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Und das beste: Die App mit allen Funktionen ist kostenfrei. Du kannst auf alle Inhalte uneingeschränkt zugreifen. Denn wir finden: Das Wissen um bedürfnisorientierte Elternschaft sollte frei und für alle verfügbar sein.
Patricia Cammarata ist Diplom-Psychologin, Autorin und Medien-Expertin: Sie arbeitet mit dem Elternratgeber „Schau hin!“ zusammen und erstellt Beiträge für die Initiative und hat im letzten Jahr deutschlandweit Vorträge im Rahmen der Blogfamiliär gehalten rund um das Thema „Kinder/Jugendliche und Medien“. Zudem spricht sie im erfolgreichen Podcast #nur30minuten mit dem Moderator, Podcaster und Medienexperten Marcus Richter über Kinder und digitale Medien. In ihrem neuen Buch „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ klärt Patricia Cammarata auf, warum Medien unsere Kinder nicht „dement“ machen, sondern in ihnen viel Potential liegt – und wie wir Eltern unsere Kinder auf dem Abenteuer Medien richtig begleiten, denn „Das Smartphone in der Hand des Kindes ist das Abenteuer, und zwar ein großes, nicht endendes, geselliges und facettenreiches Abenteuer“.Im Gespräch mit Susanne Mierau beleuchtet sie die aktuelle Situation im Homeschooling/Kitafrei und gibt Eltern Tipps (und Entlastung) für diese Zeit.
Liebe Patricia, wir sprechen so oft davon, ob Medien nun gut oder schlecht sind für Kinder und wie wir mit ihnen umgehen sollen. Aber eine wichtige Frage stellt sich vorab: Was sind eigentlich Medien?
In der Diskussion, die um Medien stattfindet, werden eigentlich die Medien gemeint, die mit Strom laufen: Hörspiele, Fernsehen gehören dazu, aber diese werden oft weniger thematisiert in der Diskussion. Bei den Medien, vor denen Eltern die meiste Angst haben, geht es aber besonders um all die Medien, die mit dem Internet in Verbindung stehen.
Häufig fragen Eltern nach konkreten Empfehlungen zur Mediennutzung. In Deinem Buch gibst Du unter anderem konkrete Empfehlungen nach Altersangaben wie zum Beispiel (ab S.67) „Kleinkinder sind oft auch mit anderen Dingen als (YouTube)-Videos zufriedenzustellen. Das gilt insbesondere für Kinder, die keine älteren Geschwister haben, und für Kinder, deren Eltern in ihrer Gegenwart kaum Videos schauen. […] Wenn es aber nicht anders geht – und Situationen gibt es genug, ich denke da zum Beispiel an den Fall, dass ein alleinerziehender Elternteil krank ist oder man ein kränkelndes Kind hat und unbedingt geschäftlich telefonieren muss -, solltet ihr den Kindern Inhalte vorsetzen, die ihr kennt und gut kontrollieren könnt (Film auf DVD z.B.). Ansonsten gilt: Kleinkinder beim Videoschauen begleiten.“ – Diese Situation trifft nun auf viele Familien im Homeoffice zu. Was bedeutet es, Kleinkinder zu begleiten?
Begleiten ist das Ideal: Kleinkinder sollten die digitalen Inhalte nicht allein konsumieren, sondern dabei begleitet werden. Zumindest sollten wir daneben sitzen, um eingreifen zu können, zu stoppen, etwas auf das Kind zu achten, denn das Kleinkind nimmt Inhalte noch anders wahr als wir Erwachsenen. Was für uns harmlos ist, kann ein 3jähriges Kind verschrecken. Deswegen ist es gut, nah zu sein und die Reaktionen wahrnehmen zu können. In der Praxis ist das natürlich nicht immer möglich, daher empfehle ich einen kontrollierbaren Rahmen für den Medieninhalt wie DVDs oder Streamingdienste. Zudem sollte der Rahmen mit dem Kind vorher besprochen werden, damit es einen Erwartungshorizont hat.
Wichtig ist auch, das Ende mit dem Kind vorab schon zu besprechen: „Willst du das abschalten danach oder soll ich das machen?“ Das Kind soll langfristig Selbstkontrolle entwickeln und das wird im Kleinkindalter eingeübt. Das funktioniert natürlich dann noch nicht immer, aber es ist ein Lernprozess wie viele andere und braucht Zeit. Nicht-funktionieren ist kein Scheitern, sondern ein Schritt auf dem Weg.
