Durch die Wut begleiten – Der sinnvolle Weg für Eltern durch Wutanfälle

Wenn Kinder wütend werden, ist es für uns Eltern nicht einfach. Manches Mal werfen sie sich auf den Boden, manchmal stampfen sie „nur“ wütend auf, manchmal schreien oder schimpfen sie. Sie sind wütend, sie wollen ihren Gefühlen Luft machen und man sieht ihren kleinen Körpern an, wie sehr sie von dem Gefühl überrollt werden. Nichts anderes hat mehr Raum, sie sind nicht erreichbar für Worte und Handlungen. Sie können nicht „klar“ denken – sie fühlen ganz und gar.

Auch Eltern denken nicht überlegt in Trotzsituationen

Wenn wir genau in uns hinein hören, stellen wir vielleicht fest, dass es uns Eltern in diesen Situationen auch ein klein wenig so geht und auch wir manches Mal für viele Dinge nicht mehr gut erreichbar sind und nicht mehr denken wie sonst: Auch wir werden sauer, wir wünschen nur noch, dass dieses Verhalten aufhört. So unähnlich ist das Empfinden von Elternteil und Kind in einer Wutsituation manchmal gar nicht. Auch wir können manches Mal nicht mehr überlegt handeln, weil ein Teil unseres Gehirns die Führung übernimmt, der eben nicht für das durchdachte Handeln zuständig ist. Manchmal erschrecken wir uns vielleicht selbst vor den Worten, die uns über die Lippen kommen: Worte aus der eigenen Kindheit, die wir nicht sagen wollten. Handlungen, die wir nicht durchführen wollten. Wir sind unseren Kindern ähnlicher als wir glauben.

Kinder finden durch Strafen nicht aus Problemen heraus

In einer Wutsituation können unsere Kinder nicht anders als wütend sein. Unsere enttäuschten oder verärgerten Worte erreichen sie nicht, unsere Handlungen führen ins Leere. Wenn ein kleines Kind wütend ist, helfen ihm keine Belehrungen, keine Drohungen, keine Strafen. Vielleicht hört es sie nicht einmal richtig. Auf jeden Fall aber wird es das Kind nicht beruhigen, ihm nicht helfen, ihm noch etwas Schlimmeres anzudrohen als das, gegen das es gerade wütet. Wir wünschen uns vielleicht, dass es sein Verhalten schnellst möglichst einstellt, denn natürlich ist ein schreiendes und stampfendes Kind anstrengend für uns. Doch das Kind ist gefangen in einem negativen Gefühl und mit Strafen und Drohungen verstärken wir nur die Ausweglosigkeit und Probleme des Kindes. Keinem Kind ist damit geholfen, wenn wir sagen: „Wenn Du jetzt nicht aufhörst, mache ich das nie wieder mit Dir!“ oder „Wenn Du jetzt nicht aufhörst, darfst Du auch etwas anderes Schönes nicht machen!“ Zu einem bestehenden Problem gesellt sich bei diesem Verhalten ein zweites. Mit Strafen findet kein Kind aus einem Problem heraus. Vielleicht stellt es sein Verhalten irgendwann aus Angst ein, aber nicht aus Verständnis. Es kann nichts daraus lernen, wenn wir es ängstigen oder beschämen, wenn es wütend ist.

Was wirklich hilft: begleiten

Doch es ist wichtig, dass das Kind lernt, mit der Wut umzugehen. Nicht, sie abzuschalten aus Angst, sondern sich zu regulieren, sich zu beruhigen. Dies kann es lernen, wenn wir nicht schreien, sondern begleiten: Wir können sagen, dass wir unser Kind verstehen. Oder wir können das, was wir wahrnehmen, beschreiben: „Du bist wütend, weil…“. Vielleicht können wir einen gemeinsamen Ausweg finden, eine Lösung anbieten: „Oh, du bist zu müde zum Laufen, ich trag dich!“ oder wir können das Kind durch Worte oder Streicheln beruhigen. Doch meist hilft nur, einfach dort zu sein und die Situation anzunehmen. Wir können das zusammen durchstehen: Das Kind in der Wut begleiten, es unterstützen und ihm helfen, sich selbst zu verstehen und zu beruhigen. Und vor allem auch uns selbst beruhigen: Uns sagen, dass die Situation nun so ist und vor uns ein Kind sitzt und kein Erwachsener. Uns vor Augen führen, dass wir jetzt nicht sofort und ganz schnell handeln müssen, dass uns das nicht peinlich sein muss, denn alle Kinder sind immer mal wieder so. Uns daran erinnern, dass diese Stimmen und Gedanken, die uns zu einem Verhalten verleiten wollen, das wir eigentlich nicht wünschen, nicht unsere sind.

Der wirklich sinnvolle und nachhaltig richtige Weg durch einen Wutanfall ist eine Begleitung der Gefühle ohne Bewertung, ohne Ärger, ohne Genervtsein. Denn all diese Dinge können uns nicht helfen, sie verschlimmern nur das Problem langfristig. Aber das Annehmen, Hinsehen und Begleiten helfen dem Kind und auch uns selbst zu einer ruhigeren Zeit und der zukünftigen Möglichkeit, entspannter reagieren zu können.

