„Stillst Du eigentlich noch?“, fragte mich kürzlich eine Freundin, „Ich habe Euch nämlich lange nicht mehr stillen gesehen.“ Mein Sohn ist nun 2,5 Jahre alt – und ja, ich stille ihn noch. Ich stille ihn nicht mehr viel und nur sehr selten in der Öffentlichkeit. Nach und nach wurde die Nachfrage nach dem Stillen geringer: er ist mit anderen Dingen beschäftigt und fragt nur in bestimmten Situationen nach der Muttermilch. Daran, in welchen Situationen er jedoch stillen möchte, sehe ich, warum das Stillen eines Kleinkindes auch durchaus heute noch seinen Sinn haben kann.
Stillen von Kleinkindern im Wandel der Zeit
Heute ist es für uns oft ein fremder Anblick, wenn wir Kleinkinder stillen sehen. Wir sind es nicht gewohnt, schließlich werden nur vergleichsweise wenige Kinder über den sechsten Monat hinaus gestillt, noch weniger über das erste Jahr hinaus – und das dann auch selten in der Öffentlichkeit. Vielen kommt der Anblick daher fremd vor, ungewohnt, vielleicht auch unangenehm, da es so unbekannt ist. Dabei ist das Stillen des Kleinkindes eigentlich gar nicht so besonders, wie wir es heute wahrnehmen. Denn Folgemilch oder künstliche Säuglingsnahrung sind in Hinblick auf die Entwicklung der Menschheit recht neue Ersatzprodukte, die Kindern gegeben werden. Herbert Renz-Polster (2012) beschreibt, dass selbst Tiermilch bis vor wenige tausend Jahre nicht einmal anzubieten war. Muttermilch war und blieb das Mittel der Wahl, denn sie ist die von der Natur vorgesehene Nahrung für das Kind, die es mit allem versorgen kann, was es braucht. Dies insbesondere in Zeiten, in denen vielleicht die Nahrungsmittelauswahl eingeschränkt war, die Kindersterblichkeit hoch und die hygienischen Bedingungen eher schwierig. Stillen und die vielen guten Inhaltsstoffe der Muttermilch waren daher die besten Voraussetzungen, um das Überleben der Kinder wahrscheinlicher zu machen.
Heute ist das natürlich in Hinblick auf Hygiene, Kindersterblichkeit und Nahrungsmittelangebot bei uns anders. Die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft haben sich geändert. Nicht jedoch die positiven Eigenschaften der Muttermilch. Die Inhaltsstoffe sind nach wie vor vorhanden, passen sich dem Bedarf des heranwachsenden Kindes an und können es so gut begleiten – auch wenn wir heute durch äußere Faktoren nicht mehr so angewiesen darauf sind wie noch vor 1000 Jahren.
Wofür also Muttermilch heute bei Kleinkindern noch gut ist
Wenn ich mir die Situationen ansehe, in denen mein Kleinkind stillen möchte, wird mir klar, warum auch heute das Stillen des Kleinkindes durchaus noch sinnvoll ist. Die Situationen, in denen er nach Muttermilch fragt, sind: Müdigkeit, Schmerz, Krankheit. Zwar besteht die Muttermilch zu 87% aus Wasser, doch sind darin Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate, wasser- und fettlösliche Vitamine, Zellen, Mineralien und Spurenelemente enthalten – die nicht nur bei Babys ihre Wirkung entfalten, sondern natürlich auch bei älteren Kindern.
Kranke Kinder bereiten Eltern Sorgen. Kranke Kinder haben wenig Appetit, wollen manchmal auch wenig trinken, sind schlapp – und eben krank. Muttermilch bietet ihnen daher sowohl Flüssigkeit (gerade bei Fieber) als auch eine kalorienreiche Quelle, die gut bekömmlich ist und die dazu auch noch immunologische Eigenschaften hat. Sie enthält nämlich Leukozyten, die Kinder aktiv bei der Abwehr von Krankheiten unterstützen, indem sie das Immunglobulin A herstellen. Auch das in der Muttermilch enthaltene Laktoferrin hat infektionsabwehrende Eigenschaften, da es Organismen, die Eisen benötigen, hemmt. Lysozym, das die Darmflora positiv beeinflusst und entzündungshemmend wirkt, steigt im Laufe der Stillzeit sogar immer mehr an.
Wenn der Sohn müde wird, fragt er ebenfalls nach Muttermilch. Dies wahrscheinlich auch aus Gewöhnungsgründen, weil er lange Zeit einfach an der Brust eingeschlafen ist. Auch wenn er sich weh getan hat, fragt er nach dem Stillen. Diese beiden Situationen passen insofern gut zusammen, dass durch das Stillen und den Körperkontakt Oxytocin und körpereigene Opiate ausgeschüttet werden – das Kind beruhigt sich, findet leichter in den Schlaf, kann entspannen.
