Elternvergleiche: Bei anderen geht alles besser!

Auf dem Spielplatz wandert der Blick zu den anderen Eltern und wir beobachten, wie sie die Wutsituation mit ihren Kindern meistern. In Social Media betrachten wir die Familienalltage der anderen und stellen vielleicht hier und da fest, dass es dort scheinbar viel toller ist, viel mehr Angebote gibt – und diese tollen Geburtstagstorten, die backen wir selbst auch nie. Wir vergleichen uns mit anderen und mit dem Alltag anderer Menschen in ähnlichen Lebenssituationen. Und auch wenn das Vergleichen mit anderen durchaus normal und sogar ein Teil der normalen Entwicklung von Menschen ist, macht uns der beständige Vergleich nicht selten auch das Leben schwerer.

Auf der anderen Seite… ist das Gras ganz anders

Andere Familien leben ein anderes Familienleben. Momentaufnahmen daraus können auf uns eine starke Wirkung haben, weil wir unseren Fokus oft auf die positiven Aspekte der anderen Familie legen – insbesondere auf Social Media werden diese durch die bewusste Auswahl dessen, was gezeigt wird, auch hervorgehoben. Im Vergleich nehmen wir uns und unseren Alltag dann als mangelhaft wahr. Wir verlieren den Blick auf unsere Stärken und Ressourcen und werten uns selbst ab, weil wir Dinge anders machen bzw. diese Vergleichsfamilie Dinge tut, die wir selbst nicht machen.

Wir vergessen dabei, dass Familien nicht gleich sind. Wir haben unterschiedliche Familiengeschichte, unsere Kindheit und unser Aufwachsen unterscheiden sich. Vielleicht haben wir verschiedene Werte vermittelt bekommen und/oder wurden in besonderer Weise religiös geprägt. Wir leben in unterschiedlichen sozioökonomischen Verhältnissen, in unterschiedlichen Familienkonstellationen in der Stadt oder auf dem Land. In unseren Familien kommen unterschiedlich viele Menschen mit verschiedenen Temperamentsdimensionen zusammen. Kurz: Familie ist nicht gleich Familie. Was in einer Familie richtig und stimmig sein kann, ist es in einer anderen vielleicht nicht.

Dass wir selbst Dinge anders machen als andere, spricht deswegen nicht gegen unsere Lebensweise, sondern wahrscheinlich sogar eher dafür: Wir nehmen wahr, was unsere Familie braucht, was wir geben können und gestalten daraus unseren Alltag. Je nach eigenen Themen und Erfahrungen mag es vielleicht sein, dass uns selbst das Begleiten der Wut des eigenen Kindes schwerfällt, während bei der anderen Familie, die wir neidvoll beim Umgang mit dem schreienden Kind beobachten, das Trösten und der Umgang mit Nähe vielleicht ein schwieriges Thema sind. Während wir uns fragen, warum es bei uns einfach nicht so wie anderen funktioniert, dass wir „nur mal eben bis 10 zählen und dann die Wut gut begleiten können“, haben wir vielleicht eine ganz andere Strategie, um uns selbst zu beruhigen – die auch ganz anders sein darf.

Statt Vergleichen: Inspiration holen

Das Vergleichen von Handlungen, Situationen und Ritualen anderer Familien kann sich negativ auf uns auswirken, wenn wir uns dann im Vergleich als mangelhaft wahrnehmen. Langfristig ist es sinnvoll, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass jede Familie auf sie angestimmte Familienrituale und Umgangsformen braucht und ein Vergleich nicht nur nicht sinnvoll, sondern aufgrund der so unterschiedlichen Situationen auch gar nicht machbar ist. „Jede Familie geht ihren eigenen Weg“ ist ein Mantra, das wir uns immer wieder aufsagen sollten. Hilfreich ist es hierfür auch, sich die Besonderheiten, Bedürfnisse und Rituale der eigenen Familie ganz bewusst vor Augen zu führen: Wer sind wir alle und was brauchen wir? Warum machen wir die Dinge so, wie wir sie machen? Ein ressourcenorientierter Blick lenkt uns auf unsere eigene Aktivität, auf unsere Fähigkeiten und Familienkompetenzen.

Mit einem positiven Blick auf uns selbst können wir dann dort Inspiration einholen, wo es für uns hilfreich ist, anstatt andere Wege als Druck zur Veränderung wahrzunehmen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert