Wie Du Eltern mit einem Schreibaby helfen kannst

Wenn ein Baby mehr weint als andere, sind Eltern neben der Sorge und der Hilflosigkeit oft noch mit anderen Problemen konfrontiert: Dem Umfeld, das oft wahlweise erklärt, Babys wären eben so und die Eltern zu empfindlich, die Eltern wären nicht entspannt genug oder sie würden etwas falsch machen (Ernährung, Beruhigung/Aufregung, Handling). Doch was Eltern gerade jetzt brauchen, sind Hilfe und Unterstützung.

Schreibabys? Gibt es nicht!

Tatsächlich stimmt es: Schreibabys gibt es nicht. Denn kein Kind ist ausschließlich ein Schreibaby und sollte auch nicht darauf reduziert werden. Wenn wir von „Schreibabys“ sprechen, verlieren wir die vielen kleinen positiven Dinge des Alltags aus dem Blick – und gerade die sind es, an denen sich Eltern von viel weinenden Babys festhalten können und sollten. Denn kein Baby schreit ausschließlich rund um die Uhr. Aber es gibt viele Babys, die sehr viel weinen – mehr als andere. Manche Kinder werden mit einem empfindsameren Temperament geboren: Sie sind von Anfang an empfindsamer, reizempfindlicher, weinen mehr und brauchen mehr geborgene Hülle.

Doch neben dem angeborenen Temperament gibt es noch weitere Faktoren, die Babys viel weinen lassen und die gerade jetzt sehr aktuell sind und weiter werden: Manche Babys weinen nach als anstrengend erlebten Geburten sehr viel, nach Geburten mit vielen Eingriffen oder auch dann, wenn die Mütter die Geburt als sehr anstrengend wahrgenommen haben und sie verarbeiten müssen und es vielleicht schwer fällt, sich auch noch auf das Baby einzustellen. Gerade in Zeiten des Hebammenmangels wird dieses Thema immer wichtiger und brisanter – zumal oft auch die Unterstützung durch Hebammen im Wochenbett fehlt durch den Mangel. Auch Erkrankungen, Schmerzen, Verdauungsprobleme und viele andere Ursachen können einige Babys viel mehr weinen lassen als andere. Es gibt sie wirklich, die viel weinenden Babys.

Entspannte Eltern, entspannte Babys!?

Und so sehr Eltern auch entspannt sind anfangs, können sie dennoch viel weinende Babys haben. Denn der Spruch „Entspannte Eltern, entspannte Babys“ ist nicht immer richtig. Natürlich ist es so, dass Babys die Anspannung ihrer Eltern merken und darauf reagieren – manche stärker als andere. Und auch gerade bei viel weinenden Babys kann ein Kreislauf der Anspannung entstehen. Aber umgekehrt bedeutet es nicht, dass jedes weinende Baby einfach nur unentspannte Eltern haben würde. Genau diese Annahme ist es, die Eltern noch mehr unter Druck setzt, die sie anderen Menschen gegenüber vor Scham verstummen lässt, die einsam macht und noch verzweifelter als zuvor. „Entspannte Eltern, entspannte Babys“ ist oft wie ein Schlag in das Gesicht für Eltern viel weinender Kinder.

Was Eltern mit viel weinenden Babys wirklich brauchen

Als Außenstehende können wir nichts daran ändern, ob Babys besonders viel weinen oder nicht. Aber wir können Eltern unterstützen, denn auch wenn „Entspannte Eltern, entspannte Kinder“ nicht stimmig ist, ist es für die durch das Weinen angespannten Eltern ganz besonders wichtig, Entlastung zu erfahren und unterstützt zu werden. Denn sie sind frisch gewordene Eltern, Mütter, die gerade noch mit den Umstellungen des Wochenbetts hadern und Menschen, die ihr kleines Kind lieben, aber permanent in Alarmbereitschaft sind: Ihr ganzer Körper ist angespannt, ihre Gedanken sind angespannt. Nicht selten schlägt sich die Anspannung des vielen Weinens auf den Körper nieder und äußert sich beispielsweise in einer veränderten, flacheren Atmung, in Schmerzen aufgrund des vielen Tragens und Schlafmangel mit seinen Begleitsymptomen. Was Eltern viel weinender Babys brauchen, ist vor allem Unterstützung in mentaler und körperlicher Hinsicht:

Dinge, mit denen wir Eltern von viel weinenden Babys unterstützen können

1. Keine Schuldzuweisungen

2. Zuhören: ein offenes Ohr für Probleme, eine Schulter zum Ausweinen anbieten. Und Eltern als Experten ihres Kindes ansehen und ihnen vertrauen in ihrer Einschätzung.

3. Entlastung: Viele Eltern viel weinender Babys haben wenige Momente für sich. Unterstützend kann es bereits sein, anzubieten, abends vorbei zukommen und das Baby eine halbe Stunde zu versorgen, damit jemand baden kann.

4. Alltagshilfe: Ein warmes Essen vorbei bringen, den Einkauf bringen.

5. Entspannung: Eltern von viel weinenden Babys fehlt es oft an körperlicher Entspannung. Ein Gutschein für eine Massage zu Hause kann kurz etwas Erleichterung bringen. In der Zwischenzeit anbieten, mit dem Baby im Tuch eine Runde zu laufen.

6. Ein sicherer Hafen sein: Ein viel weinendes Baby zu haben überfordert oft. Wichtig ist, dass Eltern wissen, dass sie in einer Problemsituation das Baby nicht schütteln dürfen, sondern sich Hilfe holen müssen. Weint das Baby von Freunden viel, brauchen sie einen sicheren Hafen: Einen Menschen, den sie rund um die Uhr anrufen können, um Hilfe zu holen oder kurz zu weinen und getröstet zu werden.

7. Raus aus der Isolation: Mit viel weinendem Baby schotten sich Eltern oft ab aus Scham oder weil sie andere nicht belästigen wollen. Oft tut ihnen die Isolation aber nicht gut. Daher: Mit Baby und Freunden spazieren gehen und vermitteln: Es ist okay, wenn das Baby weint.

8. Paarzeit ermöglichen: Nicht selten leidet auch die Paarbeziehung unter der enormen Anspannung. Auch hier ist es gut, das Baby einmal anzunehmen, damit das Paar sich in Ruhe unterhalten oder einfach zusammenkuscheln kann.

9. In Kontakt bleiben: Viele Eltern mit viel weinenden Babys sind voll beschäftigt mit dem Baby und versuchen nebenbei, auch noch ein wenig Haushalt zu erledigen. An Freundschaften denken sie oft in solch akuten Zeiten wenig. Wichtig ist: Nicht abschrecken lassen davon und die Freunde nicht aufgeben, sondern liebevoll beständig vermitteln: Ich bin da, wenn Du mich brauchst und verstehe. Unsere Zeit der gemeinsamen Abende kommt später wieder.

10. Auf gute Dinge hinweisen: Manchmal geht der Blick verloren für die schönen Momente. Es ist gut, Eltern darauf hinzuweisen, auch die positiven Sachen in den Blick zu nehmen: Wie süß das Baby gerade lächelt, wie sanft es sich anfühlt. Auch eine Möglichkeit: Ein Freudetagebuch schenken, in dem die schönen Momente festgehalten werden können, die es in all dem Durcheinander gerade auch gibt.

Eltern mit viel weinenden Babys brauchen dringend Hilfe und Unterstützung und oft können es die ganz kleinen Dinge sein, die helfen. Selbst dann, wenn wir nicht gut befreundet sind und vielleicht mitbekommen, dass das neue Nachbarsbaby besonders viel weint und die Eltern erschöpft sind, können wir Verständnis zeigen und eine Blume, einen Kuchen, eine Tafel Schokolade vor die Tür stellen mit dem Zettel: „Es wird besser. Viel Kraft.“ oder eine andere liebe Geste der Unterstützung zeigen. Geben wir die Unterstützung, die wir geben können und die wir in einer solchen Situation auch gerne hätten.

Eure

9 Kommentare

  1. Danke!!!❤️
    Deine Worte hätte ich vor ca zwei Jahren gut gebrauchen können. Aber auch jetzt tun sie einfach nur gut. Tausend Dank!!!❤️

  2. Ja diese Worte sind absolut zutreffend!

    Und ich kann es ehemaligen Freunden nicht verzeihen, dieses Mitgefühl gar nicht gehabt zu haben.

  3. VeraES

    Obwohl meine Tochter jetzt schon 6 Jahre alt ist kommen mir bei deinem Text die Tränen. Wenn man nicht betroffen ist, kann man sich gar nicht vorstellen in welch permanenter Anspannung / Alarmbereitschaft man über Monate leben muss. Und so süß meine Tochter war wenn sie mal ruhig war, das viele Weinen hat sich tief in meine Seele eingegraben und ich habe leider kaum schöne Erinnerungen an das erste Jahr ( wenn ich Fotos von ihr sehe bin ich immer sehr überrascht, dass es auch friedliche Momente gab)
    Wie gut, dass mir bewusst war, dass Schütteln verheerend ist. Ich habe sie dann ins Bett gelegt, das Zimmer verlassen und laut um Hilfe gerufen. Ich kann (leider) nachvollziehen was einen dazu bringen kann ein Kind aus Verzweiflung zu schütteln.