Daneben hat Muttermilch noch viele andere wichtige Aspekte, doch diese hier sind es eben, die mir bei meinem gestillten Kleinkind gerade besonders auffallen. Die Frage, ob in der Muttermilch nach einer so langen Stillzeit überhaupt noch was drin ist, erübrigt sich damit. Denn ja: Muttermilch ist bei einem Kind von 2,5 Jahren keine Mahlzeit mehr wie bei einem 2 Monate altem Kind. Aber Muttermilch ist immer mehr als Nahrung – am Anfang und auch am Ende der Stillzeit. Ein Kleinkind zu stillen, macht durchaus Sinn. Nein, wir müssen das heute nicht mehr tun. Wir haben viele Möglichkeiten heute, andere Wege zu gehen und jede Frau hat das Recht, für sich und für ihre Kinder den Weg auszuwählen, der zu ihnen passt. Aber es ist auch ein Recht, diesen Stillweg auszuwählen, denn er ist kein Unsinn, kein negatives Verwöhnen oder gar Zeichen einer Bindungsstörung. Es ist ein Weg von vielen und für uns ist es genau der richtige Weg.
Wer noch andere Wege von lange stillenden Müttern lesen möchte, kann bei Nestling, Von guten Eltern oder EinfachKlein vorbei sehen.
Eure
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Schöner Artikel 🙂 Ich kann mir derzeit noch überhaupt nicht vorstellen mit dem Stillen aufzuhören (9 Mon Baby) und habe dafür jetzt schon schräge Blicke bekommen. Allerdings fühlen wir beide uns wohl damit. Auch hat Baby erst seit circa 2 Wochen überhaupt Essen als Nahrungsmittel entdeckt. Wir haben vorher immer mal wieder angeboten das ein oder andere zu essen, sowohl hausgemachten Brei als auch Fingerfood. Beides wurde fleißig bespielt und auch mal ein bisschen gegessen aber eben nie als Still-Ersatz. Vor zwei Wochen passierte es das erste Mal, dass eine Stillmahlzeit ausfiel, weil die Kartoffeln spannender waren.
Wir haben keinen Grund gesehen unser Baby zur Beikost zu drängen und jetzt wird mit viel Freude so ziemlich alles angebotene (und das nicht angebotene Katzenfutter ;)) erkundet und gegessen. Ich bin gespannt wie lange wir stillen, einfach aufhören „weil man das so macht“ werden wir nicht. Danke für den „verlinkbarer“ Artikel für die Zweifler 😉
Mein Baby hat auch erst mit knapp neun Monaten Mahlzeiten, die man als solche bezeichnen konnte, akzeptiert. Vorher wohl interessiert alles angeleckt, aber Hauptsache Stillen, alle zwei Stunden, Tag und Nacht. Das ging ganz plötzlich zurück, und jetzt, zwei, drei MOnate später, haut sie rein.. und ich stille nur noch nachts. Weil sie das so will. Ach, und sie hat praktischerweise die Breiphase fast völlig übersprungen, ich musste nur ganz kurz „extra“ was anbieten, jetzt isst sie alles, was wir essen.
Ein toller Beitrag, der mir derzeit aus dem Herzen spricht, auch wenn mein „Kleinkind“ erst 14 Monate alt ist.
Danke für diesen Artikel 🙂 Meine Tochter ist bald 2,5 und will auch immer noch an die Brust, genau wie bei euch wenn sie müde ist, Schmerzen, Unwohlsein oder Angst hat. Da war es auch nebensächlich, dass in der Schwangerschaft wenig bis nichts mehr an Milch für sie „herum kam“ – und mir ist es deshalb auch recht, denn ich möchte bald Tandemstillen und sie kann selbst entscheiden, wie lange sie es noch braucht. Liebe Grüße!
Liebe Susanne, danke fürs Teilen. Wie so oft machst du mir Mut, ich denke nämlich ich werde mein Baby (8M.) auch noch recht lange stillen. Spannend fände ich auch mal einen Text darüber, wie man mit Menschen umgehen kann, die das ablehnen. Ich meine dabei nicht in erster Linie die komischen Blicke der Fremden oder ferneren Bekannten, sondern Menschen, die einem nahestehen, wie die Grosseltern, Freunde oder vielleicht sogar der Partner. Ich habe einen ziemlichen Respekt davor. Ich finde, es ist leicht, sich ein dickes Fell zu zulegen, wenn es um Leute geht, die einem nichts bedeuten. Aber bei solchen, die einem wichtig sind, scheint mir das sehr schwer. Du wirkst so selbstbewusst mit eurem Weg. Stösst du auch auf Widerstand von Nahestehenden? Wie wirst du damit fertig?
