#herzensschule – Wie eine Elternschule sein sollte

Wenn wir Eltern werden, ist es oft nicht einfach am Anfang: Uns fehlen Vorbilder, Hilfen, Unterstützung. Da liegt der kleine Mensch in unseren Armen und ist erst einmal einfach ein Mensch, der kennengelernt werden möchte. Ein Mensch, der ein eigenes Temperament in dieses Leben, in diese Beziehung einbringt. Ein Mensch mit Bedürfnissen, für deren Erfüllung vor allem wir in den nächsten Jahren zuständig sind – und das neben unseren eigenen und dem Umstand, dass wir am Anfang noch gar nicht richtig wissen, wie uns was und warum.

Das Kind verstehen ist manchmal schwer

Was Eltern wirklich oft brauchen, ist tatsächlich eine Art Elternschule: Zu lernen, wie Babys ihre Signale äußern und wie richtig darauf eingegangen wird – und was sie schon selber können. Zu lernen, welche Bedürfnisse Babys und Kinder wirklich haben und was Bedürfnisse und was Wünsche sind und wie wir sie unterscheiden. Zu lernen, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und wir sie anders behandeln sollten, dass sie anders denken und deswegen für sie logisch und folgerichtig handeln. Zu lernen, wie wir mit Wut oder Verzweiflung oder Angst umgehen können und dass wir bei Kindern auf jeden Fall einen anderen Umgang damit brauchen als wir ihn vielleicht von Erwachsenen gewohnt sind. All dieses Wissen, all diese Einsicht, all das Verständnis dafür ist uns über die Jahre und Jahrzehnte abhanden gekommen. Wenn Eltern heute nicht mehr über ein „gutes Bauchgefühl“ verfügen, dann liegt das zu einem ganz großen Teil daran, dass uns das „Bauchgefühl“ auch ein wenig aberzogen wurde. Wir haben verlernt, wie kindliche Entwicklung natürlicherweise ist und dass wir ganz viel Vertrauen mitbringen müssen in diese Beziehung und Leichtigkeit. Wir haben verlernt, dass es ganz normal ist, wenn Kinder das Tempo vorgeben und sie alle auch ein wenig anders sind in ihrem persönlichen Tempo und wir haben verlernt zu wissen, dass es normal ist, dass sie nicht durchschlafen, dass sie selbstgesteuert essen wollen (und können) und dass sie lieber in unserer sicheren Nähe schlafen als in einem von uns als sicher empfundenen Gitterbett.

Es fehlt Unterstützung

Was Eltern heute auch brauchen, sind auch helfende Hände und Unterstützung und Anerkennung. Stress führt zu negativem Erziehungsverhalten und wenn wir durch unsere Rahmenbedingungen angespannt und gestresst sind, bringen die Kinder manchmal das Fass zum Überlaufen mit einem kleinen Tropfen. – Aber eigentlich sind nicht sie das Problem, auch wenn wir das manchmal denken. Kinder sind Kinder. Stress haben wir auch dann, wenn andere uns negativ beäugen: Wenn wir eigentlich liebevoll und einfühlsam sein wollen, uns aber die Augen der Öffentlichkeit unter Druck setzen und wir denken, wir müssten doch den anderen erwachsenen Menschen einen Gefallen machen, indem wir einen Wutanfall unterbinden oder das Kind ermahnen, sich nicht wie ein Kind zu benehmen. Unterstützung bedeutet auch, dass wir alle als Gesellschaft unser Bild von Kindern und Eltern verändern müssen: Wir sollten von Eltern nicht ein harsches Einschreiten in der Öffentlichkeit erwarten, nicht genervt die Augen verdrehen in Anbetracht einer Zugfahrt mit Kindern. Kinder sind Kinder und Bestandteil unserer Gesellschaft. Eltern tun ihr Bestes, um Kinder zu begleiten und wir Menschen drum herum können Eltern darin unterstützen, feinfühlig auf Bedürfnisse einzugehen, wenn wir sie nicht stressen und unter gesellschaftlichen Druck setzen.