  4. Hallo Susanne, Danke für diesen Artikel. Unsere Tochter ist mittlerweile 4, aber ich kann mich noch gut an das erste Jahr erinnern. Ein Leben in ständiger Alarmbereitschaft. Es ist tatsächlich so, dass die Alarmbereitschaft ein bisschen geblieben ist… ganz wegwischen kann man diese anstrengende und emotional herausfordernde Zeit nicht ganz.
    Was mir noch fehlt an deiner Auflistung:
    1) Aushalten: Das finde ich GANZ wichtig: Das Schreien des Kindes aushalten. Bei vielen Menschen im meinen Umfeld hatte ich das Gefühl, dass sie es eben nicht ausgehalten haben, wenn unsere Tochter lang und laut geschrien hat. Selbst nervös wurden und schauten, ob uns jemand sieht. Und tausend Tipps gegeben haben. Anstelle einfach nur ruhig da zu sein, vielleicht kurz sagen: Es ist ok, ich halte das aus, du machst das gut. Wie erleichtert und dankbar war ich in unserem Fenkidkurs, als ich nervös unsere Situation schilderte und die Kursleiterin nur meinte: „Es ist hier jedes Baby willkommen und ich halte die Situation aus. Ich freue mich, dass ihr hier seid!“ Das war sooo toll! Und mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich an diese Situation denke.
    2) Nicht nur keine Schuldzuweisungen, sondern auch ein „Du machst das gut“ hätte mir sehr geholfen, aber das hört man leider nur selten. Oft hat man das Gefühl, dass andere denken, oh mann, die ist völllig überfordert. Einmal hat mich eine „Fremde“ angesprochen, die meint: „Ich kenne das, du machst das gut, kann ich dir helfen. Soll ich dir den (leeren) Kinderwagen heimschieben?“. Das war so angenehm.

    • Liebe Katrin, da hast Du sehr Recht. Allerdings glaube ich, dass das Aushalten auch nicht für alle möglich ist, wenn sie selbst dadurch getigert werden. Dann finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn jemand sagt: Das ist mir zu viel, ich kann damit nicht umgehen. Schreien berührt uns sehr und manche eben auch mehr als andere. Wichtig ist, den Eltern deswegen kein schlechtes Gewissen zu vermitteln oder das Gefühl zu geben, sie würden etwas falsch machen, finde ich.

  5. Hallo Susanne, ja da stimme ich dir voll zu. Wenn das Schreien jemand nicht aushält ist es voll ok. Aber dann ist es auch gut dies zu kommunizieren. Das hilft beiden. Umso wichtiger ist es, auch Menschen um sich zu haben, die es aushalten (zumindest bei mir war es so). Ich war dann einfach deutlich entspannter…

  6. Helen murer

    Liebe susanne. Ich musste weinen als ich deine worte las. Es tut soooo gut deine zeilen zu lesen. Die tips sind wirklich sehr wertvoll, denn vor 5 jahren haben wir dies auch so gemacht. Heute kann ich die beziehungen innerhalb unserer familie als schön, eng und lebhaft bezeichnen. Danke.
    Helen

  7. Katrin Colbow

    Ich finde deinen Text zum Thema Schreibabys im Umgang mit der Außenwelt so toll treffend und ehrlich ❤.

    Unser 4.Kind war ein Schreibaby und wir als Eltern haben nach 2 Wochen an uns gezweifelt.
    Wo wir doch mit 3 Kindern doch wirklich Erfahrung haben sollten.
    Aber das kann man nicht vergleichen.

    Mini Nummer 4 hat sich jeden eingeschrieen.
    Und wir haben so gut wir konnten begleitet.

    Und jeder Freund, Bekannte oder Nachbar, war es nicht verständlich was das ist, ein Schreibaby.
    Man trifft auf Unwissenheit und gute Ratschläge.

    Ich hätte mir gerne einen Menschen gewünscht, der einen versteht.

    Aber ich glaube, wir haben auch erst mit Mini Nummer 4 verstanden, was es heißt ein Schreibaby zu haben.

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