wenn das Baby Hunger bekommt oder hochgenommen wird und die Signale des Erwachsenen dafür erkennt: Es blickt aufmerksam, stellt vielleicht seinen verärgerten Ausdruck ein und man hat das Gefühl, dass es weiß, dass jetzt gleich sein angemeldetes Bedürfnis befriedigt wird.
Muss das Baby auf dem Bauch liegen?
Manche Babys lieben die Bauchlage, andere nicht. Einfluss nehmen wir selbst darauf etwas, wenn wir die Kinder von Anfang an ab und zu in beiden Positionen ablegen, so dass das Baby auch die Bauchlage kennen lernt von Anfang an. Natürlich müssen wir unsere Kinder nicht in eine Position bringen, die ihnen unangenehm ist, damit sie dadurch stärker werden und ihre Muskulatur trainieren. Achtsamkeit mit dem Kind beginnt auch hier schon: Wenn wir auf dem Rücken liegen und das Baby in Bauchlage auf uns liegt, mag es das vielleicht. Wenn es das nicht mag, weil es noch zu anstrengend ist, müssen wir es nicht dazu zwingen. Wir können es immer mal wieder spielerisch anbieten. Das Baby wird spätestens von sich aus in die Bauchlage kommen, wenn es alle Fertigkeiten dafür ausgebildet hat und dann auch kräftig genug sein, um den Kopf zu halten, wenn es mit dem Umdrehen beginnt. Nur wenn das Baby jetzt noch immer keine Kopfkontrolle hat und der Kopf weiterhin wie bei einem Neugeborenen gestützt werden muss, sollten wir dies abklären lassen. Im 3. bis 4. Lebensmonat ist auch die nächste Vorsorgeuntersuchung U4 geplant, bei der die Kopfkontrolle betrachtet wird und es auch um die Impfentscheidung geht. Eltern sollten sich vorher informieren und auch von der Kinderärztin/dem Kinderarzt aufklären lassen.
Auch wenn manche Babys die Bauchlage nicht mögen, ist es wichtig, dass sie nicht ausschließlich auf dem Rücken liegen, da sich sonst der Kopf verformt mit unterschiedlichen negativen Folgen. Besonders die Verwendung von Babywippen ist in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen, da sich Babys darin nur wenig bewegen können, um die Position zu ändern. Wenn das Baby nicht gerne auf dem Bauch liegt, sollte es deswegen im Tragetuch getragen werden, um einer Verformung vorzubeugen. Auch hierdurch wird die Muskulatur gestärkt.
Babys, die gerne und immer wieder mal auf dem Bauch liegen, können sich zum Ende des 3. Monates nun auf beiden Unterarmen abstützen mit geöffneten Händen. Die Bauchlage unterstützt die Rückenmuskulatur, wodurch der Kopf besser gehalten werden kann und Arme und Beine Gewicht an den Boden abgeben können. Manchmal mögen die Kinder es auch mehr in der Bauchlage, wenn sie mit einem gerollten Handtuch oder Stillkissen etwas gestützt werden.
Beikost?
Auch wenn man immer wieder auf den Gläschen der Babybreihersteller liest, dass es Brei ab dem 4. Monat gibt: Ja, den gibt es, aber nein, er ist nichts für Babys mit 3 oder 4 Monaten. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, Babys in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen, denn die Nähr- und Abwehrstoffe in der Muttermilch können künstlich so nicht nachgebildet werden. Das Baby benötigt genau die Kombination, die die Muttermilch im entsprechenden Alter bereit hält. Sie passt sich an die Bedürfnisse des Babys an und ist immer verfügbar. Wird nicht gestillt, kann weiterhin Premilch nach Bedarf gegeben werden. Auch Trinkbrei ist für Babys nicht geeignet und führt auch nicht zu einem besseren Schlaf. deswegen gilt: Das Baby ist jetzt noch nicht bereit und generell sollte die Beikosteinführung auch nicht übereilt werden.
Körperpflege
Achtsame Körperpflege ist für Babys und Kinder in jedem Alter wichtig. Sie brauchen dabei nicht viele Pflegeprodukte. Meist reicht eigentlich Wasser und Muttermilch. Vielleicht bei größeren Verschmutzungen auch mal ein kleiner Zusatz oder beim Wundsein eine Salbe. Für die Massage reicht ein einfaches Basisöl. Alle meine drei Babys hatten Gneis. Während er bei zwei von drei Kindern belassen wurde bis er irgendwann verschwand, hatte er sich bei einem Kind sehr ausgeprägt. Da sich das Baby immer wieder dort kratzte habe ich ihn mit Öl sanft bestrichen, wodurch er sich löste.
Schläft das Baby schon durch?
