Selbstwirksamkeit fördern durch einen guten Umgang mit Frustration

Viele Erwachsene kennen die Aussage der Kinderbuchheldin Pippi Langstrumpf „Das hab ich ja noch nie gemacht. Ich glaub ich schaffe das !“ Eine Aussage, die Erwachsene lächeln lässt und sicherlich auch zugespitzt ist, aber dennoch für die Begleitung von Kindern einen wichtigen Impuls enthält: Kinder dürfen erfahren, dass sie in dieser Welt selbst wirksam sein können und sich auf Basis dieses verinnerlichten Wissens an Herausforderungen herantrauen. Der Weg dorthin geht aber wesentlich auch durch einen guten Umgang mit Frustration.

Was lernt ein Kind, wenn wir es Hindernisse überwinden lassen? Es lernt, dass es Hindernisse überwinden kann. Selbstwirksamkeit ist eine der wesentliche Eigenschaften, die ein Kind wirklich braucht. Es muss wissen, dass es ein Ziel, das es sich steckt, auch erreichen kann. Es lernt, über welche Wege es an sein Ziel kommen kann, und vertraut auf sich und seine Fähigkeiten. Die Einschätzung der Situation ermöglicht es ihm, seine Chancen abzuklären und sich richtig auf das Vorankommen vorzubereiten: Es weiß, was es kann und bei welchen Dingen es Hilfe braucht.

Susanne Mierau: Geborgene Kindheit

Lernen beinhaltet auch Frustration, die begleitet werden will

Kinder lernen nach und nach sich selbst und die sie umgebende Welt kennen. Sie eignen sich das Wissen über sich selbst, ihr Können und die Umwelt an. Einige Lernerfahrungen bekommen wir gar nicht als solche mit, bei anderen spüren wie die Anstrengung des Kindes. Lernt es beispielsweise Laufen, fällt es auch hin. Es läuft nicht sofort viele Meter weit, sondern baut das Können aus. Dabei muss es immer wieder auch Frustration überwinden.

Viele Eltern denken, dass das Lernen eine steigende Gerade wäre, dabei gehört zum Lernen auch Frustration, die ausgehalten und begleitet werden muss. Wenn eine Fähigkeit nicht sofort gelingt, bedeutet das nicht, dass das Kind das generell nicht kann, sondern dass es sich damit auseinandersetzt. Es ist wichtig, dies Kindern auch immer wieder zu erklären: Lernen bedeutet nicht, dass du es sofort kannst. Lernen bedeutet, dass du eine Antwort noch nicht weißt, dass du etwas noch nicht kannst, aber auf dem Weg bist.

Das Mindset der Eltern überträgt sich auf die Motivation des Kindes: Wenn wir selbst nur von Resultaten überzeugt sind, wenn uns nur das Ergebnis interessiert, drücken wir das oft auch so aus und unterstützen nicht den Weg des Kindes dorthin, sondern nur das Ziel. Dabei ist es für das Kind wichtig, dass es gerade in der Herausforderung Halt bekommt und nicht erst am erlangten Ziel Lob. Anstatt also den Fokus auf das Ergebnis zu richten, können Eltern den Prozess in den Blick nehmen, das Kind ermutigen, bestärken und eben auch immer wieder versprachlichen, dass Dinge Zeit brauchen und manchmal viel Energie benötigen. Auch das Vorbildverhalten gelangt hier in den Blick: Wir können auch bei unserem eigenen Tun versprachlichen, dass das gerade ganz schön anstrengend ist und wie wir mit unserer eigenen, alltäglichen Frustration gut umgehen. So wird Frustration Teil des Prozesses anstatt als Scheitern erlebt zu werden.

Der Umgang mit großen Gefühlen

Auf dem Weg des Lernens gilt es also, mit Frustration umzugehen. Hier benötigen Kinder – wie generell beim Umgang mit ihren Gefühlen – Unterstützung und Co-Regulation. Kinder müssen erfahren, dass Frustration und Wut sein dürfen und wie sie damit umgehen können. So verstehen sie, dass diese Gefühle nicht negativ sind und sein dürfen – auch innerhalb des Lernprozesses. Es ist gut, die Gefühle des Kindes zu verbalisieren, sie anzunehmen und ihnen dann zu helfen, damit umzugehen, zum Beispiel indem wir sagen: „Oh, das ist ganz schön schwierig, das macht dich wütend, dass das jetzt noch nicht klappt. Komm wir nehmen uns eine kleine Pause und du machst später weiter. Es ist normal, dass Sachen nicht sofort klappen. So funktioniert lernen.“

Freiheit zum Erkunden

Ein angemessener Umgang mit Frustration sollte eingebettet werden in die generelle Haltung, dass das Kind sich aktiv mit sich selbst und seiner Umgebung vertraut machen darf. Das Kind lernt die Welt kennen, indem es sich darin bewegt und mit ihr interagiert. Es darf erfahren, dass es die Umwelt durch das eigene Handeln verändern kann. Es fühlt sich kompetent durch die Erfahrung, die Welt beeinflussen zu können und kann aus dieser Erfahrung zuversichtlich auf neue Herausforderungen zugehen. Die Herausforderungen, die das Kind angeht, sollten dabei in der Komplexität und Schwierigkeit dem aktuellen Entwicklungsstand angemessen sein: nicht zu leicht, nicht zu schwer, sondern gerade so, dass sie tatsächlich zu bewältigen sind mit etwas Anstrengung. Durch das Erlernen eines guten Umgangs mit Frustration kann so auch eine herausfordernde Tätigkeit umgesetzt werden.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und tragen seit über 10 Jahren maßgeblich zur Verbreitung bedürfnisorientierter Erziehung bei. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

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