Eure

15 Kommentare

  1. Was mache ich, wenn mich das Schreien aber einfach nervt ohne dass ich es will, da es ständig vorkommt, auch wenn ich nur darum bitte die Klospülung zu drücken? Es mich rasend, ja sogar aggressiv macht und letztendlich alle anderen, eben auch die kleineren Geschwister darunter leiden müssen? Ich versuche, aber ich kann es auf Dauer einfach nicht..

    • Ja, das ist manchmal wirklich schwer, besonders auch wenn unterschiedliche Temperamente von Eltern und Kinder aufeinander treffen und scheinbar nicht harmonieren. Wenn es Dir sehr schwer fällt, Deine Wut zu kontrollieren, hilft vielleicht ein Elternkurs zum Umgang mit Wut, wo Entspannungstechniken gelernt werden und auch hingesehen wird, warum manche Situationen persönlich so anstrengend sind und wo die eigentliche Wut herkommt

  2. Karina mit Nora

    Liebe Susanne,
    ich habe deinen Artikel gerade gefunden, auf der Suche nach… „Ich kann mein Kind bei Wutanfällen nicht begleiten“. Ich kann es nicht, weil mein Gehirn absolut einstellt. Sofort. Ich bin sehr geräuschempfindlich, das macht die Sache noch schwieriger. Sobald sie „schreit“, weil wütend – ist bei mir Alarmstufe rot. Ich würde am liebsten verschwinden, wegen dem Geschrei. Ich kann’s nicht ertragen. Ich bin nicht ich selbst. Böse werde ich nicht. Aber mein Verhalten ist furchtbar. Vielleicht noch schlimmer. Als wenn ich zurück schreien würde. Manchmal laufe ich einfach davon. Drehe ihr den Rücken zu. Ich schäme mich so. Ich weiß theoretisch wie es geht, aber das Geschrei – ich schaffe es nicht klar zu denken. Ich fühle mich hilflos. Hast du einen Tipp?

    • Du musst Dich nicht schämen, liebe Karina. Je nachdem, was wir für eine Kindheit und andere Erfahrungen hatten, sind unsere Möglichkeiten ganz unterschiedlich. ich finde es toll, dass Du merkst, dass es Dir schwer fällt und du etwas ändern möchtest. Die Ursachen zu finden, warum das Schreien dich sehr belastet, ist vielleicht nicht einfach. Manchmal braucht es dazu therapeutische Unterstützung, um zu klären, woher ein Verhalten wirklich kommt und dann auch zu sehen, wie du gut mit einer solchen Stresssituation umgehen kannst.

  3. Was ist wenn das Ki d nicht begleitet werden will? Ich möchte Sie gern in den Arm nehmen und trösten, Sie haut und tritt mich weg, wird noch aggressiver und schreit uns an wir sollen gehen.
    Was sollen wir denn dann tun? Sie ist 3,5 Jahre.
    Im Nachgang bereden wir die Situation und sie erklärt uns dass ihre Gefühle so stark sind.

    Ansonsten ist der Artikel super.
    Liebe Grüße Mandy

    • Das haben einige Kinder auch in Wutanfällen. Es ist okay, wenn sie es nicht möchte und es selbständig ausprobieren will. Ihr könnt Ihr sagen: Wenn Du uns brauchst, dann sind wir nebenan und kommen sofort. Und dann eben auch verlässlich kommen

  4. Liebe Susanne, ich lese mich gerade durch dein Blog zum Thema Wut. Nachdem die große Schwester dieses Gefühl eher mit großer Traurigkeit in Kombination gezeigt hat und rückblickend doch mit recht wenig impulsiven Reaktionen, zeigt unser Jüngster mit 13 Monaten nun ein recht starkes Temperament. Vorhin wurde die Zahnbürste mit bösem Blick quer durchs Badezimmer geschleudert, weil ich unterbunden habe, sie in die Cremedose zu stecken. Bauklötze fliegen durch die Wohnung, auch die Schwester und wir Eltern wurden schon „geschlagen“. Wir haben das bisher erst einmal interessiert wahrgenommen ohne direkt darauf zu reagieren, weil wir diese Wut so noch nicht kannten. Jetzt stellt sich für mich allerdings die Frage, wie ich mich verhalten soll. Die Schwester ist über das Hauen ziemlich traurig, versteht aber mit 6 Jahren, dass er dies noch Lernen muss und kontert bisher zum Glück auch nicht. Kannst du mir noch einen Artikel empfehlen über den Umgang mit Wut bei so kleinen Kindern? Ich danke dir ganz sehr, viele Grüße Juliane

