Tag: 16. Dezember 2018

Geborgenheit an Weihnachten

Nun liegt es vor uns, das große Fest mit nicht selten großen Erwartungen: an die Stimmung, an das Essen, die Geschenke, vielleicht auch an Dankbarkeit und Freude. Weihnachten, so scheint es manchmal, ist mehr zu dem Abhaken von Checklisten geworden als zu einem Fest des gemütlichen Beisammenseins. Aber was war das doch gleich, dass wirklich wichtig an Weihnachten ist?

Ein Rückblick auf das Jahr

Es ist die Zeit des Jahresendes, in der wir ein Stück weit zurückblicken können auf das, was in diesem Jahr erlebt wurde: Was haben wir mit den Kindern erlebt? Was waren die schönsten, was die schwersten Momente? Was waren die besonders schönen Momente des Jahres? Wir können gemeinsam Fotos ansehen aus dem Jahr und uns erfreuen oder auch ein Tagebuch durchblättern. Wir können Geschichten erzählen darüber, über was wir dieses Jahr dankbar waren. Über einen positiven Rückblick kommen wir zur Ruhe und können uns auch ganz auf die Menschen einlassen, über die wir gerade nachdenken und ihre aktuellen Bedürfnisse: Wie hat sich mein Kind dieses Jahr entwickelt, was braucht es deswegen jetzt gerade? Woran sind wir als Eltern gewachsen und was tut uns zu den Feiertagen wirklich gut?

Es sich gemütlich machen

Es sich gemütlich machen bedeutet nicht, dass die Wohnung zwangsweise aufgeräumt erstrahlen muss. Gemütlichkeit kann in verschiedenen Familien ganz unterschiedlich aussehen. Ziel ist, dass wir uns wohl fühlen. Dieses Wohlfühlen hat sicherlich auch mit unserer Umgebung zu tun und hier hat jede Familie eigene Vorlieben. Vor allem aber entsteht es dadurch, dass wir Stress reduzieren: Zur Ruhe kommen, langsam werden. Nicht die 10 verschiedenen Plätzchensorten backen müssen, wenn 1 oder 2 reichen (oder sogar gekaufte). Wir müssen keinen pompösen amerikanischen Weihnachtsbaum haben, um endlich nach viel Stress des Aufbauens und Vor-Kinderhänden-Bewahrens im Licht dessen zu sitzen. Wir können all dies machen, wenn es passt, wenn es entspannt möglich ist, aber wir müssen nicht. Weihnachten ist keine Postkarte, sondern ein Herzensbild.

Abschied vom Perfektionswahn

Worum es also wirklich geht, ist der Abschied vom Perfektionismus, um wirklich zu einem “perfekten” Weihnachten zu kommen: Das Vergleichen nimmt uns so oft die Freude an Dingen: Dort gibt es aber mehr Dekoration, die Geschenke bei den Freunden sind viel ausgefallener eingepackt, überhaupt gibt es bei anderen mehr oder größere Dinge/Bäume/Süßigkeiten. Lassen wir doch zumindest zu Weihnachten das Vergleichen weg und legen uns eine Liste an: Was ist für uns als Familie wirklich wichtig? Was mag jeder Einzelne besonders? Vielleicht ist es für ein Familienmitglied der Rotkohl, für ein anderes die süßen Plätzchen. Ein Kind mag besonders die eine, besondere Weihnachtskugel. Wir können auch einfach die Familie direkt fragen: Was wünscht Ihr Euch an Weihnachten? So kommen wir zu einem individuell zugeschnittenen Weihnachten auf unsere Familie anstatt uns an Pinterest-Moodboards zu orientieren, die wunderschön aussehen, aber vielleicht gar nichts mit unserer eigenen Familie zu tun haben.

Warum wir nicht viele Geschenke brauchen

Ein reich gefüllter Gabentisch und viele tolle, bunt verpackte Geschenke: Natürlich ist das ein besonderer Anblick und lässt Kinderherzen höher schlagen und auch wir Erwachsenen freuen uns über Geschenke. Wir fühlen uns belohnt, fühlen uns bedeutungsvoll, sind begeistert. Doch so wie bei vielen anderen Festtagen im Jahr, an denen punktuell einmal im Jahr die Besonderheit eines Menschen hervorgehoben wird, ist es auch hier viel sinnvoller, den wahren Wert eines Menschen und seine Bedeutung und Wichtigkeit immer wieder fortlaufend auszudrücken und nicht einmal im Jahr durch einen Geschenkeberg. Kinder und Erwachsene brauchen keinen Überfluss, sondern wirkliche Zufriedenheit.

Der Hirnforscher Gerald Hüther beschreibt, dass durch den Kauf von Dingen Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden, die Unzufriedenheit überdecken. Wichtig ist aber nicht, dass wir eine eigentliche Unzufriedenheit kurzfristig überdecken, sondern an dem Kern des Problems arbeiten: Geschenke und Dinge können nicht unsere allgemeine Zufriedenheit herstellen. Das können wir nur durch unseren Alltag erreichen.

Einfach glücklich sein an den Festtagen

Aber wie sieht sie nun aus, die weihnachtliche Geborgenheit und Zufriedenheit? Sie entsteht da, wo wir zur Ruhe kommen und uns nicht leiten lassen von äußeren Einflüssen, sondern nur durch das, was für uns als Familie jetzt gerade richtig ist: Ein Weihnachtsfest kann auch dann einfach rund und schön sein, wenn es “nur” Nudeln mit Soße gibt, weil das gerade für alle Familienmitglieder der entspannte Weg ist. Es reichen wenige Geschenke aus, wenn wir sie dafür schön zelebrieren: Wir sehen einander zu beim Auspacken, bestaunen zusammen das Geschenk und begleiten das Kind bei der Nutzung. Wir sitzen zusammen und spielen und lesen und essen (selbst gemachte/geschenkte/gekaufte) Plätzchen. Wir lassen uns auf die Bedürfnisse der einzelnen ein und schauen genau hin, was wirklich ein inneres Bedürfnis ist und sprechen auch unsere Bedürfnisse aus.

Weihnachten bedeutet vor allem: Zeit haben und Zeit teilen. Denn sich Zeit zu nehmen für einen anderen bedeutet, ihm Geborgenheit und Liebe zu schenken. Und genau um diese Liebe geht es an Weihnachten.

Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik), Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie „Geborgen Wachsen“ ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.