Das Entwickeln von Kompetenz durch Erfahrung ist ein ganz wichtiger Aspekt in Deinem gesamten Buch, Du beschreibst zum Beispiel (S.55) : „Oberstes Ziel muss sein, dass ein Kind nach und nach lernt, was gut für es ist und was nicht. Welche Inhalte okay sind und welche nicht. Es muss lernen, sich selbst zu schützen, indem es bestimmte Inhalte nicht anschaut, ein Video stoppt, wenn es gruselig wird oder eine unangenehme Wendung nimmt, und dass es bestimmte Inhalte auch nicht mit anderen teilt.“Wie kann man das Kindern beibringen?
Bei Fernsehgeräten kann der Aus-Knopf gedrückt werden. Nun haben wir viele verschiedene Endgeräte und manchmal wissen die Kinder nicht sofort, wie sie es ausschalten. Es ist wichtig, Kindern Kompetenz dafür an die Hand zu geben. Zunächst muss gesagt werden: „Es kann sein, dass etwas gruselig ist, das musst Du nicht ansehen.“ Kinder brauchen Aufklärung. Und dann ganz konkret: Wenn es nicht richtig ist, dann halte die Hand drauf oder drehe das Pad/Tablet um. Kinder sollten nicht in Schockstarre Inhalte konsumieren. Diese Kompetenz brauchen Kinder auch später, wenn sie allein mit Medien umgehen. Und deswegen ist es auch gut, mit Kindern früh anzufangen bei kleinen Themen und Kinder dann zu begleiten, bevor es im Jugendalter um Uploadfilter etc. geht.
Und was, wenn mein Kind immer nur dasselbe wie „Paw Patrol“ oder „Peppa Pig“ sehen will?
Das Bedürfnis nach Abwechslung, das wir als Erwachsene haben, lässt sich nicht einfach auf Kinder übertragen. Nur weil wir Erwachsene nicht zum x-ten Mal eine Serie sehen wollen, bedeutet das nicht für Kinder, dass das auch so ist. Im Gegenteil: Für viele Kinder reicht immer dieselbe Serie, weil sie die Handlung kennen, den Spannungsbogen, können deswegen eintreffende Vorhersagen machen und das wirkt sich positiv auf die Selbstwahrnehmung des Kindes aus. Wenn das Kind mit einer Serie oder sogar einer Folge immer wieder zufrieden ist, muss daran nicht geändert werden. Und Eltern wissen dann auch genau: Mein Kind kann diese Folge sehen während ich arbeite.
Neben dem Konsumieren gibt es auch das Produzieren mit digitalen Medien, das gerade für größere Kinder interessant wird – gerade auch in der aktuellen Situation.
Viele Eltern haben weniger Ängste, wenn die Kinder kreativ mit digitalen Inhalten umgehen als wenn sie rein konsumieren. Produzieren kann sehr vielfältig sein in unterschiedlichen Altersgruppen wie zum Beispiel Stop-Motion-Filme, programmieren lernen, Videoschnitt, Bildbearbeitung, Mal-Apps… – Hier muss gesehen werden, was dem Kind gefällt. Manchmal braucht es auch hier Zeit, um das zu finden, was den Interessen und Fähigkeiten meines Kindes entspricht.
Viel diskutiert wird die Nutzungsdauer von digitalen Medien – das greift ja auch Dein Titel auf – was kannst Du Eltern dazu mit auf den Weg geben?
Wichtig ist hier zunächst einmal die Frage an die Eltern: Vor was habe ich eigentlich Angst? Ab Minuten 31 oder Minute 60 passiert ja nichts anderes mit dem Kind als vorher. Natürlich sollte darauf geachtet werden, dass Kinder je nach Alter ein „verdaubares Häppchen“ haben. Natürlich gibt es bei viel Medienkonsum Auswirkungen: Oft diskutiert wird über Kurzsichtigkeit, die aber auch durch Bücherlesen und das Bearbeiten von Arbeitsblättern hervorgerufen werden kann, weil die Spannung des Sehmuskels beeinträchtigt wird. Deswegen ist es natürlich generell wichtig, dem Auge nicht nur Dinge im Nahbereich anzubieten. Es braucht ein gesundes Maß. Wichtiger ist es, auf die Inhalte zu achten anstatt auf genaue Zeiteinheiten.
Wenn wir nun mehr Medien ermöglichen als sonst, werden wir das nie wieder los?