Manchmal braucht es Unterstützung und Beratung

Manchmal ist es so, dass sich Probleme festsetzen, dass sie sich ausdehnen. Dass aus einer Kleinigkeit langfristig ein großes Problem wird – oder auch ein großes Problem besteht, das sich auf die Familie auswirkt. Manchmal bringen wir auch aus der Vergangenheit Probleme mit, die sich auf einmal öffnen. Manchmal entstehen Probleme, aus denen Familien nicht mehr von allein heraus kommen. Gerade dann brauchen sie Unterstützung und Hilfe, um wieder zu einem gesunden Gesamtsystem zu kommen. Sie brauchen Menschen, die ihnen die Augen öffnen für die Bedürfnisse und die gemeinsam mit ihnen ansehen, wo genau gerade jetzt etwas in Schieflage ist. Eine Familie ist ein System, auf das sich so viele Faktoren auswirken und Probleme müssen sehr oft aus ganz vielen Blickwindeln betrachtet werden, um eine Lösung zu finden. Familiensysteme sind keine Computer, bei denen schnell eine Festplatte ausgetauscht werden kann. Es gibt meist nicht das eine Rad, an dem gedreht werden kann, damit sich alles verändert. Viele Aspekte greifen in einer Familie zusammen und auf dem Weg zu einer Änderung sollten die kleinen Zahnrädchen alle bedacht werden. So geht Änderung. Häufig nicht von heute auf morgen, sondern langfristig. Häufig ist es dann, wenn wirklich etwas geändert werden muss, ein langer Weg, der nicht selten auch in die eigene Vergangenheit führt der Eltern. Aber all diese Wege sind es wert, wenn sie nachhaltig und langfristig gegangen werden. Wenn sie behutsam gegangen werden und begleitet werden. Schritt für Schritt. Hierfür braucht es Menschen, die Eltern einfühlsam und langfristig begleiten können. Und es braucht Auffangsysteme, die Eltern ermöglichen, eine solch lange Unterstützung niedrigschwellig in Anspruch nehmen zu können. Es braucht Familien und Berater*innen, die über Bindung und Bedürfnisse informiert sind und geschult sind, Familien individuell und bedarfsgerecht zu begleiten.

Eine Elternschule kann es auf vielen Ebenen gut geben: Wir können Vorbilder sein für diejenigen, die Eltern werden. Wir können andere Familien unterstützen, damit sie gut und entspannt ihr Familienleben leben können – durch Akzeptanz, Respekt und Anerkennung von anderen Wegen. Wir können konkret Hilfe anbieten oder Hilfe vermitteln. Wir können Informationen anbieten, damit Menschen ihre Meinung ändern und alte Erziehungsmethoden hinter sich lassen. Gerade auch in der Großelterngeneration ist dies wichtig. Und wir können als Gesellschaft Schutz- und Hilfesysteme etablieren, die im Notfall auffangen. Welcher Weg auch immer benötigt oder gegangen wird: all diese Wege führen über Empathie und Mitgefühl. Das ist es, was Eltern brauchen, um zu lernen. So, wie Kinder auch.

Eure

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7 Kommentare

  1. Wilhelmine

    Liebe Susanne!

    Danke tausendmal, dass Ihr mit dem Video „Herzensschule“ und in den „einschlägigen“ Blogs eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Film „Elternschule“ unternehmt! Danke, dass diese hier in einer Weise stattfindet, wie wir unsere Kinder begleiten und auch unter Erwachsenen miteinander leben möchten: Offen, ehrlich, einfühlsam, gewaltfrei und respektvoll!

    So sehr man sich beim Betrachten einiger Szenen aus dem Film auch hilflos, verzweifelt oder sehr wütend fühlen mag und so schwer das auchzu ertragen sein mag: Ich finde es wichtig, verantwortungsvoll mit dieser Wut umzugehen und nicht selbst in die Falle von Aggression und Machtkampf zu geraten. Hassposts oder Pauschalverurteilungen zu schreiben, wie auf diversen Kommentarseiten geschehen, hilft uns nicht weiter, es nimmt uns die Glaubwürdigkeit! Daher danke, dass Ihr was auch immer gemacht (joggen gegangen, in den Wald geschrien, ne Runde geheult, zusammen mit Freunden diskutiert, die Nase in die Sonne gehalten?) – und DANN geschrieben und gesprochen habt!

    Ich hoffe, das schafft auch Möglichkeiten, in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, was bindungsorientierte „Erziehung“ theoretisch fundiert, konkret und alltagspraktisch bedeutet – und dass das nichts mit ideologischem Sklaventum fundamentalchristlicher amerikanischer Sekten zu tun hat, wie im Kommentar der SZ (der keinerlei journalistischen Standards entspricht) behauptet.

    Einen Nachtrag wünsche ich mir sehr: Vielleicht ist das dem Medium und der Kürze der Zeit geschuldet, aber als Botschaft des Videos bleibt mir hängen „Liebt eure Kinder und holt euch, wenn nötig, Hilfe!“ Richtig. Das aber haben alle Eltern, die in der Gelsenkirchener Klinik waren, doch getan! Ich kann mir vorstellen, dass man sich als betroffene Eltern auf diese Weise missverstanden und an den Pranger gestellt fühlt. Ich möchte ihnen sagen: Danke, dass ihr euch eingestanden habt, Hilfe zu brauchen (denn auch das ist aus unterschiedlichsten Gründen leider nicht immer selbstverständlich) – und dass ihr versucht habt, euch Hilfe zu holen. Dass die Menschen, an die man sich in dieser Klinik hoffnungs- und vertrauensvoll wendet, völlig unagemessene Methoden anwenden, woher soll man das wissen? Wenn „störendes“ Verhalten „erfolgreich“ abtrainiert wurde – wie kann man es da völlig entkräfteten Eltern verübeln, wenn sie erst einmal aufatmen?

