Wie lange dürfen Kinder getragen werden?

Irgendwann schleicht sich dieser Gedanke ein oder wird von anderen Menschen in unsere Gedanken getragen: Nun kannst du dein Kind aber wirklich nicht mehr tragen. Eben war es noch so klein, dass es nicht laufen konnte und auch bei den ersten zaghaften Schritten war noch alles in Ordnung, aber irgendwann taucht die Erwartung und Forderung auf, das Kind müsse nun wirklich durchhalten und laufen.

Worum geht es hier wirklich?

Kinder dürfen natürlich so lange getragen werden, sie es für die tragende Person in Ordnung ist, bequem ist, keine Schmerzen verursacht. Und selbst wenn ein vierjähriges Kind nach einem langen Spaziergang oder dem Nachmittag auf dem Spielplatz „auf einmal“ nicht mehr laufen möchte oder kann, dann ist es in Ordnung das Kind zu tragen. Denn was uns oftmals umtreibt bei dem Gedanken „Das Kind muss doch laufen!“ oder „Jetzt ist es wirklich zu alt, um getragen zu werden“ ist die Angst vor dem Verwöhnen.

Das Verwöhnen: Babys nicht bei jedem Mucks hochnehmen, nicht nachgeben, wenn Kinder etwas anderes wollen, Kinder für die Herausforderungen des Lebens schulen und sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Diese Gedanken sind tief in uns verankert, seit Generationen gehegt und gepflegt. Und selbst wenn wir eigentlich wissen, dass unsere Kinder eben einfach noch kleine Menschen sind mit weniger Kraft, weniger Selbstregulation und darauf angewiesen sind, von uns geschützt und versorgt zu werden, drängt sich die nagende Angst vor dem Verwöhnen und damit der Entwicklung eines kleinen Haustyranns in unsere Gedanken.

Es ist gar nicht so leicht, dem nicht nachzugeben und nicht zu verlangen, dass das Kind etwas tut, was es eigentlich nicht kann: lange Strecken laufen, wenn es erschöpft ist. Wir müssen es uns immer wieder bewusst machen, welche Glaubenssätze und Überzeugungen da gerade in uns arbeiten, wenn wir denken, dass wir unserem Kind nicht nachgeben dürften.

Warum will mein Kind getragen werden?

Manchmal wollen Kinder getragen werden, weil sie müde und erschöpft sind vom Tag. Manchmal haben sie Schmerzen, vielleicht auch vom Wachstum. Manchmal sind sie nicht erschöpft, sondern brauchen einfach Nähe und Körperkontakt, den sie sich durch das Einfordern des Tragens holen nach einem anstrengenden Tag. Manchmal ist der von uns Erwachsenen geforderte Aufbruch zu abrupt und sie klammern sich in Aufregung an uns. – Welcher dieser Gründe es auch sein mag, keiner spricht dafür, dass das Kind einfach nur faul und ungehorsam wäre.

An manchen Tagen können wir unserem Kind, das Zuwendung und Aufmerksamkeit einfordert durch den Wunsch, getragen zu werden, diese Aufmerksamkeit zukommen lassen, indem wir ein Spiel spielen auf dem Heimweg und gemeinsam immer bis zum nächsten Ziel tanzen/hüpfen/schleichen. Manchmal können wir dem Kind über die Hand Kraft schicken. Und manchmal, da ist eben das Tragen das Mittel der Wahl. Weil es kein Machtkampf ist, keine Erpressung, sondern einfach unser Kind, das müde ist. Und wenn es für uns körperlich in Ordnung ist, das Kind zu tragen, dann können wir das ohne Bedenken tun.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

6 Kommentare

  1. Hallo Susanne, vielen Dank für diesen Artikel. Wir haben allerdings momentan das „Problem“, dass unser Kleiner (3,5) praktisch gar nicht laufen möchte, als auch keine kurzen Strecken …. von Spaziergängen ganz zu schweigen, da ist er die ganze Zeit auf dem Arm. Laufrad/Fahrrad/Roller mag er alles nicht…ich möchte jetzt auch den Kinderwagen weglassen (auch darin hält er nicht lange aus)… und Spring-, Hüpfspiele sind auch immer nur von sehr kurzer Dauer… wir tragen ihn eigentlich gern auf dem Arm, aber da über längere Zeit geht das rückentechnisch eben so langsam leider nicht mehr, und leider verleidet uns das so manchen Spaziergang… Sobald wir aus dem Haus gehen, möchte er nach 10 Schritten auf den Arm. hast du einen Tipp, wie wir ihn so langsam an längere Laufphasen gewöhnen können? (Seine große Schwester wollte auch lange getragen werden, aber es war nicht so extrem wie bei ihm). Ansonsten ist er sehr aktiv, nur eben das Laufen mag er nicht.

  2. Guten Tag
    Könne Sie mir sage, was das auf dem Bild für eine Trage (orange, gelb, pink) ist? Mgf

  3. Patrick Roth

    Guten Abend, ich habe das Problem mit dem Tragen, bei Oma/Opa (egal von welcher Seite) und meiner Frau läuft die kleine Maus problemlos. Nur bei mir möchte sie nicht laufen, sondern überwiegend getragen werden. Was kann hier der Auslöser sein, seit meine Kleine auf der Welt ist (1,5 Jahre) verbringe ich möglichst viel Zeit mit ihr. Ich kümmere mich um sie, bade sie, wickle sie, esse mit ihr, bringe sie ins Bett, schmuse mit ihr usw., dennoch fordert sie von mir sehr viel Nähe, überwiegend durch das Tragen ein. Ich bin hier ratlos, gerne würde mit ihr mal spazieren ohne Minuten lange Heulkrämpfe. An der Hand läuft sie zwar mit, aber auch widerwillig und nur unter Geheule. Was kann ich tun?

    Vielen lieben Dank und Grüße

    Patrick

    • Hallo Patrick, das lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen. Ist es denn für dich anstrengend, so dass du sie weniger tragen möchtest oder ist es mehr die Sorge, dass du sie zu sehr verwöhnen würdest oder ihr etwas falsches beibringst? Wenn es der letztere Grund ist, kannst du sie einfach weiter tragen solange es für dich okay ist. Bei ersterem Grund kannst du ihr auch erklären, dass du sie einfach nicht mehr so viel tragen kannst, weil sie zu groß dafür ist und du es nicht mehr über lange Strecken schaffst. Sie wird dann sicherlich etwas traurig sein, aber diese Frustration muss dann erst einmal angenommen und begleitet werden.

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