Freund*innen sind uns wichtig. Eine Studie an Erwachsenen im Jahr 2022 ergab, dass für 84 Prozent der befragten Personen gute Freunde und enge Beziehungen zu anderen Menschen der wichtigste Aspekt in ihrem Leben sind. Freundschaften beeinflussen u.a. unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und die Lebenserwartung. Obwohl wir als erwachsene Menschen um die Bedeutung von Freundschaften wissen, messen wir ihnen bei Kindern oft einen geringeren Wert bei. Wir betrachten zwar generell den Einfluss der Gleichaltrigen auf unsere Kinder, aber die Bedeutung individueller Freundschaften in der Kindheit ist oft weniger im Fokus.
Erwachsene geben den Raum für Freundschaften
Zwar kommunizieren und interagieren schon Babys miteinander, aber dies kann noch nicht als Freundschaft betrachtet werden. Erst in der Kleinkindzeit wird das Nebeneinander des Spiels nach und nach zu einem Miteinander und die Spielpartner*innen werden bedeutsamer. Für die Regulation von starken Gefühlen und Konflikten brauchen Kleinkinder ihre Bezugspersonen – im Alltag ebenso wie im Spiel mit anderen. Durchaus gibt es auch Probleme, bei denen man den Kindern die Möglichkeit geben sollte, eigene Lösungen zu finden – auch im Miteinander -, aber wenn dies nicht gelingt oder nicht fair stattfindet, ist noch eine Begleitung durch ältere Bezugspersonen notwendig, damit Kinder lernen, wie Konflikte gut und fair gelöst werden können. Für das Erlernen von Werten, Sozialkompetenzen und auch Empathie ist das Miteinander mit anderen Kindern (und Erwachsenen) sehr bedeutsam.
Empathie muss gelernt werden, und die Rahmenbedingungen von Kindheit sind hierfür ausschlaggebend. Verinselung und Entfremdung vom Umsorgen können sich negativ auf die Empathiefähigkeit unserer Gesellschaft auswirken
Susanne Mierau (2023): Füreinander sorgen, S.134
Auch für das Aufrechterhalten von Kontakten sind Kinder auf ihre Bezugspersonen angewiesen: Freundschaften brauchen Zeit, um sich zu intensivieren. Da Kinder über ihre Zeit und Beschäftigungen nicht frei verfügen können, sind sie darauf angewiesen, dass die Bezugspersonen das Bedürfnis nach sozialem Miteinander wahrnehmen und diesem Raum geben, indem Spielverabredungen getroffen werden oder Plätze aufgesucht werden, an denen sich Freund*innen befinden. So entwickeln sich im Laufe der Kindheit nach und nach feste Beziehungen zu anderen Kindern und im Vorschulalter bzw. beginnendem Grundschulalter gibt es oft bereits feste Freund*innenschaften.
Freund*innenschaften sind Räume für Erfahrungen und Gefühle
Innerhalb einer Freund*innenschaft wird soziales Miteinander gelernt, Diskursfähigkeit geübt und Freund*innen können sich gegenseitig in verschiedenen Entwicklungsbereichen zur Weiterentwicklung anregen: Vielleicht kann das eine Kind besser klettern und zeigt dem anderen seine Tricks dafür, während das andere vielleicht schon Armbänder knüpfen kann etc. Auch wenn Kinder sehr viel Zeit in homogenen Altersgruppen verbringen, weil unsere Strukturen in der außerfamiliären Betreuung und in der Schule das so vorgeben, profitieren sie sehr von Altersmischungen: hier können jüngere von älteren Kindern Kompetenzen erwerben und ältere Kinder Rücksichtnahme erproben. Auch in emotionalen Themen werden Freund*innen im Laufe der Zeit immer bedeutsamer für einen Austausch über Gefühle und gegenseitige Unterstützung.
Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist sowohl für uns Erwachsene wichtig, als auch für Kinder. Ausschluss aus dem Gruppengeschehen schmerzt: Auch wenn es keine körperliche Verletzung ist, kann sozialer Ausschluss ein reales Schmerzgefühl hervorrufen. Kinder weinen, wenn sie „nicht mehr die Freundin von xy“ sind oder ihnen gesagt wird, dass yz nie wieder mit dem Kind spielen will, weil genau das tatsächliche Schmerzen in ihnen hervorruft. Ein „Jetzt stell dich nicht so an“ ist hier nicht hilfreich. Auch ein „Na warte mal ab, das wird schon wieder“ kann kleinen Kindern, die noch nicht über ein gutes Zeitgefühl verfügen, nicht helfen. Hilfreicher ist es, den Schmerz des Kindes erst einmal anzunehmen, sich die Situation erzählen zu lassen und dann (mit Kind) zu überlegen, wie die Kinder wieder zueinander geführt werden können. Manchmal enden Freundschaften auch in der Kindheit: Weil sich die Wege durch einen Umzug trennen oder die Kinder durch die Entwicklung unterschiedlicher Interessen immer weniger Zeit miteinander verbringen und an Gemeinsamkeit verlieren. Ist dies für ein Kind schmerzhaft, braucht auch dieser Schmerz Anerkennung und Trost. Freundschaften sind nicht einfach so austauschbar und ein Abbruch oder langsames Ende einer Freundschaft ist für Kinder oft eine emotionale Herausforderung.
Freundschaften sind wichtig für Kinder. Um sie aber auszubilden und aufrecht zu erhalten, sind Kinder einige Jahre auf ihre nahen Bezugspersonen angewiesen. Diese Berücksichtigung des Bedürfnisses nach sozialen Miteinander ist ebenso wichtig wie andere Bedürfnisbereiche, bekommt aber von Erwachsenen leider oft nicht den Stellenwert zugeschrieben, den es eigentlich benötigt. Wir sollten mehr darauf achten, mit wem unsere Kinder gern Zeit verbringen und verbringen wollen und wie dieser Wunsch umgesetzt werden kann, wenn auch das Gegenüber ein Interesse daran hat. Ebenso sollten wir feinfühliger mit emotionalem Schmerz durch Streit unter Freund*innen umgehen und den Erhalt der so wichtigen Freundschaften unterstützen.
Eure
Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.
Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de
Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.
Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de
Hallo!
Mein 4jähriger Sohn hat feste Freundschaften, die ihm sehr wichtig sind. Er sieht seine Freundinnen und Freunde in der Kita (2 gehen nicht mit ihm, seltener Kontakt), danach auf dem Spielplatz und zu seltenen Spielverabredungen. Wenn es nach den Kindern geht, hätte er nahezu jeden Tag eine Verabredung. Vor allem die anderen haben oft andere Pläne, sodass es langfristig geplante Verabredungen sind. Die Freundschaften beruhen auf Gegenseitigkeit, er wird zu Geburtstagen eingeladen usw.
Unser Sohn ist ein aktives, offenes Kind, dass zB gern seine Lebensmittel teilt und seiner besten Freundin zu ihrem Geburtstag eigenes Spielzeug schenkt.
Gleichzeitig hat er Schwierigkeiten seine Bedürfnisse und Grenzen gut zu erkennen und zu kommunizieren. Er fällt in der Kita durch schubsen und hauen auf. Die große Anzahl der Kinder stresst ihn, obwohl er sich dort auch wohl fühlt und sich einbringt. Dieses Verhalten kennen wir, deutlich seltener, auch von zuhause und vom Spielplatz.
Ich wünsche mit so, dass es ihm gelingt bessere Strategien zu erlernen, er sich im „Notfall“ Hilfe holt und wir ihn gut begleiten können.
Nun schilderte mir eine Mutter, dass ihr Kind/ seine Freundin Angst vor ihm hat. Er traf Aussagen wie „ich möchte Menschen aus dem Fenster werfen“. Ich denke in Momenten der Überforderung und Wut.
Ich habe große Angst, dass mein Kind ausgeschlossen wird und die Eltern (die Verabredungen machen) ihre Kinder anhalten den Kontakt mit ihm zu vermeiden.
Wir versuchen unser Bestes, besprechen uns bekannte Situationen nach, lesen dazu (er wählt auch selbst Bücher dazu), merken aber auch, dass ihm Empathie und Handlungsweisen noch fehlen (was nicht untypisch in dem Alter ist, aber verständlicherweise nicht [positiv] gesehen wird). Hilfe ? ?
Liebe Ines, mit 4 Jahren braucht er ja noch Hilfe und Unterstützung in vielen Bereichen. In der Kita könnte es hilfreich sein, wenn er Rückzugsbereiche hat, um sich etwas zu erholen, wenn es zu viel und zu laut ist. Hier sind Erzieher*innen gefragt.
Auch im Miteinander mit Freund*innen brauchen sie noch Unterstützung. Ab etwa 4 setzen sich Kinder mit dem Them aTod intensiver auseinander, wenn auch noch nicht so wie Erwachsene. Es ist aber ein wichtiges Thema. Gefühle wie Wut werden nch immer nicht wie von Erwachsenen verarbeitet und ausgedrückt. Auch hier ist es wichtig, mit den anderen Erwachsenen ins Gespräch zu kommen, so dass beispielsweise die andere Mutter dann mit ihrem Kind darüber sprechen und das Verhalten deines Kindes erklären kann.