Wie heißt das Zauberwort? Respekt.

„Danke“ sage ich zu meinem kleinen Kind als es mir den Baustein überreicht. Mit einem „Bitte“ stelle ich das Getränk vor ihm ab. „Bitte“ und „Danke“ sind Begleiter im Alltag mit Kindern. Und dennoch sind es keine Wörter, die abverlangt werden können oder sollten, denn mit einem „Und wie heißt das Zauberwort?“ werden wir unserem Kind nicht das Empfinden von Dankbarkeit vermitteln. Dankbarkeit ist ein Gefühl, das empfunden werden sollte, es ist keine lehre Worthülse. Und genau dies können wir unseren Kindern beibringen, indem wir nicht Worte erzwingen, sondern Bestandteil des Alltags sein lassen.

Werte sind wichtig

Das vermitteln von Werten ist für Kinder von großer Bedeutung. Sie brauchen einen Rahmen, an dem sie sich orientieren können. Sie erfahren von den Personen ihrer Umgebung durch das Vorleben, wie das Leben gestaltet ist. Sie erfahren einen Rahmen durch unser Handeln, an dem sie sich erproben und durch den sie ihren Weg finden können. Manchmal überschreiten sie ihn, um zu verstehen und eigene Erfahrungen zu machen. Aber wir geben immer einen groben Rahmen vor durch unser eigenes Handeln. Dabei hat jeder seine eigenen Punkte, die besonders wichtig sind: Solidarität, Respekt, Höflichkeit,… Wenn wir bestimmte Werte vertreten, betten wir unser Handeln in ein ethisches Weltbild ein. Auf Basis dessen ist ein Miteinander möglich. Schließlich kann eine Gesellschaft nur durch verbindliche Werte funktionieren.

Transportiert werden Werte tagtäglich in den verschiedensten Situationen: Dadurch, wie wir miteinander umgehen, wie wir mit unseren Kindern umgehen. Kinder beobachten im Alltag genau: Wie verhalten sich meine Eltern auch anderen Menschen gegenüber? Sind sie respektvoll, fair und achtsam? Halten sie sich an bestimmte Regeln? Helfen sie beispielsweise Hilfsbedürftigen im Alltag, halten mal eine Tür auf für jemanden mit schweren Einkaufstüten oder machen einen Sitzplatz frei in der vollen Bahn für eine Schwangere? Verhalten sie sich mir gegenüber achtsam und höflich? Und natürlich auch: Sagen sie „Bitte“ und „Danke“?

Bitte und Danke – Worte, die nur unterstützen

Höflichkeit ist ein Wert, der vielen Menschen am Herzen liegt. Ausgedrückt werden kann sie durch eben die bekannten „Zauberworte“. Doch sind diese Worte nur ein kleiner Teil dessen, was Höflichkeit ausmacht. Vielmehr geht es um Wertschätzung, Achtsamkeit und Gemeinschaft. Und um dies zu lernen, bedarf es mehr als nur dem Aufsagenkönnen von zwei Worten. Höflichkeit wird in erster Linie gelernt anhand von Vorbildern. Es ist wichtig, wie wir mit anderen Menschen, aber vor allem auch unseren Kindern umgehen. Nutzen wir „Bitte“ und „Danke“ in passenden Situationen, werden unsere Kinder es ganz selbstverständlich übernehmen.

Mit älteren Kindern kann auch das Gespräch gesucht werden: Was ist nett und was nicht? Warum verhalte ich mich in einer Situation so und in einer anderen anders? Warum überhaupt werden „Bitte“ und „Danke“ im Alltag genutzt? Kinder haben ein Recht darauf, zu verstehen, warum bestimmte Umgangsformen wichtig sind. Sie sollten verstehen, warum diese Umgangsformen das Leben in der Gesellschaft erleichtern und verschönern und sie dürfen spüren, wie sich diese guten Worte anfühlen, wenn jemand sie an sie richtet. Lernen sie nur einzelne Worte oder Sätze auswendig und sagen sie bei Bedarf auf, ist das noch lange keine Werteerziehung, denn dahinter steht kein Wert, für den sie einstehen. Worte sind oft Unterstützer einer inneren Haltung.

