Worte des Begleitens lernen – Wie wir unsere Kinder trösten und beruhigen können

Der Umgang mit dem Weinen, mit Wut und Ängsten von Kindern ist für Eltern nicht immer einfach. Gerade dann nicht, wenn sie selber nicht gelernt haben, dass diese Gefühle nicht gestoppt, nicht ausgeblendet, nicht sofort beendet werden müssen, sondern eine Berechtigung haben und begleitet und/oder ausgelebt werden wollen. Für einige Eltern ist es schwer, mit diesen Gefühlen generell umzugehen: Sie fühlen sich überfordert, ausgeliefert, hilflos, ärgerlich, wütend… Kommen sie in eine Situation, in der das Kind eine solche Emotionalität zeigt, fühlen sie sich hilflos und haben nicht selten das Gefühl, machtlos zu sein: Obwohl wir rational wissen, dass solche Situationen mit Kindern vorbei gehen, fühlen wir uns in den Momenten vielleicht gefangen und haben das Gefühl, sie würden nie zu Ende gehen.

Es ist nicht einfach, an die Ursache dieser eigenen Unbehaglichkeit zu kommen: Woher rührt das Gefühl, dass das Weinen sofort beendet werden muss? Woher kommt der Gedanke, Kinder dürften nicht wütend sein und ihre Wut nicht zeigen? Warum denken wir, Kinder dürften nicht ärgerlich sein, weil wir ihnen vorschreiben, wie ihr Tag ablaufen soll und sie in einen Zeitplan fügen, den auch wir nicht immer gut finden, aber dennoch einhalten müssen? Warum fühlen wir uns hilflos im Angesicht großer Emotionen? Sich diesen Fragen zu stellen, wenn wir Probleme mit den Gefühlen unserer Kinder haben, ist langfristig gut, denn wir werden über viele Jahre mit Wut, Trauer, Ärger, Missmut, Langeweile etc. der Kinder umgehen müssen.

Was wir zunächst aber tun können auf dieser Reise des Klärens, ist die Veränderung unseres unmittelbaren Verhaltens. Wir können in einem ersten Schritt für uns selbst sorgen und uns versichern, dass dies jetzt und hier eine für uns schwierige Situation ist, die wir meistern werden. Wir können uns wahrnehmen in dieser Situation und uns darauf fokussieren, wie sich unser Körper gerade anfühlt: Wie atmen wir? Wie fühlt sich unser Körper an? Und wir können versuchen, bewusst gegen die Anspannung, die sich in uns aufbaut, zu arbeiten: tiefer und ruhiger atmen, die Muskulatur wieder entspannen, beispielsweise durch Öffnen und Schließen der Hände Anspannung loslassen.

Und wir können die Worte, die wir nutzen, ändern: Anstatt unserem Kind zu sagen „Hör jetzt endlich auf!“ oder „Nun ist aber mal gut mit weinen!“ oder „Du hast gar keinen Grund, ärgerlich zu sein/zu weinen!“ können wir einfach sagen:

  • „Ich bin hier.“
  • „Ich begleite dich.“
  • „Ich tröste dich, wenn du mich brauchst.“
  • „Es ist okay, wenn du nicht in den Arm genommen werden willst. Ich bin aber hier, wenn du mich brauchst.“
  • „Erkläre mir, was dich verärgert.“
  • „Du bist nicht allein.“
  • „Es ist okay, wie du dich fühlst.“
  • „Du bist traurig/wütend/enttäuscht…“

Denn alle Gefühle dürfen gespürt werden, kein Gefühl muss verboten werden. Und wir begleiten unsere Kinder auf ihrem Weg, mit diesen Gefühlen umgehen zu können.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Weiterführende Literatur*:
Mierau, Susanne (2017): Ich! Will! Aber! Nicht! Die Trotzphase verstehen und begleiten. München: GU.
Mierau, Susanne (2019): Mutter. Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. Weinheim: Beltz.
Harms, Thomas (2016): Körperpsychotherapie mit Säuglingen und Eltern. Gießen: Psychosozial Verlag.

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links zu Amazon, durch die ich im Falle einer Bestellung eine Provision erhalte ohne dass für Euch Mehrkosten anfallen.

3 Kommentare

  1. Liebe Susanne,
    das ist sehr wahr!
    Für mich ist die starke Autonomiephase meiner Tochter eine mega Anstrengung!
    All‘ diese Gefühle zu begleiten,die ich nie selbst ausleben durfte ist sehr schwer und oft muss ich auch weinen.
    Manchmal denke ich,dass ich das alles selbst nochmal lernen muss.

    Gibt es ein Alter als Hochphase?
    Überall steht immer 2 Jahre,finde das aber erst den Anfang….meine Tochter ist aktuell 3,5 und es war noch nie so stark mit heulen,brüllen,schreien und „Neins“.

    Liebe Grüße mit löchrigem Nervenkostüm
    Miriam

    • Liebe Miriam,

      tatsächlich ist die Hochphase eher um den 3. Geburtstag herum und nicht um den zweiten. Kürzlich gab es eine Studie, die das benannte und als Hochphase der Aggressivität (Hauen, Beißen, Spucken) benannte. Ich kann mich nur nicht mehr an die Autor*innen erinnern 🙁

  2. Liebe Susanne,
    der Artikel ist so treffend für meine Situation gerade. Vielen Dank fürs „Auffangen „.
    Ich bin noch nicht lange auf deiner Seite, aber es tut mir in vielen Situationen sehr gut darin zu stöbern um klar zu werden was ich für meine Kinder als Weg möchte.
    Ich hab vor kurzem das Buch „ Ich will aber nicht!„ bestellt und freue mich schon sehr darauf.
    Hättest du vielleicht bis dahin einen kleinen Rat für mich zu diesem Thema…
    Mein Sohn ist drei und seit kurzem im Kindergarten, die Eingewöhnung war überhaupt nichts, noch dazu wird dort viel gekocht und er darf aus gesundheitlichen Gründen nicht viel Essen, ich vermeide schon ihn an den Kochtagen zu schicken (an diesem Tag ist auch Eltern-Kind-Turnen) aber manchmal machen die Erzieherinnen spontan was, so das ich schnell zu Hause etwas mache damit er auch was hat.
    Trotzdem ist er viel frustriert, diese Wut bekommt dann seine kleine Schwester (1) Daheim ab mit Zwicken und Kratzen,…die immer verschreckter reagiert wenn er zu ihr kommt.
    Jeglichen Versuch ihn mit anderen Dingen abzuregen z.B. Knet oder Kochen wird oft nicht gewollt.
    So das mein Mann und ich nur noch dabei sind die Kleine zu schützen…
    Ich möchte ihn nicht in so eine Schublade stecken und dies nicht als Hauptthema im Alltag machen, denn eigentlich ist er ein ganz aufgeweckter, schlauer und auch liebevoller und stolzer Bruder, aber ich weiß nicht mehr was ich noch zu ihm sagen soll und wie ich auf das Kratzen und Zwicken reagieren kann.
    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
    Liebe Grüße
    Juli

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert