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Warum geborgene Kinder keine Tyrannen werden

Gerade häufen sich wieder die Artikel darüber, dass wir Eltern heutzutage Tyrannen groß ziehen würden: Kinder, die Egoisten werden, Narzissten, die verhaltensauffällig sind oder werden. Und dabei spielt immer wieder das Verwöhnen mit hinein in die Argumentation: Kinder würden zu lange gestillt werden, zu lange im Elternbett schlafen dürfen und überhaupt würde es an Erziehung und Disziplin fehlen. Begriffe werden durcheinander geworfen, Eltern, die bindungsorientiert leben werden per se alsHelikopter-Eltern bezeichnet. Eltern werden wieder einmal verunsichert: Ist mein Bauchgefühl richtig oder muss ich mich doch an bestimmten Richtlinien orientieren?

Was ist geborgenes Aufwachsen?

Nein, wir ziehen keine Tyrannen groß, wenn wir unsere Kinder geborgen wachsen lassen. Geborgenes Aufwachsen kann in verschiedenen Familien ganz unterschiedlich aussehen und dennoch hat es eines gemeinsam: Es geht darum, das Kind zu verstehen, seine Bedürfnisse wahr zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren. Geborgenes Aufwachsen hat nichts mit Plänen und Richtlinien zu tun, aber sehr viel mit der Persönlichkeit von uns Eltern und den Persönlichkeitseigenschaften der Kinder.  Unsere Kinder sind in jeder Familie unterschiedlich, unterschieden sich im Temperament vielleicht sogar von Geschwisterkind zu Geschwisterkind. Es ist klar, dass es deswegen keinen einheitlichen Plan geben kann, wie Kinder richtig groß werden. Und auch wir Eltern unterscheiden uns: Ob wir allein erziehen, in Paarbeziehungen oder anderen Konstellationen, wie unsere Temperamente sind. Jede Familie ist irgendwie anders. Es ist die Aufgabe von uns Erwachsenen, unsere Kinder zu erkennen und angemessen auf die zu reagieren. Es geht nicht darum, sie möglichst lange zu stillen oder zu tragen, sondern wirklich auf ihre Bedürfnisse einzugehen nach unseren Möglichkeiten. Wir sind die Erwachsenen, wir sind Vorbilder in unseren Handlungen und wir haben die Fähigkeit, unser Handeln zu reflektieren und auf die Bedürfnisse abzustimmen. Das ist es, was wir wirklich für unsere Kinder tun können.

Wurzeln und Flügel

Wenn wir ihren Bedürfnissen nachkommen, erfüllen wir damit ihre ureigenen Wünsche nach Sicherheit und Zuwendung. Unsere Kinder sind auf uns angewiesen – als Neugeborene und Babys sowieso, aber auch noch als Vorschulkinder und Schulkinder. Sie brauchen uns, unsere Pflege und unsere Unterstützung. Ohne uns Erwachsene könnten sie nicht überleben. Je größer sie werden, desto mehr müssen wir jedoch im Blick haben, wie genau ihre Wünsche aussehen. Neben der Erfüllung der Grundbedürfnisse kommen immer komplexere Bedürfnisse hinzu, derer wir uns klar werden müssen. Je größer sie werden, desto wichtiger werden nicht nur die Wurzeln, die wir ihnen geben, sondern auch die Flügel. Geborgenheit bedeutet nämlich nicht nur, ihnen einen geschützten und liebevollen Rahmen zu geben. Es bedeutet auch, ihnen zu vertrauen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auszuprobieren, eigene Wege zu gehen, auch mal zu fallen und später Missgeschicke zu erleben, die dann zu Hause wieder aufgefangen werden können.

Warum wir gerade keine Helikopter-Eltern sind

Eltern, die ihre Kinder geborgen wachsen lassen und sich an einer sicheren Bindung orientieren und diese als Ziel ihrer Beziehung betrachten, stehen eigentlich sogar im absoluten Gegensatz zu dem, was man heute als „Helikopter-Eltern“ bezeichnet. Sie geben ihren Kindern einen Raum, in dem sich das Kind frei bewegen kann und der sich nach Entwicklungsstand des Kindes immer mehr weitet – mit der Möglichkeit, dass das Kind bei Bedarf zu ihnen kommen kann in den sicheren Hafen. Sie überwachen ihre Kinder nicht, engen sie nicht ein. Aber sie lassen sie auch nicht ganz allein und alles tun ohne Rücksichtnahme. Sie geben ihnen ein warmes Nest und zugleich lassen sie sie auch fliegen. Nicht entweder-oder, sondern beides.