Schon kleine Kinder können gut Situationen unterscheiden und wissen, dass es beispielsweise bei Oma und Opa andere Regeln gibt als zu Hause. Ähnlich ist es auch hier jetzt: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Die Umstellung später kann natürlich erst einmal anstrengend sein, aber natürlich gewöhnen sich die Kinder wieder um. Das müssen wir in der Übergangsphase begleiten, aber natürlich ist eine Umgewöhnung absolut möglich. Jetzt gerade ist es wichtig, Stress aus der Situation zu nehmen und Eltern zu entlasten.
Mehr Informationen zum Thema „Kinder und digitale Medien“ findet Ihr auch auf dem Blog von Patricia Cammarata. Ihr Buch ist erhältlich im Buchhandel, bei Buch7 und Amazon und direkt bei ihr selbst – aufgrund aktueller Lieferbeschränkungen ist der Bezug bei ihr oder im lokalen Buchhandel besonders sinnvoll.
Vor kurzer Zeit wurde ich gefragt, ob ich für die aktuelle Printausgabe der SZ Familie, die sich dem Thema widmet, ein Interview geben könnte zu meiner persönlichen Smartphonenutzung und wurde eingeladen, am Runden Tisch zum Thema „Smartphone über alles: was die bahnbrechendste Erfindung der vergangenen Jahrzehnte mit unseren Familien macht“ teilzunehmen als Bloggerin, die mit dieser Seite und allen Social Media Kanälen drum herum mitten in dem steht, was Eltern mit dem Smartphone machen: Facebook, Blogs, Instagram, Twitter, Messenger,… Weiterlesen
Manchmal ist Elternschaft schwierig. Weil sie uns vor Aufgaben stellt, die für uns schwierig sind, weil wir mit Aufgaben konfrontiert sind, die wir nicht in dem Rahmen lösen können, der uns gegeben ist in der Gesellschaft und auch, weil wir für diese Aufgabenbewältigung manchmal keine Vorbilder haben aus unserer eigenen Geschichte, an denen wir uns orientieren können. Manchmal fehlen uns Beispiele dafür, wie wir Eltern sein können oder wollen oder wie wir es schaffen, durch die schweren Momente zu kommen. Und manchmal sind die Vorbilder ganz nah, auch wenn sie keinen Namen tragen für ihren Erziehungsstil. Weiterlesen
Immer wieder wird in Frage gestellt, welche gesellschaftliche Bedeutung Elternblogs haben: „Mamiblogs“ bestehen nur aus Bastelanleitungen, gelangweilte Hausfrauen fotografieren ihre geputzen Wohnungen. Eine politische Dimension wird ihnen aberkannt, während sie höchstens noch als Unterhaltungsmedium beschrieben werden. Doch unabhängig davon, dass viele Blogs durchaus bewusst politische Inhalte aufgreifen, wie hier bei Rike Drust beschrieben und auch 2014 schon von Frische Brise erläutert, ist schon allein die Existenz vieler Elternblogs eine politische Aussage, denn es geht in ihnen um Eltern und Kinder und Erziehung. Und Erziehung ist in vielerlei Hinsicht auch (und war es schon immer) eine politische Angelegenheit: Unsere Kinder bestimmen die Welt von morgen. Mit der Art unseres Umgangs heute mit unseren Kindern bestimmen wir, wie die Welt in Zukunft aussehen wird.
Das Fehlen der Empathie in vergangenen Generationen
In seinem Buch „Dem Leben entfremdet“ beschreibt der Psychoanalytiker Arno Grün, dass ohne Empathie keine Demokratie möglich sei und der Mangel an Liebe zu Störungen der Identität führen würde. Dieser Mangel an Liebe und Mitgefühl sei es, der Menschen Schreckliches begehen lasse. Dies sehen wir beispielsweise an den Verbrechen der Nazizeit, denen voraus eine lange Geschichte der schwarzen Pädagogik geht, durch die Kinder abgehärtet, kontrolliert und dem Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung entfremdet wurden. Nicht erst die bekannte Kinderärztin des Dritten Reiches Johanna Haarer hat diese Erziehungshaltung der Härte entwickelt, wie ihr oft nachgesagt wird, sondern sie ist eine von vielen in einer langen Tradition. Ziel dieses Erziehungsverhaltens war es, Menschen so zu formen, wie sie damals für die damalige Gesellschaft geschaffen sein sollten, um den Platz einzunehmen, der für sie vorgesehen war. Erziehung im Dienste der Gesellschaft und Politik.
Erziehung und ihre Auswirkungen
Auch heute finden sich die Ausläufer dieser schwarzen Pädagogik noch immer in unserem Erziehungsverhalten wieder, beispielsweise wenn wir über „Machtkämpfe mit Kindern“ sprechen und damit eigentlich ihre normale und kindgerechte Entwicklung gemeint ist, oder wenn wir denken, dass ein schreiendes Baby uns manipulieren könnte. Erziehung gräbt sich in uns ein, überwintert in unseren Gedanken und kommt manchmal völlig unerwartet wieder zum Vorschein, ausgelöst durch einen kleinen Reiz im Alltag. Tief verwurzelt sind die Stimmen unserer eigenen Kindheit. Sie sind es, die unser Handeln auch heute noch lenken und unseren Alltag bestimmen. Unser Handeln in der Gesellschaft ist geprägt von den Prinzipien, die wir als Kinder erlernt haben. Unsere Einstellung zu Konsum, ob wir uns bedeutend fühlen durch Güter, unser Arbeitsverhalten und selbst unsere Essgewohnheiten sind Resultat einer Erziehung, die beeinflusst wurde von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen. Erziehung war in der Vergangenheit nicht frei, denn sie trägt einen Anspruch in sich, eine Entwicklung in eine Richtung. Diese Richtung wird wesentlich beeinflusst von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren.
Eine sichere Bindung für eine sichere Zukunft
Heute wissen wir, wie unterschiedliche Arten, mit Kindern umzugehen, sich auf die Zukunft auswirken. Die Bindungstheorie und viele Forschungsarbeiten dazu haben uns gezeigt: Es gibt verschiedene Bindungsmuster, die zunächst auf Basis des elterlichen Verhaltens ausgebildet werden. Unter anderem bestimmen die Bindungsmuster, wie wir die Welt wahrnehmen, ob wir uns ängstlich darin bewegen oder mutig, wie wir auf andere zugehen, ob wir Freundschaften schließen und aufgeschlossen sind, wie gut wir lernen können und mit anderen umgehen. Einen großen Einfluss nimmt natürlich auch das jeweilige Temperament des Kindes ein*, doch das Bindungsmuster bestimmt wesentliche Aspekte des Vertrauens und der Offenheit. Feinfühligkeit von Eltern ist die Schlüsselkompetenz für das Gelingen einer sicheren Bindung, die all die positiven Aspekte mit sich bringen kann, die wir uns für unsere Kinder wünschen. Wenn wir feinfühlig auf die Bedürfnisse unserer Kinder eingehen, ist das Ziel einer sicheren Bindung schon näher gerückt. Kinder brauchen sichere Bindung. Und unsere Gesellschaft braucht sicher gebundene Kinder, die eben nicht wie in der Vergangenheit ihre Kränkungen und Störungen in die Welt hinaus tragen und eine Gesellschaft bilden, die sich kriegerisch zerstört.
Jeder liebevolle Artikel ist eine politische Aussage
Doch kommen wir zum Ursprungsgedanken zurück: Wir haben erfahren, dass die Last unserer Vergangenheit groß ist, dass Erziehung früher zu einer nachteiligen Entwicklung für Kinder und die Gesellschaft führte. Diese Einstellungen müssen wir hinter uns lassen, um nicht nur kindgerechter zu sein, sondern auch, um eine sichere und überhaupt zukunftsfähige Zukunft zu gestalten. Wir wünschen uns einen gesellschaftlichen Wandel und wir benötigen ihn auch. Doch an der Last der Vergangenheit tragen wir schwer und es ist viel Arbeit, von alten Erziehungsvorstellungen los zu kommen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Arbeit gemeinsam angehen. Jedes Blog, das liebevoll über Kinder und Elternschaft berichtet, ist eine Hilfe auf diesem Weg. Jeder Artikel von Eltern über liebevoll zugewandte Elternschaft ist Unterstützung für eine bessere Zukunft. Deswegen sind all diese emotionsgeladenen, vor Liebe triefenden und auch oft mit sich und den selbst erlernten Erziehungsweisen hadernden Elternblogs politisch. Sie sind sogar grundlegend politisch, weil wir eine Veränderung der Gesellschaft dort beginnen müssen, wo wir die Chance dazu haben, es von Anfang an richtig zu machen: bei unseren Kindern. Weil wir selber eine bessere Zukunft heranwachsen lassen können und sich die Liebe, die wir heute geben, auf einfach alles auswirken kann: auf Frieden, auf die Umwelt, auf das Miteinander. Elternschaft ist politisch. Liebe ist politisch.
Schreibt Eure Liebe hinaus in die Welt, damit sie all die erreicht, die sie noch nicht erreicht hat.
Eure
* Das bedeutet nicht, dass schüchterne Kinder unsicher gebunden wären.
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