Keine Doppeldeutigkeiten und Ironie für kleine Kinder

„Na schönen Dank auch“ oder „Bitte, ich räume doch gerne hinter Dir her!“ – das alles ist für kleine Kinder schwer zu verstehen. Doppeldeutigkeiten und Ironie sind aus dem Sprachgebrauch vieler Erwachsener nicht mehr weg zu denken. Doch Babys und Kleinkinder können Ironie nicht verstehen. Laut eine Studie der University of Montreal wird Ironie erst ab einem Alter von frühestens 4 Jahren verstanden; andere Studien kommen zu Ergebnissen, die das Alter der Kinder noch höher einschätzen. Diskutiert wird auch, ob das Verständnis von Ironie auch mit der Verwendungshäufigkeit in der Familie zusammen hängt. Auf jeden Fall aber sind Ironie, Sarkasmus und Doppeldeutigkeit nichts, das kleine Kinder problemlos deuten könnten. Wer also „Bitte“ und „Danke“ so gegenüber Kindern benutzt, fördert nicht, dass das eigene Kind diese Wörter verwendet oder wirklich versteht. Kinder brauchen anfangs eine aufrichtige, ehrliche Sprache.

Respekt ist wichtiger als einzelne Phrasen

Auswendig gelerntes „Bitte“ und „Danke“ sind keine Zauberwörter. Ein lapidar hingeworfenes „Danke“ bringt weder Eltern noch Kinder weiter und verdeutlicht keine Werte. Wir müssen nicht immer und jederzeit „Bitte“ und „Danke“ verwenden und auch unsere Kinder müssen es nicht immer tun. Aber wir sollten ihnen jederzeit mit Respekt gegenüber treten. Wir sollten ihnen zeigen, dass wir gemeinschaftlich miteinander umgehen wollen und dass ein guter Umgang miteinander das Leben schöner und einfach macht. Manchmal drückt sich das durch ein „Bitte“ oder „Danke“ aus – und manchmal reicht auch ein Blick oder das innere Gefühl, dass man sich respektiert und wahr nimmt.

 

19 Kommentare

  1. Kat Harina

    In diesem Zusammenhang sehr empfehlenswert finde ich das Buch „Was im Leben wirklich zählt. Mit Kindern Werte entdecken.“ von Susanne Stöcklin-Meier (Kösel Verlag).

    Wir musste Kurzen nicht dazu abrichten, „Danke“ zu sagen. Weder Dressur noch öffentliche Demütigungen à la „wie sagt man? WIE SAGT MANNN?!“ waren dazu nötig. Einfach nur konsequentes Vorleben. An „schüchternen Tagen“ frage ich ihm manchmal auch flüsternd ins Ohr, ob er sich selber bedanken möchte oder ob ich an seiner Stelle soll. Meistens möchte er selber.
    Was ihm in diesem Zusammenhang riesig Auftrieb gibt sind die positiv-gutheissenden und manchmal offen erfreuten Reaktionen der fremden Erwachsenen, wenn er grüsst oder sich bedankt.

    • Jahaaaaa genau!!!

      ach mit dem Grüßen ist bei uns auch so.
      Der Krümel grüßt auch ganz oft wildfremde Leute. Wir sitzen im Park auf der Bank und jeder der vorbei kommt wird begrüßt mit einem fröhlichen „Halloooo“ (manchmal noch mit einem „Das ist meine Mama“ hinterher). Und ich finde es einfach so schön, wie postiv die Menschen darauf reagieren und wie sie sich freuen. <3

  2. Angela Schickhoff

    Da fällt mir eine Begebenheit ein: Meine Tochter bekommt ein Eis und will einen Löffel, die Verkäuferin fragt nach dem Zauberwort, meine Tochter sagt „Löffel!“. Ich fand das so lustig, sie kannte diese Aufforderung halt nicht. Seitdem ist „Löffel“ unser Zauberwort.

  3. Andrea Mordasini, Bern

    Anstand, Respekt, Rücksichtnahme und gutes Benehmen wie grüssen, sich bedanken und sich
    entschuldigen sind uns auch sehr wichtig und Werte, die wir unseren
    Kindern aktiv vorleben und vormachen. Auch wir sind überzeugt, dass die
    Kinder uns und gewisse Verhaltensregeln automatisch und ohne Druck und
    Zwang kopieren. Unsere Kinder sind nun etwas mehr als 6 und 4,5 Jahre alt und bedanken
    sich häufig schon ohne „Anstupser“. Von dressurhaftem, hässigem „wie sagt man!“ halten wir nicht sehr viel. Dies führt, vor allem bei eher
    schüchternen und zurückhaltenden Kindern wie unserem Grossen, zu
    unnötigem Stress und noch mehr Zurückhaltung. Was bei uns auch hilft:
    die Kinder vorgängig auf die Situation vorbereiten oder die Frage:
    „willst du noch danke sagen oder soll
    ich? oder, je nach Situation, auch ein leise geflüstertes „Sag bitte noch danke“. Meistens kommt das „Danke“ dann automatisch von ihnen aus und
    wirkt erst noch „echter“ und authentischer als ein aufgezwungenes, „künstliches“. Respekt und Benimm durch Vorleben lernt jedes Kind, die einen früher, die anderen später –
    es braucht bloss etwas Geduld und mehr Vertrauen in die Kinder ;).