Sie leben ihnen als Vorbild vor, wie man sich anderen Menschen (und damit auch ihnen selbst) gegenüber richtig verhält, welche Bedeutung Empathie im Leben hat und welche Grenzen Menschen haben. Sie bekommen Oxytocin über Zuwendung, welches wiederum dazu führt, dass sie empfindsam mit anderen Menschen umgehen können. Grenzen sind nicht negativ, denn wir alle haben unsere persönlichen Grenzen. Unser Handeln und unsere Fähigkeiten haben Grenzen und in bestimmten Zeitabschnitten brauchen Kinder auch unsere Hinweise, wo ihre Grenzen liegen könnten. Grenzen sind jedoch dann unnütz, wenn sie willkürlich gesetzt werden, wenn sie nicht nachvollziehbar sind. Sie helfen Kindern nicht, wenn sie durch Bestrafung und Bedrohung gesetzt werden. Geborgenes Aufwachsen bedeutet nicht, dass es keine Grenzen geben würde. Doch es bedeutet, dass Eltern Grenzen reflektieren, sie fließend sind und sinnvoll.

Kinder, die so aufwachsen, werden eben nicht zu Tyrannen, zu gefühllosen Egoisten, sondern vielmehr zu zugewandten Personen, die ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten selbst einschätzen können. Sie dürfen erfahren, was Menschlichkeit bedeutet. Menschen, die sich angenommen fühlen in einer Gemeinschaft, die sich einer Gruppe zugehörig fühlen. Wir können unsere Kinder nicht dadurch „verziehen“, dass wir ihre Bedürfnisse im Blick haben. Doch es muss ein ausgewogenes Verhältnis bestehen zwischen Wurzeln und Flügeln.

Fühlt Euch deswegen nicht angesprochen, wenn wieder einmal über das Verwöhnen hergezogen wird und Begriffe falsch ausgelegt oder genutzt werden. Ihr geht Euren Weg mit Euren Kindern, Ihr gebt Freiheit und Zuwendung dafür, dass genau dies auch zukünftig gelebt wird.

Eure

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Die Zeit zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr ist eine besondere Zeit. Die großen Festtage liegen hinter einem, der Jahreswechsel steht bevor. Die Kinder haben Ferien und auch wir Erwachsenen sind meistens im Urlaub. Tage der Ruhe, der Einkehr. Ich erinnere mich daran, dass diese Zeit schon besonders war, als ich noch ein kleines Kind war. Meine Familie war recht abergläubisch und so gab es – wie zu allen Jahreszeiten, Festen und Anlässen – auch für die Tage zwischen den Jahren Regeln: Weiterlesen

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Triggerwarnung: Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Stalking

Wer in diesen Tagen das ZEIT Magazin liest, wird darin eine Geschichte finden von einer Familie: Mutter, Vater und zwei Kinder. Der Mann ist Diplom-Kulturwissenschaftler und seit vielen Jahren in verschiedenen Vereinen aktiv, besonders aber im Netz. Die Frau ist Diplom-Pädagogin. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, Eltern zu begleiten und ihnen einen liebevollen, verbundenen Erziehungsstil nahezubringen. Sie macht dies in Kursen und Workshops und seit einiger Zeit im Internet: Sie schreibt Artikel über geborgenes Aufwachsen, über Elternschaft. Aufgrund der steigenden Reichweite ihres Blogs wird das Bloggen und Schreiben irgendwann zum Schwerpunkt ihrer Arbeit, womit sie auch Geld verdient. So kann sie das, was als Hobby begann, zum Job machen neben der Begleitung ihrer Kinder zu Hause. Sie haben zwei Kinder, die sie sehr lieben.

Hier könnte eine gemütliche Familiengeschichte aufhören. Aber sie tut es nicht: Es ist auch die Geschichte von einem Mann, der realitätsfern dachte, er sei mit dem Familienvater befreundet. Er fühlt sich von diesem Vater verstoßen und versuchte fortan, anonym die Familie zu terrorisieren. 8 Monate lang. Es ist meine Geschichte, unsere Geschichte.

7y14

2014 war das schwerste Jahr meines Lebens. Es war das schwerste Jahr für uns alle als Familie, denn es stellte uns auf die Probe als Paar, als Familie, als Eltern, als Menschen. Es ist nicht so, dass ich nicht vorher durch schwere Zeiten ging. Damals als mein ältester Bruder viel zu jung starb, als meine Großmutter an Krebs erkrankte und starb. Das Leben ist nicht planbar. Ich dachte immer, ich hätte schon viel gesehen und erlebt und es gäbe so schnell nichts, was mich aus der Bahn werfen konnte. Ich habe immer das Glas halb voll gesehen, es geht schon weiter irgendwie. Aber in diesem Jahr kam ich an meine persönlichen Grenzen an das Gute zu glauben und daran, dass irgendwann wieder ein guter Morgen anbrechen würde ohne Angst und ohne Beschimpfungen und Drohungen von einem Menschen, den ich nie im Leben gesehen habe.

Über acht Monate hinweg erhielten wir – mein Mann und ich – anonyme Telefonanrufe oder Anrufe über gefälschte Rufnummern, Essenslieferungen in der Nacht und am Tag, Bedrohungen und Beschimpfungen auf unseren Blogs und per Mail, Gewalt-, Vergewaltigungs- und Morddrohungen. An die gesamte Familie gerichtet. Es lässt sich nicht in wenige Worte fassen, welche Grausamkeit und Angst wir erlebten. Zu Teilen lassen sich die Erlebnisse, Gedanken und Emotionen überhaupt nicht in Worte fassen. Lange Zeit habe ich geschwiegen über das, was wir erlebten, weil mir die Worte fehlten, das Grauen wirklich zu beschreiben. Den dumpfen Schmerz, die Angst, die zum ständigen Begleiter wurde vor einem unbekannten Menschen und seinen Gedanken.

Das Glas ist halbvoll geblieben: Denn es ist auch die Geschichte einer Ehe, die nicht ins Wanken kam. Von einem Paar, das unter großer Not zusammen blieb, sich aneinander lehnte und gegenseitig Kraft gab. Wenn ich in diesem Jahr eines gelernt habe, dann war es, meinem Mann blind zu vertrauen. Ich spürte mehr denn jemals zuvor, wie wichtig Geborgenheit ist und welche Kraft eine Familie geben kann. Und ich erlebte, wie wichtig es ist, von Anfang an bindungsorientiert mit Kindern zu leben, damit sie in schweren Zeiten eine sichere Basis haben. Glücklicherweise konnten wir alle aus diesen Kräften schöpfen.

Es sind Narben geblieben, besonders bei mir. Auch wenn der Täter verurteilt wurde, das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist und ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich dem Menschen einmal in die Augen blicken konnte, der versuchte, unser Leben zu zerstören und ich dabei erkannte, was für ein wirklich armer Mensch er ist. Die Ängste und Verletzungen gingen zu tief, als dass die Zeit sie bisher hätte heilen können. Ich bin froh, dass sie aber an den Kindern vorbeigegangen sind.

Deswegen findet Ihr hier meine Artikel und Beiträge zum geborgenen Aufwachsen. Weil ich fest an eine bessere Zukunft glaube, wenn wir unsere Kinder liebevoll und geborgen aufwachsen lassen. Weil ich mir sicher bin, dass wir auf diese Weise die Welt verändern können und unsere Gesellschaft, wenn wir Liebe geben und teilen. Ich glaube, dass Menschen wie der, der uns so viel Leid zugefügt hat, zu wenig von dem bekommen haben, was wir unseren Kindern heute geben und geben müssen.

Manchmal gehen wir durch schwere, dunkel Zeiten. Es hilft, wenn wir uns in diesen Momenten festhalten können an einer Liebe, die uns verbindet, die uns bedingungslos annimmt – egal in welchem Alter wir sind.

Eure
Susanne_clear Kopie

Wie es zu dem Artikel im Zeit Magazin kam, könnt Ihr bei meinem Mann nachlesen.

Gute Eltern und geborgene Familien – Grundhaltung, Unperfektheit und Lichtfunken

Gerade schrieb Anja darüber, warum sie ihr Blog „Von guten Eltern“ genannt hat und welch merkwürdige Reaktionen sie so manches Mal von LeserInnen zu ihren Texten erhält. Denn ja: gerade Blogs, die eine eindeutige Haltung einnehmen wie unsere sind nicht frei von Kritik, von bösen Kommentaren, von Mails voller Beschimpfungen oder schlimmerem. Für gewöhnlich schreibe ich keine Artikel über das Bloggen, doch in diesem Fall möchte ich eine Ausnahme machen und über die grundlegende Haltung schreiben. Meine grundlegende Haltung als Mutter, Pädagogin und Bloggerin. Weiterlesen