Danke für diesen Beitrag! Dieses Thema ist bei uns gerade ein großes. Ich bin schwanger mit unserem zweiten Kind und stille meine Tochter (1J8M) nur noch ganz kurz nachts. Ich stille sie auch gerne und es stört mich nicht. Nun höre ich aber von allen Seiten, dass ich sie schnell abstillen soll, bis das zweite Kind geboren wird (Oktober). Es sei schlecht für die Schwangerschaft und meine Tochter wird sich dann noch schwerer abstillen lassen, wenn das Baby da ist. Habt ihr Erfahrungen? Freue mich über Eure Meinung.
Meine Tochter ist knapp 18 Monate alt und ich bin gerade dabei sie abzustillen, da im September unser zweites Kind zur Welt kommt. Sicherlich wäre es möglich beide Kinder zu stillen, ich habe nur Pro und Contra für mich abgewogen und mich fürs Abstillen entschieden. Ohne die erneute Schwangerschaft hätte ich meine Tochter sicherlich noch etwas länger gestillt.
Also schlecht für die Schwangerschaft ist es nicht. Was genau daran sollte denn schlecht sein? Tandem-Stillen wird oft als in den ersten Wochen sehr anstrengend beschrieben, danach aber als sehr harmonisch. Schlechter oder besser abstillen lässt sich ein Kind, denke ich nicht, denn es kommt ja darauf an, ob das Bedürfnis noch da ist. Du solltest die Entscheidung von Dir und Deinem Kind abhängig machen und nicht zu sehr auf das Außen hören – auch wenn das manchmal echt schwer ist. Ich hoffe, Du findest euren Weg.
Hallo!
Ich habe in der Schwangerschaft und später Tandem gestillt. Mir hat vor allem der Austausch mit anderen Müttern geholfen – z.B. bei Stillgruppen oder Yahoo-Mail-Listen wie Langzeitstillen und Tandemstillen. Es gab natürlich schwierige und anstrengende Zeiten, körperlich und emotional – und dennoch würde ich es immer wieder so machen.
Herzliche Grüße,
Steffi
Ich freue mich immer über Beiträge, die die Vorteilen längeren Stillens hervorheben. Mein Baby wird in zwei Wochen ein Jahr, also bewegen wir uns noch ganz knapp im gesellschaftlich tolerierten Rahmen, der nach meiner Wahrnehmung ungefähr bis zum Laufenlernen geht. Trotzdem stille ich fast nie mehr in der Öffentlichkeit, allerdings verlangt das Baby es auch nicht, nur zum Kuscheln zuhause und nachts. Muss aber zugeben, dass mich der Anblick auch immer etwas an Game of Thrones erinnert.^^ Allerdings völlig wertungsfrei, kann doch jeder machen, wie er will. Ich finde Stillen einfach schön und freu mich immernoch, dass es so schön klappt. Ich hab übrigens, als die Kleine zehn Monate war, wieder Vollzeit angefangen zu arbeiten und war auf kurzen Dienstreisen (höchstens zwei Nächte/ drei Tage). Wollte nicht deshalb vorher abstillen, also hab ich abgewartet, was passiert.. und sie hat hinterher weitergemacht, als wäre ich nicht weg gewesen. Ich werd solange weiterstillen, wie sie Bock hat und ich damit klarkomme, wie bei so vielem werde ich wohl nicht unbedingt das letzte Wort haben (Familienbett, Tragen.. entscheidet doch eher das Baby als ich) 🙂
Liebe Susanne, ich lese schon seit einiger Zeit deinen Blog und bin immer wieder begeistert mit wie viel Herz du schreibst. Vielleicht gefällt mir dein Blog auch so gut, weil ich mich als Mama darin so gut verstanden fühle! Ich habe einen kleinen zweijährigen Sohn, der ebenfalls noch gestillt wird, mit bei uns im Bett schläft und noch mindestens ein Jahr mit mir Zuhause sein wird! 🙂 Ich freue mich auf mehr tolle Beiträge von dir, sie geben mir mehr Selbstbewusstsein. Alles Gute auch für die bevorstehende Geburt von Baby Nummer Drei ! 🙂 Liebste Grüße, Anne
Liebe Susanne, danke, so etwas zu lesen bestärkt einen immer wieder auf dem richtigen Weg zu sein! Auch ich finde es traurig, wie wenige Mütter ihre Kinder über den sechsten Monat hinaus stillen und finde es schade dass noch immer eine so skeptische Meinung zum LZS vorherrscht. LG, Angelina von https://lieblingswesen.wordpress.com/
Bei uns war das Stillen beide Male eine Vollkatastrophe, woran ich sehr lang zu knapsen hatte. Wir hatten wunderschöne Hausgeburten – und dann das. Nun sind wir Langzeit-Flaschengeber. Wir muckeln uns dabei schön ein, die Kinder können ein bisschen nuckeln, das ist sehr gemütlich und hat auch schon beim Kinderarzt problematische Situationen gelöst (da bringen wir halt in manchen Fällen eine Flasche auf Verdacht mit). So muss jeder seinen bestmöglichen Weg finden.