  4. Wir sagen immer danke und bitte. Finde die Höflichkeitsfloskeln wichtig. Man muss die kids ja auch „gesellschaftstauglich“ „machen“. Und es kommt einfach nicht gut an ich will zu sagn und nich bitte und danke. Aber von zwingen halte ich nichts. Ich mache aufmerksam und lebe es selbst vor.
    Und zu dem thema aufm spilie:
    Kinder verstehen keine ironie. Wenn es nich gut war was sie gemacht habn sollte man das auch sagn. Denn Kinder gehen davon aus was man ihnen sagt und nehmen es ernst.

  5. Das erinnert mich daran, dass ich in meiner Schulzeit ein Praktikum in einer Kita absolvierte. Ein 2,5jähriges Kind fragte mich „Würdest du meine Schuhe zubinden?“ Die Frage war nicht nur erschreckend gut formuliert für das Alter sondern auch sehr lieb und bittend rübergebracht. Ich habe also natürlich beim Binden der Schleifen geholfen. Eine Erzieherin hatte das beobachtet und fuhr mich hinterher an, das Kind habe ja gar nicht bitte gesagt und darauf sollte ich das nächste Mal ja achten, es könne nicht angehen, dass die Kinder nicht Bitte sagen. Da war ich doch arg perplex.

  6. Ich finde dieses Zauberwortgetue auch ganz schrecklich…eine Freundin meiner Tochter muss das sagen, um irgendwas zu bekommen. Hat doch was von Dressur oder? Mir ist viel wichtiger, dass sie versteht, was die Worte bedeuten und welche gesellschaftliche Konvention dahinter steht.

    Als das Thema präsent wurde, haben wir uns auch an die eigene Nase gefasst und festgestellt, wie selten wir eigentlich noch Bitte und Danke sagen und tuen dies seit dem viel häufiger. Mein Krümel sagt mit ihren 2,5 Jahren sehr oft Bitte und Danke (von sich aus) – aber nicht immer dann, wenn man es von ihr erwartet.

    Bekommt sie von den Großeltern z.B. etwas geschenkt, dann freut sie sich und sagt oh und ah und toll, aber eben nicht Danke. Einfach auch, weil die Situation sich für etwas Geschenktes zu bedanken im Alltag selten vorkommt. Aber ich merke wie die Großeltern darauf warten, dass sie sich bedankt. Ich denke mir dann immer, ist die Freude mit der sie das Geschenk entgegen nimmt nicht Dank genug? Ich bedanke mich dann in ihrem Namen, damit sie irgendwann vielleicht merkt ‚ah, Danke sagen gehört dazu.‘

    Außerdem macht das doch einen Haufen Arbeit das Kind so zu dressieren…nicht nur bei Bitte und Danke.

  7. Die Tagesmutter dressiert unsere Tochter dahingehend. Wenn die Kleine zu uns Eltern „Da! haben!“ sagt und aufgeregt etwas undefiniert gestikuliert, und wir sie dann fragen „was magst du denn haben?“ ist Ihr Antwort „bitte haben“ anstatt das Ding zu benennen, dass sie eigentlich will. Wie gebe ich ihr mit, dass es uns als Eltern gar nicht um das Bitte geht, sondern um die genauere Benennenung des „Dings“ … wir versuchen da einfach mit der Kleinen in einen Dialog zu kommen. Ohne Bitte und Danke. Manchmal frage ich mich, ob wir sie damit nicht total verwirren, weil die Tagesmutter absolut auf das Bitte besteht… Und da ist kein Diskurs auf Augenhöhe drin. Hm.