  5. Liebe Susanne, die Wutausbrüche unserer Tochter (3,5) begleiten uns nun schon, seit sie 12 Monate alt ist. Es ebbt zwischendurch immer mal wieder ab und kommt dann aber mit aller Wu(ch)t wieder. In den schlimmsten Phasen hatte sie 3-4 Wutanfälle von jeweils 30-60 Minuten. Momentan täglich ein heftiger meist zwischen 17 und 18 Uhr, der auch meist 60 Minuten dauert. Unsere schon sehr weit entwickelte Tochter ähnelt dann einem Rumpelstilzchen und ist nicht zu beruhigen. Sie weint nicht, sie brüllt und tobt. Die Gründe, die Sie oben beschreiben, leuchten uns vollkommen ein, oft sind es „banale“ Dinge wie der zerbrochene Keks, jemand hat versehentlich als erster die Jacke ausgezogen oder auf den Ampelknopf gedrückt, das Wasser fließt in die falsche Richtung etc. Wir vermuten, dass meist Müdigkeit oder angesammelte Erlebnisse des Tages, die verarbeitet werden müssen, der eigentliche Grund sind. Wir versuchen zudem, diese Wutanfälle ruhig und verständnisvoll zu begleiten, was aber bei dieser Dauer und Intensität schon sehr an den Nerven zerrt. Auch versuchen wir, ihrer sehr ausgeprägten Willensstärke Raum zu geben und sie viel entscheiden zu lassen, soweit es eben geht. Trotzdem wird es nicht weniger und wir fragen uns woher diese unbändige Wut kommt und warum sie so lange braucht da wieder heraus zu kommen. Sie ist ansonsten kein weinerliches Kind, sondern aufgeschlossen, in der Kita sehr umgänglich, sprachlich sehr weit und äußert sehr klar was sie will und nicht will. Dass Wutanfälle in diesem Alter normal und für die Entwicklung wichtig sind, wissen wir, aber niemand mit dem ich gesprochen habe, kennt das in dieser Ausprägung.
    Übersehen wir etwas? Verhalten wir uns nicht richtig? Vielleicht haben Sie ja einen Rat für uns. Vielen Dank und herzliche Grüße

  6. Liebe Susanne, zunächst ein riesen Dankeschön für all die vielen Texte von Dir, die mich seit Jahren begleiten und mir unglaublich hilfreich sind.
    Meine Tochter ist jetzt 5 und urplötzlich, seit unserem Urlaub, sind ihre wutanfälle, die wir seit ca einem Jahr hinter uns gelassen haben mit doppelter Intensität zurück. Ich kann mir nicht erklären,warum.
    Und all die Techniken die ich für mich im Kleinkindalter gefunden habe gehen natürlich ins Leere. Ich bin verzweifelt und komme an meine grenze. Hast Du vielleicht einen Artikel zum Umgang mit Wut bei etwas größeren Kindern? Ich danke Dir!

    • Liebe Julia,
      ja, mit größeren Kindern ist es etwas anders als mit den kleineren und es reicht oft nicht mehr, dass wir warten, bis sich der Sturm legt, sondern wir gehen in die Diskussion und manchmal dauert ein Streit oder eine Meinungsverschiedenheit auch viel länger als früher. Ich habe keinen Artikel auf dem Blog, vielleicht hilft dir das Buch über die Wackelzahnpubertät vom Gewünschtesten Wunschkind. Ansonsten komm doch auch in unser Forum, da gibt es sicherlich andere Eltern zum Austausch.

  7. Liebe Susanne,

    ich versuche mein Kind (3) durch Wutanfälle zu begleiten. Mein Kind möchte nicht angefassr werden wenn es wütend ist und so setze ich mich daneben und bin einfach da. Meist hört der Zauber irgendwann auf und mein Kind ist empfänglich für Worte.
    Jetzt bin ich allerdings von meinen Nachbarn beim Jugendamt angezeigt worden, weil mein Kind in Wutanfälle sehr laut wütet und nach Mama schreit. Da ich nur daneben sitze wird mir Kindeswohlgefährdung vorgeworfen. Von mir wird verlangt, dass ich das Schreien schnellstmöglich abstelle.
    Auch wenndas Jugendamt nichts gegen uns unternommen hat fühle ich mich jetzt jedes Mal unter Druck, wenn man Kind einen Wutanfall hat. Heute habe ich ihm nach 10 Minuten schreien Gummibärchen und Schokolade gegeben damit es leise ist. Aus Angst vor meinen Nachbarn. Ich weiß gerade nicht mehr wie ich mich verhalten soll.

    Alles Liebe,
    Rebekka

    • Liebe Rebekka,
      das ist wirklich eine schlimme Situation für Dich und Euch. Bist Du schon mit den Nachbarn ins Gespräch gekommen? Vielleicht haben sie wirklich die Sorge gehabt, dem Kind würde es nicht gut gehen (wegen der Mama-Rufe). Und vielleicht kannst Du darlegen, dass es dem Kind gut geht und gerade dein Vorgehen sinnvoll ist. Auch dem Jugendamt gegenüber würde ich das noch einmal thematisieren, denn es ist für euch ja nicht aushaltbar, in Angst zu leben vor dem Jugendamt.

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