Babys (und Kleinkinder) müssen nicht durchschlafen. Im Gegenteil: das nächtliche Aufwachen ist normal und auch wir Erwachsenen wachen nachts auf. – Nur finden wir schneller wieder in den Schlaf. Das Baby vergewissert sich erst einmal, ob alles gut und sicher und richtig ist. Manche brauchen dann trotzdem wieder mehr Zeit, um in den Schlaf zu finden, andere weniger. Auch bei meinen drei Kindern war es sehr unterschiedlich: Während mein erstes Kind nachts sehr lange noch aufwachte, schlief das zweite von Anfang an sehr gut und auch das dritte Kind ist ein guter Schläfer. Jedenfalls merke ich das nächtliche Stillen nicht, da das Baby neben mir im Familienbett liegt und ich kaum Aufwand habe, um es nachts zu stillen oder zu beruhigen. Doch manchmal ist es auch ganz anders. Babys müssen jedoch jetzt noch nicht durchschlafen und viele tun das auch nicht. Das ist kein Anlass zur Sorge und auf keinen Fall sollten nun irgendwelche Schlafprogramme ausprobiert werden. Lässt man ein Baby allein und schreien, kann das langfristige sehr negative Folgen haben. Durchschlafen bedeutet übrigens, dass Kinder sechs bis acht Stunden ruhen. Wenn sie zwischendurch aufwachen, schlafen sie von selbst wieder ein und insgesamt dann sechs bis acht Stunden ohne die Zuwendung der Eltern zu benötigen. Durchschlafen bedeutet also nicht, dass Kinder die ganze Nacht lang schlafen und auch nicht, dass sie nachts überhaupt nicht aufwachen.
Der dritte Monat ist ein spannender Monat. Viel ereignet sich im Leben eines Babys, viel auch wieder bei den Eltern. Genießt ihn!
Eure
Aus dieser Reihe:
Der dritte Monat ist sehr spannend – aber eigentlich sind alle Monate spannend. Mit Kindern kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus!
Hm, du schreibst, dass sich Kinder unterschiedlich entwickeln und man darauf Rücksicht nehmen soll. Andererseits schreibst du auch explizit, dass Kinder mit 4 Monaten keine Beikost brauchen. Das widerspricht sich etwas. Unserer hat mit 4 Monaten definitiv essen wollen, das haben uns auch Kinderärztin und Hebamme bestätigt. Eben: Jedes Kind ist anders.
In Bezug auf die Beikosteinführung gibt es viele Signale und Fähigkeiten, die Kinder zeigen sollten. Nur das Hinterhersehen nach Essen ist noch kein Zeichen dafür, dass das Kind wirklich andere Nahrung als Säuglingsnahrung oder Muttermilch benötigt. Die Empfehlung der WHO ist da auch ganz klar. Häufig besteht hier Unwissen – auch von Fachleuten und es gibt eine große Beeinflussung durch die Nahrungsmittelindustrie. Ich habe in den vielen Jahren meiner beruflichen Tätigkeit noch kein Baby erlebt, dass wirklich ab dem 4. Monat Brei benötigt hätte. Deswegen gebe ich ganz klar diese Empfehlung. Mehr dazu steht auch hier: http://geborgen-wachsen.de/2015/04/11/5-regeln-fuer-einen-respektvolle-beikoststart/
Wenn Ihr es anders gemacht habt, ist das absolut in Ordnung. Ich würde es jedoch einfach so nicht empfehlen.
Ich hab da gerne auf unser Kind, unsere Kinderärztin, unsere Hebamme und uns gehört. Aber danke für die vielen Ratschläge.
Entschuldige, es sollte nicht belehrend wirken, sondern nur eine Erklärung sein, warum ich es nicht empfehlen würde.
Woran habt Ihr das definitiv erkennen können? Tatsächlich gibt es manchmal Kinder, die mit vier Monaten bereits alle Beikostreifezeichen aufweisen. Die meisten Kinder können in dem Alter aber noch nicht stabil (mit wenig Unterstützung im unteren Rücken) sitzen oder sich vom Rücken auf den Bauch drehen (erst dann ist auch die Zungenmotorik entsprechend entwickelt). Die meisten Babys haben dann noch einen Zungenstossreflex und auch noch nicht die entsprechende Hand-Mund-Koordination. Wenn das jedoch alles schon soweit entwickelt ist, spricht aus allergiepräventiver Sicht nichts dagegen, das Kind etwas probieren zu lassen. Es gibt aber auch Studien die besagen, dass eine sechsmonatige ausschließlich Stillzeit am besten vor bestimmten Infektionskrankheiten schützt. Letztlich muss auch das Stillverhalten der jeweiligen Mutter mit betrachtet werden, da die Beikosteinführung am besten unter „dem Schutz des Stillens“ erfolgen soll. Wichtig ist auf jeden Fall nicht vor dem 5. Monat zu beginnen und nur Beikost anzubieten, wenn das Kind schon tatsächlich die entsprechende Reifezeichen dafür aufweist:) Liebe Grüße, Anja
Wegen dem Essen. Also ich konnte auch nie glauben, dass ein Baby so richtig vor dem vollendeten 6. Monat was anderes als Milch möchte. Meine zweite Tochter hat mich eines besseren belehrt. Mit 4,5 Monaten riss sie mir förmlich das Brötchen aus der Hand (sie war von Anfang an am Esstisch mit dabei, natürlich in den ersten Wochen im Stubenwagen oder stillend auf meinem Arm) und führte es zielgerichtet zum Mund. Ich muss aber dazu sagen, dass sie sich auch bereits mit 4 Monaten auf den Bauch drehen konnte und nun mit ihren gerade erreichten 6 Monaten versucht zu krabbeln. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Motorik ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Beiostreife ist und sich parallel zu dieser entwickelt und andersherum. Da ich eh kein Brei gebe, sondern meine Kinder selbstbestimmt die Beikost erkunden lasse, isst sie jetzt auch noch nicht so riesige Mengen und die Muttermilch steht an erster Stelle. Am Ende muss jeder selbst entscheiden – hoffentlich im Sinne des Kindes.