  8. Ernst Frederich

    Mich macht das traurig. Mich macht es traurig, daß ich in einer Umgebung aufgewachsen bin, in der ich von Lehrern ständig „wie heißt das Zauberwort“ gehört habe. Es macht mich auch so wütend, daß meine Eltern immer sagten, Lehrer würden „am längeren Hebel“ sitzen, quasi was sie tun sei in Ordnung. Oder auch „wir schlagen uns nicht“. Und was habe ich heute von all der Qual? Ich habe Abitur, was mir einen scheiß bringt. Ich habe eine Opfermentalität anerzogen bekommen, die ich ums Verrecken nicht loswerde. Ich bin jetzt 37. Mein Vater hat sich stets rausgehalten.

    Keiner, weder Lehrer noch Eltern noch sonstwer zeigte mir, wie ich mich wehre, ich mußte gegen den Willen aller und nicht zuletzt gegen mein antrainiertes Denken rebellieren um Kampfsport machen zu können. Viel zu spät erst mit 19.

    Und meine Eltern sind Therapeut und Pädagoge. DIE sollten es wirklich besser wissen, meinst du nicht auch? Kein Wunder, daß niemand in Therapie weiterkommt, wenn die Therapeuten das nicht einmal selbst in ihrer Familie besser machen.

  9. Nadine Müller

    Liebe Susanne,

    ein so schöner Beitrag 🙂 vielen Dank dafür!!! Ich habe alle deine Bücher gelesen (das neuste noch nicht ganz fertig) und wir sind so überzeugt davon das dein Ansatz so richtig und wichtig ist. Ich finde es dann nur so schrecklich wenn das in der Betreuung so ganz anders gehandhabt wird und es auch keine bessere Alternative dazu gibt… wir wohnen auf dem Land und hier sind die Uhren gefühlt stehengeblieben und es wird noch so viel althergeholtes gelebt… Dieses bitte/danke Thema ist da das beste Beispiel, die kinder (unter 3 J.) werden ständig dazu aufgefordert es zu sagen… so dieses „wie sagt man?“ , „wie heißt das?“, du möchtest etwas haben, dann musst du aber erstmal bitte sagen etc. Ich finde das ganz ganz schlimm, aber man bekommt die einfach nicht bekehrt… meinst du das es sehr schlecht ist wenn der kleine in der Kita sowas alles hören muss??? Ganz lieben Dank

    • Liebe Nadine,
      vorteilhafter ist es natürlich, wenn die Kinder es in der Kita nicht machen müssen, aber letztlich kann ja zu Hause ein gesunder Ausgleich geschaffen werden und auch aufgegriffen werden, warum man das anders handhabt zu Hause.

  10. Gerade sehr aktuell. Was aber wenn das eigene Kind durch einen Bekannten der Familie sehr schroff betitelt wird, weil er das kind in runter schwierigen Lage nicht versteht. Frage an das Kind: „bist du bekloppt?!“ (Kind 5 Jahre) und das Kind dann antwortet: „Du bist bekloppt.“ mit einem Blick der sagt: ich verstehe nicht was du meinst und hey warum sagst du das?
    Und dann springt der Erwachsene auf, mit den Worten, dass er so Nicht mit sich reden lasse und das Kind bitte erstmal nachdenken solle bevor es redet. (Ein 5 jähriges wohlgemerkt).
    wo ist da der Respekt und positive vorleben? Das schlimme ist, das Kind konnte sich nicht erklären warum es die Handlung vor den verletzenden Worten ausführte (es hatte nicht mal den Erwachsenen selbst verletzt oder mit diesem zu tun, dieser hatte auch nur zwischen geschalten, weil er die Erziehung /das Verhalten des Vaters zu lasch fand. Ich persönlich bin schockiert, warum ein Erwachsener- Außenstehender- so an ein Kind ran geht und wie lange man persönlich benötigt das gesagte zu verarbeiten und als dieses wahrzunehmen (schockierter Zustand)
    Ich selbst bin mit solchen Worten und noch mehr groß geworden und verstehe nicht, dass erwachsene die so etwas selbst erlebt haben, dieses dann selbst wieder aufleben lassen!
    Wie erkläre ich nun dem Kind, warum es verletzt wurde und wie es damit umgehen soll?

    • Liebe Nicky, da ist es hilfreich, als Bezugsperson einzugreifen gegenüber der anderen erwachsenen Person und zu sagen, dass mit dem Kind so nicht gesprochen wird und wenn die Person Respekt wünscht, sie diesen auch entgegenbringen muss als Vorbild.

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