    Jetzt ist erst der Anfang des Weges erreicht. Vielleicht ist für alle Eltern nun aber eine Tür geöffnet, noch einmal in sich selbst hineinzuspüren und sich zu fragen: Wie möchte ich wirklich leben mit mir, meinen Liebsten, meinen Kindern, in der Gesellschaft? Was genau und konkret bedeutet es, zu lieben? Was möchte ich lernen und verstehen – welche Hilfe jenseits von „So ‚gewinnst‘ du Machtkämpfe“ brauche ich? Wer kann mich wie unterstützen?

    Gehen wir gemeinsam weiter.. :)!

    • Liebe Wilhelmine,

      Vielen Dank für deine Worte. Ich finde Hinweis mit den Eltern wirklich gut, das ist mir auch schon fast weggerutscht. Du hast recht, sie haben sich Hilfe gesucht. Wahrscheinlich würde mir in der Situation auch Vieles weniger komisch vorkommen, als mit Abstand. Und sicher ist eben auch das Teil des Problems…

      Herzliche Grüße, Rebecca

  2. Liebe Susanne,
    ein guter, gelungener Beitrag-keine Frage! Was mich allerdings etwas stört ist die Annahme, dass uns auch Vorbilder fehlen. Das mag in einigen (vielen) Fällen so sein, in anderen (socher auch vielen) Fällen aber nicht. Auch wenn ich nicht alles 1:1 wie meine Mutter mache (machen will), so gibt es überwiegend positive Erinnerungen und Anregungen. Auch mwine Kinder werfen wohl nicht alles 1:1 von mir übernehmen. Hoffentlich! Denn ich bin ich und sie werden wieder anders sein/ anders leben. Es heißt immer wieder das es ein Dorf braucht um Kinder zu erziehen. Nungut, wenn jedoch andere Leute etwas sagen ist es auch oft falsch. Das verstehe ich wirklich nicht. Ist es nicht auch die Differenz (Ich meine wirklich nicht Gewalt!) die durchaus prägend und vorbildhaft ist? Wie soll man sich sonst wirklich mündig entwickeln?
    Liebe Grüße Anna

  3. Danke danke danke! Wenn es eines ist, was ich durch meine Tochter gelernt habe : Kinder brauchen die Geduld ihres Umfeldes. Und Nähe. Und Menschen, die sich darauf einlassen.
    Sie war kein Schreibaby und ist echt unkompliziert, aber trotzdem haben wir nächtelang zusammen unsere Runden durchs Wohnzimmer gedreht.
    Und ich gebe dir 100% recht damit, dass Stress einer der Faktoren ist, die r Erziehung so schwer machen. Ich beobachte das ganz oft bei anderen (Freunden und Fremden) und teilweise natürlich bei mir selbst. Denn mit dem Druck wächst die Ungeduld.
    Jeder hat seine ganz eigenen Probleme; manche kommen mit dem Elternsein einfach nicht so gut zurecht, dass ein Kind so zeitintensiv ist und man sich manchmal einfach selbst ein großes Stück zurücknehmen muss, merken manche erst wenn sich alles halbwegs eingependelt hat. Oder viele sind auch z. B. auf zwei Gehälter angewiesen um über die Runden zu kommen. Ich lag oft nachts neben dem wachen Kind und dachte daran, dass ich bei Weitem nicht so entspannt wäre wenn ich am nächsten Tag arbeiten müsste.
    Kinder spiegeln sehr oft genau unser Verhalten wieder und das ohne dass wir es merken. Wenn ich zuhause wütend bin oder genervt, ruft meine Tochter oft ganz nachdrücklich „Menno! “ und ich weiß bis heute nicht woher sie das hat. Aber es erklärt genau meine Gefühle in der Situation.
    Deshalb ist es umso wichtiger dass Eltern ihr Verhalten hinterfragen, sich selbst auf den Prüfstand stellen und sich ggf versuchen zu ändern. Die Kinder zu therapieren mit der Brechstange ist doch nur ein herumdoktern an Symptomen, deren Ursprung ganz woanders liegt.

  4. Vanessa Poschen

    Welches Baby schläft denn mit drei Monaten bitte durch? Umd wenn diese Kritiken Do stören,dann scheint den Machern ja nicht gelungen zu sein,was sie mit dem Film bezweckt haben.

  5. Ich weiß, das ist etwas spät, aber… falls du mal den perfekten feelgood-Film für Eltern suchst, sozusagen das genaue Gegenteil von „Elternschule“, dann empfehle ich „Barndom“ („Kindheit“). Das ist ein norwegischer Film, gibts mit englischen Untertitel (deutsch weiß ich nicht), wo ein Jahr lang Kinder in einem norwegischen Waldkindergarten begleitet werden. Es gibt dazu keine Kommentare aus dem Off oder ähnliches, es werden einfach nur die Kids beim Spielen gezeigt in verschiedenen Jahreszeiten, den ganzen Film über, und es ist wundervoll.

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