Gastartikel von Janna Visser
Übergänge sind Teil unseres Lebens. Einerseits die großen, lebensverändernden Übergänge, wie Umzüge, Trennungen oder Schulwechsel. Andererseits die vielen kleinen Übergänge, die unseren Alltag strukturieren, z. B. das morgendliche Aufstehen, das Verlassen des Hauses oder der Abschied vom Spielplatz. Einige dieser Übergänge gelingen uns leicht und voller Freude, einige können uns belasten. Wir geraten in Stress und manchmal beginnen wir sie zu vermeiden.
Wahrnehmung von Übergängen
Viele Übergänge nehmen wir in unserem Alltag als Erwachsene nicht mehr bewusst wahr. Sie sind für uns unsichtbar geworden. Denn je öfter wir einen Übergang erleben, desto mehr wissen wir, was auf uns zu kommt. Wir können für uns sorgen, etwas vorbereiten und entwickeln Routinen.
Für Kinder können alle Übergänge, die für uns Erwachsene nebenbei ablaufen, neu, spannend und herausfordernd sein. Sie entwickeln in unserem gemeinsamen Alltag Strategien für diese Übergänge und haben diverse Ideen, wie sie diese oder jene Situation gestalten könnten. Diese Ideen passen nicht unbedingt zu unseren Plänen, den Verkehrsregeln oder den Grenzen anderen Menschen. Oft ergibt das Verhalten des Kindes für uns zunächst keinen Sinn und wir finden uns wiederholt in ähnlichen Konflikten wieder. Häufig wissen wir nachher gar nicht genau, was der Auslöser eines Streits war.
An der Seite des Kindes
Bei jedem Übergang werden Kinder, wie wir alle, mit unterschiedlichen, teilweise auch widersprüchlichen, Gefühlen von Freude bis Frustration konfrontiert. Deshalb brauchen sie unsere Unterstützung, um im sicheren Rahmen unserer Begleitung selbst zu erfahren, wie sie ihre Gefühle regulieren und mit welchem Verhalten sie ihre Bedürfnisse am besten erfüllen können.
Der erste Schritt für uns Erwachsene ist dabei die grundsätzliche Wahrnehmung von Übergängen, den dazugehörigen Gefühlen und dem eigenen Umgang damit. Dafür braucht es nicht unbedingt die komplexen und schwierigen Übergänge. Wir können von jedem Übergang lernen, welche Handlungen uns unterstützen.
Es ist hilfreich sich bewusst zu machen, dass ein Übergang einen Anfang und ein Ende hat und alle Beteiligten Beginn und Abschluss ganz unterschiedlich wahrnehmen können. Das hängt unter anderem von Faktoren wie dem Wissen und der Verantwortlichkeit für Aufgaben rund um den Übergang ab: Beginnt der Übergang mit der Planung und Vorbereitung eines Ausflugs oder mit dem Verlassen des Hauses? Klare Absprachen bezüglich des Ablaufs und der Zuständigkeiten können Übergänge gleichberechtigt für alle sichtbar machen und Konflikte vorbeugen.
Übergänge und Erwartungen
Abhängig davon wie wir Übergänge wahrnehmen und unsere individuellen Rahmenbedingungen aussehen, bewerten wir Übergänge in ihrer Dringlichkeit, Intensität und Bedeutung. Es kann helfen zu schauen was genau wir über den jeweiligen Übergang wissen, woher diese Informationen stammen und was wir erwarten. Wer welchen Übergang für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse braucht, kann Klarheit für die empathische Gefühlsregulation bei uns Erwachsenen – und auch bei den Kindern – geben. Wenn wir lernen, während eines Übergangs unsere (eigenen) Bedürfnisse zu erfüllen, werden wir entspannter und kreativer bei der Lösung von Konflikten.
Nach dem Übergang ist vor dem Übergang
Wie im Projektmanagement oder Profi-Sport ist es während und nach Übergängen lohnenswert zu reflektieren. Kinder profitieren sehr davon, wenn sie beobachten dürfen, wie wir über Situationen nachdenken, alternative Handlungsmöglichkeiten entwickeln und sie daran aktiv teilhaben dürfen. Je nachdem wie unser Alltag gerade aussieht, gibt es mehr oder weniger Raum und Zeit um seine Gedanken zu sortieren. Hier eine Übung für zwischendurch:
Botschaft an mich selbst
Denke an einen kleinen, alltäglichen Übergang aus den letzten Stunden und erzähle deinem Vergangenheits-Ich in einer Nachricht, einer kurzen Notiz oder einer Sprachnachricht davon. Folgende Fragen können dabei helfen:
– Welches Wissen hätte ich gerne zu dem Zeitpunkt des Übergangs gehabt?
– Was hat mir an meinem Verhalten gut gefallen?
– Wer oder was hat mir in der Situation geholfen?
– Welche Tipps gebe ich meinem Vergangenheits-Ich mit auf den Weg?
Je öfter wir einen Übergang erlebt haben, desto mehr lernen wir für uns zu sorgen. Solche Übungen helfen uns dabei, unsere Anteile bei der Erfüllung der eigenen und kindlichen Bedürfnisse zu erkennen. Wir können so gezielt üben, Ideen und Strategien zu sammeln und dadurch mit Klarheit und Flexibilität Herausforderungen in zukünftigen Übergängen begegnen.
Eure
Janna Visser ist Sozialarbeiterin B.A., Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin M.A. und Mediatorin. Sie arbeitete in der Kinder- und Jugendhilfe, Schulsozialarbeit, Bildungsarbeit sowie Forschung und Lehre. Ende 2022 hat sie sich auf die bedürfnisorientierte Begleitung von Übergängen spezialisiert. Ihr Angebot richtet sich an Familien, Erwachsene und Jugendliche sowie pädagogische Fachkräfte & Firmen. Ein Teil ihres Konzepts ist die solidarische Bezahlung nach Ermessen. Mehr über ihre Arbeit erfährst du auf ihrer Seite oder bei Instagram .